In meinem Kopf schwirrt noch das Ergebnis des heutigen Pokalspiels. 1:0. Aber nicht für uns. Dummerweise waren wir das Auswärtsteam, stehen also hinten. Verloren. Mal wieder. Trainerdiskussion. Immer noch. Mehr denn je. Ich rufe die einschlägigen Sportseiten auf. Kicker. Spox. Sport1. Sportal. Nur um Sport.de von RTL mach ich einen Bogen. Da kann ich auch aus meinem Kaffeesatz lesen.
Der allgemeine Tenor: "Markus, das wars!"
Ich schließe die Augen. Ich habe mit dem VfB schon große Siege gefeiert und schlimme Niederlagen erlitten. Doch dieses Mal ist es etwas anderes. Nicht Zorn, nicht Wut steigt in mir auf, sondern eine seltsame Form von Wehmut. Und Trauer. Trauer um den Mann, dem das alles im Grunde angelastet wird. Unser Trainer. Markus Babbel.
Vor meinem inneren Auge baut sich die Mercedes-Benz-Arena auf. Sie ist leer. Auf den Rängen liegen noch Fetzen von der vergangenen Stadionzeitung, der Rasen weist noch ein paar Löcher vom letzten Spiel auf. Ich denke an die Fans, die hier bei jedem Heimspiel mitfiebern, an die Gesänge, an die großen Abende...alles schon so lange her.
Ich bewege mich über das Spielfeld, rieche förmlich den Rasen. Die Trainerbank kommt in Sichtweite.
Und da sitzt er. Allein. Verlassen. Der Trainer. Markus Babbel. Ich gehe auf ihn zu, setzte mich neben ihn. Dorthin, wo sonst der Co sitzt. Ich blicke Markus an. Er starrt geradeaus. Wirkt ratlos und mutlos. Wie ein Mann, der alles versucht hat, aber nichts hat zum Erfolg geführt.



Wieder die Gesänge in meinem Kopf. Die Erinnerung; Ich lasse mich einfach treiben. Zurück in die letzte Saison, als du, Markus, deinen Posten vom Meistertrainer Armin Veh übernommen hast. Du bist zu dem Posten gekommen wie die Jungfrau zum Kinde, bist wahrscheinlich selbst erschrocken, als dich dein Freund Horst eines Tages angerufen hat. Aber du hast die Herausforderung angenommen, oh Mann, und wie du sie angenommen hast!
Scheiße, war das eine geile Saison mit dir! Weißt du noch was wir hier, in diesem Stadion für Sachen abgezogen haben? Wir ham sie alle abgefertigt, ALLE! Erinnerst du dich an das Bayernspiel? Samis Ausgleich in der 92.? Gott, wir sind alle fast ausgerastet! Du bist fast aufs Spielfeld gestürmt, bist herumgesprungen als hättest du das Tor gemacht...ich muss lachen.
Es war, als wäre mit dir wieder Leben in die Mannschaft gekommen! Euphorie wäre noch untertrieben! Und dann erst das Spiel gegen Wolfsburg, den späteren Meister! In Grund und Boden gespielt ham wir die! 4:1, das musst du dir mal geben, 4:1!!! ham wir die nach Hause geschossen! Bang, bang, bang, bang!
Aber auch die anderen Spiele, alles waren Highlights! Es war, als wäre auf einmal was freigesetzt worden, von DIR freigesetzt worden!
Aber nicht nur das. Du warst einfach frisch, unverbraucht!
Du hast einem Reporter, der dich mal nach deinen feinen Anzügen gefragt hat gesagt, für dich sei ein Spieltag ein Festtag, deshalb würdest du dich auch so anziehen wie an einem Festtag. Mit Weste und Sakko, und Clubkrawatte. Und verflucht, du hattest Recht, jeder Tag war ein verdammter Festtag!
Und jetzt? Jetzt soll alles weg sein? Gut, Festtag gabs schon lang keinen mehr...das Spiel gegen Frankfurt vielleicht...
Aber meine Herren, was ham wir denn erwartet? Klar wussten wir alle, dass es keine einfache Saison wird. Du als Pendler, dazu das Jahr 1 nach Gomez, im Grunde könnte man zu uns im Moment auch "Jugend forscht" nennen...aber hey, was solls? Klar hast du Fehler gemacht. Du hast es sogar offen eingestanden! Hätte auch nicht jeder gemacht. Es gibt Trainer, die sich auf den Standpunkt stellen, sie müssten niemandem mehr was beweisen oder die Schuld zuletzt bei sich suchen...du aber, du hast deine Fehler gesehen und es auch zugegeben. Meine Güte, du bist noch kein volles Jahr Trainer, wie gesagt, Jugend forscht! Fehler müssen ab und an doch auch mal erlaubt sein! Aber nein, man kann aus Fehlern auch schnell einen Strick gedreht bekommen. Die Medien haben dich schnell vom Sockel geholt. Schon seit ein paar Wochen haben die deinen Rausschmiss beschlossen. Ob es jetzt auch so kommt? Sehr wahrscheinlich. Du sagst, dass du schon lange genug im Geschäft bist und die Mechanismen kennst. Die Mechanismen, die jetzt zu greifen anfangen könnten. Und trotzdem muss diese Achterbahn auch für dich hart zu akzeptieren sein. Du glaubst, dass du keine schlechte Arbeit ablieferst. Ich glaube das, wir Fans glauben das!
Doch was nützt das? Richtig. Auch das hast du ja gesagt. Wenn die Ergebnisse ausbleiben, dann gibts halt nur noch eines...
Wird es bei uns so weit kommen? Ich glaube, du weißt es schon längst. Du rechnest mit deiner Entlassung. Du wärst wohl überrascht, wenn es nicht so käme.
Und doch will ich mich mit dem Gedanken nicht anfreunden. Ich bin wieder in der Gegenwart, neben mir ein Markus Babbel mit leerem Blick. Eine schlechte Kopie des Markus Babbel, den ich kennen gelernt habe. Den wir Fans lieben gelernt haben.
Ich versuche, mir Alternativen vorzustellen. Klinsmann, Koller, Favre, und wie diese Pfeifen alle heißen! NEIN! Ich will die nicht da sitzten sehen! Verdammt, ich GLAUBE an unseren Trainer, und der heißt Markus Babbel! ICH WILL, dass er bei uns bleibt!
Ein Trainer, der auf die Toten Hosen steht, der seine soziale Verantwortung sehr ernst nimmt, der schon persönlich durch die tiefsten Täler gehen musste und immer wieder stärker daraus hervorkam!



WAS kann uns denn besseres passieren? Du wärst fast im Rollstuhl gelandet, hast dieses Schicksal besiegt! Du BIST einfach ein Sieger! Daran ändert es auch nichts, wenn wir jetzt ein paar Mal verloren haben! ICH glaube daran, dass wir dieses Tal zusammen durchqueren können! Und dass wir am Ende noch enger zusammenstehen! Ich springe auf! UNITED WE STAND! WIR PACKEN DAS! WIR GLAUBEN DARAN!
Aber Fussball ist keine Glaubenssache.
Ich setzte mich wieder. Wieder neben Markus.
Markus starrt immer noch ins Leere, wirkt kraftlos und leer.
Dann wendet er den Kopf in Richtung Spielertunnel.
Ich folge seinem Blick.
Dort kommt Horst Heldt, der Sportvorstand, der, der für den Trainer verantwortlich ist.
Er kommt auf uns zu. Besser gesagt, er kommt auf Markus zu. Mich scheint er nicht zu sehen.
Er macht ein ernstes Gesicht...

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Markus, ich weiß nicht, ob du morgen früh oder danach noch unser Trainer sein wirst.

Aber falls es nicht so sein sollte:

Ich danke dir für die geile Zeit, die wir mit dir haben durften!



Wo auch immer es dich hinverschlägt, ich wünsche dir alles Gute und großen sportlichen Erfolg!

So long, and thanks for all the fish!

Er ist es noch. Ich bin glücklich!