11.10.2009 um 19:48 Uhr
Der Monk in mir
Der Länderspielpause sei Dank kann ich diese Woche auf die Abfassung der Liga-Lehren verzichten. Da ich gleichwohl ein unstillbares Mitteilungsbedürfnis verspüre, möchte an dieser Stelle einen Teil meines fußballerischen Seelenlebens preisgeben. Doch eines gleich vorab: Hier geht es nicht um harmlose Gefühlsduselei oder niedliche Psychospielchen, sondern um kratertiefe seelische Abgründe, zu deren Darstellung ich jedoch ein wenig ausholen und mich in die Welt der amerikanischen Krimiserien begeben muss.
So kennt vielleicht der eine oder andere die Krimikomödie "Monk", die sich um den privaten Polizeiberater Adrian Monk dreht, der wegen zahlreicher Phobien und Psychosen aus dem regulären Polizeidienst entlassen wurde. Gleichzeitig sind Auffassungsgabe und Ordnungssinn bei ihm derart stark ausgeprägt, dass er als genialer Detektiv für die ansässige Polizei schlicht unverzichtbar ist. Und obwohl ihn die Ermittlungstätigkeit immer wieder mit seinen panischen Ängsten konfrontiert, kann er dank seiner einzigartigen Spürnase, die sofort jedwede Ungereimtheit und Asymmetrie wittert, auch die verzwicktesten Fälle lösen.
Nun, manchmal fühle ich mich ein wenig wie dieser Adrian Monk. Nein, ich konnte den Ermittlungsbehörden hierzulande bislang keine große Hilfe sein. Und ich bin glücklicherweise auch nicht von derart vielen Phobien geplagt, leider allerdings auch in keiner Hinsicht ein Genie. Aber mein zuweilen fast krankhafter Wunsch nach Ordnung, Symmetrie und Ästhetik offenbart doch unübersehbare Parallelen zu dem US-amerikanischen Serienermittler. In meinem Arbeitszimmer sieht es allerdings genauso chaotisch wie in den meisten Büros dieser Welt aus. Denn seltsamerweise manifestiert sich mein übertriebener Ordnungssinn vor allem und fast ausschließlich in meiner Begeisterung für den Fußball.
Dies fängt schon damit an, dass ich seit eh und je ein grenzdebiler Statistikfanatiker bin, der meint, über jedes Bundesligaspiel Buch führen zu müssen. Mit Mannschaftsaufstellung, Torschützen, Zuschauern und eben allen Details. Auch wenn inzwischen die Statistik jeder Partie der deutschen Eliteklasse im Internet problemlos einsehbar ist, fühle ich mich doch genötigt, meine eigene Ligabuchführung fortzusetzen. Für schlechte Zeiten, wenn das Internet zusammenbricht. Wahrscheinlich aber eher um den inneren Drang nach Sortierung und Verarbeitung zu befriedigen. Und vielleicht ist das auch gar nicht Ausdruck einer Monk'schen Seelenverwandtschaft, sondern Zeichen eines urdeutschen Ordnungsticks. Denn das alles ist leider nur der Anfang.
Die Buchführung selbst unterliegt nämlich wiederum bestimmten Gedankenmustern, die einen geistig normal veranlagten Menschen zweifellos ungläubig mit dem Kopf schütteln lassen. Tritt eine Mannschaft zum Beispiel in zwei aufeinanderfolgenden Partien mit der gleichen Anfangsaufstellung auf, variiert dabei aber die taktische Grundordnung, so kostet es mich ein großes Maß an Überwindung, die neue taktische Aufstellung in meiner Statistik zu berücksichtigen. Lieber würde ich das Schema exakt genauso wie am vorangegangen Spieltag aufschreiben. Denn Kontinuität ist übersichtlich, klar und leicht verständlich, Veränderung dagegen anarchisch, hässlich und verwirrend.
So oder so ähnlich dürfte wohl die tiefenpsychologische Erklärung für meine an sich so unerklärliche Abneigung gegenüber Umstellungen und Veränderungen aussehen. Und das vermag vielleicht auch zu begründen, weshalb mir jedes Mal ein kalter Schauer über den Rücken läuft, wenn unser Bundestrainer einen Neuling in die Nationalmannschaft beruft. Ich will Konstanz, Ordnung, Kontinuität. Und ich verabscheue Kaderübersichten, in denen Spieler mit einem oder gar keinem Einsatz für unser Team geführt werden. Das widerstrebt mir. Denn das ist für mich in höchstem Maße unästhetisch.
Überhaupt ist es wohl dieses tiefe Verlangen nach Ästhetik, das diesen seltsamen Ordnungssinn in mir hervorgebracht hat. Auf dem Spielfeld selbst mag es dabei ruhig ziemlich chaotisch zugehen. Hauptsache die statistische Zusammenfassung bringt die begehrte Ordnung ins Ganze. So missfällt es mir übrigens auch in höchstem Maße, wenn in Siegerlisten Jahr für Jahr neue Mannschaften auftauchen. Wie schön ist es dagegen doch, wenn ein Team (mehrfach) seinen Titel verteidigen und sich entsprechend oft hintereinander in die Siegesliste eintragen kann. Das ist geordnet, das ist ästhetisch, das ist schön. Und genau aus diesem Grund ist mir die Champions League, in der bislang noch keine Mannschaft ihren Titel hat verteidigen können, ein Graus. Ich will Ordnung und System und kein Roulette. Deshalb halte ich bei einem Endspiel, in dem der Vorjahressieger beteiligt ist, immer auf den Titelverteidiger. Ausnahme, wenn meine Bayern als Herausforderer antreten – aber selbst da kann ich mir ein leises Zähneknirschen nicht verkneifen.
Es steckt also wirklich ein kleiner Monk in mir. Das wird schließlich auch darin deutlich, dass ich eine bestimmte Zahlenästhetik favorisiere. Auch ich liebe gerade und runde Zahlen und empfinde Primzahlen als blankes Grauen. Groteske Folge ist, dass die Freude über einen Bayern-Sieg unterschiedlich stark ausfallen kann, je nach Ergebnis (das kann auch ein Nicht-Monk wohl noch nachvollziehen), aber auch abhängig davon, in welchen Spielminuten die Treffer gefallen sind. So ist ein 2:0-Sieg zweifellos rund und schön. Sollten die beiden Treffer aber gleich zu Spielbeginn und womöglich noch in der höchst unästhetischen 7. und 11. Minute gefallen sein, hält sich meine Begeisterung über den Erfolg doch stark in Grenzen. Wie hinreißend kann da ein 2:0 sein, dessen Tore in der gleichsam erotischen wie ästhetischen 28. und in der zwar ungeraden, aber doch so makellosen 63. Minute gefallen sind.
Ja, Ästhetik ist eben doch das (halbe) Leben. Und es ist wohl eben jene merkwürdige Sehnsucht nach dem Wahren, Schönen, Guten, die meine nicht minder seltsame Freude an dem allwöchentlichen Aufstellen von Schiedsrichteransetzungsplänen (->Bulischianti) am Leben hält. Schließlich mündet die logistische Herausforderung, für jedes Spiel den nach allen Bulischianti-Gesichtspunkten optimalen Schiedsrichter herauszufiltern, stets in den Blick auf ein höchst ästhetisches Gesamtkunstwerk, dessen Anmut und Formvollendung allerdings nur Insider zu schätzen wissen.
Mehr Seelenstriptease möchte ich jetzt niemandem zumuten. Vielleicht aber gibt es hier den einen oder anderen Leidensgenossen. Allen Anderen sei gesagt: So schlimm ist das eigentlich nicht. Man kann ganz gut damit leben. Und irgendwie sind wir doch alle zumindest ein bisschen Monk. Oder? Eher nicht. So beknackt sind eben doch nur Wenige…
Monk
So kennt vielleicht der eine oder andere die Krimikomödie "Monk", die sich um den privaten Polizeiberater Adrian Monk dreht, der wegen zahlreicher Phobien und Psychosen aus dem regulären Polizeidienst entlassen wurde. Gleichzeitig sind Auffassungsgabe und Ordnungssinn bei ihm derart stark ausgeprägt, dass er als genialer Detektiv für die ansässige Polizei schlicht unverzichtbar ist. Und obwohl ihn die Ermittlungstätigkeit immer wieder mit seinen panischen Ängsten konfrontiert, kann er dank seiner einzigartigen Spürnase, die sofort jedwede Ungereimtheit und Asymmetrie wittert, auch die verzwicktesten Fälle lösen.
Nun, manchmal fühle ich mich ein wenig wie dieser Adrian Monk. Nein, ich konnte den Ermittlungsbehörden hierzulande bislang keine große Hilfe sein. Und ich bin glücklicherweise auch nicht von derart vielen Phobien geplagt, leider allerdings auch in keiner Hinsicht ein Genie. Aber mein zuweilen fast krankhafter Wunsch nach Ordnung, Symmetrie und Ästhetik offenbart doch unübersehbare Parallelen zu dem US-amerikanischen Serienermittler. In meinem Arbeitszimmer sieht es allerdings genauso chaotisch wie in den meisten Büros dieser Welt aus. Denn seltsamerweise manifestiert sich mein übertriebener Ordnungssinn vor allem und fast ausschließlich in meiner Begeisterung für den Fußball.
Dies fängt schon damit an, dass ich seit eh und je ein grenzdebiler Statistikfanatiker bin, der meint, über jedes Bundesligaspiel Buch führen zu müssen. Mit Mannschaftsaufstellung, Torschützen, Zuschauern und eben allen Details. Auch wenn inzwischen die Statistik jeder Partie der deutschen Eliteklasse im Internet problemlos einsehbar ist, fühle ich mich doch genötigt, meine eigene Ligabuchführung fortzusetzen. Für schlechte Zeiten, wenn das Internet zusammenbricht. Wahrscheinlich aber eher um den inneren Drang nach Sortierung und Verarbeitung zu befriedigen. Und vielleicht ist das auch gar nicht Ausdruck einer Monk'schen Seelenverwandtschaft, sondern Zeichen eines urdeutschen Ordnungsticks. Denn das alles ist leider nur der Anfang.
Die Buchführung selbst unterliegt nämlich wiederum bestimmten Gedankenmustern, die einen geistig normal veranlagten Menschen zweifellos ungläubig mit dem Kopf schütteln lassen. Tritt eine Mannschaft zum Beispiel in zwei aufeinanderfolgenden Partien mit der gleichen Anfangsaufstellung auf, variiert dabei aber die taktische Grundordnung, so kostet es mich ein großes Maß an Überwindung, die neue taktische Aufstellung in meiner Statistik zu berücksichtigen. Lieber würde ich das Schema exakt genauso wie am vorangegangen Spieltag aufschreiben. Denn Kontinuität ist übersichtlich, klar und leicht verständlich, Veränderung dagegen anarchisch, hässlich und verwirrend.
So oder so ähnlich dürfte wohl die tiefenpsychologische Erklärung für meine an sich so unerklärliche Abneigung gegenüber Umstellungen und Veränderungen aussehen. Und das vermag vielleicht auch zu begründen, weshalb mir jedes Mal ein kalter Schauer über den Rücken läuft, wenn unser Bundestrainer einen Neuling in die Nationalmannschaft beruft. Ich will Konstanz, Ordnung, Kontinuität. Und ich verabscheue Kaderübersichten, in denen Spieler mit einem oder gar keinem Einsatz für unser Team geführt werden. Das widerstrebt mir. Denn das ist für mich in höchstem Maße unästhetisch.
Überhaupt ist es wohl dieses tiefe Verlangen nach Ästhetik, das diesen seltsamen Ordnungssinn in mir hervorgebracht hat. Auf dem Spielfeld selbst mag es dabei ruhig ziemlich chaotisch zugehen. Hauptsache die statistische Zusammenfassung bringt die begehrte Ordnung ins Ganze. So missfällt es mir übrigens auch in höchstem Maße, wenn in Siegerlisten Jahr für Jahr neue Mannschaften auftauchen. Wie schön ist es dagegen doch, wenn ein Team (mehrfach) seinen Titel verteidigen und sich entsprechend oft hintereinander in die Siegesliste eintragen kann. Das ist geordnet, das ist ästhetisch, das ist schön. Und genau aus diesem Grund ist mir die Champions League, in der bislang noch keine Mannschaft ihren Titel hat verteidigen können, ein Graus. Ich will Ordnung und System und kein Roulette. Deshalb halte ich bei einem Endspiel, in dem der Vorjahressieger beteiligt ist, immer auf den Titelverteidiger. Ausnahme, wenn meine Bayern als Herausforderer antreten – aber selbst da kann ich mir ein leises Zähneknirschen nicht verkneifen.
Es steckt also wirklich ein kleiner Monk in mir. Das wird schließlich auch darin deutlich, dass ich eine bestimmte Zahlenästhetik favorisiere. Auch ich liebe gerade und runde Zahlen und empfinde Primzahlen als blankes Grauen. Groteske Folge ist, dass die Freude über einen Bayern-Sieg unterschiedlich stark ausfallen kann, je nach Ergebnis (das kann auch ein Nicht-Monk wohl noch nachvollziehen), aber auch abhängig davon, in welchen Spielminuten die Treffer gefallen sind. So ist ein 2:0-Sieg zweifellos rund und schön. Sollten die beiden Treffer aber gleich zu Spielbeginn und womöglich noch in der höchst unästhetischen 7. und 11. Minute gefallen sein, hält sich meine Begeisterung über den Erfolg doch stark in Grenzen. Wie hinreißend kann da ein 2:0 sein, dessen Tore in der gleichsam erotischen wie ästhetischen 28. und in der zwar ungeraden, aber doch so makellosen 63. Minute gefallen sind.
Ja, Ästhetik ist eben doch das (halbe) Leben. Und es ist wohl eben jene merkwürdige Sehnsucht nach dem Wahren, Schönen, Guten, die meine nicht minder seltsame Freude an dem allwöchentlichen Aufstellen von Schiedsrichteransetzungsplänen (->Bulischianti) am Leben hält. Schließlich mündet die logistische Herausforderung, für jedes Spiel den nach allen Bulischianti-Gesichtspunkten optimalen Schiedsrichter herauszufiltern, stets in den Blick auf ein höchst ästhetisches Gesamtkunstwerk, dessen Anmut und Formvollendung allerdings nur Insider zu schätzen wissen.
Mehr Seelenstriptease möchte ich jetzt niemandem zumuten. Vielleicht aber gibt es hier den einen oder anderen Leidensgenossen. Allen Anderen sei gesagt: So schlimm ist das eigentlich nicht. Man kann ganz gut damit leben. Und irgendwie sind wir doch alle zumindest ein bisschen Monk. Oder? Eher nicht. So beknackt sind eben doch nur Wenige…
Monk
Aufrufe: 7254 | Kommentare: 54 | Bewertungen: 32 | Erstellt:11.10.2009
ø 8.8
KOMMENTARE
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14.10.2009 | 11:15 Uhr
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uh1963 : genial, RESPEKT!
Respekt für die Selbsterkenntnis!
Dieser Blog erspart dir ein bis zwölf Sitzungen beim Psycho. Und entsprechende Kommentare bekommst du hier zum NULL-Tarif.
Und haben wir nicht alle eine Macke? DOCH!
Die einen wissen um diese, die anderen nicht.
Die einen geben es zu, andere nicht.
Warum nicht?
Weil's ihnen unangenehm ist? nicht erwähnenswert erscheint? oder gar nicht bewusst ist?
Völlig Banane, muß jeder selbst mit klar kommen.
Eins noch!
Anders Denkende sollte man nicht gleich ausschließen wollen, denn die machen es doch erst interessant, das Leben...
10 points
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15.10.2009 | 16:00 Uhr
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Büchsenmacher : Was soll dazu sagen
Im Arbeitzimmer Chaios
und beim Hobby alles in
schönster Ordnung.
Die Sache mit der Symetrie und
den Primzahlen geht mir zu weit ,
ist aber glaube ich behandelbar!
Tolles Ding Auch wenn es einigen
nicht gefällt 10 Punkte
PS Du willst doch nicht diese
durchgeknallte Type als Grabredner oder ?
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Statistik
na mehr dazu stehen als in diesm blog geht ja nicht. ist doch das totale outing. ging doch hier nur um eine gewisse inkonsequenz, die es zu begründen galt. mehr nicht. :)