Machen wir uns nichts vor. Jens Keller ist nicht der richtige Trainer für den FC Schalke 04 - das weiß er selbst, das weiß sein Co-Trainer, das wissen alle Verantwortlichen im Verein. Die Notlösung, die die andere Notlösung abgelöst hat. Der Schwabe, der emotional nie so richtig angekommen ist im Ruhrpott, der von einem "unnäääää" zum anderen stolpert und mit seiner besonnenen, fast schon lethargischen Art und Weise so ziemlich alles verkörpert, was das Ruhrgebiet und besonders den S04 NICHT charakterisiert.
Auch das halbherzige öffentliche Parteiergreifen von Aufsichtsratschef Clemens Tönnies täuscht nicht über die Tatsache hinweg, dass man sich in Vorstand und Aufsichtsrat diese Saison so ganz anders vorgestellt hatte - jedenfalls nicht mit einem Rückstand von zwölf Punkten zur Tabellenspitze und einem sportlich gefühlt noch größeren Abstand zu den Erzrivalen aus Dortmund und München. Nicht mit einem stagnierenden Julian Draxler, dessen Kultstatus ihm leistungsmäßig nicht gerade unter die Arme zu greifen scheint. Nicht mit einer Verletzungsmisere, die die Frage aufwirft, ob Manager Horst Heldt bei der Kaderplanung vielleicht doch etwas zu optimistisch war. Und nicht mit einem Cheftrainer, der an Souveränität eher einzubüßen scheint, je länger er im medialen Kreuzfeuer steht.
Keller raus?
Nein, es gab im Stadion und in der Fankurve noch keine massiven Unmutsbekundungen gegenüber dem ehemaligen Jugendcoach aus der Knappenschmiede. Zu mitfühlend scheinen die Zuschauer im Stadion angesichts der fortlaufenden Verletzungsserie, die zuletzt mit dem Kreuzbandriss von Marco Höger und der erneuten Bänderverletzung bei Klaas-Jan Huntelaar ihren unrühmlichen Höhepunkt erreichte. Und auch, wenn man phrasendreschend natürlich auf Schalke die Verletzungsserie nicht als Alibi gelten lassen will, funktioniert es aber doch genau in diesem Sinn und sorgt momentan für die nötige Ruhe, damit sich die Mannschaft einigermaßen vernünftig auf das schwere Auswärtsspiel am Wochenende in Berlin vorbereiten kann.
Trotzdem schwillt so manchem Schalker mittlerweile der Kamm, wenn das Gespräch auf den Trainer kommt. Es fehlt mittlerweile bei vielen der Glaube, dass Keller diese Saison noch in eine positive Richtung wenden kann - vor allem nach den deutlichen Pleiten gegen Chelsea und Dortmund, die der Schalker Mannschaft so ziemlich jede ihrer Unzulänglichkeiten deutlich aufgezeigt hat. Kellers Aufstellungsroulette gegen Chelsea, wo man auf eigenem Platz nicht nur in falschen Farben (grün statt blau-weiß), sondern auch noch ohne Abteilung Attacke auflief, und die ebenso merkwürdige Entscheidung, den formstarken Max Meyer siebzig Minuten im Derby auf der Bank schmoren zu lassen, sorgen mittlerweile vielerorts für Kopfschütteln bei den Anhängern der Knappen.
Bei seiner Inthronisierung war Jens Keller eine Notlösung, weil man nach der Trennung von Huub Stevens kurzfristig eine Lösung brauchte. Und auch Huub Stevens war nur eine Notlösung, weil man nach der krankheitsbedingten Trennung von Ralf Rangnick kurzfristig eine Lösung brauchte. Über den Status "Notlösung" ist Jens Keller aber leider auch nie hinausgekommen - dafür fehlte es ihm nicht nur an Verve und Potenzial zur Selbstdarstellung. Nein, Jens Keller lässt auch die analytischen Fähigkeiten vermissen, die sein Vorvorgänger vor einigen Wochen im "Doppelpass" auf Sport1 so glanzvoll präsentierte.
Rangnick rein?
Womit wir auch schon beim Thema wären. Ralf Rangnick ist die logische Lösung für die Probleme, die Schalke 04 hat. Ein Trainer, dessen Augen leuchten, wenn er über den S04 spricht. Der eine Idee vom Fußballspielen hat, die er auf Schalke nachweislich schon umsetzen und beweisen konnte. Der offensiven Fußball mit Augenmaß spielen lässt, und der die Arbeit gegen den Ball als wichtigsten Ansatzpunkt für die Probleme der Königsblauen längst ausgemacht und auf den Punkt gebracht hat. Der dem Verein verbunden ist und vielleicht immer noch Trainer hier wäre, wenn ihm seine psychische Erkrankung keinen Strich durch die Rechnung gemacht hätte. Der... der aber dummerweise auf seinem Chefsessel beim Brausehersteller Red Bull ganz zufrieden zu sein scheint, und bei dem man sich kaum vorstellen kann, dass er diesen Posten, auf dem er seine Qualitäten gut einbringen kann, gegen das Haifischbecken Bundesliga und den Chaosklub Schalke noch einmal eintauschen mag.
Rein menschlich wünsche ich Ralf Rangnick, dass er mit seinem momentanen Job ganz glücklich wird. Dass er vor allem psychisch gesund bleibt, und dass sich nicht wieder ein Burnout einstellen möge. Aber der Schalker in mir sehnt sich den "Professor" wieder an die Seitenlinie herbei, vielleicht tatsächlich garniert mit dem momentanen Co-Trainer Peter Herrmann - was für ein kraftvolles Duo könnten diese zwei bilden! Rangnicks Expertise und Herrmanns Erfahrung, gepaart mit einem neu aufkeimenden Enthusiasmus, könnten für eine Aufholjagd auf die Tabellenspitze genau die richtige Mischung bilden.
Jedenfalls hat Rangnick bereits bewiesen, dass er sich auf dem schwierigen Schalker Pflaster sicher bewegen kann. Das hat er vielen seiner Kollegen voraus - selbst bei optimistischer Betrachtungsweise kann man etwa einem Thomas Tuchel nur bedingt empfehlen, bei den Knappen anzuheuern, weil Trainer traditionell auf Schalke keine Zeit bekommen, um eine Entwicklung anzustoßen. Und wenn sie die scheinbar doch bekommen, dann machen sie - wie im Fall von Jens Keller - leider nichts daraus.
Oder bin ich da selbst zu ungeduldig?
Diese Leidenschaft, die Schalke eigentlich immer ausgezeichnet hat, sehe ich im Moment einfach nicht mehr. Nicht beim Trainer, nicht bei den Spielern, aber zum Teil sogar bei den Fans! Wenn man sich unser Team von vor 10 Jahren anguckt, waren das keine Angestellten des Unternehmens, sondern wahre Schalker, die die Leute mitgerissen haben, aber diese Zeiten sind leider vorbei.
Ohne überheblich zu sein, kann man glaube ich behaupten, dass Schalke mit einem Trainer Marke Klopp und etwas weniger Verletzungspech mit den dreien oben mithalten könnte. Und so ein Trainer ist eben Ralf Rangnick. Sehe das aber leider auch nicht mehr passieren. Das wichtigste ist auch, dass der Mann gesund bleibt, Fußball ist schließlich nicht alles.
Alles auf die Verletzten zu schieben ist aber auch etwas einfach finde ich...
Zudem erwartet denke ich keiner vor FCB, BXB und Lev zu stehen. Allerdings halte ich es persönlich schon für möglich mit dem Kader, trotz Verletzter, vor Hertha, Gladbach etc. zu stehen.