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30.11.2010 um 19:27 Uhr
Flach halten
Der Job des Fußballreporters gleicht in seiner Undankbarkeit der des Nationaltrainers. Millionen Fußballfans schauen zu und glauben stets, es selbst sehr viel besser zu können – ob an der Seitenlinie oder eben am Mikrofon. Kritik an Fußballkommentatoren hat daher immer etwas Populistisches. Regelmäßig werden sich genug Claqueure finden, die einer Generalabrechnung mit der Sportjournaille wohlwollend zustimmen. Dabei gilt für Sportreporter das Gleiche wie für jeden anderen Berufsstand auch: Es gibt gute und weniger gute. Wer seinen Job beherrscht und wer nicht, lässt sich dabei kaum mit objektiven Maßstäben ermitteln. Die Beurteilung journalistischer Klasse ist eben immer auch eine Frage des persönlichen Geschmacks. Dies trifft auf die Sportberichterstattung in besonderem Maße zu.

Es sollen an dieser Stelle daher keine persönliche Reporter-Präferenzen kundgetan werden. Dies wäre nicht nur billig, sondern im Ergebnis auch kaum aussagekräftig. Vielmehr soll es um ein bedauerliches Phänomen gehen, welches das ansonsten so herausragende Ensemble der SKY-Kommentatoren befallen hat. Es lässt sich wohl am besten als eine Art Selbstgefälligkeit umschreiben. Gemeint ist der unüberseh- bzw. unübehörbare Trend, sich an den eigenen Kommentierungen zu berauschen und dabei den Blick für das Wesentliche zu verlieren. Marcel Reif, für manche nach wie vor der Großmeister der deutschen Sportkommentatoren, offenbarte schon immer einen gewissen Narzissmus, in dessen Rausche er sich schon mal in die eigenen Satzkonstrukte zu verlieben schien.

Nunmehr unterliegen – gerade bei SKY – aber immer mehr Kommentatoren der Versuchung, sich mehr am eigenen Wort zu erfreuen als am beobachteten Spiel. Allen voran Kai Dittmann, von seinen Fertigkeiten her zweifelsohne einer der besten seiner Zunft. Auch ihn erwischt man immer häufiger dabei, wie er sich mit gekünstelten Euphorieschüben in einen Ego-Rausch kommentiert. Da wird schon mal entgegen der verabredeten Regeln noch vor dem Umschalten wild in die Konferenz geschrien, was für ein sagenhaftes Tor man gerade beobachtet habe. Denn unorthodox ist chic und für einen wie Dittmann doch wohl allemal erlaubt. Es sind jedoch nicht nur Reif und Dittmann, die dazu neigen, mehr Gefallen an sich als am Spiel zu entwickeln. In unterschiedlichen Nuancen lässt sich dieses Phänomen inzwischen bei vielen Kommentatoren des Bezahlsenders beobachten.

Es überrascht jedoch kaum, dass ausgerechnet die an sich so fähigen SKY-Leute von dem heimtückischen Narzissmus-Virus überfallen werden. Denn wer regelmäßig und nahezu ohne Pause Fußballspiele kommentiert, der entwickelt wohl zwangsläufig irgendwann den Drang, die Dinge ein wenig anders anzugehen, eben auch um ein wenig der täglichen Routine zu entfliehen. Und da ein Reporter bei seiner Berufsausübung nun einmal nicht sehr viel mehr um sich herum hat als sich selbst und das zu begutachtende Spiel, bleibt ihm irgendwann nur die Flucht in die Selbstreferenz. Da schäkert man schon mal gerne, was man gerade für einen Unfug erzählt hat, um mit dem Bekenntnis zur eigenen Fehlerhaftigkeit Professionalität auszustrahlen. Dabei wäre es doch so viel professioneller, sich lieber sachlich dem Spiel zuzuwenden, ohne dass man gleich emotionslos werden müsste.

Denn es kann keinen Zweifel geben: Emotionen gehören zu einer lebendigen Sportberichterstattung einfach dazu. Was sind wir doch alle froh, die Zeiten der Hubertys und Michels lange hinter uns gelassen zu haben. Sport – und Fußball in besonderem Maße – ist eben kein bloßes zeitgeschichtliches Geschehen, das man mit journalistischer Distanz und nüchterner Kälte begleiten darf. Sport braucht Emotionen, auch und nicht zuletzt von Seiten der Kommentatoren. Doch gilt es eben auch hier, ein gesundes Maß nicht zu überschreiten. So können Emotionen, wenn sie gespielt erscheinen oder allzu übertrieben wirken, schnell peinlich werden.

Genau hier müssen die SKY-Kommentatoren ansetzen: Emotionen ja, wenn sie angemessen sind. Aber bitte keinen Emotionen um der Emotionen willen. Dazu muss man sich selbst eben hier und dann ein wenig zurücknehmen, was angesichts der Drohkulisse Routine mitunter schwer fallen kann. Ball flach halten ist aber eben nicht nur für die Akteure auf dem Platz manchmal die beste Lösung.


Aufrufe: 4825 | Kommentare: 18 | Bewertungen: 15 | Erstellt:30.11.2010
ø 9.4
KOMMENTARE
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possessionplay
30.11.2010 | 19:42 Uhr
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30.11.2010 | 19:42 Uhr
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Fand ich sehr lesenswert und bisweilen sogar äußerst eloquent formuliert.

Dein gedankengang ist gut nachzuvollziehen, das von dir beschriebene phänomen scheint aber bei Reif stärker ausgeprägt zu sein.

Wobei ich generell die SKY-Kommentatoren nicht immer so gut einschätze, natürlich sind sie nicht schlecht, aber....

Anyway, 10 Punkte von mir
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Taktiker
30.11.2010 | 20:31 Uhr
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Taktiker : 
30.11.2010 | 20:31 Uhr
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Taktiker : 
Super Beitrag voegi, zu einem Thema, das mich immer wieder beschäftigt. Die von dir angesprochene Selbstgefälligkeit stößt auch mir immer häufiger sauer auf, es gibt keinen Kommentatoren, den ich wirklich gerne höre, nur welche, die ich überhaupt nicht gerne kommentieren höre.

Ich werde immer wieder ein wenig neidisch, wenn ich englische oder amerikanische Kommentatoren höre. Das hat wenig mit "der Rasen des nachbarn ist eben immer grüner" zutun, als vielmehr mit der Tatsache, dass man dort echten Fachleuten bei der Arbeit zuhört. Die Kommentatoren tun sich in Sachen Emotionen und Sprachgewandtheit nicht viel, aber ihr Fachwissen ist bei jedem Einzelnen höher als das eines deutschen Kommentators, leider.

Hierzulande habe ich immer noch das Gefühl, dass manche Kommentatoren nur "ihren Job machen", den Fußball nicht richtig leben. Das spiegelt sich dann auch in der Berichterstattung wieder, nicht in den Emotionen, denn da sind alle Profis, sondern in der Qualität. Einem englischen Kommentator fallen taktische änderungen auf, bei den deutschen hat man häufig das Gefühl sie brauchen die Hinweise ihrer eifrigen Assistenten, wenn sie es überhaupt sehen. ähnlich sieht es mit Hintergrundgeschichten, Anekdoten und so weiter aus, da sind die Engländer uns im Fußball und die Amerikaner im Sport allgemein meilenweit voraus.

Das zu diesem Thema, was mich noch ärgert ist die Berichterstattung am Rasen und im Studio. Da werden vorformulierte Sätze wiedergegeben, nichtssagende Interviews geführt und auch sonst reichlich unqualifizierte Dinge kundgetan. Dabei geht es nicht um die wechselnden Experten, sondern um die "Reporter" um die SKY-Peinlichkeit in Person: Jessica Kastrop. Sie macht auch die, im Ansatz, gute Samstag LIVE! Show kaputt, indem sie Interviewpartner mit Boulevard-Fragen nervt und so die gesamte Gesprächsbasis zerstört.
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Skim
30.11.2010 | 21:19 Uhr
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Skim : 
30.11.2010 | 21:19 Uhr
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Skim : 
Schöner Blog voegi, sprichst sicherlich viele Dinge an, die einem nur unbewusst bewusst sind.
Aber da die Geschmäcker so vielfaltig wie die Kommentatoren selbst sind, wird es nie eine Lösung geben.
Wobei ich mich ja schon gerne bei dem Sky Kommentatoren Job beworben hätte Ich hätte natürlich das Problem gelöst
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fcbslv
01.12.2010 | 13:39 Uhr
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fcbslv : 
01.12.2010 | 13:39 Uhr
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fcbslv : 
http://www.youtube.com/watch?v=zldvn4XyhiU
Ich bin für mehr Emotionen im deutschen Fußball. Denke dass da die spanischen Kommentatoren top sind. Aber der obige ist für mich das Sinnbild eines genialen Kommentators der echt mitreißt.
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Carnivore
01.12.2010 | 14:23 Uhr
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Carnivore : 
01.12.2010 | 14:23 Uhr
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Carnivore : 
Deshalb bin ich großer Fan von Wolff Fuss - Fachwissen, Emotionen, sein ureigener Humor... das alles ist mehr als das i-Tüpfelchen für einen gelungenen Fußball-Abend!
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don_pasquale
01.12.2010 | 14:27 Uhr
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01.12.2010 | 14:27 Uhr
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mMn ist der vorzeigekommentator im deutschen sport-tv wolf-christoph fuss..
allerdings kommt dann ne lange zeit nichts mehr.. leider
es ist zeit für eine neue generation von kommentatoren, leute die ahnung vom fußball haben, am besten durch persönliche erfahrung und emotionen für das spiel entwickeln können..
ich weis auch nicht ob euch das aufgefallen istz aber bei so gut wie allen spielen die nicht von deutschsprachigen kommentar verflucht sind (heißt ausland) sitzen 2 kommentatoren in der kabine, so werden sich die fachkenntnisse und emotionen geteilt, allerdings schwer vorstellbar in deutschland leider..
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Cech
01.12.2010 | 14:50 Uhr
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Cech : 
01.12.2010 | 14:50 Uhr
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Cech : 
"dittmann fand ich vor 1 bis 2 jahren wirklich nicht schlecht, aber beim spiel barcelona gegen arsenal war er nur noch peinlich. nie zuvor habe ich eine so übertriebene emotion von einem kommentator gehört. natürlich spielte messi weltklasse ( nicht nur wegen den 4 toren in diesem spiel), aber immer wenn messi auch nur in der nähe des ball war, rastete dittmann völlig aus. mit lauter, krächzender stimme rief er ständig" MESSI; MESSI" mehrmals hintereinander und er übertrieb es so derart mit superlativen, das war nur noch peinlich."

Du sprichst mir aus der Seele!! 2007 Champions League Halbfinale zwischen Chelsea Liverpool, damals war Kai Dittmann super. Jetzt nur noch peinlich. Der Höhepunkt bei der wm Brasilien - Chile, wo er beim zweiten Treffer "Gooooal" gesagt hat und einen auf Südamerikaner gemacht hat. Und ich glaube er hält sich für witzig, so was schmeckt mir überhaupt nicht. Marcel Reif z.b. finde ich sehr gut, weil er direkt ist.





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katzinho
01.12.2010 | 15:49 Uhr
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katzinho : sauber voegi!
01.12.2010 | 15:49 Uhr
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katzinho : sauber voegi!
zuerst mal das positive: im vergleich zu den kommentatoren der öffentlich rechtlichen sind alle sky kommentatoren hochbegabt, treffen den richtigen ton und haben einen sachverstand der dem des louis van gaal gleicht! denn wenn ich an wm spiele mit bela rehty und steffen simon denke dann kommt da immer nich ein leichtes zucken in meine rechte schulter.
dennoch muss man sagen dass gerade dittmann und reif von spiel zu spiel schlechter werden. dittmann mit seiner von euch bereits beschriebenen euphorie und reiff mit einer selbstverliebtheit die auch der eines lvg in nichts nachsteht. dazu ein pseudofachwissen "die bayern verteidigen sehr hoch" dass vielleicht bei der udo lattek doppelpass fraktion gut ankommen mag, jedoch nicht überdecken kann dass er und sein fachwissen auf keinen fall mit der entwicklung des fussballs schritt gehalten haben!
da lobe ich mir doch wirklich den "alten" fritz (von thurn und taxis). der lebt mit den jungs ("boa das ist schon eine rakete der pitroipa, mein lieber himmel"), seine emotionen sind echt und sein fachwissen passabel.
aber alles in allem muss man sagen dass die besten kerle, sebastian hellmann + jan henkel, leider nur vor und nach den spielen zu sehen sind!
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KingKC
01.12.2010 | 16:09 Uhr
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KingKC : 
01.12.2010 | 16:09 Uhr
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KingKC : 
ein fussballkommentator sollte mmn objektiv das geschehen kommentieren und dabei selten bis garnicht parteiisch agieren. leider faellt mir immer haufiger das gegenteil auf, gerade in internationalen spielen (cl, wm/em).

eins vorweg: ich habe gar nichts dagegen, wenn der kommentator sich bei einer em/wm auf die seite des eigenen landes stellt, aber wenn, dann bitte objektiv!!
immer haufiger erlebt man, dass tatsachen falsch - bewusst falsch - kommentiert werden, um das eighene land besser dastehen zu lassen bzw. das andere schlechter. das ist auch schon eine art populismus!!

marcel reif zum beispiel kann ich mir nicht mehr anhioeren, so sehr geht der mir auf den sack mit seinem gelaber! robben zieht nen sprint, und schon faengt der gute an, ihn mit messi zu vergleichen! nicht nur das, er stellt die beiden sogar auf eine stufe!! van bommel tritt einem vor die beine, sieht zurecht gelb, aber dann ist die entscheidung natuerlich vieeeel zu hart!! im gegenzug ist dann jeder koerperkontakt des gegeners gleich ein foul, so fordert er es. das ist einfach nur noch laecherlich, bei mir im freundeskreis steht der name marcel reif schon fuer verwunderung waehrend den spielen!

oder bei grossturnieren wie wm/em. ein schweinsteiger spielt nen querpass und ist weltklasse (er ist es), was der kommentator dann auch bei jeder weiteren ballberuehrung sagen muss, damit es auch ja alle wissen und nachlabern koennen. dann verrennt sich ein messi und sofort wird angefangen zu laestern, ueber messi, selber, ueber argentinien generell usw. manchmal hat man das gefuehl, das die kommentatoren vor dem spiel schnell mal nen blick in die bild werfen und vllt noch bei spox, und diese durchgelutschten infos werden dann so lange widergekaeut, im spiel, nach dem spiel, bei sky 90, bei dsf aktuell, bis sie wirklich jede oma weiss. es ist zu einem spiel der klischees verkommen, was die mannen bei sky da so bieten mittlerweile...
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RMD
01.12.2010 | 16:10 Uhr
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RMD : Sehr schöne Idee
01.12.2010 | 16:10 Uhr
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RMD : Sehr schöne Idee
Denke in Deutschland können wir uns nicht beschweren über Kommentatoren. Denke es gitbt genug gute, Fuss und Reif haben sicher nochmal ne ausnahme stellung....

bin aber auch der meinung, dass die sich bissel zurück lehnen, wenn ich an die spiele der Premier league zurückdenke, die Fuss kommentierte, hat er abgebaut. Das war mal emotionaler und einfach besser.

Und vergleiche zum ausland hinken auch ein bisschen, zumindest zum spanischen bzw südamerikanischen.
In deutschland wird viel neben dem spiel erzählt, statistiken, kleine geschichtchen zum spieler, trainer etc....
die spanier bleiben beim spiel, wie radio reporter...ist dann ne geschmackssache was man besser findet.

Ein spanischer Kommentator den ich ans herz legen kann ist
carlos martinez von Canal +

http://www.youtube.com/watch?v=Se0cIaWxM-4
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