09.07.2010 um 20:36 Uhr
Erfolg ↔ Misserfolg
In der Kolumne von K.-H. Förster zum Ausscheiden der deutschen Nationalmannschaft gegen Spanien im Halbfinale der WM 2010 wurde deutlich, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen von "Früher" und "Heute", sowie "Erfolg" und "Misserfolg" in der Gesellschaft sind.
Die Quintessenz aus Försters Kolumne lautete: Früher war alles besser! K.-H. Förster meinte, dass das Auftreten der deutschen N11 völlig unbedeutend für den deutschen Fußball sei, weil das Finale und somit auch der Titel nicht erreicht wurden. Früher, als man einfach offensiv planlos und manndeckend durch die Turniere stolperte, gewann man schließlich Titel. Dabei saß schon ebenjene geballte "Fachkompetenz" am Spielfeldrand, die die internationale Wahrnehmung des deutschen Fußballs nachhaltig (negativ) beeinflussen sollte:
Bertie Vogts, Erich Ribbeck, Jupp Derwall (v.l.)
Heute und damals
Die Aussagen Försters lassen eine gewisse Ignoranz gegenüber dem Fußball der heutigen Zeit erahnen, der viel stärker von taktischen Entwicklungen und dem Bewusstsein von Planung und Zufall geprägt ist, als das noch vor 10 Jahren der Fall war. Nimmt man die Saison 2009/2010 und die WM 2010 und stellt sie den Jahren von 1990-2006 gegenüber, sieht man heute Attraktivität und Spielkontrolle von Bayer Leverkusen, Bayern München und der dt. N11 im Gegensatz zu den offensiv uninspirierten, langsamen und konservativ geführten Spielen, welche den deutschen Fußball um Jahre zurückwarfen, während England, Spanien, Italien und beinahe auch Frankreich davonzogen. Dabei ist es kein Zufall, dass die alte Trainergeneration bis auf F. Funkel mittlerweile nicht mehr in der BL anzutreffen ist. Unter Funkel stieg die Hertha schließlich aus der Bundesliga ab.
Nun wurde Deutschland in einem Jahr (2009-10) Europameister in der U17, U19 und U21. Nicht mit dem berühmt-berüchtigten Rumpelfußball, sondern mit dynamischen Ausrichtungen basierend auf schnellem Umschaltverhalten. Das ist der Weg, der nun konsequent vom DFB und von den Vereinen gegangen wird. Technisch und taktisch sind die Spieler so gut ausgebildet, dass der Erfolg auch planbar geworden ist und nicht bloß dem Zufall überlassen bleibt. Denn Erfolg heißt nicht nur, Titel zu gewinnen, sondern auch zu zeigen, dass man den Weg der (Post)Moderne mitbestimmen und -gestalten kann. Und das hat die junge N11 bei der vergangenen WM getan.
Es darf bezweifelt werden, dass allein der Name Deutschland Titel garantiert. Diese Erfahrung musste auch die argentinische Nationalelf machen. Die sahen nur, wo die eigenen Stärken lagen; ignorierten jedoch die Fähigkeiten des Gegners. Dabei muss man heute anerkennen, dass viele Mannschaften einen technisch und taktisch so guten Fußball spielen, dass es immer schwieriger wird, Titel zu holen. Die Spanier, die zuvor noch nie Weltmeister waren, dominierten dieses Turnier und könnten zu einer dauerhaften Großmacht im Weltfußball werden.
Wenn man stolz auf die Finalteilnahmen von 1982 und 1986 sein will, weil man als Spieler selbst dabei war, ist das durchaus verdient. Als objektiver Zuschauer hingegen kann man weder dafür, noch für 2002 Stolz empfinden, weil es einzig Kahn, Ballack und viel Glück mit den Gegnern zu verdanken war, dass man sich erst im Finale schlagen lassen durften. Von spielerischen Strukturen und klaren Konzepten konnte in den letzten 30 Jahren selten die Rede sein. Das, was dem Ansehen des dt. Fußballs in jener Zeit angetan wurde, konnten erst die Auftritte der N11 bei der WM 2006 und 2010 wieder gutmachen.
Erfolg vs. Attraktivität
Für viele ist der Erfolg also wichtiger als die Attraktivität. Dabei wird aber zu oft vergessen, dass Attraktivität und Erfolg Hand in Hand gehen können. Dettmar Cramer, welcher als Trainer 1975 und 1976 mit Bayern München den Landesmeisterpokal gewann, sagt: "Was gut aussieht, ist auch richtig." An diesem Zitat lässt sich der Zusammenhang vom schönen Spiel und Erfolg ableiten. Was gut aussieht, ist attraktiv und schön. Was schön aussieht, ist auch richtig. Und was richtig ist, führt automatisch zum Erfolg. Auch Johan Cruijff folgt dieser Ansicht: "Ein Spiel zu gewinnen ist leichter, wenn man gut spielt." Diese Prinzipien verkörpern der FC Barcelona und die spanische N11 in Perfektion. Mit schönem, richtigem Spiel zum Sextuple oder zum EM- und letztlich auch zum WM-Titel.
Leute wie Förster meinen wohl, dass schöner Fußball mit Erfolglosigkeit gleichzusetzen ist. Erfolg muss demnach wohl hässlich erkämpft werden. Um das Niveau eines Iniesta, Xavi oder Messi zu erreichen, genügt nicht bloßes Talent. Man muss arbeiten und sich nach oben kämpfen. Die dt. Tugenden sind dabei nicht der Schlüssel zum Erfolg, sondern die Grundvoraussetzung, ohne die niemand ein erfolgreicher Profifußballer werden kann. Joachim Löw meinte im Film "Deutschland ein S...", dass bei einem Mathematikprofessor das kleine Ein-Mal-Eins ebenso Grundvoraussetzung sei, wie die "dt. Tugenden" bei einem Profifußballer.
Natürlich sind die vergangenen WM-Erfolge Deutschlands auf diese Tugenden zurückzuführen, aber heute reicht das allein nicht mehr aus.
Schlussbetrachtung
Sicherlich blieb der Erfolg des Titels bei der WM 2010 aus. Das ist klar und das braucht man auch nicht schön reden. Aber es gehört manchmal mehr dazu, als nur Titel zu gewinnen. Was hatten denn die Italiener von ihrem letzten Triumph? Nichts! Denn sie wurden für ihre Spielweise scharf kritisiert. Viele hielten den Sieg über Frankreich für unverdient. Anschließend erfolgte der Abstieg im internationalen Vergleich. Der CL-Sieg Inter Mailands ist kein Erfolg einer italienischen Mannschaft gewesen. Die Kaderzusammenstellung des Finales zeigt dies deutlich auf.
Ich sehe die WM '10 als großen Erfolg an, weil die Deutsche Mannschaft gezeigt hat, dass sie auf einem hohen technisch-taktischen Niveau ist. Und das obwohl man einen so jungen Kader hatte. Man hat also eine sehr gute Grundlage für kommende Turniere und kann nun an den noch vorhandenen Schwächen arbeiten, um so planbar(!) immer stärker zu weden. Wenn man aber nur darauf gucken würde, dass wir den Titel nicht gewonnen haben, würde man den spielerischen Fortschritt der N11 ignorieren und weiter am Rumpelimage arbeiten, welches auf ebenjener Ignoranz und Arroganz beruht. Das, was die Italiener jetzt wegen ihrer Arroganz durchmachen, haben WIR nämlich bereits hinter uns. Und diese schreckliche Phase des dt. Fußballs würde immer noch anhalten, wenn sie oder einer der Herren von oben, Trainer des FC Bayern oder der N11 wären, lieber Herr Förster...
Die Quintessenz aus Försters Kolumne lautete: Früher war alles besser! K.-H. Förster meinte, dass das Auftreten der deutschen N11 völlig unbedeutend für den deutschen Fußball sei, weil das Finale und somit auch der Titel nicht erreicht wurden. Früher, als man einfach offensiv planlos und manndeckend durch die Turniere stolperte, gewann man schließlich Titel. Dabei saß schon ebenjene geballte "Fachkompetenz" am Spielfeldrand, die die internationale Wahrnehmung des deutschen Fußballs nachhaltig (negativ) beeinflussen sollte:
Bertie Vogts, Erich Ribbeck, Jupp Derwall (v.l.)
Heute und damals
Die Aussagen Försters lassen eine gewisse Ignoranz gegenüber dem Fußball der heutigen Zeit erahnen, der viel stärker von taktischen Entwicklungen und dem Bewusstsein von Planung und Zufall geprägt ist, als das noch vor 10 Jahren der Fall war. Nimmt man die Saison 2009/2010 und die WM 2010 und stellt sie den Jahren von 1990-2006 gegenüber, sieht man heute Attraktivität und Spielkontrolle von Bayer Leverkusen, Bayern München und der dt. N11 im Gegensatz zu den offensiv uninspirierten, langsamen und konservativ geführten Spielen, welche den deutschen Fußball um Jahre zurückwarfen, während England, Spanien, Italien und beinahe auch Frankreich davonzogen. Dabei ist es kein Zufall, dass die alte Trainergeneration bis auf F. Funkel mittlerweile nicht mehr in der BL anzutreffen ist. Unter Funkel stieg die Hertha schließlich aus der Bundesliga ab.
Nun wurde Deutschland in einem Jahr (2009-10) Europameister in der U17, U19 und U21. Nicht mit dem berühmt-berüchtigten Rumpelfußball, sondern mit dynamischen Ausrichtungen basierend auf schnellem Umschaltverhalten. Das ist der Weg, der nun konsequent vom DFB und von den Vereinen gegangen wird. Technisch und taktisch sind die Spieler so gut ausgebildet, dass der Erfolg auch planbar geworden ist und nicht bloß dem Zufall überlassen bleibt. Denn Erfolg heißt nicht nur, Titel zu gewinnen, sondern auch zu zeigen, dass man den Weg der (Post)Moderne mitbestimmen und -gestalten kann. Und das hat die junge N11 bei der vergangenen WM getan.
Es darf bezweifelt werden, dass allein der Name Deutschland Titel garantiert. Diese Erfahrung musste auch die argentinische Nationalelf machen. Die sahen nur, wo die eigenen Stärken lagen; ignorierten jedoch die Fähigkeiten des Gegners. Dabei muss man heute anerkennen, dass viele Mannschaften einen technisch und taktisch so guten Fußball spielen, dass es immer schwieriger wird, Titel zu holen. Die Spanier, die zuvor noch nie Weltmeister waren, dominierten dieses Turnier und könnten zu einer dauerhaften Großmacht im Weltfußball werden.
Wenn man stolz auf die Finalteilnahmen von 1982 und 1986 sein will, weil man als Spieler selbst dabei war, ist das durchaus verdient. Als objektiver Zuschauer hingegen kann man weder dafür, noch für 2002 Stolz empfinden, weil es einzig Kahn, Ballack und viel Glück mit den Gegnern zu verdanken war, dass man sich erst im Finale schlagen lassen durften. Von spielerischen Strukturen und klaren Konzepten konnte in den letzten 30 Jahren selten die Rede sein. Das, was dem Ansehen des dt. Fußballs in jener Zeit angetan wurde, konnten erst die Auftritte der N11 bei der WM 2006 und 2010 wieder gutmachen.
Erfolg vs. Attraktivität
Für viele ist der Erfolg also wichtiger als die Attraktivität. Dabei wird aber zu oft vergessen, dass Attraktivität und Erfolg Hand in Hand gehen können. Dettmar Cramer, welcher als Trainer 1975 und 1976 mit Bayern München den Landesmeisterpokal gewann, sagt: "Was gut aussieht, ist auch richtig." An diesem Zitat lässt sich der Zusammenhang vom schönen Spiel und Erfolg ableiten. Was gut aussieht, ist attraktiv und schön. Was schön aussieht, ist auch richtig. Und was richtig ist, führt automatisch zum Erfolg. Auch Johan Cruijff folgt dieser Ansicht: "Ein Spiel zu gewinnen ist leichter, wenn man gut spielt." Diese Prinzipien verkörpern der FC Barcelona und die spanische N11 in Perfektion. Mit schönem, richtigem Spiel zum Sextuple oder zum EM- und letztlich auch zum WM-Titel.
Leute wie Förster meinen wohl, dass schöner Fußball mit Erfolglosigkeit gleichzusetzen ist. Erfolg muss demnach wohl hässlich erkämpft werden. Um das Niveau eines Iniesta, Xavi oder Messi zu erreichen, genügt nicht bloßes Talent. Man muss arbeiten und sich nach oben kämpfen. Die dt. Tugenden sind dabei nicht der Schlüssel zum Erfolg, sondern die Grundvoraussetzung, ohne die niemand ein erfolgreicher Profifußballer werden kann. Joachim Löw meinte im Film "Deutschland ein S...", dass bei einem Mathematikprofessor das kleine Ein-Mal-Eins ebenso Grundvoraussetzung sei, wie die "dt. Tugenden" bei einem Profifußballer.
Natürlich sind die vergangenen WM-Erfolge Deutschlands auf diese Tugenden zurückzuführen, aber heute reicht das allein nicht mehr aus.
Schlussbetrachtung
Sicherlich blieb der Erfolg des Titels bei der WM 2010 aus. Das ist klar und das braucht man auch nicht schön reden. Aber es gehört manchmal mehr dazu, als nur Titel zu gewinnen. Was hatten denn die Italiener von ihrem letzten Triumph? Nichts! Denn sie wurden für ihre Spielweise scharf kritisiert. Viele hielten den Sieg über Frankreich für unverdient. Anschließend erfolgte der Abstieg im internationalen Vergleich. Der CL-Sieg Inter Mailands ist kein Erfolg einer italienischen Mannschaft gewesen. Die Kaderzusammenstellung des Finales zeigt dies deutlich auf.
Ich sehe die WM '10 als großen Erfolg an, weil die Deutsche Mannschaft gezeigt hat, dass sie auf einem hohen technisch-taktischen Niveau ist. Und das obwohl man einen so jungen Kader hatte. Man hat also eine sehr gute Grundlage für kommende Turniere und kann nun an den noch vorhandenen Schwächen arbeiten, um so planbar(!) immer stärker zu weden. Wenn man aber nur darauf gucken würde, dass wir den Titel nicht gewonnen haben, würde man den spielerischen Fortschritt der N11 ignorieren und weiter am Rumpelimage arbeiten, welches auf ebenjener Ignoranz und Arroganz beruht. Das, was die Italiener jetzt wegen ihrer Arroganz durchmachen, haben WIR nämlich bereits hinter uns. Und diese schreckliche Phase des dt. Fußballs würde immer noch anhalten, wenn sie oder einer der Herren von oben, Trainer des FC Bayern oder der N11 wären, lieber Herr Förster...
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