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11.06.2008 um 00:43 Uhr
EM-inent 08: Der freie Villa
Ob es einen freien Willen gibt, darüber streiten die Gelehrten seit Langem. Dass es einen freien Villa gibt, konnte man beim Match Spanien - Russland eindrucksvoll feststellen. Nach 20 Minuten wurde David Villa von Fernando Torres wunderbar in Szene gesetzt, nutzte die Freiräume in der russischen Abwehr und lochte das erste Mal ein.
Die beiden flinken Stürmer stellten die neu formierte Viererkette ein ums andere Mal vor Rätsel. Yuri Zhirkov, Denis Kolodin, Roman Shirokov und Aleksandr Anyukov hatte der renommierte holländische Russen-Trainer Guus Hiddink aufgeboten. Allein Zhirkov gefiel hiervon - bei seinen Vorstößen.
Allgemein wirkten die Osteuropäer schon spielfreudig, doch zeigte sich der Unterschied im Mittelfeld deutlich: Die Spanier reagierten auf Pressing mit dem Versuch, den angreifenden Gegner auszuspielen - oft erfolgreich. Die Russen indes reagierten meist mit Quer- und Rückpässen. Ihre Dynamik in der Balleroberung war somit zu bremsen, was besonders Marcos Senna und David Silva hervorragend gelang.
Als sich die Russen mal über rechts durchsetzen konnten, ergab sich ihre vorerst beste Torchance, indem zwei von ihnen den Ball absichtlich durchliessen (- fehlte vielleicht der Mut?). Mehr als ein Pfostenschuss resultierte daraus aber nicht. Ansonsten waren ihre gefährlichsten Szenen die, die schon abgepfiffen waren. Bald darauf zeigte das iberische Mittelfeld wieder ihr chirurgisches Talent. Andres Iniesta setzte den entscheidenden Schnitt, legte so das russische Herz frei und Villa durchbohrte es - 2:0.
Nach der Pause dominierte erst Russland. Doch die alten Verhältnisse stellten sich wieder ein. Im spanischen 4-1-3-2 zeigten sich die 3 besonders ausgewogen. Xavi, Iniesta und Silva erfüllten ihre Defensivaufgaben nun vorbildlich (Iniesta hatte dabei am Anfang des Spiels Probleme mit Zhirkov) und bestachen nach vorne mit präzisen Pässen, guten Ideen und schneller Ausführung. Ihr Vorwärtsdrang war nicht zu stoppen. Hindernisse wurden nur selten mit Rückpässen umgangen, und in so einem Fall wurde Zeitverlust vermieden - nämlich, indem das nächste Zuspiel quick und steil erfolgte.
Nach der 70. Minute begann es für die Osteuropäer peinlich zu werden. Der eingewechselte Vladimir Bystrov, der keine erinnerungswürdige Situation heraufbeschwor (rechtes Mittelfeld), wurde nach 24 Minuten unverletzt (sic!) von Hiddink wieder vom Platz zitiert.
Durch Stürmer Roman Pavlyuchenko gelang dann zwar noch ein Kopfball-Treffer nach verlängerter Ecke, doch bald darauf stellte Cesc Fabregas (nur eingewechselt!) als Vollstrecker eines Konters den alten Abstand wieder her.
Nichtsdestotrotz prophezeie ich heute, dass Russland bei der nächsten Euro zu den Favoriten gehört!

Dass nicht immer ein Favorit gewinnt, bewies Griechenland 2004 in Portugal. Seitdem hat sich bei Hellas offensichtlich wenig getan. Die meisten Namen waren die selben. Die Spieler sind nun erfahrener und älter. Ob es daran lag, dass sie sich teilweise den Ball nur müde in der Innenverteidigung zuspielten...?
Mit den Schweden kann man's ja machen, dachte sich Otto Rehhagels Truppe offenbar. Und vorne wird hoffentlich eine Standardsituation die Entscheidung bringen - der unsichtbare Theofanis Gekas zumindest nicht. Dabei vernachlässigten die Skandinavier beim Verteidigen die Außenseiten!
Zumal sich auch die Schweden in der Vorwärtsbewegung nicht als Ausgeburt an Kreativität erwiesen, hatte Griechenland gar lange mehr Aktionen, denen man das Attribut "gefährlich" mit Wohlwollen zuordnen konnte.
Was macht man denn gegen Manndeckung und Fünferkette? Die Schwächen dieser antiquierten (oder gar antiken, wenn man schon von Griechenland spricht...) Form des Fußballs werden deutlich, wenn man Überzahl schafft, die Mitspieler so einsetzt, dass ihre Vorteile (Schnelligkeit, Kopfballstärke) zum Tragen kommen können, oder die (Zu-) Ordnung durcheinanderbringt. Letzteren Weg wählten die Nordlichter mit Zlatan Ibrahimovic, der den Doppelpass suchte und dann mit strammem Schuss den Führungstreffer erzielte.
Rehhagels Kolosse waren nun gefordert sich nach vorne zu orientieren und so ergab sich plötzlich ein Loch und Fredrik Ljungberg stand frei vor dem griechischen Torhüter. Er konnte ihn zwar nicht überwinden, doch der Ball war noch "heiss", wie es so schön heisst, und er segelte in Richtung Gehäuse, wo drei Spieler Ping Pong spielten - mit dem Ergebnis Tor. 2:0, Klappe zu, Affe tot!
Und dass dieses ermüdende Spiel nicht 0:0 ausging, ist echt ein Geschenk Gottes. Rehhagels "Modern ist, wenn man gewinnt" kann man ihm nun schön um die Ohren schlagen. Gegen Spanien und Russland wird er trotz des nun aufkommenden Drucks sicher kaum unkontrollierte Offensive predigen...

Apropos predigen: Haben die Schiedsrichter nicht immer gepredigt, dass Trikot müsste in die Hose gesteckt werden? Ist man da nun liberaler?
Und war es nicht mal so, dass man sich Ballbesitz oder Seitenwahl aussuchen durfte, wenn man den Münzwurf gewann? Wenn ja, wann wurde das geändert?
Täusche ich mich, oder wird inzwischen jedes Mal nach der ersten Hälfte eine Minute Nachspielzeit draufgegeben und nach der zweiten Hälfte derer drei? Da kann man doch gleich die Spielzeit verlängern. Denn an den Unterbrechungen (z.B. durch Tore und deren Jubel) wird diese Zusatzzeit ja offensichtlich nicht mehr festgemacht...
Aufrufe: 876 | Kommentare: 0 | Bewertungen: 1 | Erstellt:11.06.2008
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