Interessiert observiert
War wieder ne Menge los an diesem Spieltag. Das Ganze hier schnell mal durchexerziert:

Resozialisiert
Irgendwann Mitte September (die Älteren von uns erinnern sich) fand das spektakuläre Revierderby statt. 3:3 ging's aus. Auch und vor allem, weil Lutz Wagner seine Pfeife im Spiel hatte und irgendwie ganz komische Entscheidungen traf. Das DFB-Urteil für Wagner fiel hart aus. Zwei Monate gemeinnützige Arbeit, abzuleisten in der Liga für schwer erziehbare Rumpelfußballer. Und so durfte Wagner in den vergangenen Wochen nur Spiele vom Kaliber Sportfreunde Lotte gegen SpVgg Elversberg leiten. Doch jetzt wurde es langsam Zeit, den guten Lutz zu resozialisieren. Gerade recht kam da der 12. Spieltag mit der ultimativen Schmusepartie Wolfsburg gegen Cottbus. Wolfsburg gegen Cottbus, das hat das Konfliktpotential von Kerner-Interviews. Das ist so harmlos, das kann selbst der alte Ahlenfelder mit doppelter Doornkaat-Spülung pfeifen. Also auch der Lutz. Weil: Da kann ja nix schief gehen. Dachte sich der DFB – und irrte wie so oft. Denn Wolfsburg gegen Cottbus ist in Wirklichkeit eine ganz hitzige, frickelige, knifflige Sache. Da wird gezerrt, gezogen, gehalten und geschunden. Und so stellte sich Wolfsburgs Dzeko in der 36. Minute einfach mal selbst ein Beinchen und produzierte ein Schwälbchen, auf das der gutmütige Referee prompt reinfiel. Ergebnis: Wolfsburg gewann locker mit 3:0 und Lupen-Lutz darf – wegen Verstoß gegen die Bewährungsauflagen – wohl erstmal nur Verbandsliga pfeifen. Könnte eine längere Pause werden. So bis Mitte März. Dann ist wieder Zeit für Resozialisierung. Denn dann spielt Karlsruhe gegen Bielefeld. Ein ganz harmloser Kick – meint der DFB.

Philosophiert
Fußball ist bekanntlich mehr als ein Sport. Für manche ist es Kultur, für viele ist es Religion, aber eigentlich ist es doch die reinste Philosophie. Kant, Hegel und Aristoteles hätten jedenfalls ihre reine Freude daran, die Grundbegriffe des Fußballspiels in messerscharfer Dialektik auseinanderzunehmen. Wahrscheinlich hätten sie sich an diesem Spieltag in einen unversöhnlichen Streit verwickelt bei der Grundsatzdebatte um die ewige Frage: Wann liegt strafbares Handspiel vor? Anlass zu solcher Reflexion gab ein Seitfallroller des Kölner Verteidigers Wome im eigenen Strafraum, an dessen Ende das Spielgerät auf wundersame Weise in Kontakt mit seiner freien oberen Extremität geriet. Im Klartext: Handspiel – oder nicht? Elfmeter – oder nicht? Der Casus Wome rief denn auch gleich die Hobbyphilosophen der Neuzeit auf den Plan, die ihre höchst eigene Sicht der Dinge preisgaben und so einen neuen Theorienstreit entfachten: So hörte man die Theorie der intentionalen Manufaktur, nach Christoph Daum: Hand ist nur, wenn Absicht vorliegt. Oder auch die Theorie der effektiven Aberration, nach Dieter Hecking: Hand ist, wenn der Weg des Balles verändert wird. Oder wie wär's mit der Theorie der konkreten Effizienz, nach Premiere-Kommentator Max Jung: Hand ist, wenn sich der Spieler einen Vorteil verschafft. Oder aber doch die Theorie der aktiven Kinetik, nach Eugen Strigel: Die Hand muss zum Ball gehen! Puh! Da schwirrt einem der Kopf! Wir bleiben stattdessen bei der praktischen Theorie des Faktischen: Hand ist nur, wenn der Schiri pfeift. Und der pfiff nicht. Also kein Elfmeter. Na also, Philosophie kann doch ganz einfach sein.

Kalkuliert
Hamburg gegen Dortmund! Das war auch das Aufeinandertreffen der beiden Tauschobjekte: Petric, zu Saisonbeginn von Dortmund an die Elbe gewechselt, gegen Zidan, der die gleiche Wegstrecke in umgekehrter Richtung zurückgelegt hatte. Nach neun Minuten ging der HSV in Führung, durch Petric. Ausgerechnet Petric! Man konnte sich leicht ausrechnen, dass sämtliche Kommentatoren der deutschen Reporterzunft angesichts dieses unglaublichen Vorfalls die altbewährte Huberty-Floskel aus der journalistischen Mottenkiste herausholen würden. Auf "ausgerechnet" kann man eben zählen. Petric ist übrigens nach diesen zwei Scorer-Punkten an knapp einem Drittel der Hamburger Treffer in dieser Saison beteiligt. So mal ganz flugs… ausgerechnet!

Eggalisiert
Der Super-Sonntag wartete diesmal mit dem ewig jungen "Klassiker" Hertha gegen Hoffenheim auf. Klang nach Scheibenschießen, endete aber letztlich in einem mageren 1:0 für die Hertha. Auch weil Salihovic – ausgerechnet! – diesmal einen schlechten Tag erwischt hatte. Er ist nämlich im Jahre 2006 von der Hertha zur Hopp-Elf gewechselt, für ein Appel und ein Ei. Apropos Ei (her mit dem Goldenen Delling): Die Bayern mussten an diesem Sonntag just dort antreten, wo Oliver Kahn vor ziemlich genau fünf Jahren die legendäre Oval-Forderung an die Seinen stellte: Wir brauchen Eier! Die hatten die Bayern diesmal, auch wenn es über weite Strecken der ersten Halbzeit – wohl wegen schlotternder Knie – Rühreier waren.

Koloriert
Herrlich, diese farbige Liga! In Hamburg sieht Kovac Rot, nachdem er dem Schiri den Schwarzen Peter für die 2:1-Pleite zuschieben wollte. Genauso Özil in Bochum, wohl weil er noch ein bisschen grün hinter den Ohren ist. Und in Bielefeld entwickelte sich Gladbachs Marko Marin zum roten Tuch für den Gastgeber und lässt die Zukunft der Meyer-Mannschaft in rosigen Farben erscheinen. Besonders bunt trieben es aber die beiden Teams in Karlsruhe: Erst sah es für den Gastgeber ziemlich schwarz aus, der ganz gelb vor Neid wurde bei der Chancenwertung des Gegners. Doch der kam nach der 3:0-Führung auf keinen grünen Zweig mehr, während der KSC dreimal ins Schwarze traf und noch einige weitere Flecken hätte hinterlassen können auf der zuletzt so blütenweißen Weste der Bayer-Elf, die aber schließlich noch mit einem blauen Auge davon kam. Das alles, obwohl man ein 3:0 eigentlich über die Zeit bringen muss. Aber das ist eben: Graue Theorie!

Passiert & notiert
Hochstimmung beim Deutschen Meister. Zwischen einem 1:1 in Florenz, das Hoeneß & Co. trotz einer miserablen ersten Hälfte mit Scheuklappen-Mentalität als "sehr gutes Spiel" werteten, und einem rotzigen 2:1 auf Schalke hielt der Kaiser seine alljährliche Audienz und verkündete den Untertanen die Zahlen des Jahres. Darunter auch die 176.976 Fanclub-Mitglieder, die laut Ihrer Majestät der Einwohnerzahl von Holland entsprechen. Kleiner Scherz oder gestörte Wahrnehmung? Weiß man beim Bayern-Oberhaupt ja nie so genau. Fakt ist: Die Niederlande haben über 16 Mio. Einwohner und damit etwa 2 Mio. mehr als der Freistaat Bayern. Und das, obwohl der Kaiser selbst so viel für das – ähem – Bevölkerungswachstum in Bayern getan hat.
Und noch etwas: Beim Spiel in Bochum schickten sich ein paar ewig Gestrige an, eine Reichskriegsflagge aus dem 2. Weltkrieg zu enthüllen, was geistesgegenwärtige Bremer Fans glücklicherweise zu verhindern wussten. Bleibt zu hoffen, dass so etwas zukünftig nicht mehr vorkommt. Und wenn doch, dass zumindest ähnlich couragierte Fans zur Stelle sind. Chapeau!