15.09.2011 um 13:38 Uhr
Extrem!
Fußball ist ein Massenphänomen.
Der DFB hat über 6 Millionen Mitglieder aus allen Gesellschaftsschichten und über ganz Deutschland verteilt. Doch wenn man an Fußball und Rechtsextremismus denkt, dann landet man eigentlich automatisch zum einen im Osten und zum anderen in den unteren Ligen. Es gibt wohl niemanden, der nicht schon mindestens einmal einen Bericht über Ausschreitungen Rechtsextremer, über die Unterwanderung vieler Ostclubs oder das "Neonazi-Problem des Fußballs im Osten" gelesen hat. Nimmt man zum Beispiel einen Verein wie Lok Leipzig heran, deren Anhänger ein ums andere Mal für Schlagzeilen sorgten oder den VfB Lübeck, wo NPD-Mitglieder sogar einen eigenen Fanclub gründeten, könnte man schnell auf den Gedanken kommen, dass es sich bei dieser Problemstellung um ein Exklusivproblem der unteren Ligen handelt.
Warum ist klar.
Dort finden sich zum einen weniger organisierte Fanbewegungen, es bietet sich also für "Organisatoren" ein potentiell fruchtbarerer Nährboden als bei häufig durchorganisierten Bundesliga-Fanblocks, zum anderen sind in den unteren Ligen die Sicherheitsmaßnahmen eher als marginal zu bezeichnen, was Gewaltbereiten "Fans" auch eher entgegenkommen dürfte. Ist hochklassiger Fußball im Westen daher eine heile Welt?
Cottbus-"Fans" 2005 beim Spiel Cottbus gegen Dynamo Dresden
Nein, ist es natürlich nicht.
Denn auch im Oberhaus gibt es genug Beispiele, die zum Nachdenken anregen sollten. Man muss sie nur suchen.
Beispiel Kaiserslautern
Im Jahre 2003 trug sich in Kaiserslautern ein Vorfall zu, der in bester "Osttradition" steht. Während des Spiels des 1. FCK gegen die Hertha aus Berlin konnte man im Hexenkessel Betzenberg eine Erfahrung ganz eigener Art machen. Und zwar schallten bei nahezu jeder Ballberührung des Herthaners Nando Raffael Rufe wie "Scheiß Nigger", "Bimbo", "Afrika für Affen" durchs weite Rund, begleitet von zweifelhaftem Liedgut wie "Wir bauen eine U-Bahn - von Auschwitz nach Berlin". Es ist zwar, und das muss deutlich gesagt werden, keineswegs so, dass der gesamte Fanblock des FCK in diese Gesänge eingestimmt hätte, doch waren diese Gesänge, die von einigen Fans angestimmt wurden, doch deutlich hörbar. Genauso wie die sich durch das gesamte Spiel ziehenden "Sieg Heil"-Rufe aus der Westkurve, die im Anschluss an das Spiel zu einer langen Diskussion unter den Kaiserslauterer Fans geführt hatte.
Quelle
Beispiel Dortmund
Dass das hier beschriebene Phänomen kein Neues ist beweist ein Blick nach Dortmund. Dort gründete sich im Jahr 1982 eine Fangruppierung mit dem klangvollen Namen "Borussenfront", welche von Beginn an ins rechte Spektrum abdriftete. Bezeichnend dafür der Kampfname des Gründers, Siegfried Borchard: "SS-Siggi". Seines Zeichens übrigens Aktivist der rechtsradikalen freien Kameradschaften. Und schon 1983 berichtete der Stern über die Gruppe mit dem Titel "Blut, Blut muss fließen!" Nachdem es um die Jahrtausendwende als Folge diverser Verfahren wegen Körperverletzung gegen die Anführer der Borussenfront sehr ruhig geworden war galt die Gruppe eigentlich schon als aufgelöst. Ab dem Jahr 2006 tritt die Borussenfront jedoch wieder in ihrer damaligen Form auf, weicht jedoch mittlerweile auch auf Spiele der unterklassigen Mannschaften aus, da einige ihrer Mitglieder mit Stadionverboten belegt wurden. Viele besuchen jedoch auch heute noch Spiele des BVB, wenn auch nicht offen als Anhänger der Borussenfront.
Die 1999 gegründete Gruppierung "Desperados Dortmund" machte von Beginn an ebenfalls keinen Hehl aus ihrer rechten Ausrichtung. Nicht nur, dass sie in der Gruppe meist mit rechtsextremer Szenekleidung wie Thor Steinar oder Consdaple auftreten denn in den Farben des BVB, viele der Mitglieder marschieren auch außerhalb des Stadions bei Demonstrationen der NPD mit oder verzieren das Stadion und das Umfeld mit NPD-Stickern. Eine gewisse Gewaltbereitschaft muss nicht erst erwähnt werden, werden die Mitglieder doch von einem ausgebildeten Kampfsportlehrer auf eventuelle Zwischenfälle im und vor dem Stadion vorbereitet. Der übrigens selbst als Ordner im Stadion arbeitet bzw. arbeitete. Gesänge wie: "SS, SA, Borussia" oder die Forderung, dass "alle Blauen einen gelben Stern zu tragen" hätten runden das Bild vollends ab.
Quelle
Beispiel Leverkusen
Auch die sonst so dröge Leverkusener Werkself bzw. deren Fans fallen ein ums andere Mal auf. So trug es sich bei mehreren Auswärtsfahrten in Fanzügen zu, dass neben der schon fast als üblichen Pöbelei in großen Teilen des Zuges lautstark das dem ein oder anderen bekannte "Zyklon-B-Lied" zum Besten gegeben wurde (Zyklon B für (Verein der Wahl einsetzen), vergaßt euch selbst Juden…). Dies hat nach Ansicht der Bayer-Verantwortlichen mittlerweile ein Niveau erreicht, aufgrund dessen sich der Verein in Übereinstimmung mit den "normalen" Fangruppen (!)entschlossen hat, bis auf weiteres keine Fanzüge mehr anzubieten.
Quelle
Strategiewechsel im Laufe der Zeit.
Ein großer und wichtiger Einschnitt in die Entwicklung des Rechtsextremismus im Fußball war mit Sicherheit die WM 2006. Unter dem Motto "die Welt zu Gast bei Freunden" wollte und konnte man die Entwicklungen nicht hinnehmen und startete eine Gegenbewegung. Fanprojekte erhielten mehr Geld, Fanarbeiter wurden vom DFB weitergebildet und sensibilisiert, in vielen Vereinen wurde überhaupt erstmal ein Fanprojekt ins Leben gerufen. Erfreulich ist, dass diese Entwicklung von Seiten des DFB, der diese Problematik lange Zeit ignoriert hatte, auch in den Jahren nach der WM weiter vorangetrieben wurde. Und auf den ersten Blick hat sich der Erfolg durchschlagend eingestellt. Heute, im Jahr 2011, findet sich in keinem Stadion mehr ein Spruchband mit rechtsgerichtetem Inhalt und auch Schmähgesänge gehören heute mehr oder weniger der Vergangenheit an. Zumindest in der höchsten Spielklasse. Doch ist das Problem damit erledigt oder sind lediglich die Symptome verschwunden? Folgt man der Argumentation von Polizei, DFB und Vereinen muss man sagen "Ja". Keine Straftaten, keine verfassungsfeindlichen Symbole, keine Neonazis, kein Problem.
Aber so einfach ist es leider nicht. Denn das Problem wurde keineswegs gelöst, es hat sich nur verlagert. Und zwar in mehrerlei Hinsicht. Zum einen Teil, wie oben bereits beschrieben, in die unteren Ligen, in denen die Anhänger beinahe ungestört ihren Interessen frönen können, zum anderen auch aus dem Stadion hinaus vor das Stadion. Statt plump im Stadion auf Mitgliederwerbetour zu gehen, stehen die Rechten nun vor dem Stadion - auf öffentlichem Grund - und verteilen Flyer und Sticker der NPD. Es ist Juli 2009, es ist Wahlkampf in Sachsen.
Weiter zu Teil 2
Der DFB hat über 6 Millionen Mitglieder aus allen Gesellschaftsschichten und über ganz Deutschland verteilt. Doch wenn man an Fußball und Rechtsextremismus denkt, dann landet man eigentlich automatisch zum einen im Osten und zum anderen in den unteren Ligen. Es gibt wohl niemanden, der nicht schon mindestens einmal einen Bericht über Ausschreitungen Rechtsextremer, über die Unterwanderung vieler Ostclubs oder das "Neonazi-Problem des Fußballs im Osten" gelesen hat. Nimmt man zum Beispiel einen Verein wie Lok Leipzig heran, deren Anhänger ein ums andere Mal für Schlagzeilen sorgten oder den VfB Lübeck, wo NPD-Mitglieder sogar einen eigenen Fanclub gründeten, könnte man schnell auf den Gedanken kommen, dass es sich bei dieser Problemstellung um ein Exklusivproblem der unteren Ligen handelt.
Warum ist klar.
Dort finden sich zum einen weniger organisierte Fanbewegungen, es bietet sich also für "Organisatoren" ein potentiell fruchtbarerer Nährboden als bei häufig durchorganisierten Bundesliga-Fanblocks, zum anderen sind in den unteren Ligen die Sicherheitsmaßnahmen eher als marginal zu bezeichnen, was Gewaltbereiten "Fans" auch eher entgegenkommen dürfte. Ist hochklassiger Fußball im Westen daher eine heile Welt?
Cottbus-"Fans" 2005 beim Spiel Cottbus gegen Dynamo Dresden
Nein, ist es natürlich nicht.
Denn auch im Oberhaus gibt es genug Beispiele, die zum Nachdenken anregen sollten. Man muss sie nur suchen.
Beispiel Kaiserslautern
Im Jahre 2003 trug sich in Kaiserslautern ein Vorfall zu, der in bester "Osttradition" steht. Während des Spiels des 1. FCK gegen die Hertha aus Berlin konnte man im Hexenkessel Betzenberg eine Erfahrung ganz eigener Art machen. Und zwar schallten bei nahezu jeder Ballberührung des Herthaners Nando Raffael Rufe wie "Scheiß Nigger", "Bimbo", "Afrika für Affen" durchs weite Rund, begleitet von zweifelhaftem Liedgut wie "Wir bauen eine U-Bahn - von Auschwitz nach Berlin". Es ist zwar, und das muss deutlich gesagt werden, keineswegs so, dass der gesamte Fanblock des FCK in diese Gesänge eingestimmt hätte, doch waren diese Gesänge, die von einigen Fans angestimmt wurden, doch deutlich hörbar. Genauso wie die sich durch das gesamte Spiel ziehenden "Sieg Heil"-Rufe aus der Westkurve, die im Anschluss an das Spiel zu einer langen Diskussion unter den Kaiserslauterer Fans geführt hatte.
Quelle
Beispiel Dortmund
Dass das hier beschriebene Phänomen kein Neues ist beweist ein Blick nach Dortmund. Dort gründete sich im Jahr 1982 eine Fangruppierung mit dem klangvollen Namen "Borussenfront", welche von Beginn an ins rechte Spektrum abdriftete. Bezeichnend dafür der Kampfname des Gründers, Siegfried Borchard: "SS-Siggi". Seines Zeichens übrigens Aktivist der rechtsradikalen freien Kameradschaften. Und schon 1983 berichtete der Stern über die Gruppe mit dem Titel "Blut, Blut muss fließen!" Nachdem es um die Jahrtausendwende als Folge diverser Verfahren wegen Körperverletzung gegen die Anführer der Borussenfront sehr ruhig geworden war galt die Gruppe eigentlich schon als aufgelöst. Ab dem Jahr 2006 tritt die Borussenfront jedoch wieder in ihrer damaligen Form auf, weicht jedoch mittlerweile auch auf Spiele der unterklassigen Mannschaften aus, da einige ihrer Mitglieder mit Stadionverboten belegt wurden. Viele besuchen jedoch auch heute noch Spiele des BVB, wenn auch nicht offen als Anhänger der Borussenfront.
Die 1999 gegründete Gruppierung "Desperados Dortmund" machte von Beginn an ebenfalls keinen Hehl aus ihrer rechten Ausrichtung. Nicht nur, dass sie in der Gruppe meist mit rechtsextremer Szenekleidung wie Thor Steinar oder Consdaple auftreten denn in den Farben des BVB, viele der Mitglieder marschieren auch außerhalb des Stadions bei Demonstrationen der NPD mit oder verzieren das Stadion und das Umfeld mit NPD-Stickern. Eine gewisse Gewaltbereitschaft muss nicht erst erwähnt werden, werden die Mitglieder doch von einem ausgebildeten Kampfsportlehrer auf eventuelle Zwischenfälle im und vor dem Stadion vorbereitet. Der übrigens selbst als Ordner im Stadion arbeitet bzw. arbeitete. Gesänge wie: "SS, SA, Borussia" oder die Forderung, dass "alle Blauen einen gelben Stern zu tragen" hätten runden das Bild vollends ab.
Quelle
Beispiel Leverkusen
Auch die sonst so dröge Leverkusener Werkself bzw. deren Fans fallen ein ums andere Mal auf. So trug es sich bei mehreren Auswärtsfahrten in Fanzügen zu, dass neben der schon fast als üblichen Pöbelei in großen Teilen des Zuges lautstark das dem ein oder anderen bekannte "Zyklon-B-Lied" zum Besten gegeben wurde (Zyklon B für (Verein der Wahl einsetzen), vergaßt euch selbst Juden…). Dies hat nach Ansicht der Bayer-Verantwortlichen mittlerweile ein Niveau erreicht, aufgrund dessen sich der Verein in Übereinstimmung mit den "normalen" Fangruppen (!)entschlossen hat, bis auf weiteres keine Fanzüge mehr anzubieten.
Quelle
Strategiewechsel im Laufe der Zeit.
Ein großer und wichtiger Einschnitt in die Entwicklung des Rechtsextremismus im Fußball war mit Sicherheit die WM 2006. Unter dem Motto "die Welt zu Gast bei Freunden" wollte und konnte man die Entwicklungen nicht hinnehmen und startete eine Gegenbewegung. Fanprojekte erhielten mehr Geld, Fanarbeiter wurden vom DFB weitergebildet und sensibilisiert, in vielen Vereinen wurde überhaupt erstmal ein Fanprojekt ins Leben gerufen. Erfreulich ist, dass diese Entwicklung von Seiten des DFB, der diese Problematik lange Zeit ignoriert hatte, auch in den Jahren nach der WM weiter vorangetrieben wurde. Und auf den ersten Blick hat sich der Erfolg durchschlagend eingestellt. Heute, im Jahr 2011, findet sich in keinem Stadion mehr ein Spruchband mit rechtsgerichtetem Inhalt und auch Schmähgesänge gehören heute mehr oder weniger der Vergangenheit an. Zumindest in der höchsten Spielklasse. Doch ist das Problem damit erledigt oder sind lediglich die Symptome verschwunden? Folgt man der Argumentation von Polizei, DFB und Vereinen muss man sagen "Ja". Keine Straftaten, keine verfassungsfeindlichen Symbole, keine Neonazis, kein Problem.
Aber so einfach ist es leider nicht. Denn das Problem wurde keineswegs gelöst, es hat sich nur verlagert. Und zwar in mehrerlei Hinsicht. Zum einen Teil, wie oben bereits beschrieben, in die unteren Ligen, in denen die Anhänger beinahe ungestört ihren Interessen frönen können, zum anderen auch aus dem Stadion hinaus vor das Stadion. Statt plump im Stadion auf Mitgliederwerbetour zu gehen, stehen die Rechten nun vor dem Stadion - auf öffentlichem Grund - und verteilen Flyer und Sticker der NPD. Es ist Juli 2009, es ist Wahlkampf in Sachsen.
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Aufrufe: 13298 | Kommentare: 2 | Bewertungen: 31 | Erstellt:15.09.2011
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