06.02.2012 um 12:17 Uhr
Die Titanic & der FIFA-Eisberg 2
Die Titanic bricht auf
Wie der Rest von Deutschland, verfolgt die Redaktion des Satire-Magazins „Titanic" den Wahlkampf, der hinter den Kulissen, wie so oft bei der FIFA, einem Basar ähnelt. Am 3. Juli zieht Brasilien die Bewerbung zurück und paktiert mit Südafrika. Die finale Präsentation von Franz hätte vor dem Exekutivkomitee auch spritziger ausfallen können. Der Ausgang ist positiv gesehen ungewiss. 12:12 ergeben die „Hochrechnungen". Das würde wegen Sepp nicht reichen. Laut eigener Aussage der „Titanic"-Redaktion entscheidet man sich am Vorabend der Wahl spontan um kurz nach elf ein Fax an sieben ausgewählte Funktionäre zu schicken. Ernüchtert von der finalen Präsentation. In dem Fax behauptet ein erfundener Martin Hansen, Secretary TDES („Titanic, das endgültige Satiremagazin"), dass es sein und Franz’ persönliches Anliegen sei, dass die WM in Deutschland stattfinde. Für eine zusätzliche Stimme würde man sich mit „a small gift" erkenntlich zeigen. Das nicht unterzeichnete Fax wird netterweise von der Rezeption des Luxus-Hotels „Grand Hotel Dolder" jeweils in Kuverts gesteckt und unter der jeweiligen Zimmertür durchgesteckt. Als kurz vor Mitternacht noch kein Anruf eingelangt ist schickt man ein zweites Fax diesmal mit Namen und Unterschrift des „Titanic"-Chefredakteur Martin Sonneborn (heute DIE PARTEI) an Chuck Blazer, dem Generalsekretär der CONCACAF, mit der Präzisierung, dass es sich bei dem kleinen Geschenk um einen Korb mit einer Auswahl Schwarzwälder Wurst- und Schinkenspezialitäten, einem Maßkrug sowie einer Kuckucksuhr handelt.
"Ich tat es für mein Land!"
Am nächsten Morgen ist Wahltag. Nach zwei Wahlgängen stehen erwartungsgemäß Südafrika und Deutschland im Finale. England und Marokko haben sich endgültig verabschiedet. Deutschland hält kollektiv den Atem an und feiert kurz darauf sich selbst, den Franz und den lieben Gott. Man hat es geschafft. Mit 12:11... Aber Moment, da fehlt ja einer! Kurz darauf macht Sepp mal wieder deutlich, dass auch Schweizer das Regelwerk der Demokratie nicht immer auswendig kennen und nennt den Schuldigen öffentlich beim Namen. Der 78jährige Charles „Charlie" Dempsey hat sich enthalten und das, obwohl er laut Anweisung seines Ozeanischen Fußballverbandes nach dem Ausscheiden Englands Südafrika die Stimme geben sollte. Vor den Medien spricht er von ungeheurem Druck von allen Seiten. In der „Titanic-Redaktion" klingelt das Telefon. Kollegen des britischen Channel4-Fernsehsenders wittern den großen Scoop, halten sie doch ein gewisses Fax in der Hand. Sonneborn erfüllt ihnen den Wunsch und landet prompt in den britischen Abendnachrichten. Der Skandal ist perfekt und Deutschland sicherlich kein Freund der Welt mehr. Unglaublich mit welch miesen Tricks die „Krauts" schon wieder kämpfen!
Am Morgen danach sind immer noch alle in heller Aufregung, doch laut Sonneborn kommt niemand auf die Idee die Absendernummer des Faxes zu überprüfen. Stattdessen geht „Titanic" selbst an die Öffentlichkeit und wird daraufhin von Medien aus der ganzen Welt belagert. Zur Nachrichtenagentur Reuters sagt Sonneborn: „Ich tat es für mein Land!" Der BBC antwortet er, dass man die Faxe durchaus ernstnehmen konnte, sofern „man sehr hungrig war". Während die BILD mit der Überschrift „Böses Spiel gegen Franz" einen Angriff auf den Kaiser vermutet und Leser zu Anrufen auffordert, droht der DFB mit einer Anzeige. Kurz wird mit einer Schadensersatzforderung von 600 Mio DM gedroht, um dann eine Erklärung einzufordern, die Sonneborn verpflichtet von einem erneuten Bestechungsversuch zeit seines Lebens abzusehen. Richtig harte Forderung vom DFB! Da kennt man keinen Spaß...
Bereits zuvor ist der alte Charlie wieder zurück nach Neuseeland gekehrt und stellt sich der Presse. Ein wenig tattrig, mit schlechtem Gebiss und leicht verwirrt erzählt er vom ungeheuren Druck, den Anrufen bis spät in die Nacht – u.a. von Nelson persönlich – und dem „wahren" Grund seiner Enthaltung: „The final fax broke my neck!" Diesen Satz hat er jedoch bis zu seinem Tod 2008 nie wiederholt. Das Charlie am Ende ein wenig verwirrt war, bezeugen nicht nur die Aussage zum Fax, sondern auch weitere Kommentare wie z.B. „Ich hätte nicht gedacht, dass die WM für so viele Menschen wichtig ist." Aufgrund des Drucks, der Verantwortung und des hohen Alters sollte man sich wohl eher um die FIFA-Funktionäre sorgen, statt sie mit weiteren Korruptionsvorwürfen und Stress zu belästigen.
Eine andere Erklärung
Oder war es doch ganz anders? Abseits von Faxen und Kuckucksuhren war der asiatische Fußballverband im Zuge der WM in Südkorea und Japan mit Blatter auf Konfrontation gegangen. Man pochte auf einen fünften Startplatz bei der WM 2002. Es ging mal wieder um ein Versprechen. Sepp aber wollte nicht. Stattdessen verließen die asiatischen Vertreter wutentbrannt das damalige Treffen und erinnerten sich bei der Wahl 2000 daran. Man sicherte Deutschland gemeinsam den asiatischen Block zu und überzeugte dann Charlie Dempsey vom „befreundeten" ozeanischen Verbandes gleichzutun. Dafür könnte sprechen, dass der arme Charlie auch erwähnte, dass er seinen guten Freund Lennart Johansson um Rat gefragt hatte. Letzterer war ganz klarer Unterstützer der deutschen Bewerbung gewesen. Nicht zuletzt, weil er sich bei der Wahl 1998 zum FIFA-Präsidenten von Sepp betrogen gefühlt hatte. Der war kurz darauf bereits um Schadensbegrenzung für sein Geflecht aus Machterhalt und Vetternwirtschaft bemüht. Um seinen afrikanischen Freunden eine Freude zu machen und sein Versprechen doch noch einzulösen, ließ Sepp ganz demokratisch im August 2000 das Rotationsprinzip der Kontinente im Exekutivkomitee verabschieden. Nach der Wahl ist bekanntlich vor der Wahl.
Und Deutschland? Wie immer bis dato nicht schön gespielt, aber gewonnen. Es folgen Goleo, englische Hooligans, Sommermärchen, die Erfindung des Patriotismus, Schland und die Welt zu Gast bei Franz und Freunden. Alles könnte so schön sein, hätte Theo Zwanziger nicht vehement eine Untersuchung der Vergabe an Russland und Katar gefordert. "Wenn Katar besonders auf deutsches Betreiben untersucht werden soll, gehört auch Deutschlands WM-Bewerbung 2006 untersucht - es gibt ja auch hier zumindest Gerüchte", so Sylvia Schenk von Transparency International in der "Süddeutschen". Ähnlich sieht es auch der ehemalige FIFA-Funktionär Guido Tognoni und spricht im Aktuellen Sportstudio die fragwürdige Aufhebung des Waffen-Embargos an. Nur von dem Fax und einer Kuckucks-Uhr spricht niemand mehr...
Kurzfilm zum Thema
Reaktion BILD-Leser
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Wie der Rest von Deutschland, verfolgt die Redaktion des Satire-Magazins „Titanic" den Wahlkampf, der hinter den Kulissen, wie so oft bei der FIFA, einem Basar ähnelt. Am 3. Juli zieht Brasilien die Bewerbung zurück und paktiert mit Südafrika. Die finale Präsentation von Franz hätte vor dem Exekutivkomitee auch spritziger ausfallen können. Der Ausgang ist positiv gesehen ungewiss. 12:12 ergeben die „Hochrechnungen". Das würde wegen Sepp nicht reichen. Laut eigener Aussage der „Titanic"-Redaktion entscheidet man sich am Vorabend der Wahl spontan um kurz nach elf ein Fax an sieben ausgewählte Funktionäre zu schicken. Ernüchtert von der finalen Präsentation. In dem Fax behauptet ein erfundener Martin Hansen, Secretary TDES („Titanic, das endgültige Satiremagazin"), dass es sein und Franz’ persönliches Anliegen sei, dass die WM in Deutschland stattfinde. Für eine zusätzliche Stimme würde man sich mit „a small gift" erkenntlich zeigen. Das nicht unterzeichnete Fax wird netterweise von der Rezeption des Luxus-Hotels „Grand Hotel Dolder" jeweils in Kuverts gesteckt und unter der jeweiligen Zimmertür durchgesteckt. Als kurz vor Mitternacht noch kein Anruf eingelangt ist schickt man ein zweites Fax diesmal mit Namen und Unterschrift des „Titanic"-Chefredakteur Martin Sonneborn (heute DIE PARTEI) an Chuck Blazer, dem Generalsekretär der CONCACAF, mit der Präzisierung, dass es sich bei dem kleinen Geschenk um einen Korb mit einer Auswahl Schwarzwälder Wurst- und Schinkenspezialitäten, einem Maßkrug sowie einer Kuckucksuhr handelt.
"Ich tat es für mein Land!"
Am nächsten Morgen ist Wahltag. Nach zwei Wahlgängen stehen erwartungsgemäß Südafrika und Deutschland im Finale. England und Marokko haben sich endgültig verabschiedet. Deutschland hält kollektiv den Atem an und feiert kurz darauf sich selbst, den Franz und den lieben Gott. Man hat es geschafft. Mit 12:11... Aber Moment, da fehlt ja einer! Kurz darauf macht Sepp mal wieder deutlich, dass auch Schweizer das Regelwerk der Demokratie nicht immer auswendig kennen und nennt den Schuldigen öffentlich beim Namen. Der 78jährige Charles „Charlie" Dempsey hat sich enthalten und das, obwohl er laut Anweisung seines Ozeanischen Fußballverbandes nach dem Ausscheiden Englands Südafrika die Stimme geben sollte. Vor den Medien spricht er von ungeheurem Druck von allen Seiten. In der „Titanic-Redaktion" klingelt das Telefon. Kollegen des britischen Channel4-Fernsehsenders wittern den großen Scoop, halten sie doch ein gewisses Fax in der Hand. Sonneborn erfüllt ihnen den Wunsch und landet prompt in den britischen Abendnachrichten. Der Skandal ist perfekt und Deutschland sicherlich kein Freund der Welt mehr. Unglaublich mit welch miesen Tricks die „Krauts" schon wieder kämpfen!
Am Morgen danach sind immer noch alle in heller Aufregung, doch laut Sonneborn kommt niemand auf die Idee die Absendernummer des Faxes zu überprüfen. Stattdessen geht „Titanic" selbst an die Öffentlichkeit und wird daraufhin von Medien aus der ganzen Welt belagert. Zur Nachrichtenagentur Reuters sagt Sonneborn: „Ich tat es für mein Land!" Der BBC antwortet er, dass man die Faxe durchaus ernstnehmen konnte, sofern „man sehr hungrig war". Während die BILD mit der Überschrift „Böses Spiel gegen Franz" einen Angriff auf den Kaiser vermutet und Leser zu Anrufen auffordert, droht der DFB mit einer Anzeige. Kurz wird mit einer Schadensersatzforderung von 600 Mio DM gedroht, um dann eine Erklärung einzufordern, die Sonneborn verpflichtet von einem erneuten Bestechungsversuch zeit seines Lebens abzusehen. Richtig harte Forderung vom DFB! Da kennt man keinen Spaß...
Bereits zuvor ist der alte Charlie wieder zurück nach Neuseeland gekehrt und stellt sich der Presse. Ein wenig tattrig, mit schlechtem Gebiss und leicht verwirrt erzählt er vom ungeheuren Druck, den Anrufen bis spät in die Nacht – u.a. von Nelson persönlich – und dem „wahren" Grund seiner Enthaltung: „The final fax broke my neck!" Diesen Satz hat er jedoch bis zu seinem Tod 2008 nie wiederholt. Das Charlie am Ende ein wenig verwirrt war, bezeugen nicht nur die Aussage zum Fax, sondern auch weitere Kommentare wie z.B. „Ich hätte nicht gedacht, dass die WM für so viele Menschen wichtig ist." Aufgrund des Drucks, der Verantwortung und des hohen Alters sollte man sich wohl eher um die FIFA-Funktionäre sorgen, statt sie mit weiteren Korruptionsvorwürfen und Stress zu belästigen.
Eine andere Erklärung
Oder war es doch ganz anders? Abseits von Faxen und Kuckucksuhren war der asiatische Fußballverband im Zuge der WM in Südkorea und Japan mit Blatter auf Konfrontation gegangen. Man pochte auf einen fünften Startplatz bei der WM 2002. Es ging mal wieder um ein Versprechen. Sepp aber wollte nicht. Stattdessen verließen die asiatischen Vertreter wutentbrannt das damalige Treffen und erinnerten sich bei der Wahl 2000 daran. Man sicherte Deutschland gemeinsam den asiatischen Block zu und überzeugte dann Charlie Dempsey vom „befreundeten" ozeanischen Verbandes gleichzutun. Dafür könnte sprechen, dass der arme Charlie auch erwähnte, dass er seinen guten Freund Lennart Johansson um Rat gefragt hatte. Letzterer war ganz klarer Unterstützer der deutschen Bewerbung gewesen. Nicht zuletzt, weil er sich bei der Wahl 1998 zum FIFA-Präsidenten von Sepp betrogen gefühlt hatte. Der war kurz darauf bereits um Schadensbegrenzung für sein Geflecht aus Machterhalt und Vetternwirtschaft bemüht. Um seinen afrikanischen Freunden eine Freude zu machen und sein Versprechen doch noch einzulösen, ließ Sepp ganz demokratisch im August 2000 das Rotationsprinzip der Kontinente im Exekutivkomitee verabschieden. Nach der Wahl ist bekanntlich vor der Wahl.
Und Deutschland? Wie immer bis dato nicht schön gespielt, aber gewonnen. Es folgen Goleo, englische Hooligans, Sommermärchen, die Erfindung des Patriotismus, Schland und die Welt zu Gast bei Franz und Freunden. Alles könnte so schön sein, hätte Theo Zwanziger nicht vehement eine Untersuchung der Vergabe an Russland und Katar gefordert. "Wenn Katar besonders auf deutsches Betreiben untersucht werden soll, gehört auch Deutschlands WM-Bewerbung 2006 untersucht - es gibt ja auch hier zumindest Gerüchte", so Sylvia Schenk von Transparency International in der "Süddeutschen". Ähnlich sieht es auch der ehemalige FIFA-Funktionär Guido Tognoni und spricht im Aktuellen Sportstudio die fragwürdige Aufhebung des Waffen-Embargos an. Nur von dem Fax und einer Kuckucks-Uhr spricht niemand mehr...
Kurzfilm zum Thema
Reaktion BILD-Leser
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Aufrufe: 6988 | Kommentare: 13 | Bewertungen: 28 | Erstellt:06.02.2012
ø 9.9
KOMMENTARE
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08.02.2012 | 15:43 Uhr
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Für den Jennings und auch Weinreich habe ich allerhöchsten Respekt! Zum Glück gibt es Leute wie sie, denn sonst wären die Herrschaften ja wirklich komplett unüberwacht.
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08.02.2012 | 18:59 Uhr
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Die Vorredner haben eigentlich schon alles gesagt.
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Weinreich und Jennings sind ja vom selben Schlag. ;) Aber "Columbo auf Speed" find ich gut, obwohl man schon respektieren muss, was für eine Energie er für seine Recherchen aufwendet.
Habe "The Fix" von Hill bisher nur teilweise gelesen. Unterhaltend ist es allemal. Was fandest du so chaotisch?