Ich bin ja von Haus aus Schalker und habe mit dem HSV nicht besonders viel zu tun. Weder hege ich besondere Antipathien gegen den alten Hamburger Traditionsverein (trotz halbherziger Liebelei mit dem Lokalrivalen vom Kiez), noch gehört der HSV zu meinen bevorzugten Ligaclubs. Aber eins ist für mich klar: Wenn es um den Klassenerhalt geht, dann hätte ich lieber den alten Dino in der Liga als einen Retortenverein aus Leipzig. Auch deshalb wurmt mich, was sich schon seit Monaten in und um den Volkspark tut.
Tapferer Bert
Ausgerechnet Bert van Marwijk, der vor Jahren mal den Erzfeind aus Lüdenscheid-Nord trainierte, imponiert mir unheimlich durch seine Ruhe, Ausgeglichenheit und das gleichzeitig deutlich hervortretende Herzblut für diesen Verein, der so groß und doch so klein zu sein scheint. Als er auf der Pressekonferenz erläuterte, wie er den 17-jährigen Jonathan Tah aus dem medialen Kreuzfeuer nahm und Pierre-Michel Lasogga bei einem 0:3-Rückstand und muskulären Problemen lieber auf der Bank sitzen ließ das war große Klasse. Und auch ansonsten schlägt sich van Marwijk tapfer gegen das Dauerfeuer aus der Journaille, die Anfeindungen der Aufsichtsratsmitglieder und das Damoklesschwert Felix Magath, das seit einiger Zeit schon über dem HSV schwebt.
Damoklix Magath
Schon werden die Stimmen wieder laut, die nach dem starken Mann rufen. Felix Magath will die absolute Macht, vorgeblich um den Verein zu retten. Weil ja der Fußball angeblich nicht mehr im Vordergrund steht. Übersetzt heißt das: um seine Strohmänner zu installieren, sich selber in den Vordergrund zu spielen und seine obskuren Machtgelüste auszuleben! Fragt doch einfach mal bei Bayern, Wolfsburg oder besonders auf Schalke nach, wie es zu Magaths Zeiten mit dem Demokratieverständnis ausgesehen hat! Was er zu basisdemokratischen Vereinsstrukturen, Mitbestimmung und Teilhabe zu sagen hatte! Wie er überall versucht hat, die bestehenden Strukturen zu zerschlagen, um die Macht allein ausüben zu können und das alles unter dem Deckmantel des vermeintlichen Goodwill für einen Verein, der ohne Frage strukturelle Probleme hat und sportlich in den letzten Jahren einen stetigen Abstieg erlebt hat.
Besonders eklig finde ich allerdings, wie sich Magath selbst zurzeit beim HSV anbiedert und mit genau den Sprüchen, die er immer bringt, in vermeintlich listiger und geschickter Manier versucht, die Strömungen für sich zu gewinnen. Da sind die enttäuschten Anhänger des HSV, die sich ihren großen Verein im europäischen Geschäft wünschen, am besten mit Großinvestoren wie Mallotze-Kühne und rauschenden Flutlichtnächten, repräsentiert durch die HSV-Plus-Leute. Die Vereinstraditionalisten, die sich damit nicht abfinden wollten, haben bei der Mitgliederversammlung den Kürzeren gezogen okay, auch das ist im Rahmen demokratischer Vereinsentscheidungen selbstverständlich zu akzeptieren. Nicht akzeptabel finde ich allerdings die Art und Weise, mit der Magath solche Entscheidungen schon seit Monaten zynisch kommentiert und nicht müde wird, immer wieder darauf hinzuweisen, wie einfach und gut doch alles wäre, wenn man Kühne und ihn einfach machen ließe.
Ich bin kein Freund absolutistischer Alleinherrscher, und als solcher sieht sich Magath schon seit Jahren. Seine Art, einen Verein zu führen, ist weder demokratisch noch nachhaltig, sondern führt unweigerlich zu einer Entfremdung der Fans und Mitglieder vom Verein.
Lösungen?
Und auch deshalb halte ich es für wichtig, dass der Aufsichtsrat klare Kante beweist. Oliver Kreuzer und Bert van Marwijk den Rücken stärkt. Sich natürlich kritisch mit der Vorstandsarbeit auseinandersetzt, aber andererseits eben auch den Charakter eines hanseatischen Spitzenvereins bewahrt, in dem man solche Themen mit der nötigen Ruhe und Souveränität angeht. Auch, wenn die See ein bisschen rauher zu sein scheint. Damit der HSV auch zukünftig in der ersten Liga spielt, und damit wir uns nicht mit seelenlosen Plastikvereinen herumschlagen müssen. Fände ich sympathisch.