Edition: Suche...
08.08.2010 um 15:06 Uhr
Mein Schwarm vom Niederrhein
Ob Liebe, Hingabe oder bloße Verbundenheit – die vertrauten Erscheinungsformen menschlicher Zuneigung verschließen sich gemeinhin einer rationalen Erklärung. Weshalb das Herz im Anblick des Begehrten plötzlich doppelt so schnell schlägt, ist und bleibt ein Mysterium. Dies gilt für zwischenmenschliche Beziehungen genauso wie die Liebe zum eigenen Fußballverein. Man muss nicht Nick Hornby gelesen haben, um dies zu verstehen.

Wer also die Entscheidung für seinen Herzensclub zu erklären versucht, zeigt damit gleich in doppelter Hinsicht, das Einmaleins der Fußball-Leidenschaft nicht verinnerlicht zu haben. Denn nicht nur dass die Liebe zum eigenen Club keinen Raum für sachliche Ursachenforschung lässt, kann von einer Entscheidung im eigentlichen Sinne, also einer bewussten, vernunftgetragenen Pro-und-Contra Abwägung, keine Rede sein. Einen Verein sucht man sich nicht, man hat ihn. Oder um dann doch Nick Hornby – jedenfalls sinngemäß – zu zitieren: In den Fußball verliebt man sich, wie man sich in Frauen verliebt: plötzlich und ohne Gedanken an den Schmerz, der mit dieser Liebe eines Tages verbunden sein dürfte.

Ja, so ist es. Und deshalb werde ich eben nicht damit beginnen, die möglichen Gründe meines Fandaseins aufzuzählen. Es gibt sie eben nicht. Wenngleich ich mir sehr wohl der Tatsache bewusst bin, dass man Bayern-Fans für gewöhnlich das Gegenteil unterstellt: Bayern-Fans verliebten sich nicht, sie suchten sich ihren Verein nach selbstsüchtigen Motiven aus, in grenzenloser Gier nach den Annehmlichkeiten des wiederkehrenden Erfolges. Anders als die wahren Fans achteten sie ganz bewusst darauf, den zu erwartenden Schmerz zu vermeiden. Sie träfen eine rationale Entscheidung, fernab der Magie jener sagenumwogenen Liebe auf den ersten Blick.

So oder so ähnlich lässt er sich wohl zusammenfassen, der übliche Vorwurf gegenüber den – vermeintlichen – Erfolgsfans. Ich habe gelernt, dass es klüger ist, diesem Vorurteil nicht dauernd entgegenzutreten. Es ermüdet und führt zu nichts. Wer es glaubt, soll es glauben. Denn wie das so ist, wenn man sich verliebt – man braucht sich dafür nicht zu rechtfertigen. Ich also habe mich irgendwann in die Bayern verliebt – warum auch immer.

Wenn ich also schon nicht erklären kann, wieso mein Herz nun an den Bayern hängt, so will ich andererseits doch der Sympathie für einen anderen Verein auf den Grund gehen. Ja, Sympathie ist auch eine Form von Zuneigung und damit eben auch nicht einfach so mit sachlichen Argumenten verständlich zu machen. Aber eben doch nicht so tief von Leidenschaft durchtränkt, als dass man sich mit ihr nicht rational befassen könnte.

Wie auch immer, mir geht es nicht um die bekannten Erstligaclubs. Weder um den launigen Effzeh, dessen gleichsam schicksalsergebenen wie treuen Fans mir einfach sympathisch sind, noch um den niedlichen SC aus Freiburg, der noch immer wirkt wie ein nostalgischer Gegenentwurf zu allem Schnickschnack des modernen Fußballs.

Nein, ich will es an dieser Stelle offen bekunden: Ich steh auf den KFC Uerdingen. Eben jenes Überbleibsel des Bayer-Werksclubs, der in grauer Vorzeit auf europäischer Ebene für Furore sorgte und jetzt in den Niederungen der Verbandsliga herum dümpelt. Genau, diese Niederrhein-Truppe, die abgesehen von der Verpflichtung des Weltenbummlers Ailton zuletzt für gar keinen Gesprächsstoff mehr gesorgt hat. An diesem KFC Uerdingen, vormals Bayer 05 Uerdingen, habe ich Gefallen gefunden. Seit eh und je.

Meine bislang geheime Vorliebe für die Uerdinger erklärt sich wohl dann auch daraus, dass ich in den 80er Jahren in Sachen Bundesliga-Fußball sozialisiert wurde. Damals war Bayer 05 sicher nicht die ganz große Nummer in Deutschlands Eliteklasse, gehörte aber irgendwie doch zum Inventar – was sich in den Folgejahren freilich ändern sollte.

In den späten 80ern also eroberten die 05er – nicht mein Herz, das gehörte schon damals den Bayern – aber doch die Milz oder die Leber (welche Organe auch immer für das Inganghalten heimlicher Fußball-Leidenschaften zuständig sein mögen). Die Gründe mögen vielschichtig sein. Sicher ausschließen kann ich lediglich, dass das von der 11 Freunde zum Jahrhundertspiel gekürte Europapokalmatch gegen Dynamo Dresden den Ausschlag gab. Im März 1986, als sich jenes legendäre 7:3 in Krefeld zutrug, hatte ich mit Fußball nämlich noch nichts am Hut.

Schon eher mag es mit den bunten Trikots zu tun haben, welche die Uerdinger – damals wie heute –aufzutragen pflegen. Jene modisch fragwürdige, für einen Neunjährigen aber durchaus faszinierende Mischung aus Marinblau und Blutrot hatte es mir wohl angetan. Hinzu kam, dass man schier wahllos zwischen blauen und roten Hosen wechselte, was Woche für Woche die immer neue Frage heraufbeschwor: In welchen Hosen diesmal? Auswärtsspiele hatten in Sachen Farberotik übrigens einen ganz besonderen Reiz, spielte Bayer 05 doch, wenn es der Unterscheidbarkeit dienlich war, im betörenden Brasilien-Gelb-Blau.


Das faszinierende Trikot...

Vielleicht war es aber auch nicht die farbliche Komponente, die mich so faszinierte. Vielleicht war es schlicht die mitunter verstörende Atmosphäre der pittoresken Grotenburg-Kampfbahn, einem Stadion mit dem nüchternen Liebreiz einer heruntergekommenen Eckkneipe. Die Grotenburg-Kampfbahn (oder jetzt das Grotenburg-Stadion) war nicht schön (sie ist es bis heute auch nicht), sie war und ist vielleicht sogar hässlich, aber sie hatte Charme. Charme, den ich mir im verklärten Blick auf Damals auch nur einbilden könnte, der aber irgendwie noch greifbar erscheint. Mit der durch gefühlte 300 Meter Aschenbahn vom Spielfeld getrennten Westkurve und der für Puristen alternativlosen handbedienten Anzeigetafel. Ich mochte sie, die Grotenburg-Kampfbahn – und sie gefällt mir noch immer.

Aber wer weiß, möglicherweise gaben auch sportliche Motive den Ausschlag für meine Bayer 05-Symapthie, wenngleich den Krefeldern Ende der 80er keine größeren Erfolge mehr beschieden waren. Die Namen der Spieler sind mir komischerweise bis heute in Erinnerung geblieben, mag ihr sportliches Wirken mitunter auch eher bescheiden gewesen sein. Und dennoch: Kleppinger, Klinger, Herget, Chiemelewski, Nijskens, Buttgereit – Namen, die für einen Uerdingen-Sympathisanten wie Musik in den Ohren sind.

Also gut, ich gebe es zu: So richtig kann ich mir meine ja jetzt nicht mehr so geheime Sympathie für den KFC nicht erklären. Muss ich aber auch nicht. Wahrscheinlich ist eben nicht nur die große Liebe ein Mysterium, sondern auch die heimliche Schwärmerei – im Fußball und im richtigen Leben.
Aufrufe: 6946 | Kommentare: 20 | Bewertungen: 30 | Erstellt:08.08.2010
ø 8.1
KOMMENTARE
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xxlhonk
09.08.2010 | 14:27 Uhr
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xxlhonk : 
09.08.2010 | 14:27 Uhr
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xxlhonk : 
@Büchse

Ist halt immer alles eine Betrachtungsweise, oder?
Wenn man natürlich auf der falschen Zaunseite saß...
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Josh9
09.08.2010 | 14:34 Uhr
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Josh9 : 
09.08.2010 | 14:34 Uhr
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Josh9 : 
sehr schönes Ding,

aber für mich eher eine Geschmacksverirrung besten grades. ;))
Ich glaube in den 80ern, als ich den Fussball entdeckte, fand ich keine Mannschaft grottiger. Passend dazu Grotenburg. ;))
Diese ekelhaften Industrietruppen deren Konzern so dekandent daher kam und sogar 2 Mannschaften in der Bundesliga aufspielen liess, war mir von Anfang an ein graus.
Der eine groß ,einigermaßen erfolgreich, der andere klein, hässlich und erfolglos ohne Ende.
So wie bei Twins mit A.Schwarzenegger und Danny DeVito.
Und dann noch diese aschfahlen Visagen der Krefelder Spieler. Herget, Funkel etc. boah ne hey. ich dachte mir nur, die Hölle muss eindeutig irgendwo dort sein. ;))

ging gar nicht
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xxlhonk
09.08.2010 | 14:35 Uhr
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xxlhonk : 
09.08.2010 | 14:35 Uhr
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xxlhonk : 
@josh

Die Hölle ist da.
Irgendwo.
Garantiert


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Dr_D
09.08.2010 | 14:49 Uhr
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Dr_D : 
09.08.2010 | 14:49 Uhr
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Dr_D : 
Übrigens hat Bayer 05 die Bayern im Pokalfinale 1985 geschlagen. Die Bayern! Und das auch verdient, glaub ich. Aber das lieber Voegi, war vor "deiner" Zeit. Und das du eines der legendärsten Comebacks im Fußball nicht live erleben durftest, ist schlimm, sehr schlimm. Oder auch gut, denn du wärst sonst vielleicht Bayer05 Fan geworden!!!
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magnetben
09.08.2010 | 15:52 Uhr
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magnetben : 
09.08.2010 | 15:52 Uhr
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magnetben : 
"Die Liebe zu einem Club,
wird dir gegeben ohne das man sie sucht!"

-- so beginnt die Rot-Weiss Erfurt Hymne und diese kurze Textpassage find ich immer wieder treffend zu so einem Thema..
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uh1963
09.08.2010 | 15:54 Uhr
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uh1963 : 
09.08.2010 | 15:54 Uhr
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uh1963 : 
--ist das hier nen Outing-Blog-Club?
Ich les hier immer Bayern0405

Über..
Nen Kölner BayernFan, der sich zu BayerNullDings bekennt
Nen ExVfbler, der jetzt mit seiner Hertha gegen den Abstieg in die Nixklassigkeit kämpft
Nen OssiBayernAnhänger, nur weil FC Maggdeburch sich aufgelöst hat, der ein heimlicher Dynamo-Fan (wenn das die Stasi gewusst hätte...)
Nen eingefleischten HSVer, der Alan Simonsen (ein Abklatsch der wahren Mighty Mouse) mochte
Nen Schalker, der über die "Erfolge" von Bayer Bescheid weiß...

Geht's noch?

Und wenn ich euch jetzt noch erzähle, dass ich Samstag Dynamo gegen VfBII live in Dresden mir angeschaut habe...

Hoffentlich geht die Buli bald wieder los....
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gopanse
09.08.2010 | 15:54 Uhr
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gopanse : 
09.08.2010 | 15:54 Uhr
-2
gopanse : 
eigentlich ganz nett, aber derartig beladen mit Standard-Formulierungen, dass man es leider nivht erstn nehmen kann. Wer den SC Freiburg als "niedlichen SC aus Freiburg, der noch immer wirkt wie ein nostalgischer Gegenentwurf zu allem Schnickschnack des modernen Fußballs" beschreibt oder als solchen wahrnimmt, hat sich bereits als Phrasendrescher geoutet. Und die weinerliche "Rechtfertigung" als Bayern-Fan konterkariert leider den ganzen Ansatz des Blogs. Troztdem ganz okay.
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Dr_D
09.08.2010 | 17:08 Uhr
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Dr_D : 
09.08.2010 | 17:08 Uhr
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Dr_D : 
@uhu
Ich weiß überhaupt über alles Bescheid Oder viel mehr, ich weiß wo es steht.
Übrigens, die BuLi ist doch schon los, in Österreich....die wdhseln da so oft den Sponsor wie in Hamburg das Volksparkstadion umbenannt wird.
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roniacmilan
09.08.2010 | 21:11 Uhr
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09.08.2010 | 21:11 Uhr
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du sprichst mir sowas von aus der seele!!! ich bin weder italiener noch habe ich je in mailand gelebt. viele werfen auch mir vor ich seie ein "erfolgsfan" aber ich liebe milan und ich werde milan für immer lieben! dafür muss ich mich nicht rechtfertigen.
.
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Tagon
13.08.2010 | 23:16 Uhr
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Tagon : 
13.08.2010 | 23:16 Uhr
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Tagon : 
Oh Voegi, heilige Scheiße...ich muss gestehen, ich mag den KFC Uerdingen (oder, da ich, wie Du, nur später, den KFC noch als Bayer Uerdingen kenne) auch sehr! Ich fand es schön, damals, 92/93 und seitdem, wie der kleine KFC sich dank eines gewissen Friedhelm Funkel in der Liga hielt, dem großen Bruder aus Leverkusen Paroli bot...Bayer/KFC war immer irgendwie saucool. Und unvergesslich das 2:5 gegen Eintracht Frankfurt 92/93, das 3:0 für Bayer gewertet wurde, weil Charly Körbel den vierten Ausländer einwechselte (was Anthony Yeboah damals die Torjägerkanone kostete)...

Uerdingen war irgendwie viel mehr als jeder andere Verein damals "wider das Establishment", und spätestens die Einstellung der Gelder von Bayer machten den Club erzsympathisch! Als der KFC trotzdem die Klasse hielt, das war toll!

Ich fand den KFC zeit seines Bestehens extrem cool, ich hab ihm - glaube ich - in der Bundesliga sogar früher die Daumen gedrückt als dem KSC...danke für diesen Blog.

Die Wortwahl (die ich bewusst nicht so wähle, damit das gemeine Volk meine Blogs versteht^^) beweist übrigens einmal mehr: Du bist der Doyen unter den Bloggern! Geiles Teil!
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