30.10.2008 um 23:58 Uhr
Gut geplant ist halb gewonnen
Mit den Plänen ist es so eine Sache: Hat man keinen Plan, sieht man in jedem Fall dumm aus. Aber auch wenn man einen hat, dann kann immer noch eine ganze Menge schief gehen…
Ich hatte einen Plan, und der sah so aus: Das Wochenende vom 25./26. Oktober wollte ich in London verbringen und an diesen beiden Tagen zwei Spiele der Premier League ansehen und dazu am Sonntagabend das NFL-Spiel im Wembley Stadium.
Die zwei Premier League-Spiele, die ich mir ausgeguckt hatte, waren Tottenham gegen Bolton am Samstag und natürlich Chelsea gegen Liverpool am Sonntag. Vor allem der Sonntag klang gut: erst um 13:30 Uhr das Topspiel Erster gegen Zweiter und dann um 17:00 Uhr in Wembley New Orleans Saints gegen San Diego Chargers. Besser geht es kaum. Dummerweise verlegte die Liga das Tottenham-Spiel (wegen der UEFA Cup-Teilnahme der Spurs) relativ kurzfristig von Samstag auf Sonntag und damit so, dass es sich sowohl mit dem Chelsea-Spiel als auch mit der NFL überschnitt.
Na gut, dann eben nicht. Das Ersatzprogramm war englischer Zweitligafußball: Charlton Athletic gegen den FC Burnley. Auch nett. Schließlich ist Charlton ein Klub, der noch vor kurzer Zeit in der Premier League gespielt hat. In der Woche vor meinem Trip verhandelte man mit der Regierung von Dubai über eine Übernahme des Klubs (nachdem Dubai bei Liverpool keinen Fuß in die Tür bekommt). Der Deal platzte und Charlton krebst nun mit jeder Menge Schulden im unteren Tabellendrittel herum. Und so spielten sie auch. Hektisch, unorganisiert, ohne Plan. Ganz anders der stark gestartete FC Burnley, der die erste Halbzeit dominierte und vollkommen verdient zur Pause mit 1:0 führte. Die Gäste hatten Fußball gespielt, Charlton nur gebolzt.
Aber was 15 Minuten für einen Unterschied machen können. Charltons Trainer Alan Pardew brachte zur Pause zwei neue Leute, unter anderem Veteran Svetoslav Todorov und der Bulgare, der schon für West Ham und Portsmouth gespielt hat, wurde mit seiner Ballsicherheit und Übersicht zum besten Mann auf dem Platz. Kein Zufall, dass er den Ausgleich erzielte. Am Ende war für Charlton sogar noch mehr drin, aber Burnley rettete den einen Punkt über die Zeit. Es war kein hochklassiges Spiel, aber das Stadion und das treue Heimpublikum waren definitiv erstligareif.
Tja, und dann kam der Sonntag. Der große Tag. Leider fand das Premier League-Spitzenspiel ohne mich statt, denn das Warten auf die von der Liga versprochene Akkreditierung war leider vergebens. Gesehen habe ich das Spiel natürlich trotzdem – genau wie ihr im Fernsehen. Wobei, genau wie ihr dann doch nicht. Schließlich stand ich zusammen mit einem Rudel von Football-Fans in einem überhitzten Pub in Wembley vor einem großen Monitor. Beim Betreten der Kneipe gab es übrigens eine Leibesvisitation. War eine neue Erfahrung.
Immerhin konnte ich so den historischen Sieg der Reds an der Stamford Bridge miterleben. Da hat es Rafael Benitez doch tatsächlich mit seiner üblichen Taktik (Motto: ein 0:0 ist ein gutes Ergebnis), geschafft, alle drei Punkte mitzunehmen. Ein abgefälschter Weitschuss war dafür genug. Das Kneipenpublikum war übrigens klar pro Liverpool, obwohl wir in London waren. Wobei, Wembley ist natürlich nur im weiteren Sinne "in" London (genauso wie z.B. nach Charlton oder in das Rugby-Mekka Twickenham fährt man am besten mit dem Regionalzug).
Und dann ging es rüber ins 33. Heimstadion der National Football League, auch bekannt als Wembley. Groß geworden ist es fraglos, das neu gebaute englische Nationalstadion. So ähnlich, als ob man auf die Allianz Arena noch eine Etage draufgesetzt hätte. Voll ist es auch, allerdings soll die Nachfrage nach Tickets nicht so gigantisch gewesen sein wie im Jahr davor. Deshalb gab es vor dem Stadion tatsächlich noch ein paar Tickets zum Dumpingpreis zu kaufen. Da hatten sich wohl ein paar Schwarzhändler verspekuliert.
Das Spiel lief dann genau so, wie die Liga sich das wohl vorgestellt hatte. Na ja, klar, besser wäre es gewesen, wenn beide Teams nicht mit einer mittelmäßigen 3:4 Bilanz angereist wären. Aber es war das Offensivfeuerwerk, das Giants gegen Dolphins im Vorjahr eben nicht gewesen war. Und damit entsprach es genau dem Bild, das die NFL in Europa zeigen will, um neue Fans zu gewinnen. Und mal ganz ehrlich: Schwer vorstellbar, dass zwei Quarterbacks zusammen besser spielen als Drew Brees und Phillip Rivers an diesem Abend.
Ich musste daran denken, wie sehr sich die NFL in den letzten 15 Jahren gewandelt hat. Brees und Rivers warfen zusammen 81 Pässe. Als Steve Young die Nachfolge von Joe Montana bei den San Francisco 49ers antrat sagte er sinngemäß: Die Jahre auf der Bank in der zweiten Reihe hinter Montana habe er in Kauf genommen, weil er wusste, dass er als Starter in San Francisco die Chance habe, 25 bis 30 Pässe pro Spiel zu werfen. Damals war das extrem viel. Wer heute nur 25 Mal pro Spiel wirft, der spielt konservativ. Der Wandel der NFL von einer Laufliga zu einer Passliga ist endgültig vollzogen. Das Spiel in Wembley illustrierte das eindrucksvoll.
Wenn übrigens jemand fragt, warum das Spiel in Wembley stattfand und nicht in der NFL Europe-Hochburg Deutschland, ein paar Gründe könnte ich anbieten. Da wären zum einen gleich zwei Liveübertragungen im Fernsehen. Zum einen natürlich bei Sky, aber auch in der frei empfangbaren BBC, die darüber hinaus später am Abend die Partie noch einmal in einer einstündigen Zusammenfassung anbot. In Deutschland hat sich bisher kein Fernsehpartner gefunden, der etwas Ähnliches bieten kann. Und dann ist die Auswahl an Stadien, in die man 83,000 Zuschauer hinein bekommt und damit auch einen satten Profit mitnimmt, bei uns eher überschaubar. In Frankfurt passen eben leider nur 50,000 Leute ins Stadion. Und was Sportbegeisterung angeht können wir mit London definitiv nicht mithalten. An besagtem Sonntag spielten in London Chelsea vor 43,000 Menschen, Tottenham vor 36,000, West Ham vor 35,000 und dann waren noch 83,000 Zuschauer in Wembley. Macht zusammen 197,000 Leute bei (extrem hochpreisigen) Sportveranstaltungen. Wahnsinn.
Am Ende hat sich der Trip in die englische Hauptstadt in jedem Fall gelohnt. Auch wenn mein Plan nicht ganz so aufging wie vorher erdacht. Daheim habe ich übrigens erfahren, dass beim Chelsea-Spiel eine Akkreditierung auf mich wartete. Schade, dass es mir keiner gesagt hat. Vielleicht ja dann nächstes Jahr.
Bis bald,
Andreas
Ich hatte einen Plan, und der sah so aus: Das Wochenende vom 25./26. Oktober wollte ich in London verbringen und an diesen beiden Tagen zwei Spiele der Premier League ansehen und dazu am Sonntagabend das NFL-Spiel im Wembley Stadium.
Die zwei Premier League-Spiele, die ich mir ausgeguckt hatte, waren Tottenham gegen Bolton am Samstag und natürlich Chelsea gegen Liverpool am Sonntag. Vor allem der Sonntag klang gut: erst um 13:30 Uhr das Topspiel Erster gegen Zweiter und dann um 17:00 Uhr in Wembley New Orleans Saints gegen San Diego Chargers. Besser geht es kaum. Dummerweise verlegte die Liga das Tottenham-Spiel (wegen der UEFA Cup-Teilnahme der Spurs) relativ kurzfristig von Samstag auf Sonntag und damit so, dass es sich sowohl mit dem Chelsea-Spiel als auch mit der NFL überschnitt.
Na gut, dann eben nicht. Das Ersatzprogramm war englischer Zweitligafußball: Charlton Athletic gegen den FC Burnley. Auch nett. Schließlich ist Charlton ein Klub, der noch vor kurzer Zeit in der Premier League gespielt hat. In der Woche vor meinem Trip verhandelte man mit der Regierung von Dubai über eine Übernahme des Klubs (nachdem Dubai bei Liverpool keinen Fuß in die Tür bekommt). Der Deal platzte und Charlton krebst nun mit jeder Menge Schulden im unteren Tabellendrittel herum. Und so spielten sie auch. Hektisch, unorganisiert, ohne Plan. Ganz anders der stark gestartete FC Burnley, der die erste Halbzeit dominierte und vollkommen verdient zur Pause mit 1:0 führte. Die Gäste hatten Fußball gespielt, Charlton nur gebolzt.
Aber was 15 Minuten für einen Unterschied machen können. Charltons Trainer Alan Pardew brachte zur Pause zwei neue Leute, unter anderem Veteran Svetoslav Todorov und der Bulgare, der schon für West Ham und Portsmouth gespielt hat, wurde mit seiner Ballsicherheit und Übersicht zum besten Mann auf dem Platz. Kein Zufall, dass er den Ausgleich erzielte. Am Ende war für Charlton sogar noch mehr drin, aber Burnley rettete den einen Punkt über die Zeit. Es war kein hochklassiges Spiel, aber das Stadion und das treue Heimpublikum waren definitiv erstligareif.
Tja, und dann kam der Sonntag. Der große Tag. Leider fand das Premier League-Spitzenspiel ohne mich statt, denn das Warten auf die von der Liga versprochene Akkreditierung war leider vergebens. Gesehen habe ich das Spiel natürlich trotzdem – genau wie ihr im Fernsehen. Wobei, genau wie ihr dann doch nicht. Schließlich stand ich zusammen mit einem Rudel von Football-Fans in einem überhitzten Pub in Wembley vor einem großen Monitor. Beim Betreten der Kneipe gab es übrigens eine Leibesvisitation. War eine neue Erfahrung.
Immerhin konnte ich so den historischen Sieg der Reds an der Stamford Bridge miterleben. Da hat es Rafael Benitez doch tatsächlich mit seiner üblichen Taktik (Motto: ein 0:0 ist ein gutes Ergebnis), geschafft, alle drei Punkte mitzunehmen. Ein abgefälschter Weitschuss war dafür genug. Das Kneipenpublikum war übrigens klar pro Liverpool, obwohl wir in London waren. Wobei, Wembley ist natürlich nur im weiteren Sinne "in" London (genauso wie z.B. nach Charlton oder in das Rugby-Mekka Twickenham fährt man am besten mit dem Regionalzug).
Und dann ging es rüber ins 33. Heimstadion der National Football League, auch bekannt als Wembley. Groß geworden ist es fraglos, das neu gebaute englische Nationalstadion. So ähnlich, als ob man auf die Allianz Arena noch eine Etage draufgesetzt hätte. Voll ist es auch, allerdings soll die Nachfrage nach Tickets nicht so gigantisch gewesen sein wie im Jahr davor. Deshalb gab es vor dem Stadion tatsächlich noch ein paar Tickets zum Dumpingpreis zu kaufen. Da hatten sich wohl ein paar Schwarzhändler verspekuliert.
Das Spiel lief dann genau so, wie die Liga sich das wohl vorgestellt hatte. Na ja, klar, besser wäre es gewesen, wenn beide Teams nicht mit einer mittelmäßigen 3:4 Bilanz angereist wären. Aber es war das Offensivfeuerwerk, das Giants gegen Dolphins im Vorjahr eben nicht gewesen war. Und damit entsprach es genau dem Bild, das die NFL in Europa zeigen will, um neue Fans zu gewinnen. Und mal ganz ehrlich: Schwer vorstellbar, dass zwei Quarterbacks zusammen besser spielen als Drew Brees und Phillip Rivers an diesem Abend.
Ich musste daran denken, wie sehr sich die NFL in den letzten 15 Jahren gewandelt hat. Brees und Rivers warfen zusammen 81 Pässe. Als Steve Young die Nachfolge von Joe Montana bei den San Francisco 49ers antrat sagte er sinngemäß: Die Jahre auf der Bank in der zweiten Reihe hinter Montana habe er in Kauf genommen, weil er wusste, dass er als Starter in San Francisco die Chance habe, 25 bis 30 Pässe pro Spiel zu werfen. Damals war das extrem viel. Wer heute nur 25 Mal pro Spiel wirft, der spielt konservativ. Der Wandel der NFL von einer Laufliga zu einer Passliga ist endgültig vollzogen. Das Spiel in Wembley illustrierte das eindrucksvoll.
Wenn übrigens jemand fragt, warum das Spiel in Wembley stattfand und nicht in der NFL Europe-Hochburg Deutschland, ein paar Gründe könnte ich anbieten. Da wären zum einen gleich zwei Liveübertragungen im Fernsehen. Zum einen natürlich bei Sky, aber auch in der frei empfangbaren BBC, die darüber hinaus später am Abend die Partie noch einmal in einer einstündigen Zusammenfassung anbot. In Deutschland hat sich bisher kein Fernsehpartner gefunden, der etwas Ähnliches bieten kann. Und dann ist die Auswahl an Stadien, in die man 83,000 Zuschauer hinein bekommt und damit auch einen satten Profit mitnimmt, bei uns eher überschaubar. In Frankfurt passen eben leider nur 50,000 Leute ins Stadion. Und was Sportbegeisterung angeht können wir mit London definitiv nicht mithalten. An besagtem Sonntag spielten in London Chelsea vor 43,000 Menschen, Tottenham vor 36,000, West Ham vor 35,000 und dann waren noch 83,000 Zuschauer in Wembley. Macht zusammen 197,000 Leute bei (extrem hochpreisigen) Sportveranstaltungen. Wahnsinn.
Am Ende hat sich der Trip in die englische Hauptstadt in jedem Fall gelohnt. Auch wenn mein Plan nicht ganz so aufging wie vorher erdacht. Daheim habe ich übrigens erfahren, dass beim Chelsea-Spiel eine Akkreditierung auf mich wartete. Schade, dass es mir keiner gesagt hat. Vielleicht ja dann nächstes Jahr.
Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 1681 | Kommentare: 0 | Bewertungen: 5 | Erstellt:30.10.2008
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