19.10.2012 um 14:46 Uhr
Diego - Im Rausch der Tiefe 4/4
Zunächst wird er aber noch zum „FIFA-Spieler des Jahrhunderts" gewählt – mit 53% der Stimmen. Eine Wahl die der „sauberen" FIFA und ihrem Musterknaben Pelé, der nur 18% erzielen kann, so gar nicht schmecken will. Kurzerhand wird eine Jury eingesetzt und man vergibt einfach zwei Preise. Das Volk will Diego, die Elite nicht – wie so oft. In seiner ihm eigenen Art kommentiert Pelé süffisant: „Die Fußball-Welt hat sich bereits für mich entschieden, aber wenn der Titel Maradona helfen kann, seine Drogenprobleme zu bewältigen und mit 40 Jahren noch einmal in die Familie des Fußballs zurückzukehren, warum nicht?" SPIEGEL zitiert weiter: „Es ist wie in der Musik. Dort gibt es Beethoven und die anderen. Und im Fußball gibt es eben Pele und die anderen." Dabei sehen selbst die Brasilianer oft genug Garrincha als besten Spieler ihres Landes an.
Dem Tod einen Haken geschlagen
Am 4. Januar 2000 wird er ins Krankenhaus eingeliefert. Wieder einmal findet man Kokainspuren im Blut, sein Herzmuskel schwächelt. Er entscheidet sich seine Reha bei seinem Freund Fidel Castro auf Kuba zu machen. Nicht ungewöhnlich, ist der aus armen Verhältnissen stammende Diego doch immer wieder in Nähe linksgerichteter Politiker Lateinamerikas zu sehen. Sein erstes Treffen mit Castro datiert von 1987. Damals wird er mit zeitglich mit Preisen in den USA und Kuba geehrt. Er sagt den USA ab und nimmt den kubanischen Preis entgegen. Auf seiner Schulter prangt ein Portrait von Che Guevara, später ziert auch Castros Antlitz Maradonas Körper. Kurz darauf erscheint er beim Abschiedsspiel von Lothar Matthäus. Ein Kurzauftritt verzaubert das Münchner Olympiastadion. Uli Hoeneß wollte ihn mal kaufen, sah aber schnell ein, dass man ihn „nur mit einer kugelsicheren Weste" aus Neapel hätte holen können.
Am 18. April 2004 dann erneuter Krankenhausaufenthalt. Diesmal wird er mit einem Herzinfarkt eingeliefert. Der Grund: Kokainüberdosis. Ganz Argentinien hält den Atem an und betet für „El Diez". Sein Herz funktioniert nur noch zu 29%. „Maradona war so gut wie tot. Ich habe ihn zweimal wiederbeleben müssen, einmal bin ich mit dem schwerkranken Maradona 14 Stunden durch Buenos Aires gefahren, und keine Klinik in der Stadt wollte ihn aufnehmen. Keine Klinik in Buenos Aires wollte die Klinik sein, in der Maradona stirbt" erinnert sich sein Privatarzt, Dr. Alfredo Cahe, im SPIEGEL. Diego will wieder nach Kuba, doch die Familie ist dagegen. Stattdessen steht neben der Entziehungskur eine Magenverkleinerung an. Man sieht ihn "dünn" an der Seite von Venezuelas Präsidenten Hugo Chavez beim lateinamerikanischen Gipfel im argentinischen Mar de Plata. Er wettert gegen Bush, nennt ihn „menschlichen Müll" und trägt ein „Stop Bush"-T-Shirt auf dem das „S" mit einem Hakenkreuz dargestellt wird. 2008 ist er plötzlich Nationaltrainer. Es wirkt so, als habe der Verband mehr ein motivierendes Maskottchen gesucht als einen echten Trainer. Man kann es auch als ungewöhnliche Resozialisierungsmaßnahme deuten. Nach der WM 2010 und der herben 4:0-Viertelfinal-Niederlage gegen Deutschland trennen sich die Wege auch schon wieder. Einziger „Höhepunkt" seiner Zeit wird wohl die Abrechnung mit den männlichen Journalisten und seiner Aufforderung „ihm kräftig einen zu blasen" bleiben.
Was bleibt ist ein Leben auf der Überholspur. Unvergessliche Tore und Dribblings. Eine Technik, die Michel Platini mal wie folgt umschrieb: „Alles was Zidane mit dem Ball kann, kann Maradona mit einer Orange!" Diese Ballbehandlung, die Leichtigkeit eines Straßenkünstlers gepaart mit unermüdlichen Einsatz und Schlitzohrigkeit. Genau dieses Image und seine immer wieder verkündete Liebe für das Volk sind es wohl, die ihm den übertriebenen Gottstatus daheim und in Neapel eingebracht haben. In den verklärten Augen der Vergessenen hat er sie gerächt, es den Reichen und Eliten gezeigt. Und doch bleibt der Held durch seine Sucht angreifbar. Er fällt, fängt sich, fällt noch tiefer. Alles wirkt labil und zerbrechlich. Genau solche tragischen Figuren faszinieren die Menschheit. Seine Menschlichkeit macht ihn paradoxerweise "übermenschlich". Kokain, Arroganz und eine Entfremdung seiner selbst, vermutlich sogar die Unmöglichkeit der Verarbeitung des Erlebten spiegeln sich wieder, wenn er von sich in der dritten Person spricht. Er gehört zu den Menschen, die einen mit Herzlichkeit gewinnen und gleich wieder abstoßen können. Einer, der falsche Freunde sucht und natürlich findet. Einer, den man verehren und hassen kann und am Ende trotzdem beschützen will. Einer, der Narrenfreiheit genießt und diese auch ausnutzt.
Man weiß nicht wie viel Schaden er davongetragen hat. Laut eines ärztlichen Berichts aus den 90er-Jahren, hat seine Kokainsucht irreparable Hirnschäden verursacht. Gianfranco Zola meinte zu seiner Zeit in Neapel, er sei „in Symbiose mit der Stadt" gewesen. Leider in allen Belangen wie es scheint. Für seinen Ex-Trainer Menotti ist klar: „Diego war Opfer! Er war einer der ersten Fußballer, den der Jetset aus der Gemeinschaft der Spieler heraus gekidnappt hat." Nur dass Maradona sich auch sehr leicht hat kidnappen lassen. Dem Jahrzehnt des Rausches folgten die des Abstiegs und des Neuanfangs. Für ihn ist die größte Qualität die ein Spieler haben kann „den Ball zu stoppen und im Spielfluss zu bleiben. Vorher bereits zu wissen wie man den Ball annimmt und weiterverarbeitet, das können nicht viele." Man kann nur hoffen, dass er auch im Leben endlich den Fluss gefunden hat. Der Rausch ist heute vorbei. Der Kater legt sich und Diego fragt sich ein wenig nach dem Sinn, sieht seine Karriere und sein Familienleben durchaus kritisch und reuevoll. Nach 25 Jahren Vollgas bleibt eine Frage - natürlich nicht ohne eine typische Spur Größenwahn: „Welcher Spieler hätte ich ohne Kokain erst sein können?!?" Pelé ist wohl der Einzige, der es nicht wirklich wissen will.
Zu Teil 1
Dem Tod einen Haken geschlagen
Am 4. Januar 2000 wird er ins Krankenhaus eingeliefert. Wieder einmal findet man Kokainspuren im Blut, sein Herzmuskel schwächelt. Er entscheidet sich seine Reha bei seinem Freund Fidel Castro auf Kuba zu machen. Nicht ungewöhnlich, ist der aus armen Verhältnissen stammende Diego doch immer wieder in Nähe linksgerichteter Politiker Lateinamerikas zu sehen. Sein erstes Treffen mit Castro datiert von 1987. Damals wird er mit zeitglich mit Preisen in den USA und Kuba geehrt. Er sagt den USA ab und nimmt den kubanischen Preis entgegen. Auf seiner Schulter prangt ein Portrait von Che Guevara, später ziert auch Castros Antlitz Maradonas Körper. Kurz darauf erscheint er beim Abschiedsspiel von Lothar Matthäus. Ein Kurzauftritt verzaubert das Münchner Olympiastadion. Uli Hoeneß wollte ihn mal kaufen, sah aber schnell ein, dass man ihn „nur mit einer kugelsicheren Weste" aus Neapel hätte holen können.
Am 18. April 2004 dann erneuter Krankenhausaufenthalt. Diesmal wird er mit einem Herzinfarkt eingeliefert. Der Grund: Kokainüberdosis. Ganz Argentinien hält den Atem an und betet für „El Diez". Sein Herz funktioniert nur noch zu 29%. „Maradona war so gut wie tot. Ich habe ihn zweimal wiederbeleben müssen, einmal bin ich mit dem schwerkranken Maradona 14 Stunden durch Buenos Aires gefahren, und keine Klinik in der Stadt wollte ihn aufnehmen. Keine Klinik in Buenos Aires wollte die Klinik sein, in der Maradona stirbt" erinnert sich sein Privatarzt, Dr. Alfredo Cahe, im SPIEGEL. Diego will wieder nach Kuba, doch die Familie ist dagegen. Stattdessen steht neben der Entziehungskur eine Magenverkleinerung an. Man sieht ihn "dünn" an der Seite von Venezuelas Präsidenten Hugo Chavez beim lateinamerikanischen Gipfel im argentinischen Mar de Plata. Er wettert gegen Bush, nennt ihn „menschlichen Müll" und trägt ein „Stop Bush"-T-Shirt auf dem das „S" mit einem Hakenkreuz dargestellt wird. 2008 ist er plötzlich Nationaltrainer. Es wirkt so, als habe der Verband mehr ein motivierendes Maskottchen gesucht als einen echten Trainer. Man kann es auch als ungewöhnliche Resozialisierungsmaßnahme deuten. Nach der WM 2010 und der herben 4:0-Viertelfinal-Niederlage gegen Deutschland trennen sich die Wege auch schon wieder. Einziger „Höhepunkt" seiner Zeit wird wohl die Abrechnung mit den männlichen Journalisten und seiner Aufforderung „ihm kräftig einen zu blasen" bleiben.
Was bleibt ist ein Leben auf der Überholspur. Unvergessliche Tore und Dribblings. Eine Technik, die Michel Platini mal wie folgt umschrieb: „Alles was Zidane mit dem Ball kann, kann Maradona mit einer Orange!" Diese Ballbehandlung, die Leichtigkeit eines Straßenkünstlers gepaart mit unermüdlichen Einsatz und Schlitzohrigkeit. Genau dieses Image und seine immer wieder verkündete Liebe für das Volk sind es wohl, die ihm den übertriebenen Gottstatus daheim und in Neapel eingebracht haben. In den verklärten Augen der Vergessenen hat er sie gerächt, es den Reichen und Eliten gezeigt. Und doch bleibt der Held durch seine Sucht angreifbar. Er fällt, fängt sich, fällt noch tiefer. Alles wirkt labil und zerbrechlich. Genau solche tragischen Figuren faszinieren die Menschheit. Seine Menschlichkeit macht ihn paradoxerweise "übermenschlich". Kokain, Arroganz und eine Entfremdung seiner selbst, vermutlich sogar die Unmöglichkeit der Verarbeitung des Erlebten spiegeln sich wieder, wenn er von sich in der dritten Person spricht. Er gehört zu den Menschen, die einen mit Herzlichkeit gewinnen und gleich wieder abstoßen können. Einer, der falsche Freunde sucht und natürlich findet. Einer, den man verehren und hassen kann und am Ende trotzdem beschützen will. Einer, der Narrenfreiheit genießt und diese auch ausnutzt.
Man weiß nicht wie viel Schaden er davongetragen hat. Laut eines ärztlichen Berichts aus den 90er-Jahren, hat seine Kokainsucht irreparable Hirnschäden verursacht. Gianfranco Zola meinte zu seiner Zeit in Neapel, er sei „in Symbiose mit der Stadt" gewesen. Leider in allen Belangen wie es scheint. Für seinen Ex-Trainer Menotti ist klar: „Diego war Opfer! Er war einer der ersten Fußballer, den der Jetset aus der Gemeinschaft der Spieler heraus gekidnappt hat." Nur dass Maradona sich auch sehr leicht hat kidnappen lassen. Dem Jahrzehnt des Rausches folgten die des Abstiegs und des Neuanfangs. Für ihn ist die größte Qualität die ein Spieler haben kann „den Ball zu stoppen und im Spielfluss zu bleiben. Vorher bereits zu wissen wie man den Ball annimmt und weiterverarbeitet, das können nicht viele." Man kann nur hoffen, dass er auch im Leben endlich den Fluss gefunden hat. Der Rausch ist heute vorbei. Der Kater legt sich und Diego fragt sich ein wenig nach dem Sinn, sieht seine Karriere und sein Familienleben durchaus kritisch und reuevoll. Nach 25 Jahren Vollgas bleibt eine Frage - natürlich nicht ohne eine typische Spur Größenwahn: „Welcher Spieler hätte ich ohne Kokain erst sein können?!?" Pelé ist wohl der Einzige, der es nicht wirklich wissen will.
Zu Teil 1
Aufrufe: 3880 | Kommentare: 16 | Bewertungen: 21 | Erstellt:19.10.2012
ø 9.6
KOMMENTARE
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21.10.2012 | 12:49 Uhr
0
Gnanag :
Mir gehen echt die Superlative aus, deine Blogs noch zu beschrieben. Ich hab mir diesen im Laufe der letzten 2 Tage durchgelesen und was soll man dazu noch sagen? Einfach überragend gut, sollte eigentlich ganz Vorne auf die Startseite!
1
21.10.2012 | 15:26 Uhr
0
Voegi :
selbstverständlich kommt der auf die startseite...dauert nur noch etwas. ist bei dem blog ja auch wurscht.
der ist doch zeitlos super. und passt immer.
1
23.10.2012 | 11:19 Uhr
-1
Schnoeff :
Sehr stark. Lange nicht mehr ein so guten Blog wie deinen gelesen. Diego Maradona ist halt trotz des kleinen, uncharismatischen Lionel Messi, immer noch DER Spieler in Argentinien....
0
23.10.2012 | 11:55 Uhr
-2
schlibbedewitz : Überragend!!!
Fantastischer Blog !!! DIEGO ARMANDO MARADONA !!!Für mich immer noch der Beste aller Zeiten !!
4
23.10.2012 | 12:03 Uhr
0
In der Tat hat der damalige Präsident Neapels später gesagt, dass die gesamte Mannschaft entweder auf Kokain oder anderen Aufputschmitteln war. Leider musst ich nur sehr viele Sachen wieder rauskürzen und weiß gar nicht, ob ich das drinnen gelassen habe... Mit dem Leben kann man ein Buch füllen.
Was ist denn nicht ganz korrekt? Würde mich sehr interessieren, da ich eigentlich dachte sehr ordentlich recherchiert und quergecheckt zu haben soweit man es halt ohne direkte Nachfragen machen kann PM oder hier ist mir beides recht! Danke!
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23.10.2012 | 12:26 Uhr
0
Jeder, der den Fußball liebt, kennt Diego. Jeder kennt "die Hand Gottes" oder sein "Tor des Jahrhunderts". Auf sportlicher Ebene sind wohl alle seine Taten Weltbekannt. Es ist ziemlich schwer einen Blog über diesen Ausnahmefußballer zu verfassen ohne den Lesern mit bekannten Zahlen, Daten und Fakten zu langweilen.
Daher bin ich umso mehr Fassziniert davon wie du die Geschichten dahinter recherchiert hast. Sei es die Kontakte zur Mafia oder zum kubanischen Staatsoberhaupt . Sein ganzes Schafffen erscheint dadurch in einem anderen Licht.
Selten einen so hochwertigen Blog gelesen!
Wielange hast du für die recherche gebraucht? Würd mich echt interessieren.
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23.10.2012 | 12:45 Uhr
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habe auch sein buch gelesen, welches auch sehr interessant, aber auch traurig ist!
für mich wird er der beste spieler aller zeiten bleibven!
seine "aufwärmen" gegen stuttgart kann man bei youtube sehen...Live is Live musik im hintergund
oder seine top 10 goals, wo er noch bei barca spielend, den keeper ausspielt und dann auf der torlinie nochmals einen gegenspieler vernascht...
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groß!artig!
als fußballer fand ich maradonna immer sensationell, vielleicht gar größer als pele. als mensch ist er für mich ein echtes trauerspiel.