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19.04.2010 um 14:48 Uhr
Der Tod des Justin F.
Hat Homosexualität einen Platz im Fussball?
Diese Frage wird seit langem in unzähligen Interviews, Reportagen und Diskussionen behandelt. Dieser Blog wird auch gar nicht versuchen, dieses komplexe Thema in all seine Einzelteile zu zerlegen, denn die Geschichte eines Mannes namens Justin Fashanu sagt darüber genug und viel mehr aus als jede Expertenmeinung.


Die fussballerische Laufbahn des Justin Fashanu ist auf den ersten Blick nicht besonders dramatisch.

Der Engländer wird 1979 mit jungen 17 Jahren bei Norwich City zum Fussballprofi und gilt schnell als Riesentalent. In seiner dritten Saison erzielt der großgewachsene, athletische Stürmer 22 Treffer, eines davon macht ihn landesweit berühmt: Fashanu erzielt mit einem spektakulären Drehschuss gegen Liverpool das "BBC Goal of the Season".



Das Tor läuft wochenlang auf jedem Sender, ein kommender Star ist geboren. Nottingham Forrest, damals als frischgebackener Titelverteidiger des Europapokals der Landesmeister noch eine große Nummer im europäischen Fussball, greift sich das Juwel im Sommer 1981. Fashanu wird mit 20 Jahren zum ersten schwarzen Fussballer, für den in England eine Millionensumme gezahlt wird und steht kurz vor dem Schritt zum Superstar.

Doch aus dem erhofften Durchbruch wird ein Desaster:
In Nottingham bringt er es nur auf 3 Treffer in 31 Einsätzen und wird nach nur einer Saison abgeschoben. Im weiteren Verlauf seiner Karriere wird aus dem Talent ein Wandervogel: in den folgenden 15 Jahren spielt er für 19 Vereine auf der ganzen Welt, hat mit permanenten Knieproblemen zu kämpfen und beendet seine Karriere schließlich wenig glamourös mit 37 Jahren im amerikanischen Atlanta.

Ein hoffnungsvolles Talent, das hoffnungslos unterging. Als schnell verglühten Stern am Fussballhimmel unterscheidet Fashanu oberflächlich betrachtet nicht viel von ewigen Talenten wie einem Ricardo Quaresma, einem Alvaro Recoba oder Lars Ricken.



Doch Justin Fashanu ist schwul.

Und sobald die ersten Menschen das mitbekommen, bekommt der Fussballer Fashanu Probleme.
Zu seinen Zeiten in Nottingham kommen immer wieder Gerüchte auf, dass der Fussballstar häufig in Schwulen-Nachtclubs unterwegs ist. Brian Clough, nicht gerade ein Vertreter der sanften Trainersorte, ist der vorlaute, charismatische und schlagfertige Fashanu von Anfang an ein Dorn im Auge. Als er die Gerüchte mitbekommt, will er ihn loswerden.
Clough nennt Fashanu vor versammelter Mannschaft "eine verdammte Schwuchtel" und suspendiert ihn vom Trainingsbetrieb. Als der sich weigert, das Gelände zu verlassen, ruft der Trainer die Polizei, die Fashanu schließlich abführt.

Die Gerüchte halten an, und die Gerüchte sind wahr. Nach jahrelangen Verspottungen und Anfeindungen entscheidet er sich 1990, mittlerweile die besten sportlichen Jahre zwar lange hinter sich, doch immer noch aktiv, zum Coming-out.



"Eine Million Pfund teurer Fußballstar: Ich bin schwul" titelt die Sun-Zeitung.

Fashanu sieht in seinem Outing einen Befreiungsschlag, eine Erlösung vom jahrelangen Versteckspiel. Doch das öffentliche Geständnis bringt wenig überraschend verheerende Auswirkungen mit sich: Medien und gegnerische Fans verhöhnen ihn, die schwarze Gesellschaft nennt Fashanu einen Verräter und Freunde und Bekannte wenden sich von ihm ab.

Am schlimmsten aus Justins Sicht ist das Zerwürfnis mit seinem Bruder John. Beide wurden in Nigeria geboren, von ihren Eltern in ein Waisenhaus abgegeben und später von einem englischen Paar adoptiert.
John ist ebenfalls Fussballprofi und will das Coming-out seines Bruders kurz vor der Veröffentlichung mit aller Macht verhindern, er bietet ihm 80.000 Pfund, die Summe, die die Sun für die Story zahlt, wenn Justin auf die Sache verzichtet. Doch der lässt sich nicht beirren, und John bricht den Kontakt ab: "Mein schwuler Bruder ist für mich ein Ausgestoßener" sagt er.

Spottende Medien, anfeindende Fans, ausstoßender Bruder. Derselbe Mensch, der 10 Jahre zuvor noch ein gefeierter Hoffnungsträger war, ist nun auf einen Schlag auf sich allein gestellt.
Man kann durchaus darüber streiten, ob Fashanu selbst einen Anteil daran hat, denn es ist bekannt, dass er einige Geschichten um angebliche Affären erfunden hat, um in die Zeitungen und an leichtes Geld zu kommen. Dass er gerne im Mittelpunkt steht und es anfangs teilweise genießt, aufgrund seiner Homosexualität derart in der Öffentlichkeit zu stehen. Doch das ändert nichts daran, dass ihn seine sexuelle Orientierung und sein Bekenntnis dazu zum Außenseiter machen und dass Schwulsein und nichts anderes der einzige Grund für die Isolation Fashanus ist.



Fashanu wandert schließlich in die USA aus und beendet hier seine Karriere. 1998 wird er der Vergewaltigung beschuldigt und flüchtet nach England. Es wird berichtet, dass er per internationalem Haftbefehl gesucht werde. Fashanu verfasst daraufhin in seinem Versteck folgende Notiz: "Als öffentliche Person schwul zu sein, ist hart. Ich habe niemanden vergewaltigt. Ich bin weggerannt, weil ich als Homosexueller vorverurteilt wurde. Bevor ich meinen Freunden und meiner Familie weiteres Unglück zufüge, will ich lieber sterben."

Als er einmal nach dem wahren Grund für sein Outing gefragt wurde, gab Fashanu an, dass ein ihm bekannter, homosexueller Teenager von seinen Eltern aus dem Haus geworfen wurde und sich daraufhin das Leben nahm. "Ich wollte etwas positives dafür tun, dass solche Selbstmorde aufhören, also habe ich mich entschieden als gutes Beispiel voranzugehen."

Sein Vorhaben ist gescheitert.
Am 2. Mai 1998 wird Fashanu selbst tot in einer Garage gefunden.
Er hat sich erhängt.

Später wird sich herausstellen, dass es keinen Haftbefehl gab und das Verfahren aufgrund mangelnder Beweise schon eingestellt war.

John Fashanu sagte nach Justins Tod, dass er sich mitschuldig am Tod seines Bruders fühlt und erklärte sein ablehnendes Verhalten mit folgenden Worten, die wohl stellvertretend für viele andere stehen:

"Ich glaube wir alle fürchten uns vor dem, was wir nicht verstehen."





Aufrufe: 71317 | Kommentare: 91 | Bewertungen: 186 | Erstellt:19.04.2010
ø 9.6
KOMMENTARE
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grenzdebil
20.04.2010 | 14:47 Uhr
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grenzdebil : 
20.04.2010 | 14:47 Uhr
-4
grenzdebil : 
Auch wenn der Text stilistisch etwas holprig ist und die Moralkeule für meinen Geschmack mindestens einmal zu häufig gezückt wird und vor allem obwohl die Story "yesterday's news" beinhaltet - gegenüber dieses Blogs können mir alle "Liga-Lehren", alle "Alternativen Listen" und jegliches Gejammer über "UFC" gestohlen bleiben.

Meine Hochachtung.
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FabianPramel
20.04.2010 | 14:49 Uhr
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-2
20.04.2010 | 14:49 Uhr
-2
toller blog. 10 punkte dafür. feedback ist genügend gekommen. da kann man sich eigentlich nur anschließen...

darum sage ich hier was zum kommentar von laputabarcelona (seite 2):
ich habe nichts gegen schwule und dennoch ist mir kempter ein dorn im auge. nicht wegen seiner homosexualität (falls er es ist) sondern, weil er dieses verhältnis zu amerell erst veruteilt hat, als er fifa-schiedsrichter wurde.

aber das ist ja wiederrum ein anderes thema... nur du solltest nicht jedem user der nicht pro kempter ist vorwerfen, er würde hier mit einer doppelmoral agieren.
3
LordRevan
20.04.2010 | 14:50 Uhr
3
-8
LordRevan : 
20.04.2010 | 14:50 Uhr
-8
LordRevan : 
hammer blog 10 P.
ich würde keinem raten sich zu outen die karriere kannse dann vergessen^^ ich warte immer noch drauf bis jogi löw, arne friedrich und miro klose sich outen^^
3
Essey
20.04.2010 | 14:52 Uhr
10
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Essey : 
20.04.2010 | 14:52 Uhr
-2
Essey : 
LordRevan:

wann outest du dich ?
10
Propagandhi
20.04.2010 | 14:55 Uhr
7
-1
20.04.2010 | 14:55 Uhr
-1
@Essey

Danke dafür!
7
Tobster12
20.04.2010 | 15:03 Uhr
1
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Tobster12 : 
20.04.2010 | 15:03 Uhr
-4
Tobster12 : 
Super Blog. Wichtiges Thema!!!!
Hab nur ne Frage, war für seinen Selbstmord die Beschuldigungen er hätte nen 17 Jährigen zu irgendwas gezwungen nicht auch mit ausschlaggebend?
1
ninjotic
20.04.2010 | 15:50 Uhr
3
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ninjotic : 
20.04.2010 | 15:50 Uhr
0
ninjotic : 
dankeschön für diesen blogeintrag! für genau solche artikel/beiträge sind blogs goldwert! 10 pkt.
3
Famos
20.04.2010 | 15:51 Uhr
2
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Famos : 
20.04.2010 | 15:51 Uhr
-1
Famos : 
10 points! und ich verteile nicht wie andere user bei jedem blog 10 points.
2
Neo88
20.04.2010 | 16:29 Uhr
1
0
Neo88 : 
20.04.2010 | 16:29 Uhr
0
Neo88 : 
Riesen Blog...Kannte Fashanu überhaupt nicht..Aber das was ich hier gelesen habe sollte einen echt zum Nachdenken anregen.. 10 Punkte
1
KaraKartal
20.04.2010 | 16:33 Uhr
3
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KaraKartal : 
20.04.2010 | 16:33 Uhr
0
KaraKartal : 
Chapeau!

Dieses Thema wurde bisher ganz selten oder überhaupt nicht aus so einer bewegenden Perspektive aufgegriffen. Es macht einen sehr nachdenklich.
Ich persönlich bin eine gläubige Person, in meiner Religion werden Homosexuelle auch verachtet, wie in jeder monotheistischen Religion. Aber wir leben in einer eigentlich "aufgeklärten" Gesellschaft und in einem Wertesystem, wonach die Freiheit das höchste aller Werte ist. Die Freiheit ermöglicht es uns überhaupt uns zu entfalten und das Leben zu führen wie wir es möchten. Solche Menschen verdienen trotz ihrer sexuellen Neigung Respekt und Anerkennung, wie alle Anderen auch.

Und wir als Fussball- bzw Sportfans sollten uns endlich klar werden, dass Homosexualität kein Verbrechen ist!
3
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