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25.10.2009 um 04:19 Uhr
GS - FB

Ich bin Galatasaray-Fan.

Fanatischer, sogar. Dachte ich zumindest immer. Dachte ich schon seit meiner Kindheit. Dachte ich...bis zum 19. Mai 2007.

Ich war zu der Zeit bei Verwandten in Istanbul, und an diesem Tag stand das große Derby bevor, Galatasaray gegen Fenerbahce. Tickets waren nicht zu bekommen, also machte ich mich in Gelb-Roter Ausrüstung mit meinen Cousins ins Zentrum auf, um das Spiel irgendwo mitzuverfolgen und ein wenig die berüchtigte Atmosphäre dieses Derbys mitzubekommen.



Aus dem lockeren "Mitbekommen" wurde ein "Überrollt-werden-von".
Fangesänge und Geschrei überall, Polizisten, wohin man schaute, Lärm, Rauch, Feuerkörper, Ausschreitungen, Polizei gegen Galata-Fans, Polizei gegen Fener-Fans, jeder gegen jeden. Verletzte, vorbeirauschende Krankenwagen, abends wurde später im Fernsehen von Todesfällen berichtet. Ausnahmezustand, in der ganzen Stadt.

Es war überwältigend wie beängstigend. Als Deutschtürke fühlst du dich wie in einer anderen Welt, denn sowas kennst du nicht. Du bist Ordnung gewöhnt, geregelten Straßenverkehr, solche Sachen. Ein Auto komplett zu demolieren, weil darin ein Wimpel der verfeindeten Fussballmannschaft hängt, kommt dir da schon krass vor.



Als wir einmal inmitten einer feiernden Galatsaray-Meute gelandet waren, fuhr nach einiger Zeit ein Stadtbus vorbei. Ein Passagier drückte zuerst sein Fenertrikot und dann seinen nackten Hintern an die Scheibe. Im nächsten Moment hatten 150 Männer nur ein Ziel: diesen Passagier aus diesem Bus und dann zur Rechenschaft ziehen. Scheibe einschlagen, am Bus wackeln, den packen wir uns. Die Polizei war gleich da, Trängengas, Knüppelschläge, Blut.
Zum guten Derbyton gehört außerdem auch der Empfang der gegnerischen Fans bzw. deren Fähre an der jeweiligen Seite des Bosporus. Sobald eine dahertreibende Fähre mit gegnerisch gefärbten Passagieren gesichtet wird, steht ein schreiender, Steine schmeißender Mob an der Küste und versucht das Anlegen der Fähre zu verhindern. Bis die Polizei wieder eingreift. Tränengas, Knüppelsch...wie gehabt.

Chaos! Einfach nur Chaos.

Rivalitäten und brisante Stadtderbies gibt es weltweit mehrere. Doch die Leidenschaft dieses Derbies scheint unerreicht. Oder hat hierzulande jemand schon einmal mitbekommen, dass ein mit dem BVB symphatisierender Vater die Eheschließung seiner Tochter verhindert hat, weil der potientielle Schwiegersohn sich als Schalke-Fan herausstellt? Beim Istanbuler Derby ist das nur eine von vielen solchen Anekdoten. Aber wie ist diese tiefe Abneigung eigentlich entstanden?



Galatasaray und Fenerbahce wurden mit zwei Jahren Abstand, 1905 und 1907, gegründet. Während Galata von Schülern des elitären, gleichnamigen Gymnasiums auf der europäischen Seite Istanbuls (damals Konstaninopel) gegründet wurde, entstand Fenerbahce auf der asiatischen Seite und wurde von einfachen Bürgern gegründet.
Die Voraussetzungen für eine Feindschaft waren also von Anfang an gegeben, doch die Anfangszeit war noch recht harmonisch. Man trat ab und zu gegeneinander an, verstand sich und dachte sogar über eine Fusion nach. Bis zum 23. Februar 1934. Ein Foul, ein Streit, ein Schlag, danach Massenschlägerei auf dem Platz und auf den Rängen. Der Krieg nahm seinen Beginn.



Die Rivalität hat sich mit den Jahrzehnte derart verschärft, dass sich beide Seiten durch ihre Abneigung gegenüber dem Rivalen definieren. Ein Sieg im Derby ist das Hauptziel jeder Saison, das Duell überragt alle anderen Ereignisse. Hohe Siege oder bestimmte Ereignisse im Derby werden zu Meilensteinen der Vereinsgeschichte, an die immer wieder von Funktionären und Fans erinnert wird.

Ein solches Ereignis, das zudem die ganze Intensität und Bedeutung der Rivalität von Fenerbahce und Galatasaray aufzeigt, geschah nach dem türkischen Pokalfinale 1996.
Galatasaray hatte gerade das den Pokal in der Verlängerung im Stadion von Fenerbahce gewonnen. Graeme Souness, damaliger schottischer Trainer von Galata, schnappte sich eine übergroße Fahne eines Anhängers, drehte mit ihr einige Ehrenrunden im Stadion und rammte sie dann in den Mittelpunkt. Was er damit angerichtet hatte, war dem Schotten nicht bewusst. In den folgenden Momenten und Stunden verdankte Souness dem Polizeischutz und den Sicherheitszäunen sein Leben.



Heute ist es also wieder soweit, Derbyzeit in Istanbul. Seit 1999 hat Galatasaray im Stadion des Kontrahenten nicht mehr gewinnen können. Seit Tagen gibt es in türkischen Medien wie üblich kein anderes Thema mehr. In der Stadt, auf den Rängen und auf dem Platz wird das ganze Derbychaos im positiven wie im negativen Sinne ablaufen. Tore, Feste, Gesänge genauso wie Randale, Verletzte, Schlägereien.



So war es auch beim letzten Mal. In der Schlussphase des Spiels entstand eine Massenrauferei, bei der sich unter anderem Nationalmannschaftskollegen wie Galatasarays Arda und Fenerbahces Semih bekämpften.

Hakan Balta von Galatasaray war zwischendrin und versuchte zu schlichten.


Der ist eben auch Deutschtürke...

Aufrufe: 18525 | Kommentare: 37 | Bewertungen: 44 | Erstellt:25.10.2009
ø 9.2
KOMMENTARE
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Jasper32
25.10.2009 | 09:03 Uhr
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Jasper32 : 
25.10.2009 | 09:03 Uhr
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Jasper32 : 
sehr gut
bei dem letzten video hab ich mich die ganze zeit gewundert wo denn der schiri bleibt..

was war denn nun genau im februar 34???
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Eren87
25.10.2009 | 16:47 Uhr
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Eren87 : 
25.10.2009 | 16:47 Uhr
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Eren87 : 
echt unglaublich das der schiri bis zum ende der szene wartet und dann die karten verteilt statt irgendwie dafür zu sorgen das es zu keiner massenansammlung kommt und sich zwischen die spieler stellt wie die schiris hier in der deutschen bundesliga
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riesery
25.10.2009 | 17:08 Uhr
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riesery : 
25.10.2009 | 17:08 Uhr
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riesery : 
Hochinteressant.Erfahrungsberichten aus anderen Fußballkulturen lese ich wirklich gerne.
Ja da gehts schon ganz anders zu teilweise auch zu krass.Hätte die Möglichkeit im November zum Belgrader Derby zu gehen.Da soll es ähnliche Verhältnisse geben wie in Istanbul.Nach den Bildern weiß auch warum meine Tendenz bisher eher negativ ist obwohl es sicher ein denkwürdiges Erlebnis wär.
Allem in allem ein sehr guter Blog 10 P natürlich.
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Eren87
25.10.2009 | 17:12 Uhr
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Eren87 : 
25.10.2009 | 17:12 Uhr
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Eren87 : 
der hass bei dem istanbuler derby geht schon so weit dass mc donalds in der nähe vom besiktas stadion und fenerbahce stadion nicht im traditionellem rot gelb sind weil dies die farben von galatasaray sind..
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arshavin
25.10.2009 | 17:21 Uhr
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arshavin : 
25.10.2009 | 17:21 Uhr
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arshavin : 
Ein sehr schöner Blog, der die Rivalität der beiden Klubs beschreibt. Letzte Saison habe ich das mitverfolgt. Der Schiri hätte eingreifen müssen!

Dein Abschlusssatz ist genial.

Freue mich gleich auf das Spiel, auch wenn es für mich keine große Bedeutung hat. Aber es ist eins der besten Derbys der Welt, denke ich.

Meiner Meinung holt sich Gala den Sieg diesmal, haben dieses Jahr die bessere Qualität im Kader. Man wird sehen...
3
oliver
26.10.2009 | 09:43 Uhr
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oliver : ...
26.10.2009 | 09:43 Uhr
-2
oliver : ...
ganz stark! wär mir persönlich aber alles bisschen zu heftig ;)
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xxlhonk
26.10.2009 | 09:51 Uhr
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xxlhonk : 
26.10.2009 | 09:51 Uhr
-4
xxlhonk : 
Stark.
Aber ich schließe mich Jasper an.
Was war denn 34?
Hat man sich gegenseitig des Meuchelmordes bezichtigt oder was?

Das, was da abgeht, ist in der Tat für den Mitteleuropäer nicht ansatzweise nachvollziehbar.
Und darüber bin ich auch irgendwie froh.
Natürlich freue ich mich, wenn wir gewinnen.
Besonders gegen die Bayern (wie in den letzten Jahren immer) oder Brähmen.
Aber das meine Leidenschaft so weit ginge, dass ich jemandem körperliche Gewalt antue, nur weil er keine Ahnung vom Fußball hat, soweit war ich nie und werde ich auch nie kommen.
Und soweit sollte es auch nie kommen.
Denn jeder hat das Recht auf eine eigene Meinung (auch wenn es die falsche ist).
Das ist einer der Vorzüge einer Demokratie.
Und einer entsprechenden Erziehung.
Aber dennoch:
Voll krass, aldar.
diese südländische Atmosphäre.


Ich finde es übrigens löblich, dass die Fans den Spielern Wasser zu werfen, damit diese sich erfrischen können-..
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gartenzwerg
26.10.2009 | 09:59 Uhr
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26.10.2009 | 09:59 Uhr
-2
Spannender Blog....
Wahnsinn.....
@Honk
Von wegen keine Gewalt....
Es haben sich schon mehrere Brähmer das Leben genommen,
nachdem Du sie vollgequatscht hast ;)
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xxlhonk
26.10.2009 | 10:04 Uhr
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xxlhonk : 
26.10.2009 | 10:04 Uhr
-3
xxlhonk : 
@GZ
Sag ich doch.
Gewaltfrei
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Zarathustra
26.10.2009 | 11:17 Uhr
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26.10.2009 | 11:17 Uhr
-1
Toller Blog. Ich war beim Uefa-Cup-Finale in Istanbul. Und da habe ich schon was von den Rivalitäten zwischen Fener und Gala mitbekommen. Schön, etwas mehr über die Hintergründe zu erfahren.
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