26.10.2011 um 14:58 Uhr
Ein trauriger Dienstag Teil 2
3. Akt
Direkt vorm Einlass geht es immer schneller. Warum ist kein Wunder, denn kontrollieren kann man das echt nicht mehr nennen. Meinen Freund klopfen sie ab, fragen: „Zigaretten?", er nickt und alles ist klar. Selbst ich als Unbegabter hätte alles in den Block schmuggeln können.
Im Stadion trennen sich unsere Wege und ich suche mir den Eingang zum Block 61. Was auffällt ist, dass man sich im Stadion frei bewegen kann, nicht wie bei unseren Heimspielen, wo der Block abgeriegelt ist. An sich schon ne gute Sache, wenn man an das Kommende denkt...
Der Block ist schon voll und ich habe keine Übersicht. Ich stelle mich einfach irgendwo hin, einen Wellenbrecher im Rücken, das schadet nie. Leider kann ich von hier aus nicht die ganze Kurve überblicken, doch was ich an Dynamos erkennen kann, macht mich schon stolz, solange ich mir nicht DIESES direkt in meinem Umfeld ansehe.
Doch ich bin überrascht. Praktisch keine Schmähgesänge, keine Beleidigungen in Richtung Dortmund, selbst der persönliche Freund aller Dresdner Peter Gagelmann wird kaum beachtet. Direkt hinter mir hat sich schon ein Prachtexemplar aufgestellt, mit Sonnenbrille, Kapuze, Handschuhen und viel zu viel Alkohol intus. Er wird mich noch öfters beschäftigen.
Der neben mir hat in der Zwischenzeit alle Hände voll zu tun. Jeder, der einfach nur ein Foto oder ein Video vom Stadion und der Stimmung machen will, wird angepöbelt: „Mach die Scheiß Kamera aus! Warst du noch nie beim Auswärstsspiel?!?" Dazu kommt noch der Hinweis von ihm an einen seiner Freunde, der kaum noch geradeaus schauen kann: „Bind dir mal lieber nen Schlal vors Gesicht"
Die Südtribüne füllt sich langsam und sie ist schon verdammt beeindruckend. Vor allem wenn man bedenkt, dass dort so viele Menschen stehen, wie bei uns ins Stadion passen. Trotzdem bin ich ein wenig enttäuscht. Kaum Stimmung vor dem Spiel und dann noch nicht mal ne richtige eigene Hymne. Da kommt von uns schon wesentlich mehr.
Zum Einmarsch geht es dann los. Vor und neben mir werden die ersten Bengalos gezündet und schnell ist der Qualm so beißend, dass ich mir den Schal vor den Mund halte. Der neben mir hilft ganz freundlich und mit dem Hinweis: „Auch dafür ist ein Schal gut" verknotet er ihn hinter meinem Kopf. Doch es wird noch schlimmer. Genau neben uns, qualmt noch was anderes und stinkt so erbärmlich, dass man trotz Schal für etliche Minuten kaum Luft bekommt.
Endlich können wir wieder atmen und was sehen, wenn auch nicht viel. Fahnen, Schals und Hände verdecken meist einen Großteil des Spielfeldes, doch ich bekomme eh nicht viel mit. Die Stimmung ist toll und es wird gesungen, geklatscht und eine riesige Party gefeiert. Selbst als das Gegentor fällt, ist nur kurz Ruhe, dann geht es weiter, denn wirklich überraschend kommt es nicht.
Es gibt sogar Wechselgesänge... Und das Auswärts, die meisten Fans schaffen das noch nicht mal zu hause.
In der Pause kommt man ein wenig zur Ruhe und ich leider dazu, dem Gespräch des Typens hinter mir zu lauschen.
„Kommst du mit pissen?"
„Nein ich war schon"
„Hä? Wieder in den Becher?"
„Nö... Einfach hier gegen das Geländer"
Was soll ich da noch sagen.
Hälfte Zwei beginnt und so wie es aussieht, gibt es noch reichlich zu zündeln. Diesmal kommt noch ein schwarzer Ascheregen dazu, der uns einhüllt und rußverschmiert zurücklässt. Langsam wird auch die Stimmung aggressiver. Mein Hintermann beweist überragenden Fußballsachverstand, indem er innerhalb von fünf Minuten folgenden zwei Sprüche reißt.
„Die erste Hälfte war Scheiße, die haben doch nicht eine Chance gehabt"
Kurz darauf:
„Lasst euch doch nicht so hinten rein drängen. Spielt wieder so wie am Anfang, da habt ihr wenigstens noch nach vorne gespielt."
Dazu kommen jetzt auch die unvermeidlichen Provokationen. „Dortmunder Hurensöhne... Ihr seid Wessis... Wir sind Dresdner Hooligans"
Meine Denkweise: "Man muss nicht alles mitsingen", scheine ich exklusiv zu haben. Doch ein paar Dortmunder im benachbarten Sitzbereich lassen sich provozieen, stehen auf und winken einladend. Da der Block gemischt ist, gibt es ein paar dort sitzenden Dresdner, die sich nicht zwei mal bitten lassen. Ordner schreiten ein und die ersten Zuschauer verlassen ängstlich das Stadion. Es wird langsam ganz finster.
Kaum einen interessiert noch das Spiel. Selbst die Plakate in der Südkurve bekommt kaum einer mit. Gott sei Dank!
In dem ganzen Trubel geht sogar unter, dass Dedic die größte Dynamochance vergibt. Überall soll Polizei sein und eigentlich will man denen nur noch eins auf die Fresse hauen. Ich schaue nur noch ständig auf die Uhr und hoffe, dass gleich Schluss ist und ich abhauen kann. Endlich ist es soweit und schnell kämpfe ich mich gegen den Strom zum Ausgang, während die Masse in den Dortmunder Block will. Doch ich bin nicht scharf auf eine Ladung Pfefferspray.
Endlich draußen gibt sich mir ein trauriges Bild. Dortmunder Fans hasten eilig und ängstlich nach hause, während die meisten Dynamos kopfschüttelnd und enttäuscht von den Idioten zu ihren Autos und Bussen gehen. Von drinnen hört man noch ein paar Nachrichten, erst, dass Polizisten auf Dynamo-Ordner los gegangen sind, dann dass sich Dresdner Hools als Ordner verkleidet haben...
Am Auto treffen wir uns und von der euphorischen Stimmung ist nichts mehr zu spüren. Es ist eine Mischung aus Wut und Trauer, über die Idioten und das Bild, das man so wieder abgegeben hat.
Epilog
Ich sitze im Auto und versuche meine Gefühle und Gedanken zu ordnen.
Die Enttäuschung überwiegt. Eine Enttäuschung über eine verpasste Chance. Ich will gar nicht daran denken, was los gewesen wäre, wenn 12.000 Dresdner in Dortmund eine riesige Party gefeiert hätten, ihre Mannschaft auch nach dem Rückstand unterstützt und all den anderen Mist sein gelassen.
Aber so haben wir uns als Dynamo mal wieder nur vor der ganzen Nation live im Fernsehen blamiert und all die Klischees wieder bestätigt.
Doch all diese Gedanken führen unweigerlich zu einer Frage: "Was kann man tun?"
Man muss diese Idioten, und nichts anderes sind sie, aus dem Stadion kriegen. Nur wie? Eine Selbstreinigung wird es nicht geben. Dafür gibt es zu viele die mitlaufen, die es einfach still dulden.
Kommen wir an sie ran?
Ich stand dazwischen. Direkt neben mir wurde gezündelt wie selbst nicht zu Silvester. Nur ich hab keinen erkannt. Alle sind vermummt, wechseln ihre Sachen und stehen in einem Moment da und in einem dort. Und selbst wenn. Sollen Zivilfahnder zwischen hunderten gewaltbereiten Ultras verdeckt ermitteln. Soll eine Polizeistaffel den Block stürmen?
Es gibt nicht viel was hilft. Personendaten auf Eintrittskarten. Ja... Gerne auch mit einem Foto!
Keine Stehplätze mehr. Vielleicht... Macht die Sache übersichtlicher, aber auch teurer und ist nicht gut für die Stimmung.
Am Ende müssten sich diese Leute einfach nur entscheiden:
Wollen sie Ultras sein und ihr Fan-Sein so ausleben, wie sie es für richtig halten oder sind sie Dynamofans und geben alles für den Verein?
Direkt vorm Einlass geht es immer schneller. Warum ist kein Wunder, denn kontrollieren kann man das echt nicht mehr nennen. Meinen Freund klopfen sie ab, fragen: „Zigaretten?", er nickt und alles ist klar. Selbst ich als Unbegabter hätte alles in den Block schmuggeln können.
Im Stadion trennen sich unsere Wege und ich suche mir den Eingang zum Block 61. Was auffällt ist, dass man sich im Stadion frei bewegen kann, nicht wie bei unseren Heimspielen, wo der Block abgeriegelt ist. An sich schon ne gute Sache, wenn man an das Kommende denkt...
Der Block ist schon voll und ich habe keine Übersicht. Ich stelle mich einfach irgendwo hin, einen Wellenbrecher im Rücken, das schadet nie. Leider kann ich von hier aus nicht die ganze Kurve überblicken, doch was ich an Dynamos erkennen kann, macht mich schon stolz, solange ich mir nicht DIESES direkt in meinem Umfeld ansehe.
Doch ich bin überrascht. Praktisch keine Schmähgesänge, keine Beleidigungen in Richtung Dortmund, selbst der persönliche Freund aller Dresdner Peter Gagelmann wird kaum beachtet. Direkt hinter mir hat sich schon ein Prachtexemplar aufgestellt, mit Sonnenbrille, Kapuze, Handschuhen und viel zu viel Alkohol intus. Er wird mich noch öfters beschäftigen.
Der neben mir hat in der Zwischenzeit alle Hände voll zu tun. Jeder, der einfach nur ein Foto oder ein Video vom Stadion und der Stimmung machen will, wird angepöbelt: „Mach die Scheiß Kamera aus! Warst du noch nie beim Auswärstsspiel?!?" Dazu kommt noch der Hinweis von ihm an einen seiner Freunde, der kaum noch geradeaus schauen kann: „Bind dir mal lieber nen Schlal vors Gesicht"
Die Südtribüne füllt sich langsam und sie ist schon verdammt beeindruckend. Vor allem wenn man bedenkt, dass dort so viele Menschen stehen, wie bei uns ins Stadion passen. Trotzdem bin ich ein wenig enttäuscht. Kaum Stimmung vor dem Spiel und dann noch nicht mal ne richtige eigene Hymne. Da kommt von uns schon wesentlich mehr.
Zum Einmarsch geht es dann los. Vor und neben mir werden die ersten Bengalos gezündet und schnell ist der Qualm so beißend, dass ich mir den Schal vor den Mund halte. Der neben mir hilft ganz freundlich und mit dem Hinweis: „Auch dafür ist ein Schal gut" verknotet er ihn hinter meinem Kopf. Doch es wird noch schlimmer. Genau neben uns, qualmt noch was anderes und stinkt so erbärmlich, dass man trotz Schal für etliche Minuten kaum Luft bekommt.
Endlich können wir wieder atmen und was sehen, wenn auch nicht viel. Fahnen, Schals und Hände verdecken meist einen Großteil des Spielfeldes, doch ich bekomme eh nicht viel mit. Die Stimmung ist toll und es wird gesungen, geklatscht und eine riesige Party gefeiert. Selbst als das Gegentor fällt, ist nur kurz Ruhe, dann geht es weiter, denn wirklich überraschend kommt es nicht.
Es gibt sogar Wechselgesänge... Und das Auswärts, die meisten Fans schaffen das noch nicht mal zu hause.
In der Pause kommt man ein wenig zur Ruhe und ich leider dazu, dem Gespräch des Typens hinter mir zu lauschen.
„Kommst du mit pissen?"
„Nein ich war schon"
„Hä? Wieder in den Becher?"
„Nö... Einfach hier gegen das Geländer"
Was soll ich da noch sagen.
Hälfte Zwei beginnt und so wie es aussieht, gibt es noch reichlich zu zündeln. Diesmal kommt noch ein schwarzer Ascheregen dazu, der uns einhüllt und rußverschmiert zurücklässt. Langsam wird auch die Stimmung aggressiver. Mein Hintermann beweist überragenden Fußballsachverstand, indem er innerhalb von fünf Minuten folgenden zwei Sprüche reißt.
„Die erste Hälfte war Scheiße, die haben doch nicht eine Chance gehabt"
Kurz darauf:
„Lasst euch doch nicht so hinten rein drängen. Spielt wieder so wie am Anfang, da habt ihr wenigstens noch nach vorne gespielt."
Dazu kommen jetzt auch die unvermeidlichen Provokationen. „Dortmunder Hurensöhne... Ihr seid Wessis... Wir sind Dresdner Hooligans"
Meine Denkweise: "Man muss nicht alles mitsingen", scheine ich exklusiv zu haben. Doch ein paar Dortmunder im benachbarten Sitzbereich lassen sich provozieen, stehen auf und winken einladend. Da der Block gemischt ist, gibt es ein paar dort sitzenden Dresdner, die sich nicht zwei mal bitten lassen. Ordner schreiten ein und die ersten Zuschauer verlassen ängstlich das Stadion. Es wird langsam ganz finster.
Kaum einen interessiert noch das Spiel. Selbst die Plakate in der Südkurve bekommt kaum einer mit. Gott sei Dank!
In dem ganzen Trubel geht sogar unter, dass Dedic die größte Dynamochance vergibt. Überall soll Polizei sein und eigentlich will man denen nur noch eins auf die Fresse hauen. Ich schaue nur noch ständig auf die Uhr und hoffe, dass gleich Schluss ist und ich abhauen kann. Endlich ist es soweit und schnell kämpfe ich mich gegen den Strom zum Ausgang, während die Masse in den Dortmunder Block will. Doch ich bin nicht scharf auf eine Ladung Pfefferspray.
Endlich draußen gibt sich mir ein trauriges Bild. Dortmunder Fans hasten eilig und ängstlich nach hause, während die meisten Dynamos kopfschüttelnd und enttäuscht von den Idioten zu ihren Autos und Bussen gehen. Von drinnen hört man noch ein paar Nachrichten, erst, dass Polizisten auf Dynamo-Ordner los gegangen sind, dann dass sich Dresdner Hools als Ordner verkleidet haben...
Am Auto treffen wir uns und von der euphorischen Stimmung ist nichts mehr zu spüren. Es ist eine Mischung aus Wut und Trauer, über die Idioten und das Bild, das man so wieder abgegeben hat.
Epilog
Ich sitze im Auto und versuche meine Gefühle und Gedanken zu ordnen.
Die Enttäuschung überwiegt. Eine Enttäuschung über eine verpasste Chance. Ich will gar nicht daran denken, was los gewesen wäre, wenn 12.000 Dresdner in Dortmund eine riesige Party gefeiert hätten, ihre Mannschaft auch nach dem Rückstand unterstützt und all den anderen Mist sein gelassen.
Aber so haben wir uns als Dynamo mal wieder nur vor der ganzen Nation live im Fernsehen blamiert und all die Klischees wieder bestätigt.
Doch all diese Gedanken führen unweigerlich zu einer Frage: "Was kann man tun?"
Man muss diese Idioten, und nichts anderes sind sie, aus dem Stadion kriegen. Nur wie? Eine Selbstreinigung wird es nicht geben. Dafür gibt es zu viele die mitlaufen, die es einfach still dulden.
Kommen wir an sie ran?
Ich stand dazwischen. Direkt neben mir wurde gezündelt wie selbst nicht zu Silvester. Nur ich hab keinen erkannt. Alle sind vermummt, wechseln ihre Sachen und stehen in einem Moment da und in einem dort. Und selbst wenn. Sollen Zivilfahnder zwischen hunderten gewaltbereiten Ultras verdeckt ermitteln. Soll eine Polizeistaffel den Block stürmen?
Es gibt nicht viel was hilft. Personendaten auf Eintrittskarten. Ja... Gerne auch mit einem Foto!
Keine Stehplätze mehr. Vielleicht... Macht die Sache übersichtlicher, aber auch teurer und ist nicht gut für die Stimmung.
Am Ende müssten sich diese Leute einfach nur entscheiden:
Wollen sie Ultras sein und ihr Fan-Sein so ausleben, wie sie es für richtig halten oder sind sie Dynamofans und geben alles für den Verein?
Aufrufe: 38921 | Kommentare: 74 | Bewertungen: 78 | Erstellt:26.10.2011
ø 9.4
KOMMENTARE
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03.11.2011 | 21:28 Uhr
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Red_Scouser : @ Cologne 91
So, es ist also dreist, den Ultras Hoffnungen auf ein Legalisieren von Pyros zu machen, um sie ihnen dann zu nehmen?Was in meinen Augen dreist ist, Woche für Woche in und um die Stadien zu zündeln, und zwar in großen Teilen unkontrolliert, und sich dann zu beschweren, wenn der DFB die Debatte um das kontrollierte Abfeuern von Pyros beendet.
Wenn man sich von anfang an nicht an die Bedingungen hält, braucht man sich nicht zu wundern wenn die Debatte abgebrochen wird.
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04.11.2011 | 06:38 Uhr
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Römer : @Red_Scouser
Das sehe ich noch ein bisschen anders.Wenn man auf diese Gespräche eingeht und dabei das Ergebnis schon vorher kennt ist das frech.
Allerdings zeigt das auch wieder wie dumm die Führung der Ultras doch ist. Da beschäftigen die sich Ewigkeiten mit einem Thema ohne zu wissen wie die Rechslage doch ist. Denn alleine das die Pyrotechnik durch Gesetze nur an bestimmten Tagen erlaubt ist, die Einfuhr nach Deutschland eine STraftat darstellt, etc. hätte auch dein kleinsten Ultra erklären können, dass der DFB da keine Handhabe zur Legalisierung hat.
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also dürfen sich ultras nicht wundern wenn die polizei in den block marschiert und nicht anfängt zu jubeln.