09.09.2010 um 14:33 Uhr
Geldhahn auf?
Gestern ging ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) wie Donnerhall durch die deutsche Sportszene.
Denn der EuGH erklärte das bislang in Deutschland gültige Wettmonopol des Staates für mit den europäischen Grundfreiheiten für unvereinbar.
Was nichts anderes bedeutet, als dass die Tätigkeit privater Wettanbieter in Deutschland nicht weiter von Seiten des Staates eingeschränkt werden darf.
Im Umkehrschluss bedeutet das, dass der deutsche Markt nunmehr für eben diese privaten Wettanbieter wie z.B. bwin geöffnet werden muss.
Von Seiten der Profisportvereine war ausnahmslos Zustimmung zu vernehmen.
Endlich, so scheint es dürfen die Millionen, die viele ausländische Clubs schon lange in ihre Bilanzen aufnehmen dürfen auch in Deutschland fließen.
Endlich müssen die Namen privater Wettanbieter nicht mehr mit kreativen Einfällen wie we win übertüncht werden.
Endlich, endlich, endlich, so scheint es, ist ein massiver Wettbewerbsnachteil ausgemerzt.
Gegenüber der Presse bestätigte ein Sprecher von bwin gestern bereits, dass er noch am selben Tag mehrere Anfrage von deutschen Fußballvereinen bezüglich eines künftigen Sponsorings bekommen habe.
Endlich ist der Damm gebrochen.
Was ist das Wettmonopol eigentlich?
Das Wettmonopol in Deutschland basiert auf den sog. Glücksspielstaatsvertrag, den die Bundesrepublik mit den einzelnen Ländern geschlossen hat.
Inhalt ist das Verbot von privaten Sportwetten und privaten Lotterien.
Pferdewetten und Spielhallen dürfen jedoch von privaten Anbietern unterhalten werden.
Und eben gegen diesen Vertrag wurde nun geklagt.
Anscheinend mit Erfolg.
Änder sich der Status quo?
Doch, wie könnte es in der Juristerei anders sein, so einfach und schnell geht es leider nicht.
Denn bevor es wirklich zu einer Änderung der geltenden Regelung kommt müssen zunächst einmal die deutschen Gerichte erneut über das Wettmonopol entscheiden.
Denn die Entscheidung des EuGH sagt lediglich aus, dass die bisherige Regelung nicht weiter angewandt werden darf. Das Urteil bedeutet also nicht, dass jetzt jeder sofort sein eigenes, provates Wettbüro aufmachen darf, sondern vielmehr müssen erst die deutschen Gerichte unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils über solche Streitigkeiten entscheiden.
Klingt kompliziert, ist es auch. Und vor allem langwierig.
Es bleibt also bis zum ersten Urteil eines deutschen Gerichtes zunächst einmal beim Status quo.
Was bedeutet das Urteil jetzt genau?
Dazu lohnt zunächst einmal ein genauer Blick in das Urteil.
Dort hat der EuGH zwar ausdrücklich bestätigt, dass das Wettmonopol in Deutschland in seiner jetzigen Form nicht mit der europäischen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit vereinbar ist.
Im gleiche Zug hat der EuGH allerdings bestätigt, dass diese Freiheiten nach wie vor von den einzelnen Staaten in gewissem Maße eingeschränkt werden können.
Dafür bedarf es nur einer geeigneten Begründung.
Wie hat Deutschland sein Monopol begründet?
Deutschland war in dieser Beziehung ziemlich kreativ.
Deutschland hat seine Begründung nicht auf finanzielle Aspekte gestützt, sondern das Ziel besteht vielmehr in der Bekämpfung der Spielsucht sowie des Jugendschutzes.
Und um eben Spielsucht entgegenzuwirken wäre es am sinnvollsten, den "Stoff", also das Glücksspiel nur in kontrollierten Dosen an das Volk abzugeben, eben in Form einer oder mehrerer staatlich zugelassenen Glücksspielgesellschaft, die noch dazu gesetzlich fixiert das Monopol im Staate haben.
Trägt die Begründung?
Da der EuGH den Wettmonopol eine klare Absage erteilt hat könnte man jetzt auf die Idee kommen, dass der EuGH dieser Argumentation nicht gefolgt ist.
Dies ist aber ein Trugschluss.
Im Urteil legten die Richter klar fest, dass die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gerade im Bereich von Sportwetten durchaus mit dem Ziel limitiert werden kann, die Spielsucht zu bekämpfen.
Und sie legten auch fest, dass ein Weg zu diesem Ziel auch ein Wettmonopol des Staates sein kann. Denn mit einem staatlichen Monopol und der damit verbundenen klaren Regulierung ist ein solches Ziel logischerweise einfacher zu bekämpfen wie mit einer kompletten Öffnung des Marktes.
Warum ist die deutsche Begründung trotzdem ungeeignet?
Warum die Begründung der Bundesrepublik trotzdem nicht geeignet ist, das bisherige staatliche Wettmonopol zu tragen liegt ironischerweise am Staat und den Glücksspielgesellschften selbst.
Denn den europäischen Richtern stieß vor allem der Umstand auf, dass der deutsche Staat auf der einen Seite gegen Spielsucht vorgehen will, man auf der anderen Seite allerdings regelmäßig im Vorabendprogramm der öffentlich-rechtlichen Rundfunksender Werbespots bewundern kann, die einen einladen, die Millionenchance des staatlichen Glücksspiels zu nutzen.
Diese Doppelmoral ist mir der Zielsetzung kaum vereinbar.
Das Problem liegt folglich nicht in der Beschränkung per se, sondern vielmehr in ihrer Umsetzung durch den Staat!
Außerdem bemängelte der EuGH noch eine gewisse Inkosequenz bei der Umsetzung, weil es auf der einen Seite nicht verständlich ist, warum man Sportwetten staatlich monopolisiert, auf der anderen Seite die mit hohem Suchtpotenzial ausgestatteten Spielautomaten in privater Hand belassen will.
Wenn man Spielsucht bekämpfen will, dann bitteschön auch konsequent und überall.
Was bedeutet das für die Zukunft?
Viele Sportfunktionäre, darunter der Vorsitzende der DFL, Reinhard Rauball sowie der DFB-Präsident Dr. Theo Zwanziger sehen sich durch das Urteil in ihrer Auffassung bestätigt und feiern das Urteil als Erfolg.
Ihrer Ansich muss es nun zu einer, wenn auch kontrollierten, Öffnung des deutschen Sportwettenmarktes kommen.
Und damit verbunden sind erhebliche Mehreinnahmen für die Vereine, hauptsächlich der der ersten Fußballbundesliga.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit.
Denn obwohl der EuGH das Wettmonopol "gekippt" hat, hat er doch im Umkehrschluss klargestellt, dass die staatliche Monopolbildung zu Zwecken der Bekämpfung des Glücksspiels durchaus legitim ist. Sie müsste nur richtig durchgeführt werden.
Das bedeutet nichts anderes, als dass es der Bundesrepublik Deutschland frei steht, anstelle des nun für unvereinbar erklärten Wettmonopols ein neues Wettmonopol zu errichten, soweit sich diese in den vom EuGH abgesteckten Anforderungen hält.
Es bleiben also zwei Möglichkeiten für die Zukunft.
Entweder, es kommt zu einer Öffnung des Sportwettenmarktes auch für private Anbieter, oder, ja oder es gibt bald einen neuen Glücksspielstaatsvertrag, der die Anforderungen des EuGH einhält.
Ein entsprechendes Gutachten für einen neuen Vertrag hat das Land Rheinland-Pfalz gestern bereits angekündigt.
Das Urteil bringt die Vereine also mitnichten an die großen Geldtöpfe, lediglich der Abstand dazu hat sich marginal verringert.
Aufrufe: 7832 | Kommentare: 35 | Bewertungen: 32 | Erstellt:09.09.2010
ø 8.1
KOMMENTARE
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10.09.2010 | 10:41 Uhr
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CosmoKramer09 :
kann mir einer sagen aus welchem land die geldscheine auf dem bild kommen?
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10.09.2010 | 12:16 Uhr
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mac :
Schönes Ding. 10PcosmoKramer09:
könnten Canadische Dollar sein... vlt.
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10.09.2010 | 13:15 Uhr
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Rumo :
@tmv
ich hab über Deine "Spitze" geschmunzelt. War mir schon klar, dass Du den Unterscheid kennst.
Egal, hat ja eigentlich nix mit dem Thema zu tun. Ich find das klasse, dass man so ein Thema auch relativ kurz und dabei nachvollziehbar zusammenfassen kann; das könnte ich nicht.
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10.09.2010 | 13:26 Uhr
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Nash1980 : Spielhallen schließen!!
Erst einmal sehr informativ der Blog!Ich hoffe, dass jetzt die ganzen Spielhallen, welche seit einigen Jahren wie Pilze aus dem Boden geschossen kommen, in irgendeiner sinnvollen Art und Weise eingeschränkt werden. Dort besteht das größte Suchtpotenzial.
Diese Dinger sind 24 Stunden geöffnet und die Parkplätze voll belegt. Und wenn man da mal rein geht, sieht man nicht unbedingt Gewinner, sondern kranke verzweifelte Menschen die an mehreren Automaten gleichzeitig zocken und nicht merken, wie sich sich und oft ihre Familien und Häuser in den Schuldenruin verzocken.
Das ist unserem Staat bisher egal gewesen und wird es denke ich in Zukunft auch sein, denn diese Spielhallen unterliegen natürlich auch einer Steuerabgabe.
Aber wenn Leute Spielsüchtig werden, Geld brauchen und sich dieses in illegaler und verbrecherischer Art und Weise holen ist das nur die logische Konsequenz, dass die Kriminalitätsrate in Deutschland steigt.
Mal aus polizeilicher Sicht betrachtet....
10P
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10.09.2010 | 13:50 Uhr
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TT1975 : Super Blog
Wie schon jemand schrieb, auch mir ist das thema eigentlich zu trocken, aber hier sehr schön und verständlich zu lesen. Grundsätzlich schade, wenn solche Sachen nur so wenigen Leuten "zugänglich" sind. @Nash1980: Du meinst normale Spielhallen? Ähnlich schlimm finde ich die ganzen düsteren Wettbüros, wo ich noch nicht mal gerne vorbei laufe, geschweige hinein gehe
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10.09.2010 | 14:05 Uhr
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Nash1980 : @TT1975
Ja genau, meine die Spielhallen und diese dubiosen Wettbüros mit samt deren Gestalten natürlich auch
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10.09.2010 | 22:49 Uhr
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Blitz :
Die Werbung ist gar nicht allzu sehr das Problem.Blick nach Holland, oder Portugal genügt, deren Monopol wurde bei gleicher "Werbung" genehmigt.
Öffentlich wird ja nix mehr ausgestrahlt und das schon seit geraumer Zeit!
St. Pauli, "Ein Platz an der Sonne" und "we win", umgehen die Werbung - aktiv Werbung gemacht wird keine mehr.
Das Problem liegt vielmehr darin, dass der Staat das Automatenspiel freigegeben hat. Sind ja keine Geldspielautomaten, sondern Unterhaltungsspielgeräte.
Diese Ungereimtheit, einerseits ist Glücksspiel erlaubt, so definiert die EU das Unterhaltungsspielgerät, andererseits nicht im Bereich Wetten ->
Und das verstößt gegen die Niederlassungsfreiheit.
Das Aushängeschild vorm Lottostand interessiert keinen.
Bei Untersuchungen war es ein Einzelfall, Mitarbeiter schuld, and so on.
Also nicht einmal nachweisbar.
Jetzt wird entweder freigegeben, oder die Spielhöllen machen dicht und es bleibt beim Monopol.
Mal sehen wie welche Lobby arbeitet.
Der Blog an sich ist schön erläutert, allerdings mir zu sehr von irgendwelchen Presseberichten "abgelesen" - die eben fast nur den Werbefaktor betonen.
Interessant wäre es gewesen, wenn das Urteil/Fazit vom EuGH gänzlich einbezogen worden wäre und vergleichbare Urteile, pro Wettmonopol gekommen wären.
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11.09.2010 | 10:51 Uhr
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Dr_D :
Sehr guter Blog. Er stellt den schwierigen Schverhalt für Laien gut dar.Meine Einschätzung zur Situation: Es wird sich fast gar nichts ändern. Der Staat und die Lotteriegesellschaften werden einen anderen Deal machen, Deals sind im Moment sehr beliebt, der die von EU bemängelten Punkte aufgreift.
Noch eine generelle Anmerkung: Warum darf für Glücksspiele in Deutschland überhaupt geworben werden?
Was wäre mit einem Werbeverbot in elektronischen Medien?
Wohl gemerkt Werbeverbot, nicht Verbot von Glücksspielen.
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11.09.2010 | 10:55 Uhr
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Bailey :
@BlitzZunächst einmal vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar.
Es stimmt, dass auch in anderen Ländern Werbing für Glücksspiel gemacht wird.
Und es stimmt auch, dass auch andere Länder gewisse Bestimmungen bzgl. privater Wettanbieter haben.
Allerdings sind diese Bestimmungen nicht mit dem Glücksspielstaatsvertrag in Deutschland vergleichbar, weil sie eben Ausnahmeregelungen vorsehen.
Anders der deutsche Weg.
In unserem Glücksspielstaatsvertrag ist so etwas nicht vorgesehen.
Ferner bezieht der deutsche Vertrag auch das Wettverbot im Internet mit ein, auch ein Unterschied zum europäischen Ausland.
Dort dürfen Konzessionen erteilt werden, in Deutschland eben nicht!
(Vergleiche ein derartiges Urteil vom OVG Sachsen aus 2007)
Bezüglich der Werbing muss man unterscheiden zwischen wenig Werbing und gar keiner Werbung.
Nach EuGH steht es schon im Widerspruch zum verfolgten Ziel, überhaupt Werbung zu betreiben. Die "Masse" oder Intensität spielt da keine Rolle.
Wenn man die Einschränkung mit der Bekämpfung von Spielsucht begründet, dann darf überhaupt keine Werbung, egal ob TV, Radio oder Print gemacht werden. Das ist der Knackpunkt.
Freilich neben dem oben angesprochenen (und auch von dir angesprochenen) tolerieren von Glücksspielautomaten in den sog. Spielhöllen.
Ich habe mich bemüht, einen groben Abriss über die Aussagen und die Folgen dieses Urteil zu geben, dass ich da nicht alles erschöpfend behandeln kann liegt leider auf der Hand.
Mir war wichtig, dass der Grundtenor verständlich wird
Und die Info bzgl. eines neuen Vertrages kam bei mir, bevor sie über die Nachrichtenticker gegangen ist
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11.09.2010 | 10:56 Uhr
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Bailey :
@Dr_DNun, darauf wird es höchstwahrscheinlich hinauslaufen müssen, will man das Wettmonopol halten...
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