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17.05.2010 um 16:19 Uhr
Ein bisschen wie Bart Simpson
Ich drücke es mal vorsichtig aus: Ich bin irritiert! Als eingefleischter Bayern-Fan bin ich es gewöhnt, dass meine Leidenschaft für den selbstbewussten Fußballclub aus München in meinem (rheinischen) Umfeld mit Naserümpfen goutiert wird. Hohn, Unverständnis und unverhohlene Verachtung sind so etwas wie die naturgegebene Reaktionstrias, welche das Bayern-Fan-Dasein in der anders veranlagten Fußballwelt auszulösen pflegt. Umso mehr irritiert es mich nun also, dass in der jüngeren Vergangenheit einige Fußballfreunde, denen der FCB bis dato immer ein quälender Dorn im Auge war, inzwischen eine subtile Sympathie für meinen Herz-und-Magen-Club empfinden.

Ich denke dabei auch, aber nicht allein, an den allseits bekannten SPOX-User gidmet (Name geändert), der als passionierter Effzeh-Anhänger an sich so gar nichts für meine Bayern übrig hatte, nunmehr aber dazu übergeht, den neuen FCB bei jeder sich bietenden Gelegenheit zu loben. Das Management, die Vereinsführung, der Trainer, die Mannschaft, all das passe so wunderbar zusammen und füge sich zu einem Gesamtbild, welches man nur ehrfurchtsvoll bestaunen könne. Und wenn gidmet so seiner Bewunderung Ausdruck verleiht (in Wirklichkeit ist sein Sprachstil aber weitaus elliptischer, dafür allerdings auch emotionaler), dann wird man den Eindruck nicht los, als mische sich in diese erfolgsbedingte Ehrfurcht ein zarter Hauch von Zuneigung.

Wohlgemerkt ein zarter Hauch, vielleicht auch nur ein laues Lüftchen. Doch bereits die leiseste Andeutung beginnenden Wohlwollens lässt einen als Bayern-Fan aufschrecken. Sie weckt nicht nur Argwohn, sondern erschüttert gleichermaßen auch die eigene Definitionsgrundlage. Schließlich wird die allgegenwärtige Ablehnung, die man als Bayern-Fan in diesem Lande erlebt, irgendwann zu einem zweiten Motor des Faibles für den wohl am stärksten polarisierenden Sportverein dieses Landes. Soziologisch würde man wohl von Identifikation durch Termination sprechen. Oder sagen wir es so: Bei Übervölkerung einer sozialen Nische verliert die eigene Identität in Ermangelung eines repressiven Milieus an Bedeutung. Klingt toll, heißt im Endeffekt aber nicht anderes als dass wir uns vor allem durch das definieren, was wir nicht sind. Und wenn wir alle gleich sind, ist jeder einzelne nichts. Oder so ähnlich.

Das kluge Sprüchlein mit der Nische und dem Milieu habe ich mir natürlich nicht selbst einfallen lassen. Es handelt sich hierbei vielmehr um ein Zitat einer achtjährigen US-Amerikanerin aus dem Städtchen Springfield. Ihr Name ist Lisa Simpson und sie versucht auf diesem Wege, ihrem älteren Bruder Bart zu erklären, weshalb er so schlecht damit zurecht kommt, dass alle Welt seine „Ich tu, wonach mir ist"-Haltung zu adaptieren versucht.

Natürlich ginge es zu weit, in jedem Bayern-Fan einen Bart Simpson sehen zu wollen (wenngleich dies sowohl Comic als auch Komik hätte). Ein Bart Simpson definiert sich selbst als Rebell, der die Auflehnung gegen gesellschaftliche Konventionen zum persönlichen Leitmotiv erhoben hat. Dem Bayern-Fan hingegen unterstellt man gemeinhin das exakte Gegenteil. Er mache es sich leicht, gehe mit dem Strom und wolle als Erfolgsfan die Widrigkeiten des Fan-Daseins möglichst umgehen. Ich selbst schwanke übrigens noch immer, ob ich diesem Klischee weiter entgegen treten soll oder ob es nicht doch klüger ist, diesen Stereotyp zu kultivieren und ganz provokativ zur eigenen Bequemlichkeit zu stehen. So oder so, als Bayern-Fan ist man selbstverständlich kein Rebell. Aber man teilt mit Bart Simpson immerhin doch die Angewohnheit, den gesellschaftlichen Widerspruch als individuelle Antriebskraft für sich fruchtbar zu machen. Fällt diese soziale Missachtung aber plötzlich weg, so gerät man leicht in eine persönliche Identitätskrise.

Nun, ich gebe zu, von einer Identitätskrise bin ich als Bayern-Fan denn zum Glück doch noch ein großes Stück entfernt. Nach rund einem Vierteljahrhundert Fan-Sein ist die Zuneigung zum eigenen Verein so tief verwurzelt, dass man eben nicht mehr auf gesellschaftliche Diskreditierung angewiesen ist, um sich in seiner Anhängerschaft bestärkt zu fühlen. Und dennoch, so schön ich es auch finde, dass in diesen Tagen immer mehr Fans anderer Verein ganz gidmetesk ihre für den FCB offenbaren, so sehr weckt dies auch mein Misstrauen so sehr hoffe ich doch, dass dieser Spuk irgendwann sein Ende hat.

Für alle Nicht-Bayern-Fans, denen diese schrullige Fan-Psychologie etwas zu krude ist, verweise ich auf das Beispiel der letzten Fußball-Weltmeisterschaft. Denn da fanden wir das ja auch ganz toll, dass sich plötzlich das gesamte Land für Fußball begeistern konnte. Aber wir waren eben dann auch froh, als sich der ganze Hype nach dem Turnier wieder gelegt hatte und sich die Event-Fans wieder auf andere Dinge konzentrierten. So ähnlich empfinde ich das auch in diesen Tagen: Ein paar Wochen Bayern-Fieber in Deutschland finde ich ziemlich großartig, aber irgendwann darf und muss damit auch wieder Schluss sein.

Bliebe eigentlich nur noch die Frage, wieso Bayern plötzlich so in ist. Da könnte man natürlich auf die wirklich sehr ansehnliche Spielweise verweisen oder eben auf den Einzug ins Champions-League-Finale, bei dem man eben als Deutscher ganz patriotisch auch einmal mit den sonst nicht sonderlich gut gelittenen Bayern hält. Ich selbst habe aber eine andere Antwort parat: Louis van Gaal! In einer Zeit, da es von aalglatten Konformisten nur so wimmelt, sehnen wir uns eben nach bizarren, kauzigen und verschrobenen Persönlichkeiten, nach echten Typen mit Ecken und Kanten, die eben anders sind als Ich und Du. Und ob man van Gaals familiär-dominanten Habitus nun mag oder nicht, an einer Erkenntnis kommt man sicher nicht vorbei: Er ist ein echter Typ! Und irgendwie hat er den FCB noch interessanter und vielleicht sogar noch populärer gemacht, als er es bislang schon war.

Ach ja, eines noch: Normalerweise hoffe ich bei der Veröffentlichung meiner Blogs auf Zustimmung und Anerkennung (glaubt diesen jovialen Mist von wegen Dankbarkeit für konstruktive Kritik nicht – ein Autor will immer nur eins: Zuspruch). Diesmal aber wäre ich für Widerspruch äußerst dankbar. Denn so Sätze wie „Ich kann die Bayern noch immer nicht ab" oder „Ihr Bayern-Fans seid so überheblich, dass ihr jetzt sogar glaubt, man würde euch mögen" würden mich sehr sehr glücklich machen. Und den Bart Simpson in mir erst recht.
Aufrufe: 11660 | Kommentare: 45 | Bewertungen: 33 | Erstellt:17.05.2010
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KOMMENTARE
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Elwood
18.05.2010 | 23:05 Uhr
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Elwood : 
18.05.2010 | 23:05 Uhr
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Elwood : 
@Hege:

"Ich hoffe, dass diese Phase in der nächsten Saison wieder vorbei ist und mich wieder für mein Fandasein rechtfertigen darf und als Fcb Fan fast schon wieder alleine bin. "

Ach komm. Jetzt nimmst mich aber aufn Arm! Gibt in jedem Kuhkaff in Deutschland genug Bayernfans um ein eigenes Stammlokal zu füllen, und im Umfeld Köln nich?

Übrigens, so geht es den meisten Fans permanent, wenn sie nicht grade im direkten Vereinsumfeld sind. Teilen sich schließlich die Einwohner jedes Ortes in ca. 36 Vereine auf die sie unterstützen. Und da sind die Bayernfans glaub ich in ganz Deutschland nirgendwo die wenigsten.

"Allein"... Sach dat ma nem Borussen in Gelsenkirchen oder so. Da biste "allein". Oder n Hertha Fan im Münsterland. Gibbet fast garnicht^^
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uh1963
19.05.2010 | 11:53 Uhr
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uh1963 : 
19.05.2010 | 11:53 Uhr
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uh1963 : 
also ehrlich, Voegi,
deinen Blog finde ich grossartig, mal wieder
aber deine Bayern find ich Scheiße, wenn gleich oder gerade weil sie nen geilen Fußball spielen, seit der Rückrunde.
war die Überheblichkeit bisher grenzenlos, wird sie jetzt diese überschreiten, was nicht zur Beliebtheit meinerseits und im allgemeinen beitragen wird.

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Josh9
19.05.2010 | 12:09 Uhr
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Josh9 : 
19.05.2010 | 12:09 Uhr
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Josh9 : 
;) wirklich ein sehr starker Blog.
schön ausgeführt.

Ich selbst kann aber nur sagen, dass mein Verhältnis zu den Bayern in keinster Weise verändert wurde.
Das ist eigentlich so wie zu allen anderen Clubs ausser des eigenen.
Wenn die gut spielen ok, dann ist doch schön und ich hab ne gute Zeit vor dem TV. Wenn die kacke spielen dann ists halt so und der Gegner war besser. Da bin ich völlig emotionslos.

Natürlich bin ich da völlig menschlich, dass man einem Hochnäsigen gerne mal wünscht, sich so richtig schön auf die Fresse zu legen, aber das ist wie gesagt ein sehr menschlicher Zug und entsteht nicht nur im Fussball.

Das sind Sachen die mich nicht besonders bewegen und mit dem, was ich unter "Fussball" verstehe, nichts zu tun haben.
Deshalb ist es mir auch völlig gleich auf welche Art und Weise sich jemand zu den Bayern bekennt. Das muss jeder selbst wissen und daraus ergibt sich für jeden seine Sicht auf den "Fussball" und wie er das auslebt.

Obwolh ich schon sagen muss das der Fussball Typen braucht, und der Luis ist ein richtiger Typ. das gefällt mir.
Auch so ein Mourinho. ist er ein Arsch? kann sein aber er ist ein Typ
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DrCox
19.05.2010 | 12:14 Uhr
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DrCox : 
19.05.2010 | 12:14 Uhr
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DrCox : 
du bist nen scheiß erfolgsfan sonst nichts , du flachzange
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Lila_Weisser_Held
19.05.2010 | 12:20 Uhr
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19.05.2010 | 12:20 Uhr
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Is heut Tag der Geistesbonsais?
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