18.02.2012 um 01:29 Uhr
Die steirische Eiche I/II
Einst führte er Sturm Graz in die Champions League, nun führt sein Weg wohl ins Gefängnis. Hannes Kartnig wurde vom Straflandesgericht Graz zu 5 Jahren unbedingter Haft und einer Zahlung von 6,637 Millionen Euro – nicht rechtskräftig - verurteilt. Damit endet einer der erfolgreichsten und zugleich skurrilsten Erfolgsgeschichten des österreichischen Fußballs. Das Urteil ist gefällt, die Eiche gestürzt.
Hannes Kartnig gehörte zu der Gattung Fußball-Präsident, die heute fast schon ausgestorben zu sein scheint. Auftreten, Art und die latente Nähe zur Kriminalität oder angehäufter Schuldenberge erinnern an Gil y Gil, ehemaliger Präsident Atlético Madrids, oder auch Günther Eichberg, den „Sonnenkönig" von Schalke 04. Gerne etwas untersetzter, mit schrillen Designer-Kleidern und dem Hang zu Großschnäuzigkeit hat dieser Menschenschlag besonders in den 90ern den Fußball geprägt. In diesem Umfeld wird gerne vom „steuerschonenden arbeiten" gesprochen. Charme, derber Humor, kernige Sprüche, lokales Timbre in Stimme und Humor, dabei immer den Schalk aus dem Auge und den kleinen Choleriker im Hirn. Der weiße Schal über dem Anzug, gerne auch ein wildgemustertes Versace-Seidenhemd. Man nennt sie Typen oder Originale und teilweise vermisst man sie im heute weichgespülten „Nivea"-Fußball.
Hannes Kartnig, der Zar von Graz (Quelle: Sport10.at)
Louis-XIV der Steiermark
Der „Zar" Hannes Kartnig verkörpert dieses Klischee mit jeder Pore. Hoher Haaransatz, respektvolle Leibesfülle, tiefe Stimme, leicht atemlose Sprache. Gefängniserfahrung konnte der heute 60jährige dabei bereits vor dem Urteilsspruch vorweisen. Im Jahr 1976 hatte er laut „NEWS"-Magazin kurze Zeit in Haft verbracht. Grund damals: Betrug. Zu seiner Glanzzeit pflegte er diese Zeit immer mit dem Satz „Ein Mann ohne Knast ist wie ein Baum ohne Ast" zu verteidigen. Sprüche, die jede Gesellschaft unterhält. Der Steirer ist einer den man sich optisch eher im Wirtshaus vor Schweinshaxe und Bier in geselliger Runde erwartet. Ist er auch, aber er ist eben auch einer, der in den 90er Jahren einen Verein aus der Provinz in die Champions League geführt hat. Doch der Reihe nach: Von der Königsklasse war Sturm Graz bei Kartnigs Amtsantritt 1992 sehr weit entfernt. Man kämpfte gegen den Konkurs. Der „Sonnenkönig von Graz", wie er auch gerne genannt wird, kam und führte den Verein innerhalb weniger Jahre zum Erfolg. Zunächst galt es den Provinzverein gegen die großen Hauptstadt-Clubs Rapid und Austria Wien sowie Salzburg zu positionieren. Das nötige Ego hatte er schon, den Körper sollte er sich in den nächsten Jahren schnell aneignen. Das poltern begann. Im Nachhinein war alles nur Show, alles Marketing: „Ich war ja ein provokanter Typ. Ich musste damals ein Produkt verkaufen, das war ja Marketing und Sturm Graz hat ja damals keiner gekannt", so Kartnig im „Puls4"-Interview. Die Methoden waren dabei selten raffiniert, aber immer plakativ.
„Eier wie Wassermelonen"
Da donnerten Sprüche wie „Wir haben so viel auf dem Konto wie alle anderen österreichischen Vereine zusammen Schulden" durch das Land, der geleaste Rolls Royce Corniche Cabriolet Kennzeichen „STURM 1 fuhr durch Graz, ein Hai schwamm durch das Aquarium im eigenen Haus, den Geburtstag feierte man standesgemäß im Schloss Eggenberg in Graz für 3,2 Mio Schilling, man saß gerne auch auf golden-bezogene VIP-Sesseln in der Loge. Immer einen Tick zu viel des schlechten Geschmacks. Eine Spur zu viel. Einen Funken drüber. Über den Ex-Kicker Mehrdad Minavand polterte Kartnig einmal „Wenn ich irgendwann wieder einen Perser kaufe, dann höchstens einen Teppich." Seine Vorgänger waren für ihn „Faschingspopperln". Für einen Spruch war Kartnig immer zu haben. Die Politik chauffierte ihn bis hin zum Landtagsmandat, dass er laut „profil" aufgrund des zu niedrigen Lohns ausschlug. Wieder ein Brüller zwischen Größenwahn und Stammtisch. Doch der Erfolg gab ihm zunächst recht und seine Art brachte ihm auch Anerkennung ein. Der Grazer Ex-Coach Ivivca Osim sagte letztes Jahr über ihn: „Er hat Mut. Und Eier wie Wassermelonen".
Zusammenfassung eines Champions-League-Spiels gegen Istanbul (Quelle: ORF1)
Sturm Graz wird 1998 zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte Meister. Auf diesen Titel mussten Verein und Fans 89 Jahre lang warten. Zwei Jahre zuvor konnte man bereits den Gewinn des österreichischen Pokals feiern. Bis 1999 sollten noch eine Meisterschaft und zwei Pokalsiege hinzukommen. Doch der größte Triumph sollte kein Titel werden, sondern die Champions League-Saison 2000/2001. Man schaffte dank enormer Heimstärke den Sprung unter die sechzehn besten Vereine Europas. In der Gruppenphase verwies man die renommierten Mannschaften von Galatasaray Istanbul, Glasgow Rangers und AS Monaco auf die Plätze. Im Moment des größten Triumphs verkündete Kartnig vor der Zwischenrunde in seiner ihm speziellen Bescheidenheit: „Valencia müssen wir sowieso schlagen, und vor Manchester hab ich auch keine Angst". Ergebnis gegen beide Mannschaften: vier Niederlagen, kein Treffer und eine 0:5-Klatsche gegen Valencia im damaligen Arnold-Schwarzenegger-Stadion. Das konnte jedoch die Leistung und nationale Anerkennung nicht schmälern. Neben Cordoba und die Odysee Rapid Wiens ins Pokalsieger-Cup-Finale, bleiben die goldenen Jahreder schwarz-weißen Grazer fest im österreichischen Fußballerfolgsgedächtnis verhaftet.
Zu Teil 2!
Hannes Kartnig gehörte zu der Gattung Fußball-Präsident, die heute fast schon ausgestorben zu sein scheint. Auftreten, Art und die latente Nähe zur Kriminalität oder angehäufter Schuldenberge erinnern an Gil y Gil, ehemaliger Präsident Atlético Madrids, oder auch Günther Eichberg, den „Sonnenkönig" von Schalke 04. Gerne etwas untersetzter, mit schrillen Designer-Kleidern und dem Hang zu Großschnäuzigkeit hat dieser Menschenschlag besonders in den 90ern den Fußball geprägt. In diesem Umfeld wird gerne vom „steuerschonenden arbeiten" gesprochen. Charme, derber Humor, kernige Sprüche, lokales Timbre in Stimme und Humor, dabei immer den Schalk aus dem Auge und den kleinen Choleriker im Hirn. Der weiße Schal über dem Anzug, gerne auch ein wildgemustertes Versace-Seidenhemd. Man nennt sie Typen oder Originale und teilweise vermisst man sie im heute weichgespülten „Nivea"-Fußball.
Hannes Kartnig, der Zar von Graz (Quelle: Sport10.at)
Louis-XIV der Steiermark
Der „Zar" Hannes Kartnig verkörpert dieses Klischee mit jeder Pore. Hoher Haaransatz, respektvolle Leibesfülle, tiefe Stimme, leicht atemlose Sprache. Gefängniserfahrung konnte der heute 60jährige dabei bereits vor dem Urteilsspruch vorweisen. Im Jahr 1976 hatte er laut „NEWS"-Magazin kurze Zeit in Haft verbracht. Grund damals: Betrug. Zu seiner Glanzzeit pflegte er diese Zeit immer mit dem Satz „Ein Mann ohne Knast ist wie ein Baum ohne Ast" zu verteidigen. Sprüche, die jede Gesellschaft unterhält. Der Steirer ist einer den man sich optisch eher im Wirtshaus vor Schweinshaxe und Bier in geselliger Runde erwartet. Ist er auch, aber er ist eben auch einer, der in den 90er Jahren einen Verein aus der Provinz in die Champions League geführt hat. Doch der Reihe nach: Von der Königsklasse war Sturm Graz bei Kartnigs Amtsantritt 1992 sehr weit entfernt. Man kämpfte gegen den Konkurs. Der „Sonnenkönig von Graz", wie er auch gerne genannt wird, kam und führte den Verein innerhalb weniger Jahre zum Erfolg. Zunächst galt es den Provinzverein gegen die großen Hauptstadt-Clubs Rapid und Austria Wien sowie Salzburg zu positionieren. Das nötige Ego hatte er schon, den Körper sollte er sich in den nächsten Jahren schnell aneignen. Das poltern begann. Im Nachhinein war alles nur Show, alles Marketing: „Ich war ja ein provokanter Typ. Ich musste damals ein Produkt verkaufen, das war ja Marketing und Sturm Graz hat ja damals keiner gekannt", so Kartnig im „Puls4"-Interview. Die Methoden waren dabei selten raffiniert, aber immer plakativ.
„Eier wie Wassermelonen"
Da donnerten Sprüche wie „Wir haben so viel auf dem Konto wie alle anderen österreichischen Vereine zusammen Schulden" durch das Land, der geleaste Rolls Royce Corniche Cabriolet Kennzeichen „STURM 1 fuhr durch Graz, ein Hai schwamm durch das Aquarium im eigenen Haus, den Geburtstag feierte man standesgemäß im Schloss Eggenberg in Graz für 3,2 Mio Schilling, man saß gerne auch auf golden-bezogene VIP-Sesseln in der Loge. Immer einen Tick zu viel des schlechten Geschmacks. Eine Spur zu viel. Einen Funken drüber. Über den Ex-Kicker Mehrdad Minavand polterte Kartnig einmal „Wenn ich irgendwann wieder einen Perser kaufe, dann höchstens einen Teppich." Seine Vorgänger waren für ihn „Faschingspopperln". Für einen Spruch war Kartnig immer zu haben. Die Politik chauffierte ihn bis hin zum Landtagsmandat, dass er laut „profil" aufgrund des zu niedrigen Lohns ausschlug. Wieder ein Brüller zwischen Größenwahn und Stammtisch. Doch der Erfolg gab ihm zunächst recht und seine Art brachte ihm auch Anerkennung ein. Der Grazer Ex-Coach Ivivca Osim sagte letztes Jahr über ihn: „Er hat Mut. Und Eier wie Wassermelonen".
Zusammenfassung eines Champions-League-Spiels gegen Istanbul (Quelle: ORF1)
Sturm Graz wird 1998 zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte Meister. Auf diesen Titel mussten Verein und Fans 89 Jahre lang warten. Zwei Jahre zuvor konnte man bereits den Gewinn des österreichischen Pokals feiern. Bis 1999 sollten noch eine Meisterschaft und zwei Pokalsiege hinzukommen. Doch der größte Triumph sollte kein Titel werden, sondern die Champions League-Saison 2000/2001. Man schaffte dank enormer Heimstärke den Sprung unter die sechzehn besten Vereine Europas. In der Gruppenphase verwies man die renommierten Mannschaften von Galatasaray Istanbul, Glasgow Rangers und AS Monaco auf die Plätze. Im Moment des größten Triumphs verkündete Kartnig vor der Zwischenrunde in seiner ihm speziellen Bescheidenheit: „Valencia müssen wir sowieso schlagen, und vor Manchester hab ich auch keine Angst". Ergebnis gegen beide Mannschaften: vier Niederlagen, kein Treffer und eine 0:5-Klatsche gegen Valencia im damaligen Arnold-Schwarzenegger-Stadion. Das konnte jedoch die Leistung und nationale Anerkennung nicht schmälern. Neben Cordoba und die Odysee Rapid Wiens ins Pokalsieger-Cup-Finale, bleiben die goldenen Jahreder schwarz-weißen Grazer fest im österreichischen Fußballerfolgsgedächtnis verhaftet.
Zu Teil 2!
Aufrufe: 8967 | Kommentare: 1 | Bewertungen: 4 | Erstellt:18.02.2012
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Die Erfolge des SK Sturm wurde seit damals niemals wieder von einem österr. Verein wiederholt!!!
Kartnig war mit Osim der Vater dieses Erfolges!!! Schade dass ein Mann wie er ins Häfn muss, viele andere korrupte Österreicher ihrer Strafe entkommen werden (Grasser, etc)!!!
Danke für die tollen Jahreeeeeeeeee Hannes!