25.07.2011 um 15:26 Uhr
Großvaters Placet
Das Fazit fällt insgesamt positiv aus: Die Frauen-Fußball-WM war ein großer Erfolg. Auch wenn die sportliche Darbietungen gerade in der Vorrunde zu Wünschen übrig ließen und manches Stadion halbleer blieb, lässt sich die Bilanz des größten Sportereignisses auf dem deutschem Boden im Jahre 2011 sehen. Fernseheinschaltquoten bis zu 16 Millionen, umfassende Berichterstattung in allen Medien und eine aufwändige Vermarktung belegen: Der Frauen-Fußball zog die Deutschen in ihren Bann, mag hier und da auch eher spontane Neugier denn sportliches Interesse den Ausschlag gegeben haben.
Was bleibt ist die Frage der Nachhaltigkeit: Wird der Frauen-Fußball auch zukünftig eine vergleichbare Aufmerksamkeit erfahren? Nimmt sich die TV-Berichterstattung demnächst stärker der Frauen-Bundesliga an? Wird das weitverbreitete chauvinistische Lächeln männlicher Zuschauer nunmehr einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Sport Platz machen?
Man erahnt, dass größere Hoffnungen schon bald der Ernüchterung weichen werden. Man erahnt aber auch, dass der Frauen-Fußball einen größeren Schritt nach vorne hätte machen können, wenn das deutsche Team den Titel geholt oder jedenfalls das Finale erreicht hätte. Oder wenigstens die Qualifikation für die Olympischen Spiele geschafft hätte.
Es kam bekanntlich anders. Die deutsche Mannschaft spielte ein Turnier, das den Erwartungen in keiner Hinsicht gerecht wurde. Das einstige Überteam, das durch die Erfolge der Vorjahre Hoffnungen auf die Titelverteidigung genährt hatte, enttäuschte auf ganzer Linie. Und das alles, obwohl Bundestrainerin Silvia Neid eine in Umfang und Dauer rekordverdächtige Vorbereitung anberaumt hatte. Bereits im April versammelte sie einen ersten Kader, den sie in insgesamt sechs Lehrgängen und vier Testspielen für die Herausforderungen der WM fit machen wollte.
Trotz der langen Vorbereitungszeit zeigte sich die deutsche Mannschaft beim Turnier zu keiner Zeit auf der Höhe ihrer Schaffenskraft. In keiner der vier WM-Partien konnte die Neid-Elf ihr wahres Leistungsvermögen abrufen und verriet dabei einen kaum für möglich gehaltenen Mangel an Struktur und Konzept. Lange nicht mehr hatte die deutsche Mannschaft derart eklatante taktische und konditionelle Defizite offenbart. Das Spiel nach vorne wirkte zumeist planlos, gelungene Spielzüge blieben die Seltenheit. Schließlich erschien auch die Personalplanung auffallend unkoordiniert. Mitten im Turnier eine seit Monaten offensichtlich formschwache Birgit Prinz aus der Stammelf zu verbannen, zeugt gewiss nicht von professioneller Weitsicht.
Es wäre deshalb das Natürlichste von der Welt, die Bundestrainerin für ein angesichts dieser umfangsreichen Vorbereitung höchst unbefriedigendes Abschneiden in Haftung zu nehmen. Wer derart hohe (auch finanzielle) Ressourcen in Anspruch nimmt, muss sich rechtfertigen. Das ist im Sport nicht anders als in der Politik. Eine echte Personaldiskussion kam gleichwohl nicht auf. Nicht zuletzt deshalb, weil DFB-Präsident Zwanziger Silvia Neid als seine Bundestrainerin bezeichnete.
Mit dem präsidialen Basta wurde der nötigen kritischen Debatte somit von vorneherein ein Riegel vorgeschoben. Der Chef hatte gesprochen, die Lakaien schweigen. So hatte es sich Zwanziger wohl gewünscht und genauso ist es eingetreten. Für den Frauen-Fußball ist das von höchster Stelle befohlene Schweigegelübde dagegen nur schädlich. Ohne inhaltlichen Diskurs wird sich nichts ändern, tiefer liegende Problempunkte werden weiter ignoriert.
So bedauerlich das frühe Ausscheiden auch war, so erhellend ist es andererseits, hat es doch – jedenfalls mittelbar – eine Schwachstelle des Deutschen Fußball-Bundes schonungslos offengelegt. Und zwar nirgendwo anders als an dessen Spitze: Theo Zwanziger ist mit der professionellen Führung eines großen Sportverbandes wie der des DFBs unübersehbar überfordert. Man mag ihm Herzblut und Empathie konzedieren, Weitblick und sachliche Distanz wird man bei ihm jedoch stets vermissen.
So reiht sich Zwanzigers großväterliches Placet für Silvia Neid ein in eine lange Liste von Leichtsinnshandlungen, die – in Meidung sachlicher Zurückhaltung – allein von der Emotion des Augenblicks getragen sind. Der derzeitige DFB-Präsident ist kein Mann der inneren Einkehr. Er gönnt sich nicht die Muße, die Dinge erst nach reiflicher Überlegung zu bewerten. Zwanziger sagt, was er denkt, auch wenn er gar nicht nachgedacht hat.
Das war auch in der Affäre Kempter-Amerell so, als er von Beginn an einseitig Partei für den jungen Referee ergriff und den Schiedsrichterlehrwart zum Alleinschuldigen erklärte. Dass Kempter sich möglicherweise auch Fehlverhalten anzurechnen hatte, war und ist in Zwanzigers Weltbild nicht vorgesehen. Bis heute hat Kempter gleichwohl kein Profispiel mehr gepfiffen.
Auch der Umgang mit der Personalie Löw steht sinnbildlich für Zwanzigers Hang zu Unbedachtheiten. Völlig ohne Not suchte der Präsident im Februar 2010 die Öffentlichkeit, um sie von den Umständen der zunächst gescheiterten Vertragsverhandlungen und seiner persönlichen Verärgerung zu unterrichten. Die an sich unumgängliche innere Einkehr wurde auch hier fahrlässigerweise versäumt.
Und dennoch wurde Zwanziger im Herbst letzten Jahres für drei Jahre als DFB-Präsident wiedergewählt. Als einziger Kandidat ohne jede Gegenstimme. Aber Widerspruch ist nunmal auch beim DFB nicht schicklich. In dem Punkt unterscheidet man sich eben kaum vom Weltverband. Theo Zwanziger hat deshalb Anfang Juni auch Sepp Blatter seine Stimme gegeben.
Was bleibt ist die Frage der Nachhaltigkeit: Wird der Frauen-Fußball auch zukünftig eine vergleichbare Aufmerksamkeit erfahren? Nimmt sich die TV-Berichterstattung demnächst stärker der Frauen-Bundesliga an? Wird das weitverbreitete chauvinistische Lächeln männlicher Zuschauer nunmehr einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Sport Platz machen?
Man erahnt, dass größere Hoffnungen schon bald der Ernüchterung weichen werden. Man erahnt aber auch, dass der Frauen-Fußball einen größeren Schritt nach vorne hätte machen können, wenn das deutsche Team den Titel geholt oder jedenfalls das Finale erreicht hätte. Oder wenigstens die Qualifikation für die Olympischen Spiele geschafft hätte.
Es kam bekanntlich anders. Die deutsche Mannschaft spielte ein Turnier, das den Erwartungen in keiner Hinsicht gerecht wurde. Das einstige Überteam, das durch die Erfolge der Vorjahre Hoffnungen auf die Titelverteidigung genährt hatte, enttäuschte auf ganzer Linie. Und das alles, obwohl Bundestrainerin Silvia Neid eine in Umfang und Dauer rekordverdächtige Vorbereitung anberaumt hatte. Bereits im April versammelte sie einen ersten Kader, den sie in insgesamt sechs Lehrgängen und vier Testspielen für die Herausforderungen der WM fit machen wollte.
Trotz der langen Vorbereitungszeit zeigte sich die deutsche Mannschaft beim Turnier zu keiner Zeit auf der Höhe ihrer Schaffenskraft. In keiner der vier WM-Partien konnte die Neid-Elf ihr wahres Leistungsvermögen abrufen und verriet dabei einen kaum für möglich gehaltenen Mangel an Struktur und Konzept. Lange nicht mehr hatte die deutsche Mannschaft derart eklatante taktische und konditionelle Defizite offenbart. Das Spiel nach vorne wirkte zumeist planlos, gelungene Spielzüge blieben die Seltenheit. Schließlich erschien auch die Personalplanung auffallend unkoordiniert. Mitten im Turnier eine seit Monaten offensichtlich formschwache Birgit Prinz aus der Stammelf zu verbannen, zeugt gewiss nicht von professioneller Weitsicht.
Es wäre deshalb das Natürlichste von der Welt, die Bundestrainerin für ein angesichts dieser umfangsreichen Vorbereitung höchst unbefriedigendes Abschneiden in Haftung zu nehmen. Wer derart hohe (auch finanzielle) Ressourcen in Anspruch nimmt, muss sich rechtfertigen. Das ist im Sport nicht anders als in der Politik. Eine echte Personaldiskussion kam gleichwohl nicht auf. Nicht zuletzt deshalb, weil DFB-Präsident Zwanziger Silvia Neid als seine Bundestrainerin bezeichnete.
Mit dem präsidialen Basta wurde der nötigen kritischen Debatte somit von vorneherein ein Riegel vorgeschoben. Der Chef hatte gesprochen, die Lakaien schweigen. So hatte es sich Zwanziger wohl gewünscht und genauso ist es eingetreten. Für den Frauen-Fußball ist das von höchster Stelle befohlene Schweigegelübde dagegen nur schädlich. Ohne inhaltlichen Diskurs wird sich nichts ändern, tiefer liegende Problempunkte werden weiter ignoriert.
So bedauerlich das frühe Ausscheiden auch war, so erhellend ist es andererseits, hat es doch – jedenfalls mittelbar – eine Schwachstelle des Deutschen Fußball-Bundes schonungslos offengelegt. Und zwar nirgendwo anders als an dessen Spitze: Theo Zwanziger ist mit der professionellen Führung eines großen Sportverbandes wie der des DFBs unübersehbar überfordert. Man mag ihm Herzblut und Empathie konzedieren, Weitblick und sachliche Distanz wird man bei ihm jedoch stets vermissen.
So reiht sich Zwanzigers großväterliches Placet für Silvia Neid ein in eine lange Liste von Leichtsinnshandlungen, die – in Meidung sachlicher Zurückhaltung – allein von der Emotion des Augenblicks getragen sind. Der derzeitige DFB-Präsident ist kein Mann der inneren Einkehr. Er gönnt sich nicht die Muße, die Dinge erst nach reiflicher Überlegung zu bewerten. Zwanziger sagt, was er denkt, auch wenn er gar nicht nachgedacht hat.
Das war auch in der Affäre Kempter-Amerell so, als er von Beginn an einseitig Partei für den jungen Referee ergriff und den Schiedsrichterlehrwart zum Alleinschuldigen erklärte. Dass Kempter sich möglicherweise auch Fehlverhalten anzurechnen hatte, war und ist in Zwanzigers Weltbild nicht vorgesehen. Bis heute hat Kempter gleichwohl kein Profispiel mehr gepfiffen.
Auch der Umgang mit der Personalie Löw steht sinnbildlich für Zwanzigers Hang zu Unbedachtheiten. Völlig ohne Not suchte der Präsident im Februar 2010 die Öffentlichkeit, um sie von den Umständen der zunächst gescheiterten Vertragsverhandlungen und seiner persönlichen Verärgerung zu unterrichten. Die an sich unumgängliche innere Einkehr wurde auch hier fahrlässigerweise versäumt.
Und dennoch wurde Zwanziger im Herbst letzten Jahres für drei Jahre als DFB-Präsident wiedergewählt. Als einziger Kandidat ohne jede Gegenstimme. Aber Widerspruch ist nunmal auch beim DFB nicht schicklich. In dem Punkt unterscheidet man sich eben kaum vom Weltverband. Theo Zwanziger hat deshalb Anfang Juni auch Sepp Blatter seine Stimme gegeben.
Aufrufe: 3832 | Kommentare: 9 | Bewertungen: 13 | Erstellt:25.07.2011
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KOMMENTARE
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26.07.2011 | 14:45 Uhr
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xxlhonk :
Sportverbände sind auch immer Politik.Und wie in der Politik geht es nicht darum der Beste zu sein, sondern Mehrheiten zu haben/bekommen.
Und die bekommt man, wenn man möglichst vieleMeschen für sich gewinnen kann.
Konsens und Kompromis statt Knallhartes Handeln ist da das Motto.
Und warum sollte das beim weltgrößten Einzelsprtveband anders sein?
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26.07.2011 | 17:46 Uhr
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Das ist die hohe Kunst der Politik. Leute, denen es nur auf den Erfolg des Fußballs ankommt - wie Sammer - haben es da schwer und werden sich nicht halten können.
1
27.07.2011 | 10:15 Uhr
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27.07.2011 | 13:13 Uhr
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Er setzt das, was er für richtig erkannt hat, durch. Oft genug, ohne daß ihn die Meinung anderer, ebenfalls Beteiligter sehr interessieren würde. Durchsetzungsvermögen ist an sich für einen Politiker keine schlechte Eigenschaft! Ganz im Gegenteil...
Daß er sich zu einem Zeitpunkt, als das Standing Blatters in der Öffentlichkeit auf ein neues Tief zusteuert, auf dessen Seite schlägt, passt auch zu dem Eindruck, den ich von Zwanziger habe. Freunde, und damit meine ich politische Freunde, werden unterstützt, komme was da wolle, da man ja auch von ihnen unterstützt wurde, und wird!
Für mich ist Dr. Theo seit seiner Handhabung der Kempter-Amarell Geschichte als Präsident verbrannt.
Was aber für den Politiker Zwanziger entscheidend ist, ist einzig und allein, wie seine politischen Freunde darauf reagieren, und bei denen hat es ihm nach Außen zumindest nicht geschadet. Das ich ihn nicht mehr wählen würde, kann er sehr gelassen verschmerzen
Er ist immer noch DER Präsident des DFB, und sein Einfluß bei UEFA und FIFA scheint eher zu wachsen. Was wir nicht wissen, aber vielleicht ahnen können, ist, daß durch die Fehler, die Dr. Theo seit einiger Zeit aneinanderreiht, der Preis, den er für die Unterstützung seiner "Freunde" zahlen muß, höher geworden ist... Korruption ist nämlich auch eine Handlungsweise, die Politikern eher nicht wirklich fremd ist!
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27.07.2011 | 15:35 Uhr
0
thewho :
Klasse Blog, sowohl sprachlich als auch inhaltlich aller erste Sahne.Zum Thema 20er hast du eigentlich schon alles gesagt.
Ich würde mich freuen, wenn 20er noch vor Ablauf seiner Legislaturperiode den Hut nehmen würde.
Ein mehr als adäquater Ersatz steht dem DFB in Person von Wolfgang Niersbach schon zu Verfügung.
Er ist das Gegenteil von 20er: bedacht, sozialkompetent und intelligent.
Seit Braun war dieses Amt nur noch in Händen von Diletanten.
1
27.07.2011 | 15:44 Uhr
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Ich war auch mal ein Riesenfan von Wolfgang Niersbach.
Fand den damals als Pressesprecher (heute heißt das Mediendirektor) der Nationalmannschaft in den 90er Jahren einfach nur megaklasse.
Genau die Eigenschaften, welche du ansprichst, hat er in dieser Funktion absolut ausgestrahlt.
Seitdem er als Vizepräsident des DFB in die Funktionärsschiene gewechselt ist, wird er immer mehr zum klassischen Politiker. Finde ich ein wenig schade, aber er wäre ganz sicher ein richtig guter Präsident, wenn das überhaupt zur Debatte steht. Dr. Theo bleibt uns ja noch mindestens 2 Jahre erhalten.
Was danach kommt? Idon't know...
0
27.07.2011 | 20:06 Uhr
0
thewho : @Gotti1963
Ich teile deine Ansicht hinsichtlich des veränderten Auftreten Niersbachs. Möglicherweise ist dies auf seine geänderte Funktion zurück zu führen, vielleicht auch ein wenig auf das Alter.Aber eben die besagten Eigenschaften sowie sein stets seriöses Auftreten lassen mich in dem Glauben, dass Niersbach den DFB würdig vertreten könnte. Er steht in meinen Augen noch für den "alten" DFB zu Braun's Zeiten. Auch zu jener Zeit gab es Probleme (Stichwort: WM 98 Hooligan-Angriff), die es zu bewältigen gab. Zu keinem Zeitpunkt wurde dies jedoch so in der Öffentlichkeit abgehandelt, was nur bedingt mit dem gestiegenen Medieninteresse am Fußball zu erklären ist, sondern schlichtweg mit dem überbordenden Geltungsbedürfnis des DFB-Präsidenten. Der Vorwurf Demagoge kommt der Sache schon sehr nahe.
Ich vermisse das unaufgeregte und bedachte Abwickeln von unangenehmen Themen seitens des DFB. 20er hat in seiner gesamten Amtszeit mehr Fehltritte gehabt als all seine Vorgänger zusammen.
1) Amarell/Kempter
Dürfte niemals so trampelig und parteiisch ausgefochten werden. Soviel Öffentlichkeit hat es erst durch 20er's PK. bekommen.
2) Löw/Bierhoff
Wieder der Weg über die Öffentlichkeit um sich rein zu waschen.
3) Ballack/Neid
Wieder einseitig und von oben herab befehlend. Null Kritik.
4) Blatter's Wiedewahl
Schlicht und ergreifend oppurtunistisch. Die Wahl war nicht zu verhindern also singe ich des Feindes Hymne. Ganz schwach!
Deshalb weg mit Theo her mit Wolfgang und auf zu ruhigeren Gewässern.....
1
27.07.2011 | 22:32 Uhr
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Unterschreib ich zu 100%.
Klasse Analyse, sollte man den DFB Granden als Bettlektüre verschreiben...
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Statistik
So sehr sich der DFB bemüht proffesionelle Strukturen zu schaffen, ganz oben sicherlich nicht. Aber da ist der DFB ja nicht alleine.
"Aber Widerspruch ist nunmal auch beim DFB nicht sehr schicklich. In dem Punkt unterscheidet man sich eben kaum vom Weltverband. Theo Zwanziger hat deshalb Anfang Juni auch Sepp Blatter seine Stimme gegeben."
Wird Zwanziger der nächste FIFA Präsident?