11.04.2011 um 23:51 Uhr
Legends of Sport - (12)
So mancher Sportler hat sich seine Karriere durch Faulheit versaut, einige durch Doping, andere durch kriminelle Machenschaften und wieder andere mit einer verschwenderischen Kaufsucht die sie an den Bettelstab gebracht haben. Aber leider gibt es auch Menschen, die all diesen Dingen entkommen sind und trotz großem Talent, viel Engagement und harter Arbeit nie ganz oben ankamen. Und doch sind sie Legenden, weil sie in den wenigen Jahren, einen größeren Eindruck hinterlassen haben, als andere in ihrer ganzen Karriere. So auch:
Paul Alan Hunter
Leeds 1978, eine Stadt gebeutelt von Hooligans, Arbeitslosigkeit und Bandekriegen. "Clobbering" war slang für brutale Überfälle und die Jugendszene verbrachte mehr Zeit in Pubs als in Schulen. Dabei war Kameradschaft wichtiger als alles andere. Wer einmal "Green Street" gesehen hat, bekommt eine Vorstellung vom leben in Leeds in den 80ern. Die mehrmals aufgekommenen "Chapeltown race riots" (1975 - 1987) prägten die Stadt.
"Knightsbridge of the North" war gerade durch eine der größten Einwanderströme gegangen und die Einwohnerzahl hatte sich zwischen 74 und 75 verdoppelt. Die Anerkennung als Metropolitan District war noch das positivste daran. In dieser Zeit aufzuwachsen, war mit Sicherheit kein Zuckerschlecken.
Und wenn abends im Pub die Väter ein Bier nach dem anderen kippten und das Spiel von Leeds United am Schirm verfolgten, standen die Jungs am Pool oder Snooker Tisch und alberten herum. Nicht Paul, dem gefiel das Spiel auf dem grünen Filz. Er spielte regelmäßig und das sah man.
Mit 11 Jahren begann er neben der Schule auch in einer reinen Snookerhalle in Bradford zu spielen. Neben einigen Amateruspielern, traf man dort auch Größen wie Jimmy Michie und Joe Johnson. Letzterer wurde ein guter Freund und Spielpartner von Paul. Beide trainierten gemeinsam und Hunter lernte schnell vom ehemaligen World-Champion.
Mit 12 wurde er zum "outstanding junior talent" ernannt und gewann die meisten Junioren Turniere, an denen er teil nahm. 2 Jahre später gelang ihm der erste Landestitel. Mit seinem Partner Richard Brooke holte er das English Doubles Championship.
Einer Karriere als Profi stand nichts mehr im Weg. Am 12. July 1995 bestritt er sein erstes Pro-Turnier und nur 4 Monate später besiegte er den auf Weltranglistenplatz 6 liegenden Alan McManus mit 9-6 bei den UK Championships.
3 Jahre setzte er hier und da immer wieder ein Ausrufezeichen um dann 1998 den ersten Titel zu erringen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Auf seinem Weg zum Finaltriumph musste der 17jährige gegen Snookerlegenden wie Steve Davis, Alan McManus, Peter Ebdon und im Finale dann John Higgins bestehen.
Die Snookerwelt schaute auf zum wohl größten Talent "on the Block".
Im Folgejahr nahm er erstmals am größten und ältesten Turnier der Welt teil. Dem World Snooker Championship im Crucible Theater. Leider ohne Losglück. Der seit 2 Jahren auf Mastersturnieren unbesiegte Stephen Hendry sollte sein Erstrundengegner sein.
Nach einem 0-6 Rückstand kämpfte sich Paul auf 6-7 heran und musste sich am Ende dann doch mit 8-10 geschlagen geben. Hendry sagte später etwas verblüfft: "That kid is good." Wahrgenommen! Vom größten seiner Zeit ....
2 Jahre später schlug er ihn dann. 2001, beim Masterturnier in London rang er Hendry ein 6-4 ab. Aber im Finale lief es nicht rund. Fergal O'Brien lag bereits 7:2 in Führung, als die Morgensession endete. Spät am Nachmittag sollte es weiter gehen und Hunter kam wieder, als hätte er 1 Tonnen Cola getrunken. Mit der Konzentration einer Raubkatze auf Jagd und der Körpersprache eines Adlers spielte er Frame um Frame ab, bis er das Spiel mit 10-9 gewann und seinen 2. Masterstitel feiern durfte.
Auf die Frage was er denn über die Mittagspause geändert habe um so stark wieder in's Match zurück zu finden, antwortete er: "Well, I went for Plan B".
Plan B ist ein synonym für "Bonker", was wiederum Slang für Sex war: "Für Sex war ich überhaupt nicht in der Laune. Aber ich musste etwas tun um die Lethargie zu brechen. Es war eine schnelle Session - vielleicht 10 Minuten - aber nacher habe ich mich großartig gefühlt. Sie ging ins Bad, ich hatte ein Nickerchen und spielte danach wie im Traum. Ich gewann spielend"
Noch Fragen?
2003 setzte er ein Achtungszeichen, als er im Cruicible Theatre nur ganz knapp am Titel vorbeischrammte. Er unterlag in einem der anspruchsvollsten Matches der letzten 20 Jahre dem iren Ken Doherty mit 17-16. Diesmal zeigte der Ire die sonst bei Paul aufkommenden Kräfte und kämpfte sich aus einem 9-15 Rückstand zurück. Blasphemie, wer hier noch behauptete, Hunter wäre ein ewiges Talent gewesen.
Ein Jahr später erkämpfte er sich seinen 3. Masterstitel im Finale gegen Ronnie O'Sullivan. Und als wäre es nicht genug, wiederholte er den Frameaufbau fast genauso wie 2001. Wieder lag er 2-7 hinten und besiegte "The Rocket" am Ende doch mit 10-9. 5 Century Frames! Ob es wieder ein Quickie mit seiner Frau Lindsay war, welches den Ausschlag gab, verriet er nicht.
Mit dem absoluten Wind in den Segeln, einem Jahrhundertalent und Siegen gegen die Topdogs im Rücken gab er im April 2005 bekannt, dass er an einem Neuroendokrinen Tumor an der Bauchspeicheldrüse litt.
Nur 3 Wochen später erfuhr er, dass Lindsay schwanger war. "Ich werde wohl der einzige Mensch auf der Chemostation sein, der mit einem breiten Grinsen durch das Krankenhaus läuft".
Aber er spielte auch weiter Snooker. Mit mäßigem Erfolg. Zu groß die Schmerzen und zu fortgeschritten die Nervenschäden. Aber seine Tochter Evie Rose gab ihm Kraft zu kämpfen. Umsonst.
Am 9. Oktober 2006 starb Paul Hunter im Krankenhaus von Kirkwood, Huddersfield. 5 Tage vor seinem 28. Geburtstag.
Und wie schon zu Lebzeiten, brach er auch bei seiner Beerdigung mit allen Traditionen. Mit der Musik aus RockyIII wurde sein Sarg aus der Leeds Parish Church getragen.
Gefolgt von seiner Frau Lindsay, die stolz und erhobenen Hauptes lief, 2 Rosen in der Hand, eine pink die andere gelb. Sie küsste beide Rosen bevor sie diese auf dem herabgelassenen Sarg legte und zwischen Pauls Eltern, Alan und Christine platz nahm. Vor einer Trauergemeinde aus dem Who-is-Who of Snooker.
Als Abschlusswort dient das Gedicht, welches Lindsay am Grab vorlaß:
"If you stood at the great gates of heaven, one look and you would understand. For among the great host of angels, would be one with a cue in his hand."
Eine Wahre Legende seines Sports
Übersicht der Legends of Sport
Paul Alan Hunter
Leeds 1978, eine Stadt gebeutelt von Hooligans, Arbeitslosigkeit und Bandekriegen. "Clobbering" war slang für brutale Überfälle und die Jugendszene verbrachte mehr Zeit in Pubs als in Schulen. Dabei war Kameradschaft wichtiger als alles andere. Wer einmal "Green Street" gesehen hat, bekommt eine Vorstellung vom leben in Leeds in den 80ern. Die mehrmals aufgekommenen "Chapeltown race riots" (1975 - 1987) prägten die Stadt.
"Knightsbridge of the North" war gerade durch eine der größten Einwanderströme gegangen und die Einwohnerzahl hatte sich zwischen 74 und 75 verdoppelt. Die Anerkennung als Metropolitan District war noch das positivste daran. In dieser Zeit aufzuwachsen, war mit Sicherheit kein Zuckerschlecken.
Und wenn abends im Pub die Väter ein Bier nach dem anderen kippten und das Spiel von Leeds United am Schirm verfolgten, standen die Jungs am Pool oder Snooker Tisch und alberten herum. Nicht Paul, dem gefiel das Spiel auf dem grünen Filz. Er spielte regelmäßig und das sah man.
Mit 11 Jahren begann er neben der Schule auch in einer reinen Snookerhalle in Bradford zu spielen. Neben einigen Amateruspielern, traf man dort auch Größen wie Jimmy Michie und Joe Johnson. Letzterer wurde ein guter Freund und Spielpartner von Paul. Beide trainierten gemeinsam und Hunter lernte schnell vom ehemaligen World-Champion.
Mit 12 wurde er zum "outstanding junior talent" ernannt und gewann die meisten Junioren Turniere, an denen er teil nahm. 2 Jahre später gelang ihm der erste Landestitel. Mit seinem Partner Richard Brooke holte er das English Doubles Championship.
Einer Karriere als Profi stand nichts mehr im Weg. Am 12. July 1995 bestritt er sein erstes Pro-Turnier und nur 4 Monate später besiegte er den auf Weltranglistenplatz 6 liegenden Alan McManus mit 9-6 bei den UK Championships.
3 Jahre setzte er hier und da immer wieder ein Ausrufezeichen um dann 1998 den ersten Titel zu erringen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Auf seinem Weg zum Finaltriumph musste der 17jährige gegen Snookerlegenden wie Steve Davis, Alan McManus, Peter Ebdon und im Finale dann John Higgins bestehen.
Die Snookerwelt schaute auf zum wohl größten Talent "on the Block".
Im Folgejahr nahm er erstmals am größten und ältesten Turnier der Welt teil. Dem World Snooker Championship im Crucible Theater. Leider ohne Losglück. Der seit 2 Jahren auf Mastersturnieren unbesiegte Stephen Hendry sollte sein Erstrundengegner sein.
Nach einem 0-6 Rückstand kämpfte sich Paul auf 6-7 heran und musste sich am Ende dann doch mit 8-10 geschlagen geben. Hendry sagte später etwas verblüfft: "That kid is good." Wahrgenommen! Vom größten seiner Zeit ....
2 Jahre später schlug er ihn dann. 2001, beim Masterturnier in London rang er Hendry ein 6-4 ab. Aber im Finale lief es nicht rund. Fergal O'Brien lag bereits 7:2 in Führung, als die Morgensession endete. Spät am Nachmittag sollte es weiter gehen und Hunter kam wieder, als hätte er 1 Tonnen Cola getrunken. Mit der Konzentration einer Raubkatze auf Jagd und der Körpersprache eines Adlers spielte er Frame um Frame ab, bis er das Spiel mit 10-9 gewann und seinen 2. Masterstitel feiern durfte.
Auf die Frage was er denn über die Mittagspause geändert habe um so stark wieder in's Match zurück zu finden, antwortete er: "Well, I went for Plan B".
Plan B ist ein synonym für "Bonker", was wiederum Slang für Sex war: "Für Sex war ich überhaupt nicht in der Laune. Aber ich musste etwas tun um die Lethargie zu brechen. Es war eine schnelle Session - vielleicht 10 Minuten - aber nacher habe ich mich großartig gefühlt. Sie ging ins Bad, ich hatte ein Nickerchen und spielte danach wie im Traum. Ich gewann spielend"
Noch Fragen?
2003 setzte er ein Achtungszeichen, als er im Cruicible Theatre nur ganz knapp am Titel vorbeischrammte. Er unterlag in einem der anspruchsvollsten Matches der letzten 20 Jahre dem iren Ken Doherty mit 17-16. Diesmal zeigte der Ire die sonst bei Paul aufkommenden Kräfte und kämpfte sich aus einem 9-15 Rückstand zurück. Blasphemie, wer hier noch behauptete, Hunter wäre ein ewiges Talent gewesen.
Ein Jahr später erkämpfte er sich seinen 3. Masterstitel im Finale gegen Ronnie O'Sullivan. Und als wäre es nicht genug, wiederholte er den Frameaufbau fast genauso wie 2001. Wieder lag er 2-7 hinten und besiegte "The Rocket" am Ende doch mit 10-9. 5 Century Frames! Ob es wieder ein Quickie mit seiner Frau Lindsay war, welches den Ausschlag gab, verriet er nicht.
Mit dem absoluten Wind in den Segeln, einem Jahrhundertalent und Siegen gegen die Topdogs im Rücken gab er im April 2005 bekannt, dass er an einem Neuroendokrinen Tumor an der Bauchspeicheldrüse litt.
Nur 3 Wochen später erfuhr er, dass Lindsay schwanger war. "Ich werde wohl der einzige Mensch auf der Chemostation sein, der mit einem breiten Grinsen durch das Krankenhaus läuft".
Aber er spielte auch weiter Snooker. Mit mäßigem Erfolg. Zu groß die Schmerzen und zu fortgeschritten die Nervenschäden. Aber seine Tochter Evie Rose gab ihm Kraft zu kämpfen. Umsonst.
Am 9. Oktober 2006 starb Paul Hunter im Krankenhaus von Kirkwood, Huddersfield. 5 Tage vor seinem 28. Geburtstag.
Und wie schon zu Lebzeiten, brach er auch bei seiner Beerdigung mit allen Traditionen. Mit der Musik aus RockyIII wurde sein Sarg aus der Leeds Parish Church getragen.
Gefolgt von seiner Frau Lindsay, die stolz und erhobenen Hauptes lief, 2 Rosen in der Hand, eine pink die andere gelb. Sie küsste beide Rosen bevor sie diese auf dem herabgelassenen Sarg legte und zwischen Pauls Eltern, Alan und Christine platz nahm. Vor einer Trauergemeinde aus dem Who-is-Who of Snooker.
Als Abschlusswort dient das Gedicht, welches Lindsay am Grab vorlaß:
"If you stood at the great gates of heaven, one look and you would understand. For among the great host of angels, would be one with a cue in his hand."
Übersicht der Legends of Sport
Aufrufe: 17866 | Kommentare: 24 | Bewertungen: 59 | Erstellt:11.04.2011
ø 9.8
KOMMENTARE
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12.04.2011 | 12:36 Uhr
0
GNetzer :
Überragender Text! Paul Hunter war und ist wirklich eine Legende. Hat in wenigen Jahren unheimlich viel für den Snooker-Sport getan. Vor allem die junge Generation hat sich doch vorher viel weniger für Snooker interessiert. Schön, dass du die Erinnerung an ihn hoch hältst!
8
12.04.2011 | 12:45 Uhr
0
Atemberaubend. Warum kann man eigentlich nur 10 Punkte vergeben?
3
12.04.2011 | 12:55 Uhr
0
TheDood :
Super Blog, sehr interessant, auch wenn ich zugeben muss dass Snooker nicht soo ganz mein Ding ist (es sei denn man spielt es irgendwo selbst).
Da hast du wieder ein schönes Thema ausgegraben.
Schön ist übrigens auch, dass der Max das anteast
Mehr sag ich dazu nicht
1
12.04.2011 | 12:56 Uhr
0
MightyMo :
Danke Rodnox für diesen Hammer Blog über meinen absoluten Lieblingsspieler
1
12.04.2011 | 12:58 Uhr
0
taneu :
Großartig. Der Blog. Auch weil die Geschichte komplett an mir vorbeigegangen ist. Danke.
3
12.04.2011 | 13:04 Uhr
0
Siled :
Gänsehaut pur bei deinem Blog!!!Habe auch begonnen Snooker zu schauen als Paul Hunter gerade richtig bei den großen mitmischte...war ein großer!
3
12.04.2011 | 13:24 Uhr
0
KabinenGespraeche : Kompliment
Großartiger Beitrag! Nur mit deinem Dreamteam bin ich nicht d'accord!
1
12.04.2011 | 13:54 Uhr
0
silver84 : Century-Blog
Danke Rodnox für dieses grandiose Blog. 10 Pkte. von mir.
Die ganze Geschichte von Paul Hunter ist in GB jedem Kind bekannt, leider in Deutschland aufgrund des "Randsport-Daseins" von Snooker nahezu unbekannt.
Dabei war er nicht nur ein großartiger Spieler sondern auch ein extrem sympathischer Kerl!
Hoffe das war nicht Dein letzter Beitrag zum Thema Snooker.
2
12.04.2011 | 13:58 Uhr
0
Lion60 :
Fantastischer Text. 10 Punkte!
Das Mastersfinale 2003 gegen Ronnie O'Sullivan war mein erstes Snookerspiel. Paul Hunter hat mich zum Snooker gebracht. Er war ein klasse Snookerspieler und ist viel zu früh gestorben. Das Masters wird für mich immer mit seinem Namen verbunden sein. Er wäre ein würdiger Weltmeister gewesen. Schade, dass er das nicht mehr erreichen konnte. Sein Tod ging mir damals nahe.
4
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