24.12.2009 um 00:06 Uhr
Harry erobert Istanbul
Als der Australier Harry Kewell im Sommer 2008 ein Angebot von Galatasaray Istanbul bekam, kam der Transfer für ihn absolut nicht in Frage. Heute ist er dort der Leitwolf und Liebling der Massen. Eine australisch-türkische Liebesgeschichte - mit offenem Ausgang.
Im Juni 2008 stand Harry Kewell als Fussballer am Scheideweg.
Nachdem er 1996 mit 17 Jahren für Leeds United in der Premier League debütiert hatte, zeigte er in den folgenden Jahren sehr gute Leistungen, wurde zum "Young Player of the Year" gewählt und erreichte 2001 mit Leeds das Halbfinale der Champions League. 2003 konnte er sich dann regelrecht ein europäisches Topteam aussuchen: Die englischen Big Four, Barcelona, der AC Mailand, alle wollten sie ihn verpflichten. Am Ende ging Kewell nach Liverpool.
Die 5 Jahre in Liverpool standen von Anfang an unter keinem guten Stern, aufgrund seiner Verletzungsanfälligkeit konnte der Australier keine Saison konstant durchspielen und daher nie richtig Fuß fassen. Nach zahllosen Verletzungen und Rückschlägen verloren am Ende Verein und Fans die Geduld. Zeitungen behaupteten, dass Kewell den Verein pro verletzungsbedingt verpasstem Spiel 300.000 Pfund koste. Am Ende waren beide Seiten froh über die Trennung.
Harry allein in Liverpool
So stand Kewell im Sommer letzten Jahres also ohne Verein da, doch Interessenten gab es genug: u.a machten einige englische Klubs und der AS Rom ein Angebot. Und Galatasaray Istanbul.
"What? No." so lautete nach eigener Aussage sein erster Gedanke, als er vom Interesse aus der Türkei hörte. Dass es am Ende doch zum Transfer kam, hatte vor allem einen Grund: Respekt.
"Sie zeigten mir den Respekt, den die anderen Vereine vermissen ließen." Was er damit meint, wird durch die Aussage seines Beraters deutlich: "Die anderen Vereine redeten nur von seiner Verletzungsanfälligkeit und versuchten so, die Gage zu drücken. Galatasaray dagegen sagte uns: Sagt uns nur, was ihr braucht."
Regelmäßige Flüge zur Familie nach England? Kein Thema.
Eigener Physiotherapeut? Ok, zahlen wir.
Kewell begriff den Transfer vor allem als Chance auf einen Neuanfang, den er nach der enttäuschenden Zeit in Liverpool brauchte: "Ich habe hier die Nummer 19 gewählt, die ich schon in Leeds hatte. Für mich persönlich ist das ein Zeichen, zu sagen: Was zwischen Leeds und jetzt passiert ist, vergiss es einfach." Für jemanden, dessen Kindheitstraum es war, einmal für den FC Liverpool zu spielen, sind das ziemlich bittere Worte. Kewell schloss also das 13-jährige Kapitel England und wagte den Schritt ins Unbekannte.
Nein, keine G-8-Demonstration, hier wird nur ein neuer Transfer begrüßt
Zweifel waren angebracht und wurden schnell laut. Die englische Öffentlichkeit, die Leeds-Fans (Galatasaray-Anhänger töteten im Jahr 2000 zwei Leeds-Fans), die australische Heimat, alle waren sie skeptisch: Was will Kewell in der Türkei? Bringt ers überhaupt noch? Das wars wohl für ihn.
In der Tat hatte der Transfer ein gewisses Risiko, und zwar vor allem für Kewell. Er war jetzt mit 29 im besten Fussballeralter und bekam nach frustrierenden Jahren eine neue Chance abseits des europäischen Fussball-Rampenlichts. Aber jetzt musste was gehen. Wenn es in der Türkei nicht klappen würde, dann wäre es das wohl wirklich für ihn. Das alles in einem völlig neuen Umfeld, in einem neuen Land mit einer fremden Sprache. Der Transfer war vor allem ein Experiment, und man durfte gespannt sein.
Jetzt oder nie, Harry. Comeback oder Bedeutungslosigkeit.
Der Anfang war dann schonmal sehr vielversprechend: erstes Spiel, türkischer Supercup gegen Kayserispor. Kewell wird in der zweiten Hälfte eingewechselt, köpft seine erste Ballberührung ins Tor und bereitet den zweiten Treffer vor. Beim ersten Einsatz hatte er mal eben im Alleingang den Supercup entschieden, und auch im Laufe des Jahres wurde vor allem eins klar: Er hats noch drauf. Nach einem sehr guten ersten Jahr konnte er sich diese Saison sogar noch steigern: er ist nach eigener Aussage fit wie noch nie und mit bislang insgesamt schon 14 Toren und 5 Vorlagen dieses Jahr der überragende Spieler seiner Mannschaft und absolute Führungsfigur.
Seit Georghe Hagi wurde wohl kein Spieler bei Galatasaray mehr so verehrt und bejubelt : Jeder zweite Fan trägt das Trikot mit der Nummer 19, vor jedem Spiel wird Kewell in jede einzelne Stadionkurve gerufen um sich von den Fans feiern zu lassen. Während dem Spiel gibt es regelmäßig ohrenbetäubende Harry-Kewell-Gesänge in allen Variationen zu hören.
Nicht sehr kreativ, die Hauptaussage wird aber deutlich..
Der Grund für die Begeisterung? Wenn die Leute in der Türkei über Kewell reden/schwärmen, fällt immer das Wort "profesyonel": Kewell setzt sich ohne Murren auch mal auf die Bank, stellte sich im wichtigen Viertelfinale im Uefa-Cup gegen den HSV im letzten Jahr in den Dienst der Mannschaft und aufgrund Verteidigermangels hinten rein in die Innenverteidigung, wo er einen hervorragenden Job machte. Nach einer Niederlage in Bursa beschwerte er sich bei der Rückfahrt nach Istanbul bei seinem Bruder, der ihn zu der Zeit besuchte, über die mangelnde Hingabe seiner Kollegen: "Sie müssen auch neben dem üblichen Training an sich arbeiten. Ich versuche immer wieder, das den jungen Spielern zu erklären, doch nach dem Training verlassen viele von ihnen sofort das Gelände."
Kewell kommt immer zwei Stunden vor Traininsbeginn und bleibt auch nach Ende der Übungseinheit auf dem Vereinsgelände, um mit seinem Physiotherapeuten zu trainieren. Angesprochen auf seinen Tagesablauf in Istanbul, sagt er: "Eigentlich nur trainieren, essen, schlafen. Zwischendrin spiele ich ein wenig Xbox, das wars. Sonst arbeite ich einfach rund um die Uhr."
Ein Fussballer der seinen Beruf noch im wörtlichen Sinne versteht, bei solchen Worten läuft den Fans das Wasser im Mund zusammen.
Und auch Kewell fühlt sich nach eigener Aussage im neuen Umfeld sehr wohl: "Istanbul ist eine fantastische Stadt, und an unsere Fans kommen nicht einmal die Liverpool-Fans heran. Wenn irgendjemand behaupten würde, dass ihre Anhänger besser seien als unsere, würde ich Geld dagegen wetten. Ich habe noch nie bessere Fans gesehen."
Istanbul liebt Harry, Harry liebt Istanbul, alles passt.
Doch ein Problem gibt es.
Teil 2: "Stay with us Harry!"
Im Juni 2008 stand Harry Kewell als Fussballer am Scheideweg.
Nachdem er 1996 mit 17 Jahren für Leeds United in der Premier League debütiert hatte, zeigte er in den folgenden Jahren sehr gute Leistungen, wurde zum "Young Player of the Year" gewählt und erreichte 2001 mit Leeds das Halbfinale der Champions League. 2003 konnte er sich dann regelrecht ein europäisches Topteam aussuchen: Die englischen Big Four, Barcelona, der AC Mailand, alle wollten sie ihn verpflichten. Am Ende ging Kewell nach Liverpool.
Die 5 Jahre in Liverpool standen von Anfang an unter keinem guten Stern, aufgrund seiner Verletzungsanfälligkeit konnte der Australier keine Saison konstant durchspielen und daher nie richtig Fuß fassen. Nach zahllosen Verletzungen und Rückschlägen verloren am Ende Verein und Fans die Geduld. Zeitungen behaupteten, dass Kewell den Verein pro verletzungsbedingt verpasstem Spiel 300.000 Pfund koste. Am Ende waren beide Seiten froh über die Trennung.
Harry allein in Liverpool
So stand Kewell im Sommer letzten Jahres also ohne Verein da, doch Interessenten gab es genug: u.a machten einige englische Klubs und der AS Rom ein Angebot. Und Galatasaray Istanbul.
"What? No." so lautete nach eigener Aussage sein erster Gedanke, als er vom Interesse aus der Türkei hörte. Dass es am Ende doch zum Transfer kam, hatte vor allem einen Grund: Respekt.
"Sie zeigten mir den Respekt, den die anderen Vereine vermissen ließen." Was er damit meint, wird durch die Aussage seines Beraters deutlich: "Die anderen Vereine redeten nur von seiner Verletzungsanfälligkeit und versuchten so, die Gage zu drücken. Galatasaray dagegen sagte uns: Sagt uns nur, was ihr braucht."
Regelmäßige Flüge zur Familie nach England? Kein Thema.
Eigener Physiotherapeut? Ok, zahlen wir.
Kewell begriff den Transfer vor allem als Chance auf einen Neuanfang, den er nach der enttäuschenden Zeit in Liverpool brauchte: "Ich habe hier die Nummer 19 gewählt, die ich schon in Leeds hatte. Für mich persönlich ist das ein Zeichen, zu sagen: Was zwischen Leeds und jetzt passiert ist, vergiss es einfach." Für jemanden, dessen Kindheitstraum es war, einmal für den FC Liverpool zu spielen, sind das ziemlich bittere Worte. Kewell schloss also das 13-jährige Kapitel England und wagte den Schritt ins Unbekannte.
Nein, keine G-8-Demonstration, hier wird nur ein neuer Transfer begrüßt
Zweifel waren angebracht und wurden schnell laut. Die englische Öffentlichkeit, die Leeds-Fans (Galatasaray-Anhänger töteten im Jahr 2000 zwei Leeds-Fans), die australische Heimat, alle waren sie skeptisch: Was will Kewell in der Türkei? Bringt ers überhaupt noch? Das wars wohl für ihn.
In der Tat hatte der Transfer ein gewisses Risiko, und zwar vor allem für Kewell. Er war jetzt mit 29 im besten Fussballeralter und bekam nach frustrierenden Jahren eine neue Chance abseits des europäischen Fussball-Rampenlichts. Aber jetzt musste was gehen. Wenn es in der Türkei nicht klappen würde, dann wäre es das wohl wirklich für ihn. Das alles in einem völlig neuen Umfeld, in einem neuen Land mit einer fremden Sprache. Der Transfer war vor allem ein Experiment, und man durfte gespannt sein.
Jetzt oder nie, Harry. Comeback oder Bedeutungslosigkeit.
Der Anfang war dann schonmal sehr vielversprechend: erstes Spiel, türkischer Supercup gegen Kayserispor. Kewell wird in der zweiten Hälfte eingewechselt, köpft seine erste Ballberührung ins Tor und bereitet den zweiten Treffer vor. Beim ersten Einsatz hatte er mal eben im Alleingang den Supercup entschieden, und auch im Laufe des Jahres wurde vor allem eins klar: Er hats noch drauf. Nach einem sehr guten ersten Jahr konnte er sich diese Saison sogar noch steigern: er ist nach eigener Aussage fit wie noch nie und mit bislang insgesamt schon 14 Toren und 5 Vorlagen dieses Jahr der überragende Spieler seiner Mannschaft und absolute Führungsfigur.
Seit Georghe Hagi wurde wohl kein Spieler bei Galatasaray mehr so verehrt und bejubelt : Jeder zweite Fan trägt das Trikot mit der Nummer 19, vor jedem Spiel wird Kewell in jede einzelne Stadionkurve gerufen um sich von den Fans feiern zu lassen. Während dem Spiel gibt es regelmäßig ohrenbetäubende Harry-Kewell-Gesänge in allen Variationen zu hören.
Nicht sehr kreativ, die Hauptaussage wird aber deutlich..
Der Grund für die Begeisterung? Wenn die Leute in der Türkei über Kewell reden/schwärmen, fällt immer das Wort "profesyonel": Kewell setzt sich ohne Murren auch mal auf die Bank, stellte sich im wichtigen Viertelfinale im Uefa-Cup gegen den HSV im letzten Jahr in den Dienst der Mannschaft und aufgrund Verteidigermangels hinten rein in die Innenverteidigung, wo er einen hervorragenden Job machte. Nach einer Niederlage in Bursa beschwerte er sich bei der Rückfahrt nach Istanbul bei seinem Bruder, der ihn zu der Zeit besuchte, über die mangelnde Hingabe seiner Kollegen: "Sie müssen auch neben dem üblichen Training an sich arbeiten. Ich versuche immer wieder, das den jungen Spielern zu erklären, doch nach dem Training verlassen viele von ihnen sofort das Gelände."
Kewell kommt immer zwei Stunden vor Traininsbeginn und bleibt auch nach Ende der Übungseinheit auf dem Vereinsgelände, um mit seinem Physiotherapeuten zu trainieren. Angesprochen auf seinen Tagesablauf in Istanbul, sagt er: "Eigentlich nur trainieren, essen, schlafen. Zwischendrin spiele ich ein wenig Xbox, das wars. Sonst arbeite ich einfach rund um die Uhr."
Ein Fussballer der seinen Beruf noch im wörtlichen Sinne versteht, bei solchen Worten läuft den Fans das Wasser im Mund zusammen.
Und auch Kewell fühlt sich nach eigener Aussage im neuen Umfeld sehr wohl: "Istanbul ist eine fantastische Stadt, und an unsere Fans kommen nicht einmal die Liverpool-Fans heran. Wenn irgendjemand behaupten würde, dass ihre Anhänger besser seien als unsere, würde ich Geld dagegen wetten. Ich habe noch nie bessere Fans gesehen."
Istanbul liebt Harry, Harry liebt Istanbul, alles passt.
Doch ein Problem gibt es.
Teil 2: "Stay with us Harry!"
Aufrufe: 2019 | Kommentare: 1 | Bewertungen: 3 | Erstellt:24.12.2009
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KOMMENTARE
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24.12.2009 | 00:27 Uhr
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eshkeeya :
Wenn ihr einen Kommentar zu dem Ding da oben habt (was ich doch sehr hoffe ), dann macht das zwecks übersichtlichkeit bitte unter dem zweiten Teil, Danke!
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