Noch ist es nicht passiert. Noch klammert sich Hamburg an einen Strohhalm mit dem Namen "Relegation". Sollte diese gegen Fürth schief gehen, fällt ein Verein, der Synonym für Tradition und Geschichte ist, endgültig in die klaffende Schlucht der zweiten Liga, die schon viele Traditionsvereine verschlungen hat. Ein eigentlich undenkbares Szenario, auch jetzt noch, wo nur zwei Spiele über alles entscheiden. Der HSV ist ein Verein, der seit Jahren alten Triumphen hinterher hinkt. Anspruch und Wirklichkeit klaffen meilenweit auseinander im hohen Norden. Ständige Unruhe, ein marodes Präsidium und der Overload der Einflüsse der vielen Trainer, haben den HSV an den Rande des Desasters geführt, das die Bundesliga-Uhr schon bald zum Stoppen bringen könnte. Wie die Katastrophensaison verlief und welche Einflüsse dazu geführt haben, dass ein 89 Millionen-Euro-Kader jetzt um das Gesicht und die Zukunft des Weltvereins HSV spielen muss, hat vielerlei Gründe, die komplex und vielschichtig sind. Eine Analyse.
Präsaisonale Verfehlungen
Grundlegendes
Im April 2010 stand der HSV zuletzt in einem europäischen Wettbewerb auf dem Rasen. Damals unterlag man im Europa League Halbfinale Fulham, das kurioserweise ebenfalls eine Seuchensaison hinter sich hat und trotz Magath, Holtby und Mitroglou abgestiegen ist. Die Protagonisten hießen damals Rost, Boateng, Petric, Jarolim und Zé Roberto - obwohl erst vier Jahre her, eine andere Dekade in der Vereinsgeschichte.
Seitdem fehlt der große Name HSV in Europa. Vereine wie Mainz 05, der SC Freiburg und Eintracht Frankfurt haben es seither ins internationale Geschäft geschafft, in der Hansestadt dagegen war der Konsens der Schlagzeilen seitdem stets eher negativ. Den traurigen Höhepunkt erhielten die vergangenen vier Jahre 2014. Fehler, die dem Fundament erste tiefe Risse verpassten, wurden jedoch bereits vor der Saison begangen.
Schatten der Vergangenheit
Der erste war die Transferperiode 2012. Um wieder an frühere Glanzzeiten anknüpfen zu können, wollten Arnesen und Fink mit einem Schlag einen Premium-Kader zusammen stellen. 27 Millionen Euro und fürstliche Gehälter steckten den Rahmen der gewaltigen Investition ab, die das Erreichen des internationalen Geschäfts unabdingbar machte. Spieler wie Van der Vaart, Adler, Jiracek, Badelj und Rudnevs sollten tragende Säulen einer homogenen Mannschaft werden.
Das Vorhaben misslang, Hamburg wurde nur 7. und verpasste Europa, was vor dieser Saison den Druck auf Fink und Kreuzer (kam für Arnesen) noch einmal anwachsen ließ. Europa musste nun erreicht werden, was auch Klubboss Jarchow unmissverständlich klar machte: "Mindestens Platz sechs ist das Ziel. Ohne Wenn und Aber." Eine Aussage , die Unruhe im sowieso schon teilweise chaotischen Klub-Umfeld vorprogrammierte. Der zweite war die Aufgabe einer Identität zugunsten des schnellen Erfolgs. Transfers anstatt vom Setzen auf die Jugend, schnelle Trainerwechsel und eine Reihe unglücklicher Finanz-Deals ließen den HSV gesichtslos in die Saison starten.
Das Management
Das Zentrum der Fehlerkette vor der Saison war zweifelsohne das Missmanagement von Oliver Kreuzer, der nicht nur im Sommer 2013 eine mehr als unglückliche Figur abgab. Das laut Fink "eingespielte und hungrige Team" hätte für die Umsetzung des "Europa-Plans" einiger Korrekturen bedurft, an deren Verwirklichung Kreuzer auf ganzer Linie scheiterte. Im auf van der Vaart zentrierten System sollte Djourou das fehlende Puzzleteil werden, das den holländischen Star entlasten und das Niveau der Defensive in puncto Aufbau und Ballkontrolle auf ein neues Niveau hieven sollte.
"Er ist erst 26, aber schon seit acht Jahren bei Arsenal", lautete Kreuzers Statement zu seiner zum Königstransfer deklarierten Personalie. Neben Djourous Verletzungspech, für das Kreuzer nichts kann, sticht vor allem ein Defizit am Transfer des Schweizers ins Auge. Zwar ist er ein starker Zweikämpfer und ein technisch und taktisch guter Innenverteidiger, schnell ist er aber nicht, was Kreuzer und den HSV-Scouts in den Spielen Djourous für Hannover auf gefallen sein müsste. Finks Idee vom Teampressing und einer hohen Innenverteidigung bedarf allerdings unbedingt schneller Spieler im Zentrum.
Kreuzers Fehler als Startpunkt der Misere
Eine Anforderung, die auch Sobiech überhaupt nicht in seinem Repertoire aufweist. Und Westermann, dem einer der beiden assistieren sollte, ist sowieso nicht mit hoher Geschwindigkeit gesegnet. Aufzufangen versuchte man diesen Missstand mit dem 18-jährigen Tah, der im Abstiegskampf des Traditionsvereines aber trotz großem Talent überfordert war. Für Finks Idee vom Spiel seiner Elf hätte Kreuzer zudem einen spielstarken Stürmer und einen Sechser, der Badelj die Drecksarbeit abnehmen würde, in den Fokus seiner Verhandlungen legen müssen. Mit Zoua holten er und Fink einen großen Angeifer, der schnell ist und körperlich gut arbeitet. Ins Anforderungsprofil passt er nicht. Und auf der Sechs vertraute man dem Trio Arslan/Badelj/Rincon - eine grobe Fehleinschätzung, denn die Offenheit im Zentrum war eines der vielen größeren Probleme.
Die Schwächen in der Außenverteidigung entstanden vor allem durch die Verfehlungen des Mittelfeldes, sind also nicht unbedingt Schuld des Managements. Calhanoglu ist neben dem später geholten Lasogga der einzige Transfer Kreuzers, bei dem die positiven Aspekte überwiegen, was aber an der Qualität des Deutsch-Türken liegt und keineswegs an der Weitsicht des Managers. Denn Calhanoglus Revier ist eigentlich das Zentrum, ein Platz, der von Van der Vaart fest reserviert war.
Neben den Sommertransfers muss man sich als Außenstehender fragen, warum man Spieler verlieh, die bei ihren neuen Vereinen sofort tragende Rollen einnahmen. Gemeint sind Aogo, Skjelbred und Rudnevs.
Natürlich kann man vor allem bei letzteren Beiden argumentieren, dass die Leihen taktischer Natur waren. Warum der als technisch-limitiert und kreativlos gebrandmarkte Rudnevs bei Hannover plötzlich im Kombinationsspiel brillierte und der als Durchschnitt betitele Skjelbred bei Hertha plötzlich als kluger Stratege gefiel , sind neben glücklicher Fügung auch Fehler des Trainerteams und des Managements. Auch Aogo spielte bei Schalke bis zur Verletzung wie befreit, während Jansen ein fester Bestandteil der defensiven Löchrigkeit war.
Natürlich muss differenziert werden, denn Kreuzer alleine die Kader-Schwächen anzukreiden wäre Schwarz-Weiß-Malerei. Einen gehörigen Anteil an der Unausgewogenheit und der nicht auf Finks Spielstil ausgerichteten Zusammenstellung des Kaders hat auch Arnesen, der das Team aufblähte und völlig falsch Prioritäten setzte.
Die Taktik
Die Fink-Taktik
Zu Beginn der Saison ließ Fink einen eigentlich interessanten Mix aus 4-2-3-1 und 4-2-4-0 spielen, der trotz spannender Ansätze die eklatanten Schwächen schon zu Beginn der Saison schonungslos offenlegte und eine Verunsicherung und Unruhe entstehen ließ, die Hamburg bis jetzt nicht mehr loswerden konnte. Fink setzte auf Calhanoglu als fluiden und beweglichen Mittelstürmer, der durch Rochaden mit van der Vaart und den Außen Zoua und Beister Lücken reißen und schelle Pässe im letzten Angriffsdrittel ermöglichen sollte.
Das System, das auf Ideen der falschen Neun und Chancen-Kreierung durch verwirrende Positionswechsel fußte, war in der Theorie brillant, in der Realität allerdings nicht funktionstüchtig. Denn die Offensive presste sehr früh und ließ nachdem sie überspielt wurde Räume in ihrem Rücken frei, die in den ersten Spielen sowohl von Schalke (3:3), als auch von Hoffenheim (1:5) gnadenlos ausgenutzt wurden. Stratege Badelj und Arslan waren mit dem Antizipieren und Schließen ebendieser Räume heillos überfordert, eine Tatsache die auch auf die Abwehr zutraf, in der sowohl Novize Sobiech, als auch Abwehrchef Westermann und die viel zu hoch verteidigenden Außenverteidiger Jansen und Diekmeier individuell nicht bundesliga-tauglich agierten.
Hohes Pressing als Genickbruch
Nach nur einem Punkt aus drei Spielen reagierte Fink gegen Braunschweig und installierte mit Jiracek einen weiteren Defensiv-Akteur, der im neuen 4-4-2 mit Raute Gegenstöße über die rechte Seite abfangen sollte. Der Schachzug ging auf und Hamburg gewann 4:0. In der Hansestadt verstand man den Sieg als Weckruf, der die lästigen Start-Schwierigkeiten vergessen machen und das "Projekt Europa" nun mit voller Konzentration voran treiben sollte. Dass Fink die taktischen und individuellen Schwächen nur kaschiert und keineswegs ausgemerzt hatte, ahnten wenige.
Wie tief die Probleme gingen zeigte sich im nächsten Spiel gegen den BVB, als Finks taktisches Experiment grandios schief ging und den Trainer bereits nach fünf Spieltagen den Kopf kostete, was die Angespanntheit zu diesem noch frühen Zeitpunkt gut verdeutlicht.
Der ehemalige Basel-Coach wollte als Premium-Taktiker für einen Paukenschlag sorgen und schickte in Dortmund eine Dreierkette im 3-5-2 auf den Rasen. Der HSV verlor nach teilweise vogelwilden Defensiv-Aktionen mit 6:2. Die Umstellung von der Dreierkette zur Fünferkette bei Ballbesitz von Dortmund misslang ebenso wie die Zentrums-Verdichtung. Auch Finks Korrekturen zur Pause gingen schief.
Wenige Tage später wurde er entlassen, zu groß war die Panik, die Europa League erneut zu verpassen. Nach einem müden 0:2 gegen Bremen unter Interimstrainer Cardoso wurde mit van Marwijk die angekündigte große Lösung präsentiert. Der Ex-Bondscoach schien das Rüstzeug mit zu bringen, um den 16. Platz schnell zu verlassen und mit schönem Fußball Jagd auf Platz sechs zu machen.
Die Van Marwijk-Taktik
Der Holländer sollte die defensive Balance wieder her stellen und vor allem van der Vaart durch eine Neu-Justierung besser ins System einbinden und die Defensiv-Schwächen des Holländers taktisch auffangen. Von Beginn an arbeitete er akribisch an der Umsetzung seiner Taktik und schrieb Sicherheit als neues oberstes Credo aus. In seinem 4-4-1-1 ordnete er die Hierarchie neu und versuchte mit guten Ansätzen den Fink-Fußball mit den gleichen Spielern in einen geordneten und erfolgreichen van Marwijk-Fußball zu verwandeln.
Innen setzte er auf Djourou und Tah, Westermann rückte nach rechts außen. Im Mittelfeld wurde das Zentrum Badelj/Arslan flankiert von Calhanoglu und Zoua/Beister. Vor der zweiten Viererkette agierte Van der Vaart, der von defensiven Aufgaben weitgehend befreit wurde und die taktische Defensiv-Konzeption nun weniger gefährden sollte. Im Sturm setzte der Niederländer auf den Notkauf Lasogga, einen bulligen Mittelstürmer, der einen starken Kontrast zum fast stürmerlosen Fink-System darstellte. Offensiv sollten klare Aktionen zum Erfolg führen. Lasogga als Wandspieler und Calhanoglu als oft zum zweiten Zehner werdender Außenbahnspieler kamen dabei entscheidende Rollen zu.
Auffällig im Vergleich zu Fink ist vor allem die neue Ausrichtung der Sechser, die deutlich tiefer verteidigten und das Zentrum dicht machen sollten. Defensiv kontrastierte van Marwijk erneut Finks Taktik, denn sein tiefes und sehr dichtes 4-4-2- Pressing hatte mit dem hohen Pressing und dem Risiko unter Fink wenig zu tun. Der HSV stabilisierte sich schleppend, im Umfeld schob man das auf die Eingewöhnungszeit des Trainers und der neuen Taktik. Nachdem man zwischenzeitlich auf Platz 11 geklettert war, stürzte man bis zur Winterpause wieder auf den bedrohlichen 14. Rang ab. Der Blick ging dennoch noch immer nach oben.
Sicherheit als oberstes Credo
In der Rückrunde sollte alles besser werden und die neue Identität weiter verfeinert werden. Man gab der neuen Taktik Recht: 3,0 Gegentore waren es im Schnitt unter Fink gewesen, nur 1,58 bisher unter van Marwijk. Auch wenn der Rückstand auf Platz sechs zur Pause zehn Zähler betrug, schien das Wunder nicht unmöglich. Kritische Stimmen, die den drohenden Abstieg thematisierten gab es ebenfalls genug, die meisten jedoch aus externen Kreisen. In der Winterpause reagierte Van Marwijk auf Kreuzers Fehler vor der Saison und holte mit Bouy einen jungen Sechser, dessen Repertoire beeindruckend erschien und mit John einen schnellen Flügelstürmer, der für mehr Klasse in der Offensive sorgen sollte. Vier Spieltage, vier Niederlagen und 13 Gegentore (Schnitt: 3,25 Tore) später wurde der Holländer entlassen. Was war passiert? Was war aus der sicheren Taktik, was aus den Strukturen geworden? Der Abwärtstrend lässt sich wohl am besten als Zusammenkommen dreier Faktoren beschreiben:
1. Individuelle Fehler
2. Wiederkehr der Konteranfälligkeit durch Auseinanderziehen der Sechser
3. Negativ-Spirale durch drohenden Abstieg
Auf Platz 17 stand der HSV zum Zeitpunkt von van Marwijks Entlassung. Längst ging der Blick panisch nach oben auf Rang 15. Innerhalb von vier Spielen hatte sich akute verbreitet. Es wurde Mirko Slomka geholt, der Ex-Hannoveraner sollte den Abstieg mit allen Mitteln verhindern und in der nächsten Saison das Team verändern, um dann behutsam wieder anzugreifen.
Die Slomka-Taktik
Was für ein Einstand! Mit einem 3:0 gegen den BVB entfachte Slomka nach nur einem Spiel bereits wieder die Euphorie an der Elbe. Der Klassenerhalt des "neuen HSV" schien nur eine Frage der Zeit zu sein. Taktisch und personell krempelte Slomka vieles um. Sechs neue standen gegen Dortmund im Vergleich zum Braunschweig-Spiel in der Startelf. Im 4-4-2 verhalf er Rajkovic zu seinem Saison-Debüt und ersetzte die van marwijkschen Flügelspieler John und Ilicevic/Zoua durch die deutlich defensiveren Jiracek und Rincon, während das Zentrum von Badelj und Arslan gebildet wurde.
Ein Vorteil, so drastisch es klingt, war sicherlich auch die Verletzung Van der Vaarts (Bänderriss), durch die Calhanoglu endlich seine Rolle als Halbstürmer frei interpretieren konnte. Aus einem kompakten Mittelfeld ließ Slomka schnell und direkt umschalten. Anstatt nach gefälligem Ballbesitz ausgekontert zu werden, wollte er selbst kontern.
Personelle Rochaden und Konter
Von den nächsten 12 Spielen gewann Hamburg nur zwei und belegte am Ende Platz 16. Auch hier kann man die Gründe in drei Kategorien einteilen:
1. Verhinderung des Slomka-Mittelfeld-Pressings vieler Teams
2. Individuelle Fehler
3. Nicht-Greifen des Konzepts durch viele Änderungen
So klasse Slomkas Ideen gegen Dortmund funktionierten, so schief gingen sie oft in den Spielen danach. Denn als taktisches Kollektiv-Konstrukt versagte vor allem das Mittelfeld zu oft. Van der Vaart nach seiner Rückkehr spielte noch schlechter als vor seiner Verletzung und Slomka hielt bald nicht mehr an seinem 4-4-2 fest, zu groß war der Druck, zu groß der Impuls nach einer Niederlage etwas zu ändern. Das Spielermaterial war nicht gemacht für den Slomka-Fußball, die große Frage lautet: Ist das Material überhaupt passend zu irgendeinem System? Die individuellen Fehler und die wie unter Fink und van Marwijk offenbarten taktischen Unstimmigkeiten legen den Schluss nahe, dass ein Kader ohne echte Idee wohl auch unter der Führung eines Guardiolas Schiffbruch erlitten hätte. Noch dazu, wo der Kern der Mannschaft von Beginn an fester Teil der schlechten Leistungen war, anstatt einigen Jungen oder Neuzugängen ein Halt zu sein.
Van der Vaart, Adler & Co - Wie das Gerüst zusammenbrach
Individuell hat der HSV mit Sicherheit eine bessere Mannschaft als ein Großteil der anderen Teams des unteren Tabellendrittels. In der taktischen Unausgewogenheit zerbrach in der Seuchensaison das auf dem Papier eigentlich starke Grundgerüst der Mannschaft nach allen Regeln der Kunst. Nationaltorhüter Adler patzte ungewohnt oft und strahlte de facto keine Sicherheit aus. Abwehrchef Westermann agierte völlig verunsichert und war ein Schatten seiner selbst. Und van der Vaart beschwerte das Team eher, als das er ihm half. Auch Jansen spielte als hätte es den unbeschwerten Nationalspieler vom FC Bayern nie gegeben. Dass alle Säulen des HSV ihre Bezeichnung nicht verdienten, kann nicht nur am Abwärtstrend und den taktischen Mängeln liegen, sondern an den Spielern selbst, von denen die meisten längst nicht mehr das sind, was sie einst waren.
Adler: Der Torhüter hatte einen festen Platz im Kader für Brasilien und war einer der besten Torhüter der Bundesliga. Selbstredend, dass er in Hamburg eine der Stützen werde sollte. In dieser Saison wollte er den HSV als Rückhalt nach Europa führen. Dieser Plan misslang vollständig. Die Anfälligkeit bei Kontern und die daraus resultierende Flut an Gegentoren verunsicherte Adler von Beginn an. Der Doppeldruck, sich für die WM zeigen zu wollen und es nach Europa schaffen zu wollen, war zu viel für den Schlussmann. Gegen Schalke, Braunschweig und Augsburg patzte er schwer, sein schwaches Jahr wird durch ungewohnte Schwächen bei Flanken und Distanzschüssen komplementiert.
Westermann: Der Abwehrchef spielte wochenlang katastrophal, ehe er sich unter Slomka halbwegs stabilisierte. Im Spielaufbau Fehler, in der Rückwärtsbewegung mangelhaft. Dazu hat er beim Antritt und der Spritzigkeit stark abgebaut. Undenkbar, dass er noch im November letzten Jahres für Deutschland auflief. Westermann hat seinen Zenit überschritten und wird wohl nie wieder an beste Tage bei S04 heran reichen.
van der Vaart: Welch eine traurige Saison für den so begnadeten Techniker. Der Spielmacher hat bewiesen, dass er in einer taktisch arbeitenden Bundesliga-Mannschaft mit Elementen wie Gegenpressing und hohem Laufaufwand nicht mehr tragbar ist. In der Hinrunde rechtfertigte er seinen Star-Status noch mit Toren. In der Rückserie spielte er grausamen Fußball, strahlte kaum Gefahr aus, verschleppte das Spiel und war defensiv ohnehin ein Störfaktor, wie ihn Teams wie Augsburg und Mainz niemals akzeptieren würden.
Jansen: Stockfehler, ungenaue Flanken, aberwitzige Laufwege und defensive Mängel: Das Zeugnis eines ehemaligen Nationalspielers, der sich vor der Saison berechtigte Hoffnungen auf eine WM-Nominierung machen durfte sollte anders aussehen. Die seit vielen Monaten stets abwärts verlaufende Karriere Jansens dürfte in der kommenden Saison die bis dato schwierigste Spielzeit erleben, in der Jansen zeigen muss, dass er noch überdurchschnittlich Bundesliga-Fußball spielen kann.
Die Führungsetage - Zwischen Chaos und HSV-Plus
Es war teilweise schlimmer als in amerikanischen Fernsehserien. Eine von Eigen-Interesse und differenten Ansichten zerfressene Führungsetage gab dem HSV im Abstiegskampf weder Halt, noch versuchte sie gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Stattdessen focht der Aufsichtsrat einen Machtkampf auf dem Rücken des sportlichen Aspekts aus, der letztendlich einen beträchtlichen Anteil des Aufsichtsrates zurück treten ließ. Der Machtkampf, der tobte, beinhaltete die Kluft zwischen den Konservativen, die Hamburg als Unternehmen mit wirtschaftlichen Interessen betrachten und einer liberaleren Gruppierung, welche Fans stark mit einbinden will und Transparenz als neues Credo fordert.
Quadratur des Kreises
Ebenfalls zwiegespalten war und ist die Meinung vom Konzept HSVPLUS, das eine Umstrukturierung des Vereins vornehmen will. Wichtigster Punkt ist dabei die Ausgliederung der Lizenzspielerabteilung. Am 25. Mai wird final darüber entschieden, ob das Konzept umgesetzt wird. Mit HSVPLUS und Slomka wieder Kontinuität zu schaffen und einen großen Verein mit starken Führungsfiguren und klarem Stil zu kreieren, ist eine Mammutaufgabe für die Zukunft, die Zeit und vor allem Vertrauen benötigt. Faktoren, die in der Hansestadt seit Jahren nicht mehr verankert sind im Vereins-Bewusstsein. Dass Hamburg wieder zum Dauergast in Europa wird, könnte bei all den Fehlern der Vergangenheit, die längst Kontrolle über den HSV übernommen haben, zur Quadratur des Kreises werden. Dann wird der April 2010 noch länger die Zeit bleiben, in der zuletzt international gespielt wurde.
Ein Mahnmal für einen Verein, der gezeigt hat, wie man sich zugrunde richtet. Und der in wenigen Tagen endgültig abstürzen kann. In nur zwei Spielen gegen Greuther Fürth.