Autor: Zac (Joel Grandke)
Das Spektakel auf den großen und traditionsreichen Plätzen dieser Welt ist eines Fußballfans liebstes Hobby. Welch eine Augenweide ist es, die Ronaldos, Messis oder Özils am Ball zu beobachten? Was sind im Camp Nou, im San Siro oder im Old Trafford nicht schon für Geschichten geschrieben worden? Und was kann für einen Fan wohl unvergesslicher sein, als das "You'll Never Walk Alone" live an der Liverpooler Anfield Road mitzugrölen?
Bei all der Faszination, die solche Spielstätten und Ausnahmekönner zweifelsfrei mit sich bringen, ist eindeutig festzustellen: Es bedarf keiner Zigtausend Anhänger oder Weltklasse-Fußballer, um große Emotionen auf dem Rasen zu erleben. Wer das nicht glaubt, gehört wohl nicht jenen Menschen an, die regelmäßig vor einer Handvoll Zuschauern ihr letztes Hemd geben. An jedem verdammten Sonntag auf den Dorfsportplätzen in der Heimat.
Es gibt nur wenige Fans, die sich in ihrem Leben nicht selbst einmal am runden Leder versuchten. Und es ist kein Zufall, dass viele über Jahrzehnte dem Amateurbereich aktiv die Treue halten. Denn mal Hand aufs Herz: Das niveaulose Gekicke in den untersten Ligen Deutschlands hat durchaus seinen Reiz. Im ersten Teil des Kreisklassen-Zweiteilers ("An jedem verdammten Sonntag...") haben wir bereits gelernt, dass "lange Dinger" stets Jubelstürme der Mitspieler auslösen und Eisspray nachgewiesenermaßen jede Verletzung heilen kann - egal ob Zerrung, offener Bruch oder Gehirnerschütterung. Weitere Beispiele für den Reiz der Amateurligen gefällig? Bitteschön!
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Profi-Fußballer fordern in solchen Szenen oftmals fälschlicherweise einen Freistoß, da sie das Einsteigen des Verteidigers als unverhältnismäßig brutal empfinden. Kreisklassen-Kicker sind jedoch regelkundiger und wissen: "Wenn der Ball gespielt wird, ist alles sauber!"
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Kreisklassenfußball sind zweifelhafte Regenerations-Maßnahmen. Während Profi-Kicker nach einem Einsatz in das wohl temperierte Ermüdungsbecken steigen dürfen, bleibt den Hobby-Fußballern oft nur eine Dusch-Zelle, gegen die "Amnesty International" schon längst wegen Menschenrechtsverletzung hätte klagen müssen. Der Duschstrahl ist entweder hart wie ein heftiger Hagelschauer oder schwach wie ein plätschernder Wohnzimmerbrunnen - dazwischen scheint es merkwürdigerweise nichts zu geben. Ein ähnliches Phänomen taucht bei der Wassertemperatur auf: Wer an einem Duschhahn selbst die Wärme oder Kälte regeln muss, hat verloren. Zwischen der Temperatur "Heiß wie flüssige Lava" und "Kalt wie das morgendliche Bad in einer antarktischen Bucht" gibt es offensichtlich nur einen Millimeter mit der Temperatur "Erträglich".
Kreisklassenfußball sind keuchende und hustende Spieler, die schwer nach Luft schnappend vom Trainer erlöst und ausgewechselt werden. Mit scheinbar letzter Kraft schleppen sie sich zur Ersatzbank, wo sie sich wie selbstverständlich direkt eine Kippe anstecken.
Kreisklassenfußball ist dort, wo völlig selbstüberschätzte Nachwuchsspieler in knallbunten Bolzern der Marke "Jungs, das sind die neuen Schuhe von Messi/Ronaldo/Westermann!" hemmungslos ausgelacht werden dürfen...
Kreisklassenfußball sind Spielbälle mit der Härte von Kanonenkugeln. Getreu dem Motto "Viel hilft viel" wird das Leder bei einigen Vereinen dermaßen aufgeblasen, dass sogar technisch passable Kopfbälle nach scharfen Flanken eine Gehirnerschütterung nach sich ziehen. Es wurden sogar schon Betreuer an der Tankstelle gesichtet, die dort die Bälle des Vereins bei der Reifendruck-Station mit Luft füllten.
Kreisklassenfußball ist ein Wechselbad der Gefühle. Trotz eines 0:4-Rückstandes des eigenen Teams können zwischenzeitlich Jubelstürme ausbrechen, wenn ein Zuschauer die Bundesliga-Ergebnisse über den Platz ruft. Der überraschende Führungstreffer in der Allianz Arena kann da schnell den aussichtslosen Spielstand auf dem heimischen Dorfplatz vergessen machen.
Kreisklassenfußball sind oft auch Familienangelegenheiten vor allem im Jugendbereich. Die berüchtigte Kombination ist zweifelsohne, wenn ein von Ehrgeiz getriebener Vater gleichzeitig Coach der Nachwuchsmannschaft ist, in der auch sein Sohnemann kickt. Bundesweite Statistiken belegen, dass 85 Prozent aller Trainersöhne "zufällig" die Rückennummer zehn tragen dürfen und immer als Spielmacher aufgestellt werden. Dieselben Statistiker wiesen auch nach, dass diese Kinder zu 95 Prozent kein Stück besser als der Rest der Mannschaft sind.
Kreisklassenfußball ist häufig auch das Talent, sich mit einem Torjubel-Plagiat aus der Champions League komplett zum Affen zu machen. Wenn auf dem Dorfsportplatz ein Treffer zum 4:0 gegen den Tabellenletzten mit einer Geste bejubelt wird, wie sie von Ronaldo oder Balotelli zuletzt bei einem entscheidenden Tor in der K.O.-Runde gezeigt wurde, ist der Schiedsrichter angehalten beim nächsten Zweikampf des Torschützen "zufällig" wegzuschauen, um dessen Gegenspieler eine "angemessene" Zweikampfführung zu ermöglichen.
Kreisklassenfußball ist das Aufeinandertreffen von traditionsreichen Spiel-Philosophien. Während der eine Trainer stets die Formel "Hoch und weit bringt Sicherheit" vertritt, schwört der andere auf die Weisheit "Flach spielen, hoch gewinnen". Eine perfekte Symbiose beider Auffassungen soll ein Team, so sagt man, unbesiegbar machen. Das Problem: Bei vielen Kreisklassen-Kickern entscheidet sich erst nachdem der Ball den Fuß verlassen hat, ob dieser nun lang, kurz oder doch direkt ins Seitenaus gespielt wird. Technik, die begeistert, eben...
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Jeder Kreisklassen-Kicker kennt das: Wenn der Mitspieler eine Großchance mal wieder jämmerlich versiebt, bleibt einem nicht mehr als dieser bemitleidende Blick und die Aufmunterung: "Der nächste sitzt!" Dabei weiß jeder, dass es nicht so kommen wird.
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Kreisklassenfußball ist ein Spiel auf engstem Raum. Das gilt aber in den seltensten Fällen für das Geschehen auf dem Platz. Vor und nach der Partie wird Spielern mit Platzangst nämlich stets Bange, wenn es mit 15 Männern in eine fünf Quadratmeter große Kabine geht. Dabei erlebt man in neun von zehn Fällen die angenehme Überraschung, dass sich eine weitere Mannschaft aus Platzgründen ebenfalls dort umziehen muss. Bei der "Wetten, dass..."-Redaktion gehen wöchentlich Vorschläge ein, bei denen sich Kreisklassenteams in voller Mannstärke in einer Telefonzelle umziehen wollen - in unter zwei Minuten. Eine ausführliche Traineransprache ist in dieser Zeit noch inklusive. Goldene Regel vor dem Verlassen der Kabine: Keinesfalls als Letzter gehen, sonst muss die Kiste mit den stinkenden Trikots zum Waschen mitgeschleppt werden.
Kreisklassenfußball sind taktische Besprechungen, die in etwa so viel Sinn machen wie ein Zebrastreifen auf einer Formel-1-Piste. Nachdem sich der Trainer eine Woche lang über die optimale Taktik Gedanken gemacht hatte, muss dieser spätestens zehn Minuten nach Anpfiff immer wieder feststellen, dass die Wege der Kreisklassenkicker unergründlich sind. Stoßstürmer, die auf einmal den gegnerischen Linksaußen auf Mann decken, oder Innenverteidiger, die sich frei von jeglichem Ballgefühl bei wahnsinnigen Vorstößen für den Matthäus der Neuzeit halten, sind keine Seltenheit. Am Ende steht dann oft nur ein Hühnerhaufen auf dem Platz, wobei dieser Vergleich eher für jene Geflügelschar eine Beleidigung darstellt - und nicht anders herum...
Zum Kreisklassenfußball gehört eine optimale Verletzungsprävention. Da herkömmliche Schienbeinschoner die Beweglichkeit im Fußgelenk scheinbar um bis zu hundert Prozent vermindern, greifen viele Hobby-Kicker auf ein Stück Pappe mit der Dicke einer Cornflakes-Packung zurück. Tritt ein Gegenspieler nun bei einer wahnsinnigen Grätsche frontal gegen das Schienbein des so geschützten Spielers, bricht sich maximal der Grätschende den Fuß. Der renommierte Sportmediziner Dr. Klenck ("In der Tat!") hat das in umfangreichen Kurvendiagrammen bereits nachgewiesen. Im Verteidigungsministerium wird indes offen darüber diskutiert, ob die schusssicheren Westen unserer Soldaten nicht durch die zusammengebastelte "Wunderpappe" ersetzt werden sollte.
Kreisklassenfußball ist Bratwurst im Brötchen. Kein Fußballfan braucht exotische Kreativ-Küche, wie sie in den Bundesliga-Stadien teils angeboten wird. Hier ist Bodenständigkeit gefragt, denn am Grill kann entscheidende Arbeit an der Fan-Basis betrieben werden. Das weiß nicht nur der Hamburger SV.
Kreisklassenfußball ist ein Sport der klaren Worte. Wenn der Schiedsrichter jemanden mit den Worten "Sie kenne ich noch aus Hinrunde - wir unterhalten uns nur in Farben!" begrüßt, weiß ein jeder sofort, woran er ist. Dass ohnehin alle Spieler wissen, wo auf dem kleinen Parkplatz das Auto des Schiris steht, ist diesem allerdings auch bewusst.
Kreisklassenfußball ist das einfachste Zeitspiel auf der Welt. Vor allem Plätze mit unzureichender Umzäunung zwingen den sonst ja immer fairen Kreisklassen-Kicker fast dazu, den Ball bei einer Führung mal locker 40 Meter weiter auf das benachbarte Grundstück zu kloppen. Während beim ersten Mal noch der Ersatzball bereit liegt, sieht es beim zweiten Mal schon schlechter für das zurückliegende Team aus. Die Ersatzspieler der Heimmannschaft sind dann nämlich meist noch damit beschäftigt, bei einer Runde "Schere-Stein-Papier" auszuknobeln, wer den eigentlichen Spielball denn nun holen muss.
Beim Kreisklassenfußball ist davon auszugehen, dass bei 99 Prozent aller Fouls, bei denen der Grätschende die Schiedsrichterentscheidung mit dem Satz "War doch Ball gespielt!" anfechtet, eine völlig unverhältnismäßig brutale Grätsche vorangegangen ist.
Zum Kreisklassenfußball gehören manchmal auch beeindruckende Kulissen. Dorfsportplätze sind schließlich der Ort, an dem sich eingefleischte Fans mit Streichhölzern oder Wunderkerzen in der Hand gerne mal für pyrotechnisch versierte Ultras halten. Auch weibliche Zuschauer am Spielfeldrand sind nicht selten spielentscheidend. Um zu beeindrucken, gehen viele Kicker bei entsprechendem Publikum auch gerne mal über die Schmerzgrenze. Leider handelt es sich bei den attraktiven Damen meist um Zuschauer, die von Fußball keinen blassen Schimmer haben und nach dem Spiel nicht mal wissen, wie die Begegnung überhaupt ausgegangen ist.
Beim Kreisklassenfußball gibt es oft keine Zeit zum Durchatmen. Hier geht es nach einem Elfmeter auch mal direkt mit Einwurf für den Gegner weiter. Auf peinliche Fehlschüsse folgt beim Schützen aber immer ein prüfender Blick auf die vermeintliche Bodenunebenheit im Rasen, da eine technische Fehlleistung kategorisch ausgeschlossen wird.
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Emotionen machen den Fußball aus - egal auf welchem Niveau. Doch wenn ein Kreisklassen-Fußballer den Treffer zum 6:0 gegen den dezimierten Tabellenletzten mit solchen Gesten bejubelt, sollte diesem doch bewusst werden, dass er sich vor einer Handvoll Leuten auf einem Dorfsportplatz befindet... Fremdscham!
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Der zeitlose Reiz des Niveaulosen: Fern von den großen Stadien und Ausnahmekönnern dieser Welt, wo Spiele noch zu unchristlichen Zeiten am Sonntagvormittag angepfiffen werden, wird Fußball noch in seiner Reinform zelebriert. Eingeflogene Blutgrätschen auf Kniehöhe, Bratwurst als letzte Stärkung unmittelbar vor der Einwechslung und Promillewerte, die teils höher sind als die Rückennummern - die Reize der Kreisklasse sind unzählig und vor allem eines: zeitlos. Und wer das niveaulose Gebolze auf den Dorfplätzen nicht einmal mit einer Bier- oder Kümmerling-Druckbetankung erträgt, sollte vielleicht auch als Zuschauer eine Dose Eisspray (auch bekannt als "Feenstaub") parat haben. Es heißt, ein gezielter Sprühstoß auf die Augen macht jeden Kick erträglicher. In diesem Sinne: Sportlich bleiben!
Dieser macht das ganze Rund. Wie oft ich mich, trotz sehr kurzer Kreisligazeit, in Situationen wieder finde ist der Wahnsinn.
Gerne mehr über die *unteren* Ligen Deutschlands.
Diese Nebenwirkungen können bei jedem Absatz erneut auftreten.
Sagen Sie nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt!
Ganz klasse!
Gleich mal beim Trainer anrufen....am WE in die Heimat fahren und mir als Spieler ohne Training die Bratwurst in der Halbzeit holen. (Realität!)
Fehlt nur noch die Warnung vom Trainer/Mitspieler: "Der hat mal höher gepielt"
Teil 1 war schon ein Kult-Werk mit 131TS Klicks
Jetzt Teil 2 und genauso großes Kino. Mal sehen ob es den ersten Teil toppen kann.