06.02.2012 um 12:17 Uhr
Die Titanic & der FIFA-Eisberg 1
Es ist der 6. Juli 2000. Während George W. Bush im Wahlkampf Geburtstag feiert, ist bei der FIFA bereits Wahltag. Es geht um die Fußball-Weltmeisterschaft sechs Jahre später. Zu diesem Zweck trifft man sich in Zürich. Sepp Blatter, Präsident des Verbands, hat das Exekutivkomitee geladen. Aus aller Welt reisen die 24 Mitglieder an. Man residiert, sich der eigenen Wichtigkeit bewusst, angemessen: 5-Sterne, Blick auf den Züri-See. Das Grand Hotel Dolder am Rande der größten Stadt des Landes bietet einiges an Lebensqualität. Mittlerweile sind es nur noch ganze 5 Minuten am Adlisberg vorbei zum FIFA-Hauptquartier. Doch 2000 findet die Abstimmung noch nicht in den heimischen vier Wänden statt. Die durchaus ergraute Gesellschaft trifft sich zur Wahl in der Zürcher Messe. Die Angelegenheit scheint klar. Südafrika ist der persönliche Favorit Blatters, Deutschland also per se knapp geschlagen. Doch gegen 14Uhr zieht Blatter zur Überraschung aller Beobachter und vermutlich auch der Wählenden selbst, den Namen „Deutschland" aus dem Kuvert. Was zum Kuckuck war passiert?
Ein Fehler! Ganz einfach, ein dummer Fehler. Ein sonst treuer Gefolgsmann ist von der Linie abgewichen. Dabei ist der Plan so simpel wie genial. Und jetzt steht er blöd da, der Sepp. Vor der Welt und besonders vor Afrika. Ja, von Afrika ist er damals ein großer Fan! Tolles Land... äh Kontinent! Und jetzt so etwas. Statt unentschieden zu enden, gewinnt Deutschland knappest möglich die WM 2006 mit 12:11. Bei Parität hätte er ja ran gedurft. Da hätte er, Sepp Blatter himself, mal wieder ein Machtwort sprechen dürfen, diplomatisch und objektiv versteht sich. Eine verantwortungsvolle und mächtige Entscheidung. Eine Entscheidung ganz nach dem Geschmack des Präsidenten. Doch jetzt... Da bleibt nur eins: Schuldigen finden und öffentlich vorführen. Auf geht’s!
Franz auf Tournee - In 18 Monaten um die Welt
Sieben Jahre zuvor wird Deutschland mal wieder der gerne vorgelebten Rolle des Musterschülers gerecht. Wie der Streber in der Klasse gibt der damalige DFB-Vizepräsident Gerhard Mayer-Vorfelder die Kandidatur als erstes Land beim FIFA-„Rektor" Joao Havelange ab. Die anderen brauchen länger. Bis 1998 werden noch Brasilien, England, Südafrika, Ägypten, Marokko und Ghana einreichen. Gleich vier Länder des afrikanischen Kontinents wollen Blatters Wunsch einer WM in Afrika erfüllen. Und eins kann man sagen: Der Sepp wünscht sich die Afrika-WM seit seiner Wahl 1998 zum Präsidenten so sehr, dass es dann doch verdächtig wird. In den ersten Jahren ist man in Deutschland allerdings höchst zuversichtlich. Was soll auch passieren? Der Franz organisiert ja. Und währenddessen wird auch die Politik in Stellung gebracht, die Universität Paderborn begutachtet einen volkswirtschaftlichen Gewinn im Milliardenbereich und erste Skandale nehmen ihren Lauf. So stellt Innenminister Otto Schily die Forderung der FIFA auf die Befreiung der 25-prozentigen Ertragssteuer in Aussicht und Kanzler Schröder empfängt später Blatter zum „Gedankenaustausch".
Doch zunächst gilt es das Ding mal nach Hause zu holen. Im Mai 1997 wird die Bewerbung dann offiziell präsentiert. Motto: „Wir sehen uns im Herzen Europas!" Nicht wirklich schmissig, und deshalb wird Franz Ende 1998 für eineinhalb Jahre Freund der ganzen Welt, verprasst auf seinen Reisen kolportierte 20 Millionen Euro und lädt alle ein. Die ganze Welt singt ihm zu: Ein Franz, ein guter Franz... Er lässt München und Kitzbühel hinter sich, reist bis nach Tahiti und grüßt von dort die Deutschen vom Sport-Bild-Cover aus. Und das in seinem Alter... Später, während der WM, wird er nochmal eine Mini-Weltreise unternehmen und 48 von insgesamt 64 Spiele live von der Ehrentribüne verfolgen. Bei den Mitbewerbern wie England und Brasilien treten verschiedene Fälle von Korruption ans Tageslicht. Die Inspektion der deutschen Stadien und Städte weiß zu beeindrucken. Der europäische Block im Komitee favorisiert Deutschland. Man ist mal wieder auf Kurs. Wären da nicht Südafrika und der Sepp. Und dann hat Südafrika auch noch Nelson Mandela. Anti-Apartheid-Kämpfer, Symbol gegen den Kampf der Schwarzen-Unterdrückung, Friedensnobelpreisträger. Da rückt auch der Kaiser schon mal seine Brille nervös zurecht.
Und es kommt noch besser. Südafrika ist nämlich nicht wegen der Gastfreundschaft, der Euphorie oder der Bewerbung Sepps Favorit. Er schuldet dem Kontinent noch etwas. FIFA-Präsident wird man nämlich nicht mit Visionen, Integrität und Fußballsachverstand. So eine Wahl, die kostet. Manchmal ein paar Umschläge, manchmal Versprechen und beim Sepp halt beides. Der FIFA-Präsident wird vom Kongress gewählt. In diesem hat, laut FIFA-Website, „im Geiste einer wahren Demokratie jeder Verband eine Stimme, unabhängig von seiner Größe oder Leistungsstärke im Fussball". Und so verspricht er vor der Wahl 1998 den Mitgliedern der „Confédération Africaine de football" (CAF) als kleine Zugabe eine WM 2006 auf dem heimischen Kontinent. Blöd nur, dass es in einer „wahren Demokratie" so etwas wie Wahlen gibt.
Die etwas anderen Argumente
Dann fängt Deutschland auch noch zu schwächeln an. Lange vor der Präsentation von „Goleo" rückt die Kandidatur von ihrem „Wir können auch sympathisch"-Image ins „Auf Nummer Sicher? Deutschland!"-Gehabe. So Dinge wie Milliardeninvestitionen in Stadien und Infrastruktur, Deadlines einhalten, Qualität sichern, das kann halt auch nicht jeder. Sicherheit ist die neue Devise. Was bei Autos klappt, das sollte ja auch beim Fußball klappen. Munter wird die Stimmenvergabe eingeschätzt. Deutschland hat einen europäischen Block hinter sich. Südafrika die afrikanischen und, dank Sepp und seinem Intimus Jack Warner, die südamerikanischen Stimmen dazu. Kurz vor der Wahl muss man auf deutscher Seite ein wenig nachhelfen. Leo Kirch, der Fernseh-Mogul, erwirbt für jeweils völlig überteuerte ca. 300.000 US-Dollar Übertragungsrechte an Testspielen des FC Bayern in den stimmberechtigten Ländern Thailand, Tunesien und Trinidad & Tobago. Nicht ganz uneigennützig vom lieben Leo, da seine WM-Übertragungsrechte durch eine Vergabe an Deutschland wesentlich wertvoller würden. Laut Medien wie dem österreichischen „Ballesterer" werden rund einem Monat vor der Wahl die Lieferung von 1.200 Panzerabwehrraketen entgegen der bisherigen Politik Deutschlands an Saudi-Arabien beschlossen. Siemens investiert Milliarden in den ostasiatischen Handymarkt, Daimler-Chrysler wiederum erwirbt für 428 Millionen US-Dollar 10,5 % am südkoreanischen Auto-Hersteller Mitsubishi. Anteile die Daimler allerdings bereits 2004 für 900 Mio US-Dollar wieder verkauft. Wird dieser national-wirtschaftliche Schulterschluss reichen? Und was und wo geben die Mitbewerber aus? Wenige Tage später ist Wahltag in Zürich.
Teil 2 hier!
Ein Fehler! Ganz einfach, ein dummer Fehler. Ein sonst treuer Gefolgsmann ist von der Linie abgewichen. Dabei ist der Plan so simpel wie genial. Und jetzt steht er blöd da, der Sepp. Vor der Welt und besonders vor Afrika. Ja, von Afrika ist er damals ein großer Fan! Tolles Land... äh Kontinent! Und jetzt so etwas. Statt unentschieden zu enden, gewinnt Deutschland knappest möglich die WM 2006 mit 12:11. Bei Parität hätte er ja ran gedurft. Da hätte er, Sepp Blatter himself, mal wieder ein Machtwort sprechen dürfen, diplomatisch und objektiv versteht sich. Eine verantwortungsvolle und mächtige Entscheidung. Eine Entscheidung ganz nach dem Geschmack des Präsidenten. Doch jetzt... Da bleibt nur eins: Schuldigen finden und öffentlich vorführen. Auf geht’s!
Franz auf Tournee - In 18 Monaten um die Welt
Sieben Jahre zuvor wird Deutschland mal wieder der gerne vorgelebten Rolle des Musterschülers gerecht. Wie der Streber in der Klasse gibt der damalige DFB-Vizepräsident Gerhard Mayer-Vorfelder die Kandidatur als erstes Land beim FIFA-„Rektor" Joao Havelange ab. Die anderen brauchen länger. Bis 1998 werden noch Brasilien, England, Südafrika, Ägypten, Marokko und Ghana einreichen. Gleich vier Länder des afrikanischen Kontinents wollen Blatters Wunsch einer WM in Afrika erfüllen. Und eins kann man sagen: Der Sepp wünscht sich die Afrika-WM seit seiner Wahl 1998 zum Präsidenten so sehr, dass es dann doch verdächtig wird. In den ersten Jahren ist man in Deutschland allerdings höchst zuversichtlich. Was soll auch passieren? Der Franz organisiert ja. Und währenddessen wird auch die Politik in Stellung gebracht, die Universität Paderborn begutachtet einen volkswirtschaftlichen Gewinn im Milliardenbereich und erste Skandale nehmen ihren Lauf. So stellt Innenminister Otto Schily die Forderung der FIFA auf die Befreiung der 25-prozentigen Ertragssteuer in Aussicht und Kanzler Schröder empfängt später Blatter zum „Gedankenaustausch".
Doch zunächst gilt es das Ding mal nach Hause zu holen. Im Mai 1997 wird die Bewerbung dann offiziell präsentiert. Motto: „Wir sehen uns im Herzen Europas!" Nicht wirklich schmissig, und deshalb wird Franz Ende 1998 für eineinhalb Jahre Freund der ganzen Welt, verprasst auf seinen Reisen kolportierte 20 Millionen Euro und lädt alle ein. Die ganze Welt singt ihm zu: Ein Franz, ein guter Franz... Er lässt München und Kitzbühel hinter sich, reist bis nach Tahiti und grüßt von dort die Deutschen vom Sport-Bild-Cover aus. Und das in seinem Alter... Später, während der WM, wird er nochmal eine Mini-Weltreise unternehmen und 48 von insgesamt 64 Spiele live von der Ehrentribüne verfolgen. Bei den Mitbewerbern wie England und Brasilien treten verschiedene Fälle von Korruption ans Tageslicht. Die Inspektion der deutschen Stadien und Städte weiß zu beeindrucken. Der europäische Block im Komitee favorisiert Deutschland. Man ist mal wieder auf Kurs. Wären da nicht Südafrika und der Sepp. Und dann hat Südafrika auch noch Nelson Mandela. Anti-Apartheid-Kämpfer, Symbol gegen den Kampf der Schwarzen-Unterdrückung, Friedensnobelpreisträger. Da rückt auch der Kaiser schon mal seine Brille nervös zurecht.
Und es kommt noch besser. Südafrika ist nämlich nicht wegen der Gastfreundschaft, der Euphorie oder der Bewerbung Sepps Favorit. Er schuldet dem Kontinent noch etwas. FIFA-Präsident wird man nämlich nicht mit Visionen, Integrität und Fußballsachverstand. So eine Wahl, die kostet. Manchmal ein paar Umschläge, manchmal Versprechen und beim Sepp halt beides. Der FIFA-Präsident wird vom Kongress gewählt. In diesem hat, laut FIFA-Website, „im Geiste einer wahren Demokratie jeder Verband eine Stimme, unabhängig von seiner Größe oder Leistungsstärke im Fussball". Und so verspricht er vor der Wahl 1998 den Mitgliedern der „Confédération Africaine de football" (CAF) als kleine Zugabe eine WM 2006 auf dem heimischen Kontinent. Blöd nur, dass es in einer „wahren Demokratie" so etwas wie Wahlen gibt.
Die etwas anderen Argumente
Dann fängt Deutschland auch noch zu schwächeln an. Lange vor der Präsentation von „Goleo" rückt die Kandidatur von ihrem „Wir können auch sympathisch"-Image ins „Auf Nummer Sicher? Deutschland!"-Gehabe. So Dinge wie Milliardeninvestitionen in Stadien und Infrastruktur, Deadlines einhalten, Qualität sichern, das kann halt auch nicht jeder. Sicherheit ist die neue Devise. Was bei Autos klappt, das sollte ja auch beim Fußball klappen. Munter wird die Stimmenvergabe eingeschätzt. Deutschland hat einen europäischen Block hinter sich. Südafrika die afrikanischen und, dank Sepp und seinem Intimus Jack Warner, die südamerikanischen Stimmen dazu. Kurz vor der Wahl muss man auf deutscher Seite ein wenig nachhelfen. Leo Kirch, der Fernseh-Mogul, erwirbt für jeweils völlig überteuerte ca. 300.000 US-Dollar Übertragungsrechte an Testspielen des FC Bayern in den stimmberechtigten Ländern Thailand, Tunesien und Trinidad & Tobago. Nicht ganz uneigennützig vom lieben Leo, da seine WM-Übertragungsrechte durch eine Vergabe an Deutschland wesentlich wertvoller würden. Laut Medien wie dem österreichischen „Ballesterer" werden rund einem Monat vor der Wahl die Lieferung von 1.200 Panzerabwehrraketen entgegen der bisherigen Politik Deutschlands an Saudi-Arabien beschlossen. Siemens investiert Milliarden in den ostasiatischen Handymarkt, Daimler-Chrysler wiederum erwirbt für 428 Millionen US-Dollar 10,5 % am südkoreanischen Auto-Hersteller Mitsubishi. Anteile die Daimler allerdings bereits 2004 für 900 Mio US-Dollar wieder verkauft. Wird dieser national-wirtschaftliche Schulterschluss reichen? Und was und wo geben die Mitbewerber aus? Wenige Tage später ist Wahltag in Zürich.
Teil 2 hier!
Aufrufe: 7855 | Kommentare: 2 | Bewertungen: 6 | Erstellt:06.02.2012
ø 7.8
KOMMENTARE
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08.02.2012 | 14:19 Uhr
-1
mehrfussball :
Der Artikel ist blanke Hetze, und nimmt dabei als Aufhänger gerade die Entscheidung, die nicht nur von uns Deutschen eigentlich begrüßt werden müsste. Südafrika hatte schon Probleme, bis 2010 mit den Vorbereitungen der WM fertig zu werden. Bis 2006 hätten die das nie geschafft. Und die WM in Deutschland war ein voller Erfolg.
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