03.05.2011 um 14:02 Uhr
Gespensterdebatte
Die Kabarett-Aufführung des Troisdorfer Altenforst-Gymnasiums im Jahr 1997 war ein schillerndes Ereignis – eine gelungene Laienspielinszenierung, an deren Ende gleichwohl ein handfester Eklat stand.
Der Literatur-Kurs, der für die Programmgestaltung jenes Juli-Abends zuständig war, hatte sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Unter dem Arbeitstitel „Reisen in die Zukunft" sollte in Form kurzer Sketche eine futuristische Vision auf die anstehenden Entwicklungen der Menschheitsgeschichte gewagt werden.
Eine umfangreiche Bibel-Szene, die die berühmtesten Kapitel der christlichen Glaubensgeschichte satirisch verhöhnte, sollte den abschließenden Kontrapunkt zur augenzwinkernden Zukunftsschau bilden – und war schließlich Auslöser des Skandals. Denn während ein Großteil des Publikums die Darbietungen des Schülerensembles mit stehenden Ovationen bedachte, verließen einige empörte Zuschauer die Veranstaltung vorzeitig.
Die Entrüstung richtete sich gegen die, so hieß es, „unerträgliche" Verspottung des (christlichen) Glaubens, die insbesondere von einigen älteren Lehrern als persönliche Beleidigung empfunden wurde. Die Kritik perlte indes an den Agitatoren ab; im Gegenteil, werteten sie die gelungene Provokation doch als Anerkennung ihrer Arbeit.
Ich weiß dies so genau, da ich damals selbst Teil dieser Kabarett-Truppe war, der so gar nichts heilig zu sein schien – nicht einmal der Glaube an sich. Und ja, ich genoss diesen Tabubruch, war er doch so etwas wie ein Akt der Rebellion gegen mein ansonsten eher angepasstes Dasein. Viel nachhaltiger als der spontane Triumph des Provokateurs waren jedoch meine Zweifel. War es das wirklich wert, andere Menschen zu verletzten, nur um den inneren Rebellendrang auszuleben? Gab es nicht doch eine Tabugrenze für Satire? Darf man sich so etwas Persönliches wie ein spirituelles Bekenntnis lustig machen?
Ich würde lügen, sollte ich behaupten, auf diese Fragen inzwischen eine eindeutige Antwort gefunden zu haben. Nach wie vor bin ich mir selbst nicht schlüssig: Einerseits weiß ich, dass Tabus immer eine heikle Sache sind. Dass die Grenze der Satire (so man ihr denn überhaupt eine setzen will) großzügig bemessen sein muss, auch weil sie für die Gesellschaft eine reinigende Wirkung hat. Andererseits aber sehe ich eben auch, dass religiöse Provokationen die Quelle für allerlei Übel auf dieser Welt sind. Dazu muss man nicht einmal in den Nahen Osten schauen. Das gilt letztlich auch in einem vergleichsweise liberalen Land wie Deutschland.
Deshalb habe ich mir, der ich mich selbst nur für einen leidlich spirituellen Menschen halte, konsequente Toleranz auferlegt. Ich toleriere und respektiere Glaubensüberzeugungen, jedenfalls solange und soweit sich diese wiederum in den Grenzen der Toleranz halten. Im Großen und Ganzen beherzige ich daher das liberale Mantra meiner weltoffenen Geburtsstadt: Jeder Jeck is anders! Leeve und leeve losse!
Ironischerweise findet aber nun ausgerechnet in Köln eine Diskussion darüber statt, ob und inwieweit ein konsequent gelebter christlicher Glaube akzeptabel und für die Ausübung des Trainerberufs unschädlich ist. Wer seinen Glauben aktiv und in einem Ausmaß betreibt, das über gelegentliche Gottesdienstbesuche hinausgeht, sei, so kann man zwischen den Zeilen einiger Kommentare lesen, für das harte und unbarmherzige Bundesligageschäft womöglich nicht geeignet.
Mir selbst ist eine solche Debatte ganz und gar zuwider, kann ich kann mit derlei Argumentationen doch herzlich wenig anfangen. Dabei mag es durchaus ein Stück weit Feigheit sein, die mich vor dieser Diskussion zurückschrecken lässt. Schließlich weiß ich spätestens seit der beschriebenen Kabarett-Vorstellung von 1997 um die Sensibilität, die das Thema „Glaube" auch in unseren Breiten mitzubringen vermag.
Wenn meine Forderung nach Toleranz aber mehr als nur ein halbgares Lippenbekenntnis sein soll, dann kann ich doch von ihr nicht gerade in dem mir heiligen (!) Fußballuniversum eine Ausnahme machen wollen – jedenfalls nicht, ohne vollständig meine Glaubwürdigkeit zu verlieren. Denn wenn jeder im Prinzip glauben und tun kann, was er will und was ihm wichtig ist, dann muss das selbstverständlich auch für den Fußball gelten.
Ganz bewusst sage ich „im Prinzip". Denn trotz aller Toleranz und Weltoffenheit bin ich dann doch nicht so naiv zu meinen, der christliche Glaube könne im Profigeschäft nie zu einem Problem werden. Doch wo genau hört die Toleranz eines privaten Glauben auf und wo fängt Unprofessionalität an?
Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Und ich möchte behaupten, die meisten derjenigen, die sich dieser Tage mit beschwörerischen Warnformeln zu Wort melden, wissen es ebenso wenig.
Doch genau hier liegt letztlich das Dilemma: Die Frage nach der Vereinbarkeit von Glaube und Profifußball ist derzeit eine Diskussion im luftleeren Raum. Eine Gespensterdebatte voller Vorurteile, Mutmaßungen und wilder Spekulation – ein genauso belangloses wie überflüssiges Gequatsche, das keinen weiter bringt.
Hierin liegt denn auch eine ernüchternde Parallele zum Fragenkomplex „Homosexualität und Fußball". So überfällig und wichtig wie eine Debatte zu diesem Thema wäre, so nichtssagend ist sie doch derzeit, da wir lediglich vage Prognose darüber abgeben können, wie die Fans und Medien mit einem als homosexuell bekannten Fußballer umgehen würden. Wir können noch so lange spekulieren, interpretieren und argwöhnen – ohne Fakten bleibt die Diskussion ein verzichtbares Nullum.
Gläubige Fußballer sind im Übrigen kein Widerspruch. Gerade brasilianische Spieler bekennen sich mitunter offen und freimütig zu ihrem (christlichen) Glauben. Jorginho beispielsweise gründete seiner Zeit einen Bibelkreis und folgte damit dem Beispiels des Neuseeländers Wynton Rufers.
Im Trainerjob mögen die Kriterien andere sein. Vielleicht aber auch nicht. Ich jedenfalls gehe davon aus, dass auch ein aktiv gläubiger Trainer seine Aufgaben pflichtgemäß erfüllen kann. Solange mir nicht das Gegenteil bewiesen wird, glaube ich daran und erwarte für diesen Glauben Toleranz.
Der Literatur-Kurs, der für die Programmgestaltung jenes Juli-Abends zuständig war, hatte sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Unter dem Arbeitstitel „Reisen in die Zukunft" sollte in Form kurzer Sketche eine futuristische Vision auf die anstehenden Entwicklungen der Menschheitsgeschichte gewagt werden.
Eine umfangreiche Bibel-Szene, die die berühmtesten Kapitel der christlichen Glaubensgeschichte satirisch verhöhnte, sollte den abschließenden Kontrapunkt zur augenzwinkernden Zukunftsschau bilden – und war schließlich Auslöser des Skandals. Denn während ein Großteil des Publikums die Darbietungen des Schülerensembles mit stehenden Ovationen bedachte, verließen einige empörte Zuschauer die Veranstaltung vorzeitig.
Die Entrüstung richtete sich gegen die, so hieß es, „unerträgliche" Verspottung des (christlichen) Glaubens, die insbesondere von einigen älteren Lehrern als persönliche Beleidigung empfunden wurde. Die Kritik perlte indes an den Agitatoren ab; im Gegenteil, werteten sie die gelungene Provokation doch als Anerkennung ihrer Arbeit.
Ich weiß dies so genau, da ich damals selbst Teil dieser Kabarett-Truppe war, der so gar nichts heilig zu sein schien – nicht einmal der Glaube an sich. Und ja, ich genoss diesen Tabubruch, war er doch so etwas wie ein Akt der Rebellion gegen mein ansonsten eher angepasstes Dasein. Viel nachhaltiger als der spontane Triumph des Provokateurs waren jedoch meine Zweifel. War es das wirklich wert, andere Menschen zu verletzten, nur um den inneren Rebellendrang auszuleben? Gab es nicht doch eine Tabugrenze für Satire? Darf man sich so etwas Persönliches wie ein spirituelles Bekenntnis lustig machen?
Ich würde lügen, sollte ich behaupten, auf diese Fragen inzwischen eine eindeutige Antwort gefunden zu haben. Nach wie vor bin ich mir selbst nicht schlüssig: Einerseits weiß ich, dass Tabus immer eine heikle Sache sind. Dass die Grenze der Satire (so man ihr denn überhaupt eine setzen will) großzügig bemessen sein muss, auch weil sie für die Gesellschaft eine reinigende Wirkung hat. Andererseits aber sehe ich eben auch, dass religiöse Provokationen die Quelle für allerlei Übel auf dieser Welt sind. Dazu muss man nicht einmal in den Nahen Osten schauen. Das gilt letztlich auch in einem vergleichsweise liberalen Land wie Deutschland.
Deshalb habe ich mir, der ich mich selbst nur für einen leidlich spirituellen Menschen halte, konsequente Toleranz auferlegt. Ich toleriere und respektiere Glaubensüberzeugungen, jedenfalls solange und soweit sich diese wiederum in den Grenzen der Toleranz halten. Im Großen und Ganzen beherzige ich daher das liberale Mantra meiner weltoffenen Geburtsstadt: Jeder Jeck is anders! Leeve und leeve losse!
Ironischerweise findet aber nun ausgerechnet in Köln eine Diskussion darüber statt, ob und inwieweit ein konsequent gelebter christlicher Glaube akzeptabel und für die Ausübung des Trainerberufs unschädlich ist. Wer seinen Glauben aktiv und in einem Ausmaß betreibt, das über gelegentliche Gottesdienstbesuche hinausgeht, sei, so kann man zwischen den Zeilen einiger Kommentare lesen, für das harte und unbarmherzige Bundesligageschäft womöglich nicht geeignet.
Mir selbst ist eine solche Debatte ganz und gar zuwider, kann ich kann mit derlei Argumentationen doch herzlich wenig anfangen. Dabei mag es durchaus ein Stück weit Feigheit sein, die mich vor dieser Diskussion zurückschrecken lässt. Schließlich weiß ich spätestens seit der beschriebenen Kabarett-Vorstellung von 1997 um die Sensibilität, die das Thema „Glaube" auch in unseren Breiten mitzubringen vermag.
Wenn meine Forderung nach Toleranz aber mehr als nur ein halbgares Lippenbekenntnis sein soll, dann kann ich doch von ihr nicht gerade in dem mir heiligen (!) Fußballuniversum eine Ausnahme machen wollen – jedenfalls nicht, ohne vollständig meine Glaubwürdigkeit zu verlieren. Denn wenn jeder im Prinzip glauben und tun kann, was er will und was ihm wichtig ist, dann muss das selbstverständlich auch für den Fußball gelten.
Ganz bewusst sage ich „im Prinzip". Denn trotz aller Toleranz und Weltoffenheit bin ich dann doch nicht so naiv zu meinen, der christliche Glaube könne im Profigeschäft nie zu einem Problem werden. Doch wo genau hört die Toleranz eines privaten Glauben auf und wo fängt Unprofessionalität an?
Ganz ehrlich: Ich weiß es nicht. Und ich möchte behaupten, die meisten derjenigen, die sich dieser Tage mit beschwörerischen Warnformeln zu Wort melden, wissen es ebenso wenig.
Doch genau hier liegt letztlich das Dilemma: Die Frage nach der Vereinbarkeit von Glaube und Profifußball ist derzeit eine Diskussion im luftleeren Raum. Eine Gespensterdebatte voller Vorurteile, Mutmaßungen und wilder Spekulation – ein genauso belangloses wie überflüssiges Gequatsche, das keinen weiter bringt.
Hierin liegt denn auch eine ernüchternde Parallele zum Fragenkomplex „Homosexualität und Fußball". So überfällig und wichtig wie eine Debatte zu diesem Thema wäre, so nichtssagend ist sie doch derzeit, da wir lediglich vage Prognose darüber abgeben können, wie die Fans und Medien mit einem als homosexuell bekannten Fußballer umgehen würden. Wir können noch so lange spekulieren, interpretieren und argwöhnen – ohne Fakten bleibt die Diskussion ein verzichtbares Nullum.
Gläubige Fußballer sind im Übrigen kein Widerspruch. Gerade brasilianische Spieler bekennen sich mitunter offen und freimütig zu ihrem (christlichen) Glauben. Jorginho beispielsweise gründete seiner Zeit einen Bibelkreis und folgte damit dem Beispiels des Neuseeländers Wynton Rufers.
Im Trainerjob mögen die Kriterien andere sein. Vielleicht aber auch nicht. Ich jedenfalls gehe davon aus, dass auch ein aktiv gläubiger Trainer seine Aufgaben pflichtgemäß erfüllen kann. Solange mir nicht das Gegenteil bewiesen wird, glaube ich daran und erwarte für diesen Glauben Toleranz.
Aufrufe: 4162 | Kommentare: 9 | Bewertungen: 9 | Erstellt:03.05.2011
ø 9.0
KOMMENTARE
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04.05.2011 | 10:36 Uhr
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Wenn Schäfter ähnlich wie Slomka (der auch tiief christlich Religiös ist) erfolgreich gewesen wäre, wäre das Thema nie zum Gespräch geworden.
Andere Profis bekommen das auch unter einen Hut. Denkt mal an die ganzen spanischen Spieler. Die bekreuzigen sich alle 3 Minuten, gehen zusammen zum Gottesdienst und tragen von Kreuzen bis Rosenkränzen jede Menge Blech in Gesicht und Hals.
Oder Cacau , oder Ze Roberto & Lucio , oder Kaka ...
Man kann nicht alles andere für mangelnden sportlichen Erfolg verantwortlich machen ...
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04.05.2011 | 11:22 Uhr
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Vinc :
Es geht doch in dieser Diskussion eigentlich auch nicht um den christlichen Glauben an sich, sondern um das Wertesystem, das dieser mit sich bringt. Das tun alle anderen großen Religionen aber auch, und man muss nicht mal besonders religiös sein, um ein so weit vorhandenes moralisches Empfinden zu haben um eben mit diesem Geschäft in manchen Teilen nichts anfangen zu können.
Dies Thematik um Schäfer, die eine "Zeitung", die ich nicht nennen will eröffnet und vorangetrieben hat, war doch wohl mehr als lächerlich, hatte keinerlei vernünftiges Fundament und schon gar keine nachvollziehbare Aussage. Hauptsache ein bisschen Entertainment für die Dummen...
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04.05.2011 | 18:59 Uhr
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ich würde mich selber als eher atheistisch bezeichnen (glaube halt nur an Tor, den Fussballgott ;) ), aber akzeptiere den glauben von anderen und verstehe die engstirnigkeit anderer einfach nicht.
PS: Troisdorf-Altenforst?? Die welt ist klein, komme aus Lohmar... :)
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04.05.2011 | 21:49 Uhr
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Obwohl ich es wie manch Vorredner sehe, dass es ein gern genutzter medialer Aufhänger war, für eine Kampagne deren Sinn sich mir immer noch nicht erschließt.
Denn Religion ist im Fußball schon lange vorhanden, geduldet und toleriert.
Sei es das Bekreuzigen beim einlaufen, das islamische Gebet vor dem Spiel oder die T-Shirts mit den I-love-Jesus-Aufdrucken, die gerne von Brasilianer getragen werden/wurden.
P.S. Was sagten meine Lieblingslehrer Frau Tost und Herr Ehlers zu dieser Aufführung, Voegi?
P.P.S. Lohmar ist sehr schön, insbesondere Orsteil Heide.
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05.05.2011 | 11:30 Uhr
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Achilleus : Respekt gegenüber Überzeugungen
Ich denke auch, dass in Köln der Glaube keine ausschlaggebende Rolle gespielt hat.Trotzdem gut, dass - und vorallem wie - Voegi die Thematik mal anspricht, da das im Allgemeinen mal getan werden sollte.
Ich würde mal eine andere Herangehensweise vorschlagen:
Warum fragen wir eigentlich, ob man als Gläubiger im Fussballbusiness bestehen kann (bzw. ob man als Christ im Fussballgeschäft falsch ist) und nicht andersherum: Sollte das Fussballgeschäft sich nicht in solchen "moralischen Grenzen" bewegen, dass man auch als Christ/Gläubiger problemlos darin tätig sein kann.
Die ganze Thematik (Vereinbarkeit Glaube mit weltlichem Leben) geht aber weit über dass Fussballgeschäft hinaus, bis in die gesamte Gesellschaft, siehe z.B. Karikaturenstreit.
Ich verstehe zwar, dass man sich in einer immer "gottloseren" Welt möglichst freizügig ausleben möchte, fordere aber trotzdem mehr Respekt gegenüber Religionen und Menschen, die ihren Glauben ausleben möchten.
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Wieso sollte der Glaube einen Menschen in seiner Arbeit in irgend einer Form hindern?
Ich verstehe das nicht.