22.06.2010 um 15:17 Uhr
Die Lachnummer
Ich mach jetzt mal kurz den Hellseher. Denn meine Glaskugel sagt mir: Duuuu wirst gleichhhh lacheeeenn... Sehr sogar. Schau dir nur einmal Folgendes an:
Und, hatte ich Recht? Hellseherquatsch beiseite, über die Aktion da oben lacht die Welt. Seit über 30 Jahren. Und wahrscheinlich werden es die wenigstens hier gerade zum ersten Mal gesehen haben, denn die Szene taucht immer wieder mal auf, in Rückblicken, in lustigen Videos, sogar bei Stefan Raab und seinen Tischdrückdingern; immer ist die Reaktion die Gleiche: man lacht sich einen ab.
Es ist aber auch einfach zu absurd: alles sieht nach einem stinknormalem Freistoß aus, die in Frage kommenden Schützen stehen alle enstpannnt in Schussposition und beraten sich noch eben kurz, und plötzlich missachtet ein Spieler alle Regeln und Gepflogenheiten und jagt einfach den Ball weg. Und tut dann auch noch so, als sei das Wegkicken-des-Balls-vor-einem-Freistoß-aus-vollem-Anlauf doch das Normalste in der Welt. Wie bitte, Schiri, Gelb? Da kann man nicht anders.. Da muss man lachen.
Nach dem instinktiven Amüsieren stellt sich dann aber noch eine Frage: Was ging denn da bitte ab?! Was in aller Welt ist in diesen Spieler gefahren in diesem Moment, der ihn zur ewigen Lachnummer machen sollte? Mal schauen, über was wir da eigentlich lachen:
1971 hatte Joseph Mobutu die Herrschaft des zentralafrikanischen Landes Zaire (heute Kongo) übernommen und baute bis zu seiner Absetzung 1997 eine der schlimmsten Diktaturen Afrikas auf. Mobutu sah den Fussball als gelungene Werbung und Machtdemonstration an und förderte ihn, mit Erfolg: Zaire konnte zweimal den Afrikacup gewinnen und qualifizierte sich als erste schwarzafrikanische Nation für die Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland.
Mobutu sah die Qualifikation für die WM als sein Werk an und war demnach so stolz auf die Nationalmannschaft, dass er jeden Spieler, darunter einen gewissen Ilunga Mwepu, in seinem Palast empfing und ihnen ein Auto und ein Haus schenkte.
Doch die Teilnahme an der WM wurde zum Desaster und beschädigte das Ansehen Afrikas in der Fussballwelt: In der Gruppenphase traf Zaire zunächst auf Schottland (0-2) und Jugoslawien (0-9) und war hoffnungslos unterlegen. Vor der Jugoslawien-Klatsche sollen die Spieler fast einen Streik gestartet haben, da die ihnen versprochenen Einsatzprämien allesamt von den Offiziellen des Verbandes eingesteckt wurden.Während dem Spiel zündeten sich einige Spieler auf der Bank vor den Kameras mal eben locker eine Kippe an. Bei all dem Chaos hatte man nun im letzten Spiel auch noch Supermacht Brasilien vor der Brust, das nächste Debakel kündigte sich also an.
Das alles gefiel dem Diktator natürlich nicht so ganz. Nach der hohen Niederlage gegen Jugoslawien schickte Mobutu seine bewaffneten Wachen in das Mannschaftshotel und ließ sie eine persönliche Mitteilung an die Spieler vorlesen:
"Ihr alle seid Abschaum und Hurensöhne. Ihr habt Schande über unser ganzes Land gebracht. Eurer Führer ist von euch angewidert. Wenn ihr gegen Brasilien mehr als 3 Tore kassiert, werdet ihr Zaire und eure Familien nie mehr wiedersehen."
Gegen den amtierenden Weltmeister Brasilien drohte also nicht nur die nächste Klatsche, auf groteske Art und Weise hing sogar das Überleben der Spieler und ihrer Familien von der Tordifferenz des folgenden Spiels ab. Hinzu kam, dass Brasilien mit drei oder mehr Toren gewinnen musste, um sicher in die nächste Runde zu kommen - der Druck für die zairischen Spieler war also gewaltig. Doch die Mannschaft schlug sich tapfer gegen den übermächtigen Gegner, zur Halbzeit stand es nur 0-1. In der zweiten Halbzeit erzielte Brasilien dann das 2-0, und kurz darauf kam es zur ominösen Ball-Wegschlag-Szene.
Ilunga Mwepu war der Spieler mit der Nummer 2, der ganz rechts in der Mauer stand und dann den Ball wegjagte. Was ging in diesem Moment in ihm vor? "Ich war und bin mir über die Regeln des Fussballs durchaus bewusst. Ich geriet vor dem Freistoß in Panik. Ich wusste, wenn wir zuviele Tore kassieren, sind wir erledigt. Außerdem wollte ich mich nicht mehr auf dem Feld erniedrigen und mir dabei von Leuten auf der Tribüne zusehen lassen, die sich an uns bereicherten. Die Leute, die uns auslachten, hatten keine Ahnung über den Druck, der auf uns lastete."
Die berühmteste Mauer der WM-Geschichte
Das Spiel ging am Ende 0-3 aus, das Ergebnis reichte also gerade noch so zum Überleben und zum Zurückkehren in die Heimat, viel mehr aber auch nicht. Die Mannschaft landete mitten in der Nacht in Kinshasa und wurde von niemandem begrüßt, die Verträge der Spieler wurden von ihren Klubs aufgelöst, und der Führer gab ihnen noch mit auf den Weg, sie hätten den afrikanischen Fussball um 20 Jahre zurückgeworfen. Er gab die Sache mit dem Fussball auf und widmete sich anderen Sportarten: noch im gleichen Jahr holte er sich die zwei größten Boxer der damaligen Zeit, Muhammad Ali und George Foreman, ins Land und ließ sie im legendären "Rumble of the Jungle" gegeneinander antreten.
Die Fussballer interessierten niemanden mehr: "Wir kamen zurück und hatten keinen Penny in der Tasche", sagte Mwepu vor einigen Jahren rückblickend, "nun seht mich an, ich lebe wie ein Landstreicher."
Fussball zog nicht, also bastelte der Diktator sich einen schönen Rumble
Also lässt sich festhalten: das Video ist zwar witzig, die Hintergrundgeschichte aber nicht.
Bei aller Komik, bei aller Überraschung im ersten Moment über die Ungewöhnlichkeit des Gesehenen, die Bedeutung dieses berühmt gewordenen Augenblicks im Gelsenkirchener Parkstadion im Sommer 1974 ist eher tragisch. "Man muss eins bedenken: Wir spielten um unser Leben", sagt Mwepu.
Und in diesem Fall ist das mehr als nur eine leere Phrase.
Und, hatte ich Recht? Hellseherquatsch beiseite, über die Aktion da oben lacht die Welt. Seit über 30 Jahren. Und wahrscheinlich werden es die wenigstens hier gerade zum ersten Mal gesehen haben, denn die Szene taucht immer wieder mal auf, in Rückblicken, in lustigen Videos, sogar bei Stefan Raab und seinen Tischdrückdingern; immer ist die Reaktion die Gleiche: man lacht sich einen ab.
Es ist aber auch einfach zu absurd: alles sieht nach einem stinknormalem Freistoß aus, die in Frage kommenden Schützen stehen alle enstpannnt in Schussposition und beraten sich noch eben kurz, und plötzlich missachtet ein Spieler alle Regeln und Gepflogenheiten und jagt einfach den Ball weg. Und tut dann auch noch so, als sei das Wegkicken-des-Balls-vor-einem-Freistoß-aus-vollem-Anlauf doch das Normalste in der Welt. Wie bitte, Schiri, Gelb? Da kann man nicht anders.. Da muss man lachen.
Nach dem instinktiven Amüsieren stellt sich dann aber noch eine Frage: Was ging denn da bitte ab?! Was in aller Welt ist in diesen Spieler gefahren in diesem Moment, der ihn zur ewigen Lachnummer machen sollte? Mal schauen, über was wir da eigentlich lachen:
1971 hatte Joseph Mobutu die Herrschaft des zentralafrikanischen Landes Zaire (heute Kongo) übernommen und baute bis zu seiner Absetzung 1997 eine der schlimmsten Diktaturen Afrikas auf. Mobutu sah den Fussball als gelungene Werbung und Machtdemonstration an und förderte ihn, mit Erfolg: Zaire konnte zweimal den Afrikacup gewinnen und qualifizierte sich als erste schwarzafrikanische Nation für die Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland.
Mobutu sah die Qualifikation für die WM als sein Werk an und war demnach so stolz auf die Nationalmannschaft, dass er jeden Spieler, darunter einen gewissen Ilunga Mwepu, in seinem Palast empfing und ihnen ein Auto und ein Haus schenkte.
Doch die Teilnahme an der WM wurde zum Desaster und beschädigte das Ansehen Afrikas in der Fussballwelt: In der Gruppenphase traf Zaire zunächst auf Schottland (0-2) und Jugoslawien (0-9) und war hoffnungslos unterlegen. Vor der Jugoslawien-Klatsche sollen die Spieler fast einen Streik gestartet haben, da die ihnen versprochenen Einsatzprämien allesamt von den Offiziellen des Verbandes eingesteckt wurden.Während dem Spiel zündeten sich einige Spieler auf der Bank vor den Kameras mal eben locker eine Kippe an. Bei all dem Chaos hatte man nun im letzten Spiel auch noch Supermacht Brasilien vor der Brust, das nächste Debakel kündigte sich also an.
Das alles gefiel dem Diktator natürlich nicht so ganz. Nach der hohen Niederlage gegen Jugoslawien schickte Mobutu seine bewaffneten Wachen in das Mannschaftshotel und ließ sie eine persönliche Mitteilung an die Spieler vorlesen:
"Ihr alle seid Abschaum und Hurensöhne. Ihr habt Schande über unser ganzes Land gebracht. Eurer Führer ist von euch angewidert. Wenn ihr gegen Brasilien mehr als 3 Tore kassiert, werdet ihr Zaire und eure Familien nie mehr wiedersehen."
Gegen den amtierenden Weltmeister Brasilien drohte also nicht nur die nächste Klatsche, auf groteske Art und Weise hing sogar das Überleben der Spieler und ihrer Familien von der Tordifferenz des folgenden Spiels ab. Hinzu kam, dass Brasilien mit drei oder mehr Toren gewinnen musste, um sicher in die nächste Runde zu kommen - der Druck für die zairischen Spieler war also gewaltig. Doch die Mannschaft schlug sich tapfer gegen den übermächtigen Gegner, zur Halbzeit stand es nur 0-1. In der zweiten Halbzeit erzielte Brasilien dann das 2-0, und kurz darauf kam es zur ominösen Ball-Wegschlag-Szene.
Ilunga Mwepu war der Spieler mit der Nummer 2, der ganz rechts in der Mauer stand und dann den Ball wegjagte. Was ging in diesem Moment in ihm vor? "Ich war und bin mir über die Regeln des Fussballs durchaus bewusst. Ich geriet vor dem Freistoß in Panik. Ich wusste, wenn wir zuviele Tore kassieren, sind wir erledigt. Außerdem wollte ich mich nicht mehr auf dem Feld erniedrigen und mir dabei von Leuten auf der Tribüne zusehen lassen, die sich an uns bereicherten. Die Leute, die uns auslachten, hatten keine Ahnung über den Druck, der auf uns lastete."
Die berühmteste Mauer der WM-Geschichte
Das Spiel ging am Ende 0-3 aus, das Ergebnis reichte also gerade noch so zum Überleben und zum Zurückkehren in die Heimat, viel mehr aber auch nicht. Die Mannschaft landete mitten in der Nacht in Kinshasa und wurde von niemandem begrüßt, die Verträge der Spieler wurden von ihren Klubs aufgelöst, und der Führer gab ihnen noch mit auf den Weg, sie hätten den afrikanischen Fussball um 20 Jahre zurückgeworfen. Er gab die Sache mit dem Fussball auf und widmete sich anderen Sportarten: noch im gleichen Jahr holte er sich die zwei größten Boxer der damaligen Zeit, Muhammad Ali und George Foreman, ins Land und ließ sie im legendären "Rumble of the Jungle" gegeneinander antreten.
Die Fussballer interessierten niemanden mehr: "Wir kamen zurück und hatten keinen Penny in der Tasche", sagte Mwepu vor einigen Jahren rückblickend, "nun seht mich an, ich lebe wie ein Landstreicher."
Fussball zog nicht, also bastelte der Diktator sich einen schönen Rumble
Also lässt sich festhalten: das Video ist zwar witzig, die Hintergrundgeschichte aber nicht.
Bei aller Komik, bei aller Überraschung im ersten Moment über die Ungewöhnlichkeit des Gesehenen, die Bedeutung dieses berühmt gewordenen Augenblicks im Gelsenkirchener Parkstadion im Sommer 1974 ist eher tragisch. "Man muss eins bedenken: Wir spielten um unser Leben", sagt Mwepu.
Und in diesem Fall ist das mehr als nur eine leere Phrase.
Aufrufe: 16901 | Kommentare: 41 | Bewertungen: 30 | Erstellt:22.06.2010
ø 9.1
KOMMENTARE
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24.06.2010 | 00:03 Uhr
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Barondutch : welche bewertung?
ich wusste, dass ichs scho mal gelesen hab: 11freunde.sogar das ende mit dem boxkampf ist am start.
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24.06.2010 | 00:29 Uhr
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eshkeeya :
@Barondutch: Sorry ich verstehe jetzt nicht so ganz ob du mir damit vorwerfen willst, dass ich von 11 Freunde kopiert habe?
Falls ja, kann ich dich beruhigen. Denn bei meiner Recherche bin ich auch auf den 11 Freunde-Artikel gestoßen und habe ein, zwei Informationen daraus entnommen, achte aber immer darauf, dass ich in meinem Text alles in eigenen Worten wiedergebe, außer logischerweise bei Zitaten.
Also glaube ich nicht, dass du diesen Text schonmal irgendwo gelesen hast. Und ich verstehe auch nicht ganz, was du mit "welche Bewertung?" meinst..
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24.06.2010 | 00:44 Uhr
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BronxBombers : Barondutch
irgend woher muss man ja einige information herbekommen...
er hat aber niemals den blog kopiert,so einer ist er nicht
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24.06.2010 | 00:46 Uhr
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BronxBombers : eshkeeya
mit `` welche bewertung `` meint er halt wieso man den blog bewerten sollte wenn er doch angeblich kopiert wurde...
ist natürlich nur seine meinung!
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24.06.2010 | 00:58 Uhr
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eshkeeya :
Wer halt hier so einen Verdacht raushaut sollte schon Beweise bringen...Hier ist der 11 Freunde-Artikel, kann sich jeder selbst ein Bild machen:
http://www.11freunde.de/international/116342?page=1
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24.06.2010 | 01:08 Uhr
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seit nicht neidisch aus esh
er schreibt gute blogs
und das auf koks
darf ich ein bild von dir veröffentlichen?
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Statistik
ich krieg gar nicht genug davon, immer sehr informativ und dazu noch sehr gut geschrieben. die geschichte kannte ich überhaupt nicht, das video schon.
danke dafür, jetzt werde ich nicht mehr lachen, wenn ich das video mal wieder sehe.
10 punkte .