28.04.2009 um 23:08 Uhr
Große Lösungen
Das Unvermeidliche ist passiert: Der FC Bayern hat Jürgen Klinsmann gefeuert. Überrascht hat mich dabei nur eines: Ich habe zwei Tageszeitungen abonniert, eine regional, die andere überregional. Und beide vermeldeten die Klinsmann-Entlassung fett auf dem Titelblatt, beide mit Foto. Haben wir eigentlich keine wichtigeren Probleme? War sonst nichts los auf der Welt? Oder waren die Leser der Finanzkrise überdrüssig und die Schweinegrippe nicht seitenfüllend genug? Egal, nun wird über die Nachfolger spekuliert. Große Lösungen suche man in München, heißt es. Hiddink, Gerets (Moment mal, DER Gerets, der in Kaiserslautern und Wolfsburg gefeuert wurde, gilt als große Lösung in München?) und…Arsène Wenger. Sekunde, ich muss mal kurz in den Keller…zum Lachen.
Okay, Wenger zu Bayern ist nicht ganz so abwegig wie im Vorjahr Volker Finke zu Bayern. Immerhin arbeitet Wenger in der Metropole London und hat keine akute Boulevardpresse-Allergie wie Finke. Und die Bayern buhlen ja schon seit Jahren, ach was, seit Jahrzehnten um den Elsässer. Schließlich sind Trainer von Welt, die auf Topniveau arbeiten und dazu noch perfekt deutsch sprechen, rar auf diesem Planeten. Die Bayern wollten ihn schon, als er noch in Monaco arbeitete, vor Japan und vor Arsenal. Vielleicht ist Wenger der ewigen Telefonanrufe von Uli Hoeneß mittlerweile so überdrüssig, dass er irgendwann mal "Ja" sagt. Aus Verzweiflung. Oder aus Mitleid.
Und: Während sein Kollege Sir Alex Ferguson in seiner Freizeit gerne zum Pferderennen geht oder daheim gemütlich einen Rotwein genießt und seiner Jazzsammlung lauscht, so sagt man über Wenger, dass der an freien Abenden Bundesligaspiele von 1996 anschaue. Verrückt genug scheint er also zu sein.
Und er weiß auch, dass die momentane Dominanz der Premier League nicht von ewiger Dauer sein wird. Die jüngste Anhebung des Steuersatzes für Topverdiener in England und die Talfahrt des englischen Pfunds werden die wirtschaftliche Dominanz der Premier League sicher schwächen. Nicht zuletzt deshalb baut Wenger seit Jahren eine Mannschaft auf, die mehr auf Jugend als auf teure Neuzugänge setzt.
Aber genau da beginnen auch die Gründe, warum der Franzose London nicht verlassen wird, egal für welches Angebot. Schließlich ist sein Jugendprojekt bei Arsenal im dritten Jahr und noch nicht abgeschlossen. Bevor er mit diesem jungen Team keinen Titel geholt hat (oder endgültig scheitert) wird er seine Jungs kaum verlassen.
Und auch wenn Wenger weiß, dass die Dominanz der englischen Liga endlich sein wird, bis es soweit ist, wird noch einige Zeit vergehen. Sollte Wenger es als Makel auf seiner Karriere empfinden, dass ihm noch ein großer internationaler Titel fehlt, dann weiß er auch, dass die Chance, einen solchen zu gewinnen, in London sehr viel größer ist als in München.
Aber der alles entscheidende Punkt ist doch folgender: Wenger und seine langfristig angelegte Planung sind das krasse Gegenmodell zum gnadenlosen Ergebnisdenken in München. Wenger baut Mannschaften perspektivisch auf. In München denken sie, ein Übergangsjahr sei es, wenn man "nur" das Double holt. Wenger hat in London einen der sichersten Trainerjobs der Welt. Warum sollte er auch nur darüber nachdenken, sich auf den Münchner Schleudersitz zu setzen? Und die Bayern haben gerade mal wieder bewiesen, dass sie Geduld nicht einmal buchstabieren können. Wenger hat in London seit drei Jahren keinen Titel geholt. In München haben sie Klinsmann dafür gefeuert, dass er in seinem ersten Jahr vielleicht keinen Titel geholt hätte.
Außerdem ist Wenger in London nicht nur Trainer, sondern "Manager". Und in England bedeutet das eine Mischung aus Cheftrainer und Sportdirektor. Mit anderen Worten: Der darf sich seine Spieler selbst aussuchen. Und das sieht in München ganz anders aus, wie nicht nur Jürgen Klinsmann erfahren musste. Wenger hat die totale sportliche Autorität. Und würde sicher nirgends hingehen, wo er die nicht auch bekäme.
In London IST Wenger der FC Arsenal. Niemand, und ich meine niemand aus dem Vorstand der Gunners hat in den letzten Jahren irgendeinen Kommentar zur sportlichen Situation des Klubs in der Presse abgegeben. In München arbeiten drei Vorstandsmitglieder regelmäßig bei Medienorganen und beurteilen dort ihre eigene Arbeit und die ihres Trainers. Und der eine, der seine Meinung nicht für Geld kundtut, Uli Hoeneß nämlich, hält sich offenbar für die Verkörperung des gesunden Menschenverstandes im Fußball und gibt seine Weisheiten kostenlos von sich. In so einem Umfeld hat ein Trainer kaum eine Chance. Und Wenger ist viel zu klug, um sich auf eine solche Konstellation einzulassen.
Kurzum: Ich prophezeie, dass die "große Lösung" in München mit Nachnamen nicht Wenger heißen wird. Und frage: Warum muss es denn unbedingt eine große Lösung sein? Besser wäre doch eine gute Lösung. Mit großen Namen ist man schließlich in München oft genug auf die Nase gefallen. Eine gute Lösung hatten die Münchener vor der Saison ja schon an der Angel. Doch dann entschieden sie sich gegen Jürgen Klopp und für Klinsmann. Tja.
Bis bald,
Andreas
Okay, Wenger zu Bayern ist nicht ganz so abwegig wie im Vorjahr Volker Finke zu Bayern. Immerhin arbeitet Wenger in der Metropole London und hat keine akute Boulevardpresse-Allergie wie Finke. Und die Bayern buhlen ja schon seit Jahren, ach was, seit Jahrzehnten um den Elsässer. Schließlich sind Trainer von Welt, die auf Topniveau arbeiten und dazu noch perfekt deutsch sprechen, rar auf diesem Planeten. Die Bayern wollten ihn schon, als er noch in Monaco arbeitete, vor Japan und vor Arsenal. Vielleicht ist Wenger der ewigen Telefonanrufe von Uli Hoeneß mittlerweile so überdrüssig, dass er irgendwann mal "Ja" sagt. Aus Verzweiflung. Oder aus Mitleid.
Und: Während sein Kollege Sir Alex Ferguson in seiner Freizeit gerne zum Pferderennen geht oder daheim gemütlich einen Rotwein genießt und seiner Jazzsammlung lauscht, so sagt man über Wenger, dass der an freien Abenden Bundesligaspiele von 1996 anschaue. Verrückt genug scheint er also zu sein.
Und er weiß auch, dass die momentane Dominanz der Premier League nicht von ewiger Dauer sein wird. Die jüngste Anhebung des Steuersatzes für Topverdiener in England und die Talfahrt des englischen Pfunds werden die wirtschaftliche Dominanz der Premier League sicher schwächen. Nicht zuletzt deshalb baut Wenger seit Jahren eine Mannschaft auf, die mehr auf Jugend als auf teure Neuzugänge setzt.
Aber genau da beginnen auch die Gründe, warum der Franzose London nicht verlassen wird, egal für welches Angebot. Schließlich ist sein Jugendprojekt bei Arsenal im dritten Jahr und noch nicht abgeschlossen. Bevor er mit diesem jungen Team keinen Titel geholt hat (oder endgültig scheitert) wird er seine Jungs kaum verlassen.
Und auch wenn Wenger weiß, dass die Dominanz der englischen Liga endlich sein wird, bis es soweit ist, wird noch einige Zeit vergehen. Sollte Wenger es als Makel auf seiner Karriere empfinden, dass ihm noch ein großer internationaler Titel fehlt, dann weiß er auch, dass die Chance, einen solchen zu gewinnen, in London sehr viel größer ist als in München.
Aber der alles entscheidende Punkt ist doch folgender: Wenger und seine langfristig angelegte Planung sind das krasse Gegenmodell zum gnadenlosen Ergebnisdenken in München. Wenger baut Mannschaften perspektivisch auf. In München denken sie, ein Übergangsjahr sei es, wenn man "nur" das Double holt. Wenger hat in London einen der sichersten Trainerjobs der Welt. Warum sollte er auch nur darüber nachdenken, sich auf den Münchner Schleudersitz zu setzen? Und die Bayern haben gerade mal wieder bewiesen, dass sie Geduld nicht einmal buchstabieren können. Wenger hat in London seit drei Jahren keinen Titel geholt. In München haben sie Klinsmann dafür gefeuert, dass er in seinem ersten Jahr vielleicht keinen Titel geholt hätte.
Außerdem ist Wenger in London nicht nur Trainer, sondern "Manager". Und in England bedeutet das eine Mischung aus Cheftrainer und Sportdirektor. Mit anderen Worten: Der darf sich seine Spieler selbst aussuchen. Und das sieht in München ganz anders aus, wie nicht nur Jürgen Klinsmann erfahren musste. Wenger hat die totale sportliche Autorität. Und würde sicher nirgends hingehen, wo er die nicht auch bekäme.
In London IST Wenger der FC Arsenal. Niemand, und ich meine niemand aus dem Vorstand der Gunners hat in den letzten Jahren irgendeinen Kommentar zur sportlichen Situation des Klubs in der Presse abgegeben. In München arbeiten drei Vorstandsmitglieder regelmäßig bei Medienorganen und beurteilen dort ihre eigene Arbeit und die ihres Trainers. Und der eine, der seine Meinung nicht für Geld kundtut, Uli Hoeneß nämlich, hält sich offenbar für die Verkörperung des gesunden Menschenverstandes im Fußball und gibt seine Weisheiten kostenlos von sich. In so einem Umfeld hat ein Trainer kaum eine Chance. Und Wenger ist viel zu klug, um sich auf eine solche Konstellation einzulassen.
Kurzum: Ich prophezeie, dass die "große Lösung" in München mit Nachnamen nicht Wenger heißen wird. Und frage: Warum muss es denn unbedingt eine große Lösung sein? Besser wäre doch eine gute Lösung. Mit großen Namen ist man schließlich in München oft genug auf die Nase gefallen. Eine gute Lösung hatten die Münchener vor der Saison ja schon an der Angel. Doch dann entschieden sie sich gegen Jürgen Klopp und für Klinsmann. Tja.
Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 12643 | Kommentare: 43 | Bewertungen: 51 | Erstellt:28.04.2009
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KOMMENTARE
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29.04.2009 | 14:28 Uhr
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riesery :
@Elm
Präzesiere deine Frage ich mit der aktuellen nicht viel anfangen sorry
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29.04.2009 | 14:32 Uhr
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Elm :
du meintest, klopp sei ein herumhampelnder zweitligatrainer gewesen, bevor es zu dortmund gekommen ist und er müsse sich erst beweisen, bevor als mann bei den bayern in frage kommt. da geb ich dir grundsätzlich ja recht. aber was war klinsmann bevor er bei den bayern angefangen hat? ein herumhampelnder motivator, der einen erstklassigen taktiker an seiner seite hatte? welche qualifikation konnte man denn klinsi zuschreiben, die ihn als bayern-trainer legitimiert? das habe ich nie gesehen. die entlassung zu diesem zeitpunkt ist nicht sinnvoll, auch wenn heynckes noch den titel holt. ich glaube, das siehst du ähnlich. aber die gleichen argumente, die du hier gegen klopp verwendest, gelten doch auch für klinsmann, den du aber ewig in schutz genommen hast. verständlicher?
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29.04.2009 | 14:45 Uhr
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riesery :
@Elm
Jetzt hab ichs verstanden
Ok.Sagen wir mal so.Nachdem Hitzfeld entlassen wurde war meine Wunschkandidaten auf die Nachfolge Benitez und Hiddink.
Als es dann Klinsmann wurde musste ich kurz schlucken ^^ war nicht begeistert aber fand mich dann schnell mit dem Schicksal ab udn je länger diese Entscheidung feststand desto mehr konnte ich mich für sein Projekt und seine Visionen begeistern.
Im Laufe der Saison sahe ich es als meine Pflicht an den aktuellen Trainer zu unterstützen wie es nur geht denn ein Team Spieler oder einen Trainer lauthals im Stadion auszupfeifen ist nicht meine Vorstellung von Fandasein.
Deine Frage wo der Unterschied zwischen Klinsmann und Klopp war ist durchaus berechtigt aber ich sehe da wie ich schon gesagt habe den entscheidenden dass Klinsmann sich gegen allen Druck der Öffentlichkeit schon bewährt hat und bewiesen hat dass er gut mit großen Namen umgehen kann.
Beide Attribute konnte man einem Klopp bis dato nicht zuschreiben.
Außerdem gab es der Vergangenheit viele gute Zweitligatrainer die dann in Liga 1 an ihre Grenzen gestoßen sind.
Klopp war für einen Verein wie den FCB zum damaligen Zeitpunkt einfach ein zu hohes Risiko.
Und zuletzt hab ich gesagt
"Klopp war bevor zu Dortmund kam ganz negativ gesagt ein herumtobender Zweitligatrainer"
Ich habe bewusst das "ganz negativ gesagt " verwendet dass keine Missverständnisse entstehen.
Ich halte Klopp wie gesagt einen sehr fachlich kompetenten Trainer der eine große Zukunft vor sich hat aber der Schritt Oase Mainz ins Haifischbecken München war einfach zu groß da ist der Schritt zu einem angeschlagenen BVB sicherer.
HSV und Schalke hätten ihn ja damals auch haben können
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29.04.2009 | 17:30 Uhr
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Kaiser01 :
Schöner Blog und die Aufräumung mit dem Gerücht "Wenger zu Bayern".Ich denke auch nicht im geringsten, dass er seine jungen Stars gegen das Haifischbecken Bayern eintauscht. Und das ist meine Meinung als Bayernfan!
10 Punkte von mir.
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29.04.2009 | 17:47 Uhr
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29.04.2009 | 19:41 Uhr
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Voegi :
Also mir gefällt dieses Blog nicht so. Es ist zwar, wie immer, sehr gut geschrieben. Aber: Du stellst zu Beginn vollkommen zu Recht fest, dass die Lösung Wenger vollkommen abwegig ist ("ich muss mal kurz in den Keller…zum Lachen."), um Dich dann doch einzig und allein auf die Person Wenger zu konzentrieren.Wenger wird nicht kommen, weil es für ihn absolut unattraktiv ist, den FC Bayern zu trainieren. Punkt, Aus, Ende! Warum dann noch lang und breit über die Wahrscheinlichkeit dieser Lösung diskutieren?!
Dann hätte ich es spannender gefunden, Du hättest die realistischerweise in Betracht kommenden Möglichkeiten nach allen Regeln der Kunst durchdekliniert. Aber so ist der Aussagewert dieses Blogs leider sehr gering.
Und noch etwas: Du mangelst an, dass man bei Bayern nicht langfristig denkt. Da magst Du Recht haben. Aber der Fall Klinsmann taugt zur Bestätigung dieser These herzlich wenig.
Denn wenn man hier kritisiert, dass die Bayern-Führung nicht die nötige Geduld gezeigt habe, geht das an der Wirklichkeit vorbei. Womit hätte man denn bei Klinsmann Geduld haben müssen? Dass sein Konzept Früchte trägt. Dann frage ich: Welches Konzept???
Es war doch überhaupt keine Entwicklung auch nur ansatzweise erkennbar, die Geduld verdient gehabt hätte. Wenn ich sehe, dass ein Schwimmer nicht ins Wasser springt, kann ich noch so lange warten, dass er das Ziel erreicht. Da nützt mir Geduld auch nix. Für mich ist dieses Einfordern von Geduld ein reines Scheinargument!
Fazit: Schön geschrieben, aber inhaltlich nicht überzeugend. Sei mir als Fan Deiner Blogs auch mal gestattet!
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30.04.2009 | 09:49 Uhr
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Raistlin :
Wie immer gut geschrieben.
Kann mich aber bzgl. Klopp nur riesery anschließen.
Ob Klopp mehr Erfolg als Klinsi gehabt hätte ... ich wage es zu bezweifeln.
Die Chance, dass Wenger nach München kommt liegen wohl knapp unter Null.
Irgendwann wird er es sicherlich satt haben mit Arsenal die 3te oder 4te Geige im englischen Fußball zu spielen.
Und für den Fall gibt es sicherlich bessere Alternative als den FCB.
Dennoch wäre es als Manager fahrlässig hier nicht wenigstens einen Versuch zu wagen.
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30.04.2009 | 09:58 Uhr
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Statistik
muss sich ein klopp in etwa so sehr vorher beweisen, wie es ein klinsmann getan hat? immerhin hast du den lange genug verteidigt...
@xanax
die werden dem wohl ein angebot machen, ohne sich wirkliche chancen auszurechnen. aber angefragt wird jetzt bei allen und jedem denk ich, der auch nur irgendwie in frage kommt.
@andreas renner
10 punkte