25.12.2010 um 06:52 Uhr
Der Weihnachtsfrieden
Als im Jahre 1914 Weihnachten vor der Türe stand, konnten für eine große Zahl junger Männer jene Werte, für die das Fest steht, nämlich Nächstenliebe, Besinnung, Harmonie, nicht weiter weg sein.
Fast genau ein halbes Jahr zuvor waren der österreiche Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie in Sarajevo ermordet worden. Danach stellte Österreich der serbischen Regierung ein Ultimatum, dessen Bedingungen von serbischer Seite aber nicht gänzlich akzeptiert wurden. Österreich erklärte Serbien kurz darauf den Krieg, und da dadurch mehrere staatliche Bündnisse zum Greifen kamen, befand sich kurze Zeit später die halbe Welt im Krieg. Österreich gegen Serbien, Deutsches Reich gegen Russland und Großbritannien, dazu unzählige Verbündete aus aller Welt auf beiden Seiten – jeder gegen jeden. Der Erste Weltkrieg.
Nachdem die Deutschen das neutrale Belgien angegriffen hatten, um Frankreich vom Norden erobern zu können, wurde ihnen von Großbritannien der Krieg erklärt, da diese sich Belgien im Vorfeld zum Schutz verpflichtet hatten. Und so kam es, dass mehrere hunderttausend deutsche und britische junge Männer an Heiligabend nicht in feierlicher Stimmung zuhause bei ihren Familien weilten, sondern mitten im Krieg an der Westfront in Belgien, bei klirrender Kälte und gerade mal 50 bis 100 Meter vom Feind entfernt, ständig in Lebensgefahr, ständig im Todeskampf.
An Heiligabend aber sollten die Waffen stillbleiben. Aufgrund des feierlichen Anlasses und durch die Nähe zwischen den Schutzengräben beider Seiten kam es zu ersten, zaghaften Kontaktaufnahmen zwischen britischen und deutschen Soldaten, zunächst in der belgischen Stadt Ypern, danach an mehreren weiteren Bereichen der Westfront. Nachdem sich deutsche Soldaten in an der dortigen Front auf ihrer Seite versammelt, Weihnachtsbäume aufgestellt und Weihnachstlieder angestimmt hatten und dafür von den Engländern sogar Applaus gespendet bekamen, wurde noch an Heiligabend zwischen den Parteien ausgemacht, am nächsten Tag die Waffen ganz ruhen zu lassen, um die Gefallenen zwischen den Schützengräben bergen zu können.
Und so intensivierte sich der friedliche Kontakt unter Feinden am Tag darauf noch weiter. Nachdem die gefallenen Kameraden in Massengräbern begraben und gemeinsame Andachten gehalten wurden, kam es im Laufe des Tages zu schon fast freundschaftlichen Szenen: die Soldaten unterhielten sich, tauschten kleine Geschenke wie Zigaretten oder Konserven aus, lernten sich kennen.
"Während ihr daheim euren Truthahn gegessen habt, war ich draußen, unterhielt mich mit denselben Männern, die ich einige Stunden zuvor noch töten wollte, und schüttelte ihnen die Hand. Es war überwältigend!" schrieb ein britischer Soldat in einem Brief an seine Familie.
Und falls sich jemand bei so viel Krieg und Soldaten und soviel Nicht-Sportlichem gerade fragt, ob ich hier aus Versehen ein Geschichte-Referat aus der Schulzeit abtippe und was das Ganze überhaupt soll, bitte Geduld. Denn sportlich wird es auch noch.
An jenem 1. Weihnachtstag 1914, also genau heute vor 96 Jahren, fand nämlich eines der außergewöhnlichsten Fussballspiele aller Zeiten statt. Nachdem die Soldaten zunächst mit ein paar Dosen herumkickten, wurde auf britischer Seite plötzlich ein echter Ball ausgekramt und es kam zur Begegnung Deutschland-Großbritannien im Niemandsland zwischen den Lagern. Es sollte nicht die einzige bleiben, aber die einzige, die durch Zeugenaussagen belegt ist und deren Ergebnis sogar überliefert ist.
Der Begriff "außergewöhnlich" steht im Zusammenhang mit dieser Partie nicht für die üblichen Faktoren, die eine denkwürdige Fussballpartie ausmachen, wie viele, schöne Tore, spektakuläre Zwischenfälle oder ihre sportliche Bedeutung. Denn das sportliche Geschehen, das Spiel an sich wird schon mit diesem kurzen Zeugenbericht eines deutschen Teilnehmers zusammengefasst:
"Wir markierten Tore mit unseren Helmen, teilten schnell die Mannschaften und spielten auf dem gefrorenen Matsch, und die Fritze schlugen die Tommies mit 3:2."
Die Besonderheit liegt in der Bedeutung und den äußeren Umständen, denn das Fussballspiel wird heute als stellvertretendes und symbolisches Ereignis für den spontanen Waffenstillstand über die Feiertage gesehen, der als Weihnachtsfrieden in die Geschichte einging. Monate zuvor hatte Papst Benedikt XV. noch die Kriegsparteien um einen Waffenstillstand über Weihnachten gebeten und war auf taube Ohren gestoßen. Die teilnehmenden Staaten sicherten sich nämlich damals zu in der Startphase des Weltkrieges die Unterstützung für die Kriegsführung in ihren Ländern mit Propaganda und dem Aufbauen von Feindbildern und hatten an einer solchen versöhnlichen Zwischenphase dementsprechend wenig Interesse.
Und trotzdem lieferten sich die eigentlich verfeindeten Soldaten nun gegen die Anweisungen ihrer Vorgesetzten einen friedlichen, sportlichen Wettkampf an dem Ort, an dem sie sich monatelang bis aufs Blut bekämpften und weiterhin bekämpfen sollten.
Ohne das Geschehene romantisieren oder verklären zu wollen, steht das Fussballspiel damit wohl mehr als jedes andere je stattgefundene für die positiven Seiten des Fussballspielens, für den Spaß, für das Verbinden unterschiedlichster Menschen, für die Begeisterung und in diesem Fall besonders die zwischenzeitliche Ablenkung von Problemen und Schwierigkeiten, die durch einen einzigen Ball und ein Fussballspiel ausgelöst werden können. "Hätte einer der Großmäuler von oben uns lieber zehntausend Fussbälle zur Verfügung gestellt, was für eine glückliche Lösung wäre das gewesen, ganz ohne Blutvergießen", schrieb der britische Soldat William Dawkins, der ebenfalls anwesend war.
An Weihnachten im Jahre 1914 kehrte wenigstens für eine kurze Dauer in einer ansonsten so schrecklichen Zeit so etwas wie Menschlichkeit ein, und dafür sorgten die Soldaten größtenteils selbst – mit dem Aufeinanderzugehen, mit der Warmherzigkeit, den Geschenken – und Fussball.
Dass die Ruhe und der Frieden nicht von Dauer sein würden – der Krieg sollte danach noch vier Jahre andauern und insgesamt 17 Millionen Menschen das Leben kosten – war dabei allen Beteiligten bewusst. George Eade, ein britischer Gewehrschütze, erzählte später, wie sich ein deutscher Soldat nach dem Fussballspiel von ihm verabschiedete:
" Heute herrscht Frieden zwischen uns. Morgen wirst du wieder für dein Land kämpfen, und ich für meines. Viel Glück."
Fast genau ein halbes Jahr zuvor waren der österreiche Thronfolger Franz Ferdinand und seine Frau Sophie in Sarajevo ermordet worden. Danach stellte Österreich der serbischen Regierung ein Ultimatum, dessen Bedingungen von serbischer Seite aber nicht gänzlich akzeptiert wurden. Österreich erklärte Serbien kurz darauf den Krieg, und da dadurch mehrere staatliche Bündnisse zum Greifen kamen, befand sich kurze Zeit später die halbe Welt im Krieg. Österreich gegen Serbien, Deutsches Reich gegen Russland und Großbritannien, dazu unzählige Verbündete aus aller Welt auf beiden Seiten – jeder gegen jeden. Der Erste Weltkrieg.
Nachdem die Deutschen das neutrale Belgien angegriffen hatten, um Frankreich vom Norden erobern zu können, wurde ihnen von Großbritannien der Krieg erklärt, da diese sich Belgien im Vorfeld zum Schutz verpflichtet hatten. Und so kam es, dass mehrere hunderttausend deutsche und britische junge Männer an Heiligabend nicht in feierlicher Stimmung zuhause bei ihren Familien weilten, sondern mitten im Krieg an der Westfront in Belgien, bei klirrender Kälte und gerade mal 50 bis 100 Meter vom Feind entfernt, ständig in Lebensgefahr, ständig im Todeskampf.
An Heiligabend aber sollten die Waffen stillbleiben. Aufgrund des feierlichen Anlasses und durch die Nähe zwischen den Schutzengräben beider Seiten kam es zu ersten, zaghaften Kontaktaufnahmen zwischen britischen und deutschen Soldaten, zunächst in der belgischen Stadt Ypern, danach an mehreren weiteren Bereichen der Westfront. Nachdem sich deutsche Soldaten in an der dortigen Front auf ihrer Seite versammelt, Weihnachtsbäume aufgestellt und Weihnachstlieder angestimmt hatten und dafür von den Engländern sogar Applaus gespendet bekamen, wurde noch an Heiligabend zwischen den Parteien ausgemacht, am nächsten Tag die Waffen ganz ruhen zu lassen, um die Gefallenen zwischen den Schützengräben bergen zu können.
Und so intensivierte sich der friedliche Kontakt unter Feinden am Tag darauf noch weiter. Nachdem die gefallenen Kameraden in Massengräbern begraben und gemeinsame Andachten gehalten wurden, kam es im Laufe des Tages zu schon fast freundschaftlichen Szenen: die Soldaten unterhielten sich, tauschten kleine Geschenke wie Zigaretten oder Konserven aus, lernten sich kennen.
"Während ihr daheim euren Truthahn gegessen habt, war ich draußen, unterhielt mich mit denselben Männern, die ich einige Stunden zuvor noch töten wollte, und schüttelte ihnen die Hand. Es war überwältigend!" schrieb ein britischer Soldat in einem Brief an seine Familie.
Und falls sich jemand bei so viel Krieg und Soldaten und soviel Nicht-Sportlichem gerade fragt, ob ich hier aus Versehen ein Geschichte-Referat aus der Schulzeit abtippe und was das Ganze überhaupt soll, bitte Geduld. Denn sportlich wird es auch noch.
An jenem 1. Weihnachtstag 1914, also genau heute vor 96 Jahren, fand nämlich eines der außergewöhnlichsten Fussballspiele aller Zeiten statt. Nachdem die Soldaten zunächst mit ein paar Dosen herumkickten, wurde auf britischer Seite plötzlich ein echter Ball ausgekramt und es kam zur Begegnung Deutschland-Großbritannien im Niemandsland zwischen den Lagern. Es sollte nicht die einzige bleiben, aber die einzige, die durch Zeugenaussagen belegt ist und deren Ergebnis sogar überliefert ist.
Der Begriff "außergewöhnlich" steht im Zusammenhang mit dieser Partie nicht für die üblichen Faktoren, die eine denkwürdige Fussballpartie ausmachen, wie viele, schöne Tore, spektakuläre Zwischenfälle oder ihre sportliche Bedeutung. Denn das sportliche Geschehen, das Spiel an sich wird schon mit diesem kurzen Zeugenbericht eines deutschen Teilnehmers zusammengefasst:
"Wir markierten Tore mit unseren Helmen, teilten schnell die Mannschaften und spielten auf dem gefrorenen Matsch, und die Fritze schlugen die Tommies mit 3:2."
Die Besonderheit liegt in der Bedeutung und den äußeren Umständen, denn das Fussballspiel wird heute als stellvertretendes und symbolisches Ereignis für den spontanen Waffenstillstand über die Feiertage gesehen, der als Weihnachtsfrieden in die Geschichte einging. Monate zuvor hatte Papst Benedikt XV. noch die Kriegsparteien um einen Waffenstillstand über Weihnachten gebeten und war auf taube Ohren gestoßen. Die teilnehmenden Staaten sicherten sich nämlich damals zu in der Startphase des Weltkrieges die Unterstützung für die Kriegsführung in ihren Ländern mit Propaganda und dem Aufbauen von Feindbildern und hatten an einer solchen versöhnlichen Zwischenphase dementsprechend wenig Interesse.
Und trotzdem lieferten sich die eigentlich verfeindeten Soldaten nun gegen die Anweisungen ihrer Vorgesetzten einen friedlichen, sportlichen Wettkampf an dem Ort, an dem sie sich monatelang bis aufs Blut bekämpften und weiterhin bekämpfen sollten.
Ohne das Geschehene romantisieren oder verklären zu wollen, steht das Fussballspiel damit wohl mehr als jedes andere je stattgefundene für die positiven Seiten des Fussballspielens, für den Spaß, für das Verbinden unterschiedlichster Menschen, für die Begeisterung und in diesem Fall besonders die zwischenzeitliche Ablenkung von Problemen und Schwierigkeiten, die durch einen einzigen Ball und ein Fussballspiel ausgelöst werden können. "Hätte einer der Großmäuler von oben uns lieber zehntausend Fussbälle zur Verfügung gestellt, was für eine glückliche Lösung wäre das gewesen, ganz ohne Blutvergießen", schrieb der britische Soldat William Dawkins, der ebenfalls anwesend war.
An Weihnachten im Jahre 1914 kehrte wenigstens für eine kurze Dauer in einer ansonsten so schrecklichen Zeit so etwas wie Menschlichkeit ein, und dafür sorgten die Soldaten größtenteils selbst – mit dem Aufeinanderzugehen, mit der Warmherzigkeit, den Geschenken – und Fussball.
Dass die Ruhe und der Frieden nicht von Dauer sein würden – der Krieg sollte danach noch vier Jahre andauern und insgesamt 17 Millionen Menschen das Leben kosten – war dabei allen Beteiligten bewusst. George Eade, ein britischer Gewehrschütze, erzählte später, wie sich ein deutscher Soldat nach dem Fussballspiel von ihm verabschiedete:
" Heute herrscht Frieden zwischen uns. Morgen wirst du wieder für dein Land kämpfen, und ich für meines. Viel Glück."
Aufrufe: 7552 | Kommentare: 13 | Bewertungen: 28 | Erstellt:25.12.2010
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naja das ist für die aussage natürlich egal.