22.04.2008 um 18:04 Uhr
Ergebnisorientierte...
Interpretation
Heute geht es um mein Lieblingsthema. Ergebnisorientierte Interpretation, da sind wir nämlich groß drin. Wir alle, meine ich. Trainer, Spieler, Journalisten, Fans. Dabei handelt es sich um gar keine so leichte Disziplin. Die Aufgabenstellung lautet nämlich in etwa so: Wie schaffe ich es, ein Endergebnis beim Fußball in praktisch jedem Fall als "verdient" zu bezeichnen?
Die Kollegen vom Kicker liefern ja netterweise regelmäßig zu jeder Partie der ersten Bundesliga eine Statistik mit. Und da versetzt es mich doch immer wieder in Erstaunen, wenn Mannschaft A laut dieser Statistik 7:2 Torchancen erspielt hat und sich trotzdem alle einig sind, dass der 1:0 Sieg für Mannschaft B vielleicht ein bisschen glücklich, aber doch verdient ist. Obwohl der Siegtreffer aus einem abgefälschten Weitschuss nach einer Standardsituation entstanden ist. Und wenn sich das Ganze dann auch noch im Notenspiegel der Kollegen widerspiegelt, dann ist es wieder geschafft. Das meine ich mit "ergebnisorientierter Interpretation".
Anderes Beispiel. Es mag gefühlt ja schon ein halbes Jahrhundert zurück liegen (mit Trainerwechsel und allem, was seitdem passiert ist), aber das Weiterkommen des FC Schalke 04 im Achtelfinale der Champions League ist möglicherweise beim ein oder anderen noch in Erinnerung. Da spielte Porto praktisch auf ein Tor, vergab mehr als eine Handvoll Riesenchancen, Schalke bot offensiv eine katastrophale Vorstellung und nur Manuel Neuer verhinderte eine klare (und verdiente) Schalker Niederlage. Stattdessen gab es im Elfmeterschiessen (dank Neuer) sogar noch ein Happy End für Schalke. Und was sagen dann die Experten im Fernsehen? In etwa das: "Jaa, wer Porto in Porto besiegt, der hat das Weiterkommen auf jeden Fall verdient."
Aus der gleichen Schublade kommt folgende Einschätzung eines (hier nicht namentlich) genannten Moderatorenkollegen: "Egal, was wir hier reden, am Ende zählt doch nur das Ergebnis und auf nichts anderes kommt es an:" Nun, lieber Kollege, wenn das so ist, wozu braucht dann die Menschheit Moderatoren, Experten und Kommentatoren. Wenn doch nur das Ergebnis wichtig ist, warum blenden wir dann nicht nur genau dieses Ergebnis ein und ersparen uns und der Welt das ganze Gequatsche drumherum? Genau, weil eben nicht NUR das Ergebnis zählt.
Die Fußballtrainer dieser Welt hätten es auch verdammt schwer, wenn nur das Ergebnis zählen würde. Denn die können ihren Jungs zwar viel beibringen. Zum Beispiel, wie man kompakt als Mannschaft verteidigt. Oder wie man aus einer solchen Verteidigung schnell nach vorne spielt. Oder wie man mit seiner Offensive Lücken in einer solchen kompakten Verteidigung findet (zumindest manche Trainer sollen das können, habe ich gehört). Was sie nicht können, ist dafür zu sorgen, dass der Spieler den Ball knapp neben dem Pfosten ins Tor schießt, statt knapp neben dem Pfosten am Tor vorbei. Ein Trainer kann seine Mannschaft also dazu bringen, dass sie gut spielt. Dass sie gewinnt, folgt daraus nicht zwangsläufig, nur hoffentlich. Aber leider nicht so oft, wie wir es alle gerne hätte. Deshalb prägte der große Fußballphilosoph Lukas P. aus K. ja auch folgenden Satz: "Im Fußball gewinnt eben manchmal auch der Bessere."
Einem Fußballtrainer bringt das oft nicht viel. Siehe Mirko Slomka, dessen Mannschaft gegen Barcelona und Bremen über jeweils 60 Minuten zwei gute Leistungen bot. Dummerweise verlor Schalke zwei Mal und prompt musste der Trainer gehen. Ein Paradebeispiel für ergebnisorientierte Interpretation, das man auch kurz zusammenfassen könnte mit: Verloren – alles Mist.
Tatsächlich ist oft aber auch alles Mist, wenn gewonnen wurde. Nehmen wir die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Bei der WM 1982. Da werden sich die jüngeren gar nicht erinnern können, denn das liegt nicht nur gefühlt ein Vierteljahrhundert zurück, sondern tatsächlich. Ich sage Euch, seid froh wenn Ihr das nicht miterleben musstet! Das Turnier begann für Deutschland mit einer 1:2 Niederlage gegen Algerien und damals waren die Afrikaner noch nicht so stark wie heute. Es folgte ein gutes 4:1 gegen Chile und dann kam die "Schande von Gijon", der Nichtangriffspakt gegen Österreich, den wir 1:0 gewannen. In der zweiten Finalrunde folgte ein stinklangweiliges 0:0 gegen England, dann ein respektables 2:1 gegen Spanien. Das reichte zum Weiterkommen. Im Halbfinale folgte die beste Turnierleistung beim legendären 3:3 gegen Frankreich (nach 1:3 Rückstand in der Verlängerung). Deutschland siegte anschließend im Elfmeterschiessen. Aber auch dieses Spiel wurde überschattet, nämlich von Toni Schumachers Foul gegen Patrick Battiston. Und im Finale hatten wir dann beim 1:3 gegen Italien nicht den Hauch einer Chance.
Auch 1986 wurden wir Zweiter, doch der weg ins Finale war kaum ruhmreicher. In der Vorrunde 1:1 gegen Uruguay und 0:2 gegen Dänemark (zum Glück kamen drei von vier Mannschaften weiter!). Im Achtelfinale ein 1:0 gegen Marokko durch einen Weitschuss kurz vor Schluss. Im Viertelfinale ein 0:0 gegen Mexiko nach Verlängerung und der Sieg im anschließenden Elfmeterschiessen. Eigentlich konnte man ruhigen Gewissens nur das 2:0 im Halbfinale gegen Frankreich unter der Rubrik "gute Leistung" einordnen. Die Finalniederlage gegen Argentinien kam zwar unglücklich zu Stande, aber wirklich gewinnen mussten wir das Spiel nicht.
Zwei Beispiele, die zeigen, dass im Fußball eben tatsächlich nur manchmal der Bessere gewinnt. Oft ist es einfach der Glücklichere. Nehmen wir die WM 2002. Da trafen wir im Viertelfinale auf die USA, im Halbfinale auf Südkorea und siegten beide Male glücklich. Im Finale gegen Brasilien spielten wir deutlich besser als zuvor und verloren trotzdem. Unsere Freunde aus England hatten dagegen das Pech, schon im Viertelfinale gegen Brasilien spielen zu müssen. Mal im Ernst: Wäre uns das passiert, dann wären wir natürlich auch im Viertelfinale rausgeflogen. Wir hatten Glück.
Welch ein Kontrast dagegen bei der WM 2006. Darbietungen, die zwischen "okay" (Costa Rica, Argentinien) und "sehr gut" (Schweden) schwankten, eine Niederlage im Halbfinale gegen den späteren Weltmeister, durch zwei Tore kurz vor Ende der Verlängerung, im besten Spiel des Turniers. Danach noch ein schöner Abschied im Spiel um Platz drei gegen Portugal. Das war ein dritter Platz auf den man mit Fug und Recht stolz sein durfte, auch wenn man natürlich lieber Erster geworden wäre. Und was habe ich daraus gelernt? Ich werde viel lieber so Dritter wie 2006 als Zweiter wie 82 und 86? Das ist das Gegenteil von ergebnisorientierter Interpretation. Der Erfolg heiligt nicht immer alle Mittel (und Leistungen). Sage ich. Und Ihr?
Bis bald,
Andreas
Heute geht es um mein Lieblingsthema. Ergebnisorientierte Interpretation, da sind wir nämlich groß drin. Wir alle, meine ich. Trainer, Spieler, Journalisten, Fans. Dabei handelt es sich um gar keine so leichte Disziplin. Die Aufgabenstellung lautet nämlich in etwa so: Wie schaffe ich es, ein Endergebnis beim Fußball in praktisch jedem Fall als "verdient" zu bezeichnen?
Die Kollegen vom Kicker liefern ja netterweise regelmäßig zu jeder Partie der ersten Bundesliga eine Statistik mit. Und da versetzt es mich doch immer wieder in Erstaunen, wenn Mannschaft A laut dieser Statistik 7:2 Torchancen erspielt hat und sich trotzdem alle einig sind, dass der 1:0 Sieg für Mannschaft B vielleicht ein bisschen glücklich, aber doch verdient ist. Obwohl der Siegtreffer aus einem abgefälschten Weitschuss nach einer Standardsituation entstanden ist. Und wenn sich das Ganze dann auch noch im Notenspiegel der Kollegen widerspiegelt, dann ist es wieder geschafft. Das meine ich mit "ergebnisorientierter Interpretation".
Anderes Beispiel. Es mag gefühlt ja schon ein halbes Jahrhundert zurück liegen (mit Trainerwechsel und allem, was seitdem passiert ist), aber das Weiterkommen des FC Schalke 04 im Achtelfinale der Champions League ist möglicherweise beim ein oder anderen noch in Erinnerung. Da spielte Porto praktisch auf ein Tor, vergab mehr als eine Handvoll Riesenchancen, Schalke bot offensiv eine katastrophale Vorstellung und nur Manuel Neuer verhinderte eine klare (und verdiente) Schalker Niederlage. Stattdessen gab es im Elfmeterschiessen (dank Neuer) sogar noch ein Happy End für Schalke. Und was sagen dann die Experten im Fernsehen? In etwa das: "Jaa, wer Porto in Porto besiegt, der hat das Weiterkommen auf jeden Fall verdient."
Aus der gleichen Schublade kommt folgende Einschätzung eines (hier nicht namentlich) genannten Moderatorenkollegen: "Egal, was wir hier reden, am Ende zählt doch nur das Ergebnis und auf nichts anderes kommt es an:" Nun, lieber Kollege, wenn das so ist, wozu braucht dann die Menschheit Moderatoren, Experten und Kommentatoren. Wenn doch nur das Ergebnis wichtig ist, warum blenden wir dann nicht nur genau dieses Ergebnis ein und ersparen uns und der Welt das ganze Gequatsche drumherum? Genau, weil eben nicht NUR das Ergebnis zählt.
Die Fußballtrainer dieser Welt hätten es auch verdammt schwer, wenn nur das Ergebnis zählen würde. Denn die können ihren Jungs zwar viel beibringen. Zum Beispiel, wie man kompakt als Mannschaft verteidigt. Oder wie man aus einer solchen Verteidigung schnell nach vorne spielt. Oder wie man mit seiner Offensive Lücken in einer solchen kompakten Verteidigung findet (zumindest manche Trainer sollen das können, habe ich gehört). Was sie nicht können, ist dafür zu sorgen, dass der Spieler den Ball knapp neben dem Pfosten ins Tor schießt, statt knapp neben dem Pfosten am Tor vorbei. Ein Trainer kann seine Mannschaft also dazu bringen, dass sie gut spielt. Dass sie gewinnt, folgt daraus nicht zwangsläufig, nur hoffentlich. Aber leider nicht so oft, wie wir es alle gerne hätte. Deshalb prägte der große Fußballphilosoph Lukas P. aus K. ja auch folgenden Satz: "Im Fußball gewinnt eben manchmal auch der Bessere."
Einem Fußballtrainer bringt das oft nicht viel. Siehe Mirko Slomka, dessen Mannschaft gegen Barcelona und Bremen über jeweils 60 Minuten zwei gute Leistungen bot. Dummerweise verlor Schalke zwei Mal und prompt musste der Trainer gehen. Ein Paradebeispiel für ergebnisorientierte Interpretation, das man auch kurz zusammenfassen könnte mit: Verloren – alles Mist.
Tatsächlich ist oft aber auch alles Mist, wenn gewonnen wurde. Nehmen wir die deutsche Fußball-Nationalmannschaft. Bei der WM 1982. Da werden sich die jüngeren gar nicht erinnern können, denn das liegt nicht nur gefühlt ein Vierteljahrhundert zurück, sondern tatsächlich. Ich sage Euch, seid froh wenn Ihr das nicht miterleben musstet! Das Turnier begann für Deutschland mit einer 1:2 Niederlage gegen Algerien und damals waren die Afrikaner noch nicht so stark wie heute. Es folgte ein gutes 4:1 gegen Chile und dann kam die "Schande von Gijon", der Nichtangriffspakt gegen Österreich, den wir 1:0 gewannen. In der zweiten Finalrunde folgte ein stinklangweiliges 0:0 gegen England, dann ein respektables 2:1 gegen Spanien. Das reichte zum Weiterkommen. Im Halbfinale folgte die beste Turnierleistung beim legendären 3:3 gegen Frankreich (nach 1:3 Rückstand in der Verlängerung). Deutschland siegte anschließend im Elfmeterschiessen. Aber auch dieses Spiel wurde überschattet, nämlich von Toni Schumachers Foul gegen Patrick Battiston. Und im Finale hatten wir dann beim 1:3 gegen Italien nicht den Hauch einer Chance.
Auch 1986 wurden wir Zweiter, doch der weg ins Finale war kaum ruhmreicher. In der Vorrunde 1:1 gegen Uruguay und 0:2 gegen Dänemark (zum Glück kamen drei von vier Mannschaften weiter!). Im Achtelfinale ein 1:0 gegen Marokko durch einen Weitschuss kurz vor Schluss. Im Viertelfinale ein 0:0 gegen Mexiko nach Verlängerung und der Sieg im anschließenden Elfmeterschiessen. Eigentlich konnte man ruhigen Gewissens nur das 2:0 im Halbfinale gegen Frankreich unter der Rubrik "gute Leistung" einordnen. Die Finalniederlage gegen Argentinien kam zwar unglücklich zu Stande, aber wirklich gewinnen mussten wir das Spiel nicht.
Zwei Beispiele, die zeigen, dass im Fußball eben tatsächlich nur manchmal der Bessere gewinnt. Oft ist es einfach der Glücklichere. Nehmen wir die WM 2002. Da trafen wir im Viertelfinale auf die USA, im Halbfinale auf Südkorea und siegten beide Male glücklich. Im Finale gegen Brasilien spielten wir deutlich besser als zuvor und verloren trotzdem. Unsere Freunde aus England hatten dagegen das Pech, schon im Viertelfinale gegen Brasilien spielen zu müssen. Mal im Ernst: Wäre uns das passiert, dann wären wir natürlich auch im Viertelfinale rausgeflogen. Wir hatten Glück.
Welch ein Kontrast dagegen bei der WM 2006. Darbietungen, die zwischen "okay" (Costa Rica, Argentinien) und "sehr gut" (Schweden) schwankten, eine Niederlage im Halbfinale gegen den späteren Weltmeister, durch zwei Tore kurz vor Ende der Verlängerung, im besten Spiel des Turniers. Danach noch ein schöner Abschied im Spiel um Platz drei gegen Portugal. Das war ein dritter Platz auf den man mit Fug und Recht stolz sein durfte, auch wenn man natürlich lieber Erster geworden wäre. Und was habe ich daraus gelernt? Ich werde viel lieber so Dritter wie 2006 als Zweiter wie 82 und 86? Das ist das Gegenteil von ergebnisorientierter Interpretation. Der Erfolg heiligt nicht immer alle Mittel (und Leistungen). Sage ich. Und Ihr?
Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 4117 | Kommentare: 24 | Bewertungen: 10 | Erstellt:22.04.2008
ø 8.7
KOMMENTARE
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25.04.2008 | 09:44 Uhr
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Hauser29 : re renner
nun ja...ich würde nicht unbedingt immer behaupten das schön spielen zwangsläufig des öfteren zue rfolg führt. als beispiel nehme ich hier die nationalmannschaft der niederlande, allerdings vor der zeit von van basten. man was haben die reporter immer geschwärmt was die für schönen fußball spielen...und es war ja auch schön anzuschauen, mit nem tollen system. nur war es leider nicht effektiv...immer wenn es um was ging sind sie vor schönheit gestorben (außer 88 bei der em). wenn es um etwas geht, in den entscheidenden spielen...da entscheidet meißtens nie das schönere spiel...sondern die abgeklärtheit und kaltschnäutzigkeit. außerdem, ein trainer brint den spielern ja net da schön spielen bei...fußballspielen können die meißten eh...er steckt sie nur in das system, was erim kopf hat und ist am meißten für die disziplin verantwortlich.
noch so ein beispiel für schön, aber nicht effektiv spielen, sind zum beispiel die mannschaften affrikas. die spielen alle einen schönen, technisch guten fußball. sind jedoch leider niht effektiv und disziplin ist bei den meißten ein fremdwort. da nützt dann das schöne spiel nicht viel wenn ich bei der wm immer spätestens im achtelfinale nach hause muss
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25.04.2008 | 10:13 Uhr
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monte88 : Ergebnis als verdient bezeichnen
Darin sind vorallem die Chelsea Fans gut. Die müssen das nämlich nach jedem Spiel machen
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25.04.2008 | 10:33 Uhr
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Poda : Es ist erst vorbei...
...wenn es vorbei ist. Schon klar. Aber mal so als unqualifizierten Ruf aus der letzten Reihe zum Verhältnis von schön und erfolgreich: Sagt euch der Name Christiano Ronaldo irgendwas?Und letztlich schießen sich die Tore ja auch nicht von alleine. Es ist genau, wie Maestro Renner sagt, bloßes Schlechtspielen ist ja noch kein Erfolgsrezept. Irgendwie muss man ja dahinkommen, die Chancen zu erhalten, die man dann ach so kaltschnäuzig und unverdient verwerten kann. Und das geht halt nur über das gute (und somit auch schöne) Fusballspiel...
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Wenn man die Kommentare hier studiert, meint man ja fast, das Erfolgsrezept laute, möglichst unattraktiv zu spielen, nur so könne man tatsächlich auch gewinnen. Das stimmt hoffentlich nicht.