10.12.2008 um 12:39 Uhr
Implosion im Doppelpass
Schön, dass manche Erwartungen erfüllt werden. Nicht alle natürlich. Ein 3:3 hatte ich mir gewünscht zwischen dem FC Bayern München und 1899 Hoffenheim. Knapp daneben. Aber die Qualität des Spiels hat meine Hoffnungen bestätigt. Das war nämlich durchaus das Format, das man sonst erst in der K.O.-Runde der Champions League zu sehen bekommt. Ohne deutsche Beteiligung. Und natürlich helfen solche Spiele beiden Mannschaften dabei, sich weiter zu verbessern. Anders gesagt: Um perfekt auf das Achtelfinale der Champions League vorbereitet zu sein, müsste der FC Bayern eigentlich beantragen, mindestens einmal im Monat gegen Hoffenheim spielen zu dürfen. Nur Uli Hoeneß würde das wahrscheinlich nicht verkraften und (vermutlich live im DSF-Doppelpass) implodieren.
Momentan ist er ja der Wortführer in der Diskussion „Wie lange hält Hoffenheim das durch?" Dass er dabei nicht unbedingt der unparteiischste Teilnehmer dieses Meinungsaustauschs ist, wissen wir alle. Deshalb lassen wir Herrn Hoeneß außen vor und schauen uns mal genauer an, wo die Hoffenheimer herkommen und wo sie (vielleicht) hingehen werden.
Klar: Sie kommen aus der Regionalliga. Klar auch: Mit dem Team von damals haben sie nicht mehr viel zu tun. Von der Mannschaft, die im Aufstiegsjahr aus der Regionalliga im Spitzenspiel gegen den SV Wehen auflief, waren nur noch zwei Mann in München dabei: Torwart Daniel Haas (dessen Zeit als Nummer eins bald wieder vorbei sein dürfte) und Sejad Salihovic. Neben diesen beiden spielen nur noch Francisco Copado und Selim Teber derzeit eine Rolle in Hoffenheim. Viele andere sind abgewandert. So spielen Dragan Paljic und Kai Hesse mittlerweile bekanntermaßen in Kaiserslautern.
Der erste Quantensprung in Sachen Qualität folgte nach einem Fehlstart in die zweite Bundesliga. Kurz vor Ende der Transferperiode im Sommer 2007 verpflichtete Hoffenheim auf einen Schlag Carlos Eduardo (von Gremio Porto Alegre), Demba Ba (von Excelsior Mouscron), Chinedu Obasi (von Lyn Oslo) und Luiz Gustavo (von CRB Maceio). Kurz zuvor hatte man Vedad Ibisevic von Alemannia Aachen unter Vertrag genommen. Zusammen kosteten diese fünf 17 Millionen Euro. Viel Geld. Aber wann hat zuletzt eine Mannschaft derart erfolgreich eingekauft? Im Übrigen wird der Marktwert dieser fünf inzwischen auf zusammen 22 Millionen Euro geschätzt. Tendenz steigend.
Das waren also die „Superstars", die Milliardär Hopp seinem Team gönnte. So zumindest hieß es damals. Aber seien wir doch mal einen Moment lang ganz ehrlich. Wie viele dieser „Superstars" (Ibisevic mal außen vor gelassen, der pendelte in Aachen zwischen Startelf und Bank) kanntet ihr denn vorher? Ich persönlich: keinen einzigen. Und ich beschäftige mich viel mit Fußball. Ist nämlich mein Beruf. Diese Leute zu finden und ihr außergewöhnliches Talent zu identifizieren, das war eine ganz starke Leistung der TSG-Scouts. Und das Beste an den fünf: Sie sind (Stand heute) zwischen 21 und 24 Jahren alt, haben ihren Zenit also noch nicht erreicht.
Mit diesen Neuzugängen lief es dann auch gleich viel besser in Liga zwei. Die Abstiegsränge wurden schnell verlassen, doch gegen Spitzenteams gab es trotzdem noch klare Niederlagen (0:3 zu Hause gegen 1860 München, 0:2 zu Hause gegen Köln). Bis zur Winterpause. Da verpflichtete Ralf Rangnick nämlich Andreas Ibertsberger aus Freiburg, Marvin Compper aus Mönchengladbach und viel wichtiger noch: Er verpasste seinen Jungs im Wintertrainingslager eine Lektion in „Verteidigen als Team". Und die Lektion wirkte, Hoffenheim wurde das beste Rückrundenteam der Liga.
Vor dem Start in die Bundesliga gab es nur zwei Veränderungen im Team: es kam der Brasilianer Wellington (eine Investition, die sich bis jetzt noch nicht ausgezahlt hat) und Andreas Beck aus Stuttgart. Beide kosteten eine Menge Geld, zusammen fast 8 Millionen Euro. Aber sonst blieb das Team zusammen. Im Schnitt ist Hoffenheim (zusammen mit Leverkusen) das jüngste Team der Bundesliga. Der Marktwert der Mannschaft liegt bei geschätzten 46 Millionen Euro. Das ist in der Bundesliga-Rangliste Platz 12. Zwischen Eintracht Frankfurt und dem VfL Bochum. Nur um das Ganze mal einzuordnen.
Diese Truppe also spielte am vergangenen Freitag auf Augenhöhe mit dem FC Bayern. Schauen wir uns doch nur mal im Vergleich die beiden Viererketten an: Hoffenheim spielte mit: Beck (von der Bank des VfB Stuttgart), Jaissle (aus dem Nachwuchs des VfB), Compper (von der Bank bei Borussia Mönchengladbach, wo übrigens im Moment Innenverteidiger gesucht werden. Wer bestraft die Gladbacher Entscheidungsträger eigentlich dafür?) und Ibertsberger (in Freiburg nur noch Ersatz). Bei Bayern spielten Lahm (eigene Jugend), Lucio (kam als Bundesliga-Topverteidiger aus Leverkusen), Van Buyten (kam als Bundesliga-Topverteidiger aus Hamburg) und Oddo (AC Mailand). Das sind zwei unterschiedliche Welten.
So sieht die Gegenwart aus. Was bringt denn nun die Zukunft? Nun, ich bin mir sicher, dass Hoffenheim sich weiter steigern wird. Rangnick wird die Winterpause nutzen, um die Lektionen aus der Hinrunde zu verarbeiten. So wie er das im Vorjahr auch getan hat. Und die jungen Spieler werden in ihrer Entwicklung weiter Fortschritte machen. So wie sie das seit 18 Monaten kontinuierlich tun. Klar auch, dass die ein oder andere defensive Position noch verbessert werden muss. Torwart scheint ja nun kein Thema mehr zu sein. Und dann schauen wir mal, worum es beim Rückspiel am 33. Spieltag in Hoffenheim noch geht.
In der nächsten Saison könnte Hoffenheim dann also international dabei sein. Uli Hoeneß hat ja schon verkündet, dass sich die Welt im Kraichgau durch die Doppelbelastung verändern wird. Und natürlich hat er damit Recht. Aber: Hoffenheim hat zumindest offensiv jetzt schon so viele gute Spieler, dass Akteure wie Salihovic (an dem Bayern interessiert war) öfter auf der Bank sitzen als ihnen lieb ist. Klar wird Hoffenheim den Kader auch in der Breite verstärken müssen. Aber weil das Fundament schon jetzt sehr solide ist, muss gar nicht mehr so viel getan werden.
Der große Test wird sein, ob Hoffenheim in der Lage ist, einen Massenexodus seiner Spieler zu anderen Klubs zu verhindern. Besonders wichtig aus meiner Sicht: Man darf keine Leistungsträger innerhalb der Bundesliga abgeben. Schon gar nicht an den FC Bayern. Die Spieler müssen das Gefühl haben, dass es in Deutschland für sie im Moment keine bessere Adresse gibt. Das Ausland ist dagegen eine andere Sache. Chinedu Obasi ist meiner Meinung nach stark genug, um in ein oder zwei Jahren bei jedem europäischen Topklub zu spielen. Die 30 Millionen von Manchester United könnte man also ruhig einstecken. Aber die eigene Konkurrenz darf man nicht stärken. Sir Alex Ferguson verkauft zum Beispiel grundsätzlich keine Spieler zum Erzfeind aus Liverpool. Und ist damit ja ganz gut gefahren bis jetzt. Wenn die Hoffenheimer das schaffen, dann muss ihnen vor der Zukunft nicht bange sein.
Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 3519 | Kommentare: 19 | Bewertungen: 11 | Erstellt:10.12.2008
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KOMMENTARE
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10.12.2008 | 13:28 Uhr
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Es gibt jetzt keine großartigen neuen Erkenntnisse aber interessant geschrieben und nicht geschwafelt (das haben mit früher meine Lehrer immer vorgeworfen :-P).
Das ein Massenexodus der Spieler stattfindet halte ich für sehr warscheinlich, wenn die Scouting-Abteilung dann aber immernoch so gut arbeitet wie vor einem Jahr noch dann muss man sich auf dem Dorf aber keine Sorgen machen...
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10.12.2008 | 13:32 Uhr
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AndreasRenner : @Lieber Herr Midget!
Bin ich Hoffenheim-Sympathisant? Ich wohne im Südwesten der Republik und sympathisieren mit allen Klubs in der Umgebung. Zwischen Mainz im Norden, Freiburg im Süden, Karlsruhe im Osten und Kaiserslautern im Westen. Was die Hoffenheimer Auszeiten angeht: zumindest defensiv hat man sich die doch schon genommen. Und letztes Jahr in der zweiten Liga kann ich mich nicht an eine längere Krise erinnern.
Thema Verletzungen: Da die Offensive eher überbesetzt ist, dürften da eigentlich keine Probleme entstehen. Außer es verletzen sich sieben Mann gleichzeitig und das kann niemand kompensieren.
Interessieren würde mich, was Du am Hoffenheimer System "kritisch für die Zukunft" siehst.
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10.12.2008 | 13:49 Uhr
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midget : @Andreas
Diesem Blog nach habe ich, völlig wertfrei, zwischen den Zeilen schon eine Sympathie deinerseits ausmachen können. Ganz falsch lag ich ja nicht.Im letzten Jahr war die Hinrunde nicht wirklich hoffenheimlike.
Obs eine Krise war sei mal dahingestellt, aber die Maschinerie rollte nicht. Sonst hätte mein FC bestimmt nicht dort 2-0 gewonnen, DIE hatten nämlich eine Dauerkrise im letzten Jahr. Frag mich wie die aufgestiegen sind. Aber um so schöner. In diesem Zuge kannst du mal den Wolff Fuss schön grüßen
Wie du in deinem Blog ja auch erwähntest, haben sie in der Breite des Kaders dann ja auch nachgebessert.
Kritisch sehe ich die Zeit, die Hoffenheim hat, wenn alles so stimmt was man in den Medien mitbekommt.
Herr Hopp hat im DSF Doppelpass ja geäussert dass Hoffenheim in zwei Jahren ohne seine Unterstützung alles wuppen kann. Das hiesse ja dann auch, dass Hoffenheim ein wirklich sich selbsterhaltener Verein ohne Mäzen ist.
Wenn dem so ist kommen wir auf deine Befürchtungen zum Ende des Blogs zu sprechen. Der Exodus wird dann eintreffen. Spieler , Gesetz den Fall sie halten ihre momentane Form, wie Obasi, Ba, Weis etc. sind dann nicht mehr zu halten. Es sei denn Erfolge werden in den nächsten 2 Jahren eingefahren. Das kann ich aber nicht glauben aus den besagten Gründen in meinem ersten Kommentar.
Ich finde die ganze Entwicklung spannend, befürchte aber das die TSG als ganz normaler Fußballverein endet.
Ich wünsche es mir nicht, aber ich befürchte es.
NACHTRAG:
Bleibt das Mannschaftsgefüge ("wir 11 gegen alle") wirklich intakt? Die erste Zerreißprobe ist ja nun schon die Aussage Salihovics, bezüglich seiner Unzufriedenheit.
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10.12.2008 | 13:54 Uhr
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Können uns also auf einen spannenden Uefa-Cup oder vielleicht sogar doch eine spannende Champions League mit der TSG freuen.
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10.12.2008 | 15:57 Uhr
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Flokke : @midget
"Es wird sich erst zeigen ob Hoffenheim eine Topmannschaft ist wenn sie auch mal Rückschläge verkraften kann. Keine Mannschaft der Liga hält 34 Spieltage ihr Niveau."
Kann man so sehen, aber es gibt auch andere Argumente die gegen eine "Auszeit" sprechen, z.B. im Januar ziehen sie in ihr neues Stadion und ich kann mir durchaus vorstellen, das es noch einen extra Schub gibt.
Bei Hildebrandt muss man mal abwarten, aber er hat durchaus das Zeug dazu, ein exzellenter Rückhalt für die Mannschaft zu werden.
Wurde zwar schon oft genug gesagt, aber es ist auch ein rießenvorteil, wenn man sich nur auf die Buli konzentrieren kann und wirklich von Spiel zu Spiel denken.
Bleibt abzuwarten was Eintrifft, die Auszeit oder der Durchmarsch.
Ich persönlich traue ihnen den Durchmarsch zu, natürlich mit den Bayern, obs für die Meisterschaft reicht bleibt abzuwarten, aber ich sehe sie aufjeden Fall in der Champions League, sprich Platz 1-3.
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10.12.2008 | 16:17 Uhr
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Houdini76 : @Andreas
Ich finde den Blog richtig gut. In Deiner Antwort an Midget steht dass Du aus dem Südwesten kommst. Und man merkst es auch ein wenig. Ich bin aus der gleichen Region wie Du. Allerdings muss ich gestehen, dass ich es mit dem FC Bayern halte, und als deren Fan hoffe ich auf viele Duelle mit Hoffenheim, denn das Spiel am Freitag war absolute Klasse, wie früher gegen Dortmund, Leverkusen, Bremen, HSV und wer sonst noch alles da war. Daher auch meine Hoffnung das sich ein Verein mal länger als 4 - 5 Jahre, als Bayern-Konkurrent etabliert. So ist wenigstens mal Musik in Liga und der FCB hat einen Mitstreiter auf Dauer. Jedes Jahr 2 solche Spiele sind doch ein Leckerbissen und steigern auch das Ansehen der Bundesliga!!
Viele Grüße
Dirk
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10.12.2008 | 16:47 Uhr
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un wann der verein sich selbst trägt is au noch abzuwarten falls es zu früh geschieht sin topspieler schnell weg !! es wäre schon geil die tsg in der cl zusehen wovon ich schwer ausgehe !! naja spannend bleibts aufjeden fall!!
@ renner also ich beschäftige mich sehr viel mit fußball un eduardo war mir schon ein begriff^^ aber ich stimm dir zu das sin nicht gerade überspieler gewesen die sich jeder gute bl verein hätte leisten können bsp eduardo zum hsv als ersatz für vdv !! wobei ich glaube das die spieler der tsg in einem anderen verein nicht so auftrumpfen würden!!
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10.12.2008 | 16:49 Uhr
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Stege : Scouten von Talenten
Sie haben sicher recht damit das wir diese Spieler nicht kannten. Aber darauf kommt es doch auch nicht an, ich kannte viele Stars nicht bis in die Buli gewechselt sind.
Es ist schließlich der Job der Scouts solche Spieler zu sichten, zu analysieren und íhr Talent zu erkennen.
Aber war es nicht auch Inter Mailand die an Carlos Eduardo interessiert waren, sowie weitere europäische Spitzenclubs?
Gut er ist zur TSG gegangen, weil er sich seiner Meinung nach dort besser entwickelt, was ja auch zu stimmen scheint.
Was ich damit sagen möchte ist, das wir diese Spieler nicht kennen heißt gar nichts! Wir sind keine Scouts.
Eduardo und Co. standen auch auf anderen Wunschlisten, sonst hätte alle zusammen keine 17 Millionen Euro kostet sondern weniger....erheblich weniger.
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Statistik
sehr guter Blog aus der Sicht eines Hoffenheim-Sympathisanten.
Der sie ja wahrscheinlich sind.
Ich bin ein neutraler Beobachter und ich halte es mit Franz Beckenbauer:
Es wird sich erst zeigen ob Hoffenheim eine Topmannschaft ist wenn sie auch mal Rückschläge verkraften kann. Keine Mannschaft der Liga hält 34 Spieltage ihr Niveau.
Bayern hat am Anfang der Saison seine Auszeit genommen.
Diese wird auch noch Hoffenheim nehmen, wie letztes Jahr in der zweiten Liga auch.
Mich interessiert wie wird diese junge Mannschaft damit fertig wenn sie mal drei Spiele am Stück verliert. Wenn Verletzungen zu kompensieren sind.
Erst dann können wir weiter reden.
Ihren angesprochene These zum Massenexodus macht mich auch neugierig.
Ich bin durchaus ein Fan der Spielweise von Hoffenheim sehe aber das System durchaus kritisch in Bezug auf die Zukunft.
Warten wir es ab.