09.06.2008 um 11:24 Uhr
Gerichtsvollzieher, Totengräber
Nun hat die EM also begonnen und die Fußballfans konzentrieren sich auf das, was ihnen am meisten Spaß macht. Nämlich über die Fernsehkommentatoren und -moderatoren zu schimpfen. Bei dieser EM sind die Reporter von den Öffentlich-Rechtlichen an der Reihe. Aber keine Angst: Ich werde mich an der Kollegenschelte nicht beteiligen. Ihr könnt das viel besser.
Manchmal habe ich fast den Eindruck, dass mein Beruf in der öffentlichen Beliebtheitsskala irgendwo zwischen Gerichtsvollzieher und Totengräber liegt. Ich denke, dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen glauben viele, dass ihnen der Beruf Kommentator auch Spaß machen würde. Zum anderen, dass sie es besser könnten als die, die den Job tatsächlich ausüben. Nun, eine Qualifikation muss man als Reporter in jedem Fall mitbringen. Man muss nämlich Kritik einstecken können.
Wühlt man sich durch die einschlägigen Internetforen, so findet man zum Thema Kommentatorenleistungen ganz viele Meinungen. Vor allem ganz viele unterschiedliche Meinungen. Der eine hätte gerne quasi-brasilianische Daueremotion, der nächste wünscht sich die extrem sachlichen Reportagen von Rudi Michel zurück. Der eine findet die Stimme von X unangenehm, dem anderen ist Y zu intellektuell. Eine Meinung hat eigentlich jeder, auch wenn er einen Moderator (so nennt man nämlich die Menschen, die ihr Gesicht in die Kamera halten und durch eine Sendung führen, Beispiel Michael Steinbrecher) nicht von einem Kommentator (das ist einer, der die Zuschauer durch ein Spiel begleitet und das Geschehen kommentiert, Beispiel Béla Réthy) unterscheiden kann.
Erstaunlich ist allerdings immer wieder, wenn man liest oder hört, dass manch einer eine Meinung hat, obwohl er gar nicht richtig zugehört hat. Ein Kollege wurde neulich in einem Forum für eine Äußerung heftig angegangen, die er gar nicht gemacht hatte. Der Kritiker hatte sich nämlich verhört. Als ihn ein anderer Forumsteilnehmer auf seinen Irrtum hinwies, lieferte der Kritiker auch den Grund für seinen Verhörer nach. Er habe sich nämlich während des Spiels mit seinen Kumpels unterhalten. Ach ja. Ich meine, ist ja absolut okay. Aber wenn man schon nicht richtig zuhört, dann kann man sich aus der Diskussion auch einfach mal raushalten, oder?
Dass Zuschauer nicht richtig hinhören ist übrigens ein Problem, das öfter auftritt. Ich selbst habe damit auch schon meine Erfahrungen gemacht. Besonders schön war folgendes Beispiel: Nach einer Liveübertragung (von einem Footballspiel) erreichte uns ein Anruf mit einer Beschwerde eines Vereinsvertreters. Er habe gehört, ich und mein Kommentatorenkollege hätten uns während des Spiels abfällig über einen seiner Sponsoren (eine Biermarke) geäußert. Eigentlich unnötig, zu erwähnen, dass wir kein Wort über Bier verloren hatten. Ich kann sogar ruhigen Gewissens sagen, dass ich während des ganzen Spiels kein einziges Mal an Bier gedacht habe.
Eine Fernsehzeitung hat neulich von ihren Lesern die beliebstesten Fußballkommentatoren wählen lassen. Gewonnen hat Johannes B. Kerner. Genau der Kerner, der seit Jahren nicht mehr kommentiert, sondern nur noch moderiert. Siehe oben.
Also: Auch über Zuschauer muss man sich ab und an wundern. Manchmal haben sie natürlich auch absolut Recht. Deshalb versuche ich persönlich folgendes Motto zu beherzigen: Jede Meinung anhören, einige davon auch ernst nehmen.
Schade ist jedenfalls, dass die wenigsten Forumskritiker ihre Aussagen durch irgendwelche Kriterien stützen. Oft geht es in diesen Diskussionen nicht über folgendes Niveau hinaus: der eine ist gut, der zweite ist schlecht, der dritte geht gar nicht. Schön wäre es natürlich, zu erfahren, wie jemand zu seiner Meinung gekommen ist. Denn es gibt tatsächlich durchaus Kriterien, an denen man die Qualität eines Kommentators messen kann. Einige sind nahe liegend. Eine gute Stimme gehört natürlich zu den Voraussetzungen. Einigermaßen dialektfreies Deutsch ist auch unumgänglich. Dazu kommt hoffentlich eine Portion Fachwissen.
Das sind die Selbstverständlichkeiten. Doch es gibt weitere Kriterien, die mindestens genauso wichtig sind. Beim Fernsehen zum Beispiel der Redeanteil. Wird zu viel geschwätzt, ist der Zuschauer genervt. Dazu gehört, dass man im Fernsehen dem Zuschauer nicht das Spielgeschehen schildern muss, denn dass der Ball gerade am rechten Strafraumeck ist, sieht er ja selbst. Wer den Ball führt, das sollte man dem Betrachter durchaus mitgeben, denn die meisten Zuschauer erkennen nicht jeden Spieler am Bewegungsablauf. .
Wer übrigens ab und an Sportarten wie Eishockey oder Basketball im amerikanischen Originalkommentar anschaut, der wird feststellen, dass die Einstellung zu diesem Thema zum Beispiel in den USA eine ganz andere ist. Da erzählt der Kommentator nämlich tatsächlich das Spiel nach. Bei uns würde man solche Kommentatoren zum Radio schicken
Auch mit Anekdoten sollte man vorsichtig sein. Die lenken den Zuschauer nämlich vom Spielgeschehen ab. Wichtig ist, dass der Kommentator seine Geschichten nicht zu sehr in die Länge zieht. Und dass er sie an der richtigen Stelle erzählt.
Für viele Zuschauer ist es ein Zeichen von Qualität, wenn der Kommentator in den entscheidenden Phasen voll mit geht und entsprechend laut wird. Langweilig und eintönig soll es ja nicht sein. Aber die Faustregel. "Je lauter, desto besser" gibt es nicht. Eher im Gegenteil. Viel wichtiger ist, dass jeder Kommentator seine Persönlichkeit einfließen lässt. Und der eine ist eben etwas emotionaler als der andere.
Und dann braucht der Kommentator auch noch Glück. Nämlich dass er das richtige Spiel erwischt. Schließlich ist der Reporter für die Fans einer der wichtigsten Blitzableiter, wenn es für die eigene Mannschaft nicht so läuft. Darüber habe ich neulich in meinem Blog "Glückwunsch, Gladbach!" schon geschrieben. Umgekehrt profitiert der Reporter aber auch von einem guten Spiel. Zumindest in der Wahrnehmung der Fans. Ein Beispiel: Ein Zuschauer hat auf seiner Internetseite die seiner Meinung nach besten drei Kommentatorenleistungen der abgelaufenen Premier League-Saison gelistet. Nun, zwei dieser drei Spiele endeten 4:4. Da hat die Wahrnehmung des guten Spiels offenbar auch die Wahrnehmung der Kommentatorenleistung beeinflusst.
Irgendwo habe ich auch über mich gelesen, meinen besten Premier League-Kommentar der vergangenen Saison hätte ich beim Spiel Chelsea – Aston Villa abgeliefert. Endstand ebenfalls 4:4. Ich persönlich bin mir sicher, dass ich bessere Tage hatte.
Den Kollegen von ARD und ZDF wünsche ich jedenfalls für die nächsten Wochen viele deutsche Siege und torreiche Partien. Damit die Zuschauer auch mit ihnen zufrieden sind. Bei den torreichen Partien habe ich allerdings so meine Zweifel, ob das klappt.
Bis bald,
Andreas
Manchmal habe ich fast den Eindruck, dass mein Beruf in der öffentlichen Beliebtheitsskala irgendwo zwischen Gerichtsvollzieher und Totengräber liegt. Ich denke, dafür gibt es zwei Gründe. Zum einen glauben viele, dass ihnen der Beruf Kommentator auch Spaß machen würde. Zum anderen, dass sie es besser könnten als die, die den Job tatsächlich ausüben. Nun, eine Qualifikation muss man als Reporter in jedem Fall mitbringen. Man muss nämlich Kritik einstecken können.
Wühlt man sich durch die einschlägigen Internetforen, so findet man zum Thema Kommentatorenleistungen ganz viele Meinungen. Vor allem ganz viele unterschiedliche Meinungen. Der eine hätte gerne quasi-brasilianische Daueremotion, der nächste wünscht sich die extrem sachlichen Reportagen von Rudi Michel zurück. Der eine findet die Stimme von X unangenehm, dem anderen ist Y zu intellektuell. Eine Meinung hat eigentlich jeder, auch wenn er einen Moderator (so nennt man nämlich die Menschen, die ihr Gesicht in die Kamera halten und durch eine Sendung führen, Beispiel Michael Steinbrecher) nicht von einem Kommentator (das ist einer, der die Zuschauer durch ein Spiel begleitet und das Geschehen kommentiert, Beispiel Béla Réthy) unterscheiden kann.
Erstaunlich ist allerdings immer wieder, wenn man liest oder hört, dass manch einer eine Meinung hat, obwohl er gar nicht richtig zugehört hat. Ein Kollege wurde neulich in einem Forum für eine Äußerung heftig angegangen, die er gar nicht gemacht hatte. Der Kritiker hatte sich nämlich verhört. Als ihn ein anderer Forumsteilnehmer auf seinen Irrtum hinwies, lieferte der Kritiker auch den Grund für seinen Verhörer nach. Er habe sich nämlich während des Spiels mit seinen Kumpels unterhalten. Ach ja. Ich meine, ist ja absolut okay. Aber wenn man schon nicht richtig zuhört, dann kann man sich aus der Diskussion auch einfach mal raushalten, oder?
Dass Zuschauer nicht richtig hinhören ist übrigens ein Problem, das öfter auftritt. Ich selbst habe damit auch schon meine Erfahrungen gemacht. Besonders schön war folgendes Beispiel: Nach einer Liveübertragung (von einem Footballspiel) erreichte uns ein Anruf mit einer Beschwerde eines Vereinsvertreters. Er habe gehört, ich und mein Kommentatorenkollege hätten uns während des Spiels abfällig über einen seiner Sponsoren (eine Biermarke) geäußert. Eigentlich unnötig, zu erwähnen, dass wir kein Wort über Bier verloren hatten. Ich kann sogar ruhigen Gewissens sagen, dass ich während des ganzen Spiels kein einziges Mal an Bier gedacht habe.
Eine Fernsehzeitung hat neulich von ihren Lesern die beliebstesten Fußballkommentatoren wählen lassen. Gewonnen hat Johannes B. Kerner. Genau der Kerner, der seit Jahren nicht mehr kommentiert, sondern nur noch moderiert. Siehe oben.
Also: Auch über Zuschauer muss man sich ab und an wundern. Manchmal haben sie natürlich auch absolut Recht. Deshalb versuche ich persönlich folgendes Motto zu beherzigen: Jede Meinung anhören, einige davon auch ernst nehmen.
Schade ist jedenfalls, dass die wenigsten Forumskritiker ihre Aussagen durch irgendwelche Kriterien stützen. Oft geht es in diesen Diskussionen nicht über folgendes Niveau hinaus: der eine ist gut, der zweite ist schlecht, der dritte geht gar nicht. Schön wäre es natürlich, zu erfahren, wie jemand zu seiner Meinung gekommen ist. Denn es gibt tatsächlich durchaus Kriterien, an denen man die Qualität eines Kommentators messen kann. Einige sind nahe liegend. Eine gute Stimme gehört natürlich zu den Voraussetzungen. Einigermaßen dialektfreies Deutsch ist auch unumgänglich. Dazu kommt hoffentlich eine Portion Fachwissen.
Das sind die Selbstverständlichkeiten. Doch es gibt weitere Kriterien, die mindestens genauso wichtig sind. Beim Fernsehen zum Beispiel der Redeanteil. Wird zu viel geschwätzt, ist der Zuschauer genervt. Dazu gehört, dass man im Fernsehen dem Zuschauer nicht das Spielgeschehen schildern muss, denn dass der Ball gerade am rechten Strafraumeck ist, sieht er ja selbst. Wer den Ball führt, das sollte man dem Betrachter durchaus mitgeben, denn die meisten Zuschauer erkennen nicht jeden Spieler am Bewegungsablauf. .
Wer übrigens ab und an Sportarten wie Eishockey oder Basketball im amerikanischen Originalkommentar anschaut, der wird feststellen, dass die Einstellung zu diesem Thema zum Beispiel in den USA eine ganz andere ist. Da erzählt der Kommentator nämlich tatsächlich das Spiel nach. Bei uns würde man solche Kommentatoren zum Radio schicken
Auch mit Anekdoten sollte man vorsichtig sein. Die lenken den Zuschauer nämlich vom Spielgeschehen ab. Wichtig ist, dass der Kommentator seine Geschichten nicht zu sehr in die Länge zieht. Und dass er sie an der richtigen Stelle erzählt.
Für viele Zuschauer ist es ein Zeichen von Qualität, wenn der Kommentator in den entscheidenden Phasen voll mit geht und entsprechend laut wird. Langweilig und eintönig soll es ja nicht sein. Aber die Faustregel. "Je lauter, desto besser" gibt es nicht. Eher im Gegenteil. Viel wichtiger ist, dass jeder Kommentator seine Persönlichkeit einfließen lässt. Und der eine ist eben etwas emotionaler als der andere.
Und dann braucht der Kommentator auch noch Glück. Nämlich dass er das richtige Spiel erwischt. Schließlich ist der Reporter für die Fans einer der wichtigsten Blitzableiter, wenn es für die eigene Mannschaft nicht so läuft. Darüber habe ich neulich in meinem Blog "Glückwunsch, Gladbach!" schon geschrieben. Umgekehrt profitiert der Reporter aber auch von einem guten Spiel. Zumindest in der Wahrnehmung der Fans. Ein Beispiel: Ein Zuschauer hat auf seiner Internetseite die seiner Meinung nach besten drei Kommentatorenleistungen der abgelaufenen Premier League-Saison gelistet. Nun, zwei dieser drei Spiele endeten 4:4. Da hat die Wahrnehmung des guten Spiels offenbar auch die Wahrnehmung der Kommentatorenleistung beeinflusst.
Irgendwo habe ich auch über mich gelesen, meinen besten Premier League-Kommentar der vergangenen Saison hätte ich beim Spiel Chelsea – Aston Villa abgeliefert. Endstand ebenfalls 4:4. Ich persönlich bin mir sicher, dass ich bessere Tage hatte.
Den Kollegen von ARD und ZDF wünsche ich jedenfalls für die nächsten Wochen viele deutsche Siege und torreiche Partien. Damit die Zuschauer auch mit ihnen zufrieden sind. Bei den torreichen Partien habe ich allerdings so meine Zweifel, ob das klappt.
Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 11196 | Kommentare: 70 | Bewertungen: 12 | Erstellt:09.06.2008
ø 7.9
KOMMENTARE
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11.06.2008 | 18:54 Uhr
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Ste :
Vielleicht wird Pepe ja auch so ausgesprochen, weißt du das genau? Außerdem denke ich nicht, dass Andreas Renner jetzt damit bewirken wollte, das jeder seiner Kollegen genau auf Fehler untersucht wird. Auch Kommentatoren sind nur Menschen und machen Fehler, dadurch wirkt Thomas Wark sogar ein kleines bisschen sympahtischer.
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11.06.2008 | 18:58 Uhr
0
Ste : @ Andreas Renner
Es wäre einmal interessant, mehr über deinen Job zu erfahren, also wie bereitet man sich auf ein Spiel vor, was macht man unter der Woche, wie läuft es direkt vor Ort im Stadion ab etc.
Wenn man hier bei SPOX schon einmal die Chance hat, mit einem Kommentator zu kommunizieren, möchte ich gerne es ausnutzen und eine Eindrücke aus deinem Job geschildert haben, das würde vielleicht auch den großen Kritikern zu einem anderen Blickwinkel verhelfen.
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11.06.2008 | 20:14 Uhr
0
AndreasRenner : @Ste
Wie ein Spiel vor Ort für den Kommentator abläuft habe ich schon in einem Blog beschrieben. Das Ding heißt "A Day In The Life"
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11.06.2008 | 20:25 Uhr
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20Legend : Ich
habe das Spiel nicht gesehen,aber ein Bekannter von mir , der aus Portugal kommt,sagt auch, dass Pepp die richtige Aussprache ist. Weshalb auch nicht?
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11.06.2008 | 21:40 Uhr
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Posy :
Deutsch glänzt ja auch nicht gerade mit einem schönen Klang. ^^ :D
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11.06.2008 | 22:35 Uhr
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BOD :
Poschi ist schon wirklich ein Fall für sich:" Meine Damen und Herren, da sehen Sie was das Problem der Türken ist, sie spielen einfach zu langsam. TOOOOOOOOOOOOOR für die Türkei..." -,-
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11.06.2008 | 22:49 Uhr
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giovane :
mist, wollte ich auch gerade erzählen (die situation ist doof gelaufen für poschi). hab aber noch zwei:
"inler, der unermüdliche und behrami, der dauerläufer treiben das spiel an"
"jetzt haben die schweizer schon ihr sechstes spiel in folge nicht gewonnen, ganz im gegenteil - verloren"
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11.06.2008 | 23:31 Uhr
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BOD :
Klar war die Situation für ihn irgendwie unglücklich. Er hat jedoch ohne sich zu korrigieren eiskalt weiter kommentiert.^^
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