22.07.2008 um 12:33 Uhr
Lebensinhalt Rasenmähen
Den richtigen Zeitpunkt zu finden, um eine erfolgreiche Sportlerkarriere zu beenden ist extrem schwierig. Wie viele Superstars haben den Absprung verpasst und ihre Karriere nicht als überragende Akteure in einem erfolgreichen Team beendet sondern als Mitläufer in mittelmäßigen Mannschaften? Im Football gibt es da jede Menge Beispiele, von den Helden der Vergangenheit wie Johnny Unitas und Joe Namath bis zu Spielern wie Jerry Rice oder Deion Sanders in den letzten Jahren.
Ganz klar: Es ist schwer, sich vom Sport loszureißen. Die Wahrheit für die meisten Spieler lautet doch: Nichts, was sie in ihrem restlichen Leben anfangen, werden sie jemals wieder so beherrschen wie den Sport. Ganz davon abgesehen, dass auch nichts anderes so aufregend und gut bezahlt ist. Aber der menschliche Körper macht eben nicht alles mit und irgendwann ist Schluss, für jeden.
Und wie viele Spieler haben es tatsächlich geschafft, auf dem Zenit abzutreten? Detroit Lions-Running Back Barry Sanders, der hat einfach von heute auf morgen gesagt: "Das war es für mich." Und seitdem hat man auch praktisch nichts mehr von ihm gehört. Sanders hat sich im Rampenlicht der Medien nie wohl gefühlt. Und machte seiner Karriere ein Ende, obwohl sie nicht von einem Titel gekrönt wurde. John Elway dagegen, der hat es geschafft. Zwei Super Bowl-Siege in seinen letzten beiden Karrierejahren und dann der Ritt in den Sonnenuntergang. Vorher noch allen Kritikern, die jahrelang behauptet hatten, er könne die großen Spiele nicht gewinnen, gezeigt wo der Hammer hängt. Ein Sportlertraum.
Aber eben die große Ausnahme. Dass es nicht immer so glatt läuft, erleben wir gerade am Beispiel von Green Bay Packers-Quarterback Brett Favre. Schon seit Jahren eiert der gute Brett in jeder Saisonpause herum: Soll ich aufhören oder weitermachen? Und bis zu diesem Jahr lautete die Antwort immer irgendwann: weitermachen! Diesmal sollte es anders sein. Im März verkündete Favre tränenreich seinen Abschied vom Football, wurde dafür ein letztes Mal überall als einer der Größten aller Zeiten abgefeiert und Ende. Nicht zum schlechtesten Zeitpunkt, denn in der vergangenen Saison hatte Favre (nach einigen eher schwachen Jahren davor) an seine besten Zeiten angeknüpft und seine Packers bis ins Halbfinale geführt. Tja, es hätte so schön sein können.
Aber dann kam der Juli und der notorisch wankelmütige Favre hatte plötzlich doch wieder Lust auf Football. Ich denke, das kann man sich ungefähr so vorstellen: Die Saison ist seit einem halben Jahr vorbei, die Wehwehchen sind abgeheilt und der wöchentliche Druck ist gewichen. Und man sitzt da auf seinem Landgut in Louisiana und stellt plötzlich fest, dass Rasenmähen kein echter Lebensinhalt ist. Dann überkommt einen der unwiderstehliche Drang mit den Jungs ins Trainingslager zu ziehen (auch wenn es höllisch anstrengend ist, aber das hat man verdrängt) und will wieder zurück zur Action. Das erste Trainingslager, das ohne einen stattfindet, so sagt man, ist für zurückgetretene Footballer das Schwerste. So muss es auch bei Favre gewesen sein.
Eins sollte man über den Menschen Brett Favre noch wissen: Planung für sein Karriereende hat er nicht betrieben. Geld hat er fraglos genug, um nie wieder einen Finger rühren zu müssen. Aber Geld ist kein Lebensinhalt. Die Medien haben ihn nie interessiert (auch wenn sie ihn sofort genommen hätten), für einen Trainerjob hat er keine Eignung gezeigt (schließlich hat er während seiner Karriere oft genug das Gegenteil von dem gemacht, was der Trainer wollte) und irgendwelche anderen Hobbys sind auch nicht überliefert. Bis auf die Jagd. Aber das füllt einen ex-Profi kaum voll aus. Und so ist die Sinnfrage unvermeidlich: Was fange ich denn jetzt mit mir an? Intellektuell stärkere Spieler stellen sich während ihrer Karriere auf die Leere danach ein. Aber Intellekt war eben noch nie Favres Stärke.
Also meldet man sich (per SMS) bei seinem alten Team und lässt folgende Nachricht verbreiten: "Äh Jungs, ich habe doch wieder Lust auf Football." Dummerweise sind die Packers mittlerweile aber voll auf Kurs, mit Favres Nachfolger Aaron Rodgers in die Zukunft zu gehen. In der Draft kamen noch zwei weitere Quarterbacks nach Wisconsin. Die Resonanz aus Green Bay war bestenfalls lauwarm. Favre war sauer. Dabei gab es für das Verhalten seines ex-Teams gute Gründe.
Nicht nur, dass man Favres "Ich-will-spielen-ich-will-nicht-spielen"-Leier schon seit Jahren kannte. Nach seinem Rücktritt hatte Favre den Packers schon einmal signalisiert, dass er es sich vielleicht noch mal anders überlegt. General Manager Ted Thompson und Head Coach Mike McCarthy waren schon fast auf dem Weg nach Louisiana, um über Favres Rückkehr zu sprechen. Als der Star-Quarterback wieder einen Rückzieher machte. Und irgendwann reicht es einfach.
Diesmal war die Botschaft in den Süden klar und deutlich: Du kannst ins Trainingslager kommen, aber der Starterposten ist nicht garantiert. Für einen Superstar wie Favre eine Beleidigung. Nun wollte er aus seinem Vertrag entlassen werden, um bei einem anderen Team zu unterschreiben. Möglicherweise eine akzeptable Lösung für Green Bay, wären nicht ausgerecht Green Bays Erzfeinde Minnesota und Chicago auf der Spielmacherposition nicht optimal bestückt. Man stelle sich dieses Desaster vor: Erstes Monday Night-Spiel der Saison im Lambeau Field gegen Minnesota. Green Bays neuer Spielmacher Aaron Rodgers hat einen schlechten Tag und Favre als Spielmacher der Vikings führt sein neues Team zu einem triumphalen Sieg an seiner alten Wirkungsstätte. Ein Alptraum für die Packers!
Eine Frage in diesem Zusammenhang muss man Favre stellen: Wie kann es sein, dass er selbst als Symbol für die Packers-Nation nicht einfach verkündet: "Ich will wieder spielen, würde aber nie für die Vikings oder Bears auflaufen"? Damit könnte er seinen Status als Footballgott in Wisconsin weiter untermauern. Und es den Packers leichter machen, ihn ziehen zu lassen. Stattdessen soll es schon Gespräche zwischen den Vikings und Favre gegeben haben.
Das Leben ist kompliziert und Green Bays Verantwortliche können in dieser Situation viel falsch machen. Schuld an dem Dilemma trägt aber nur einer: Brett Favre nämlich. Wer bitte kann denn das egoistische Rumgeeiere des alternden Superstars noch ertragen? Hätte er im März gesagt: "Ich spiele weiter", dann ginge er jetzt als Starter ins Trainingslager der Packers. Aber irgendwann muss man einfach mal sagen was man will und es dann auch tun. Sonst vergrault man seine Fans und zerstört zumindest einen Teil seiner Hinterlassenschaft. Also Brett: Tue uns allen einen Gefallen und bleib daheim.
Bis bald,
Andreas
Ganz klar: Es ist schwer, sich vom Sport loszureißen. Die Wahrheit für die meisten Spieler lautet doch: Nichts, was sie in ihrem restlichen Leben anfangen, werden sie jemals wieder so beherrschen wie den Sport. Ganz davon abgesehen, dass auch nichts anderes so aufregend und gut bezahlt ist. Aber der menschliche Körper macht eben nicht alles mit und irgendwann ist Schluss, für jeden.
Und wie viele Spieler haben es tatsächlich geschafft, auf dem Zenit abzutreten? Detroit Lions-Running Back Barry Sanders, der hat einfach von heute auf morgen gesagt: "Das war es für mich." Und seitdem hat man auch praktisch nichts mehr von ihm gehört. Sanders hat sich im Rampenlicht der Medien nie wohl gefühlt. Und machte seiner Karriere ein Ende, obwohl sie nicht von einem Titel gekrönt wurde. John Elway dagegen, der hat es geschafft. Zwei Super Bowl-Siege in seinen letzten beiden Karrierejahren und dann der Ritt in den Sonnenuntergang. Vorher noch allen Kritikern, die jahrelang behauptet hatten, er könne die großen Spiele nicht gewinnen, gezeigt wo der Hammer hängt. Ein Sportlertraum.
Aber eben die große Ausnahme. Dass es nicht immer so glatt läuft, erleben wir gerade am Beispiel von Green Bay Packers-Quarterback Brett Favre. Schon seit Jahren eiert der gute Brett in jeder Saisonpause herum: Soll ich aufhören oder weitermachen? Und bis zu diesem Jahr lautete die Antwort immer irgendwann: weitermachen! Diesmal sollte es anders sein. Im März verkündete Favre tränenreich seinen Abschied vom Football, wurde dafür ein letztes Mal überall als einer der Größten aller Zeiten abgefeiert und Ende. Nicht zum schlechtesten Zeitpunkt, denn in der vergangenen Saison hatte Favre (nach einigen eher schwachen Jahren davor) an seine besten Zeiten angeknüpft und seine Packers bis ins Halbfinale geführt. Tja, es hätte so schön sein können.
Aber dann kam der Juli und der notorisch wankelmütige Favre hatte plötzlich doch wieder Lust auf Football. Ich denke, das kann man sich ungefähr so vorstellen: Die Saison ist seit einem halben Jahr vorbei, die Wehwehchen sind abgeheilt und der wöchentliche Druck ist gewichen. Und man sitzt da auf seinem Landgut in Louisiana und stellt plötzlich fest, dass Rasenmähen kein echter Lebensinhalt ist. Dann überkommt einen der unwiderstehliche Drang mit den Jungs ins Trainingslager zu ziehen (auch wenn es höllisch anstrengend ist, aber das hat man verdrängt) und will wieder zurück zur Action. Das erste Trainingslager, das ohne einen stattfindet, so sagt man, ist für zurückgetretene Footballer das Schwerste. So muss es auch bei Favre gewesen sein.
Eins sollte man über den Menschen Brett Favre noch wissen: Planung für sein Karriereende hat er nicht betrieben. Geld hat er fraglos genug, um nie wieder einen Finger rühren zu müssen. Aber Geld ist kein Lebensinhalt. Die Medien haben ihn nie interessiert (auch wenn sie ihn sofort genommen hätten), für einen Trainerjob hat er keine Eignung gezeigt (schließlich hat er während seiner Karriere oft genug das Gegenteil von dem gemacht, was der Trainer wollte) und irgendwelche anderen Hobbys sind auch nicht überliefert. Bis auf die Jagd. Aber das füllt einen ex-Profi kaum voll aus. Und so ist die Sinnfrage unvermeidlich: Was fange ich denn jetzt mit mir an? Intellektuell stärkere Spieler stellen sich während ihrer Karriere auf die Leere danach ein. Aber Intellekt war eben noch nie Favres Stärke.
Also meldet man sich (per SMS) bei seinem alten Team und lässt folgende Nachricht verbreiten: "Äh Jungs, ich habe doch wieder Lust auf Football." Dummerweise sind die Packers mittlerweile aber voll auf Kurs, mit Favres Nachfolger Aaron Rodgers in die Zukunft zu gehen. In der Draft kamen noch zwei weitere Quarterbacks nach Wisconsin. Die Resonanz aus Green Bay war bestenfalls lauwarm. Favre war sauer. Dabei gab es für das Verhalten seines ex-Teams gute Gründe.
Nicht nur, dass man Favres "Ich-will-spielen-ich-will-nicht-spielen"-Leier schon seit Jahren kannte. Nach seinem Rücktritt hatte Favre den Packers schon einmal signalisiert, dass er es sich vielleicht noch mal anders überlegt. General Manager Ted Thompson und Head Coach Mike McCarthy waren schon fast auf dem Weg nach Louisiana, um über Favres Rückkehr zu sprechen. Als der Star-Quarterback wieder einen Rückzieher machte. Und irgendwann reicht es einfach.
Diesmal war die Botschaft in den Süden klar und deutlich: Du kannst ins Trainingslager kommen, aber der Starterposten ist nicht garantiert. Für einen Superstar wie Favre eine Beleidigung. Nun wollte er aus seinem Vertrag entlassen werden, um bei einem anderen Team zu unterschreiben. Möglicherweise eine akzeptable Lösung für Green Bay, wären nicht ausgerecht Green Bays Erzfeinde Minnesota und Chicago auf der Spielmacherposition nicht optimal bestückt. Man stelle sich dieses Desaster vor: Erstes Monday Night-Spiel der Saison im Lambeau Field gegen Minnesota. Green Bays neuer Spielmacher Aaron Rodgers hat einen schlechten Tag und Favre als Spielmacher der Vikings führt sein neues Team zu einem triumphalen Sieg an seiner alten Wirkungsstätte. Ein Alptraum für die Packers!
Eine Frage in diesem Zusammenhang muss man Favre stellen: Wie kann es sein, dass er selbst als Symbol für die Packers-Nation nicht einfach verkündet: "Ich will wieder spielen, würde aber nie für die Vikings oder Bears auflaufen"? Damit könnte er seinen Status als Footballgott in Wisconsin weiter untermauern. Und es den Packers leichter machen, ihn ziehen zu lassen. Stattdessen soll es schon Gespräche zwischen den Vikings und Favre gegeben haben.
Das Leben ist kompliziert und Green Bays Verantwortliche können in dieser Situation viel falsch machen. Schuld an dem Dilemma trägt aber nur einer: Brett Favre nämlich. Wer bitte kann denn das egoistische Rumgeeiere des alternden Superstars noch ertragen? Hätte er im März gesagt: "Ich spiele weiter", dann ginge er jetzt als Starter ins Trainingslager der Packers. Aber irgendwann muss man einfach mal sagen was man will und es dann auch tun. Sonst vergrault man seine Fans und zerstört zumindest einen Teil seiner Hinterlassenschaft. Also Brett: Tue uns allen einen Gefallen und bleib daheim.
Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 2383 | Kommentare: 1 | Bewertungen: 6 | Erstellt:22.07.2008
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KOMMENTARE
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22.07.2008 | 14:54 Uhr
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Red_7 :
Er sollte aufhören. Leider hat es ja letztes Jahr nicht geklappt mit einem NFC Championshipgame Dallas vs. Green Bay, was ich mir als Dallas Fan eigentlich gewünscht hätte. Zumal Romo und Favre einen ähnlichen Stil haben. Das wäre dann ein Stabwechsel gewesen...
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