...mit leichten Gebrauchsspuren.

Es war die Zweitligasaison 2006/2007. Der 1.FC Köln, gerade frisch aus Liga eins abgestiegen, peilte den direkten Wiederaufstieg an. Nur drohte das Projekt unter Trainer Hans-Peter Latour zu entgleisen. Latour musste gehen, Fans und Presse in Köln bekamen (nach einigem Hin- und Her) ihre Traumlösung auf der Trainerposition: "Messias" Christoph Daum. In Zusammenarbeit mit FC-Legende Wolfgang Overath auf dem Präsidentensessel, so war man sich sicher, müsse das mit dem Aufstieg doch jetzt klappen. Tja, scheint so, als ob Fans und Presse doch nicht alles über Fußball wissen.

Auch in dieser Saison tut sich der FC schwer, obwohl der Aufstieg weiter in Reichweite bleibt. Aber alles Warten auf konstant gute Leistungen der Kölner war bisher vergeblich, der schwache Rückrundenstart ein erneuter Rückschlag. Durch einen (etwas glücklichen) Sieg in Jena (bei dem ich den FC auch mal wieder persönlich begutachten durfte) ist zumindest die heftigste Kritik etwas verstummt. Trotzdem, den eigenen Ansprüchen als „FC Bayern der zweiten Liga" wird man nicht gerecht.

Warum ist das so? Einen Erklärungsversuch will ich heute liefern. Nämlich:

Von allen Mannschaften in der oberen Tabellenhälfte von Liga zwei ist Köln das taktisch unreifste Team.

Da, nun habe ich es gesagt. Ich bin mir sicher, dass jetzt zumindest einige FC-Anhänger vor Wut aufheulen und fragen werden, „wer ist überhaupt dieser Idiot und wie kommt er dazu, so etwas zu sagen?" Deshalb habe ich mich rückversichert. Schließlich habe ich Dank meines Jobs die Möglichkeit, mich mit dem ein- oder anderen Trainer zu unterhalten. Das gibt mir die Chance, meine Beobachtungen im Gespräch mit Leuten, die von dem Thema mehr verstehen als ich, zu überprüfen, bevor ich sie (wie jetzt gerade) dem Publikum vorsetze.

Also habe ich mich mit einem derzeit arbeitslosen Fußballlehrer über das Thema FC unterhalten und ihm meine Thesen vorgestellt. Der Name des Herrn bleibt geheim, vielleicht will er ja demnächst Trainer in Köln werden. In jedem Falle hatte er das letzte FC-Spiel im Stadion beobachtet. Meine erste Frage lautete: „Was halten sie von der defensiven Organisation des 1. FC Köln". Antwort: „Welche Organisation?" Nächste Frage: „Liegt das ihrer Meinung nach daran, dass die Spieler die taktischen Vorgaben ihres Trainers ignorieren, oder daran, dass es solche Anweisungen gar nicht gibt?" Antwort: „Das müssen sie Herrn Daum fragen." Ha, und da sind wir wieder beim Thema. Würde ich nämlich gerne. Geht aber nicht, weil Herr Daum zwar vor laufender Kamera am Spieltag Interviews gibt, aber die üblichen Telefoninterviews mit den Kommentatoren vor den Spielen verweigert. Genau deshalb kann ich Daums Antwort auf diese Frage (die ich sicher etwas diplomatischer formuliert hätte) hier auch nicht wiedergeben.

Eins scheint mir jedenfalls klar: Köln hat wohl die besten Einzelspieler in Liga zwei, aber nicht die beste Mannschaft. Die Außenverteidiger rücken defensiv nicht konsequent genug ein, das Umschalten von Offensive auf Defensive klappt nicht, der FC macht sich meist gar nicht die Mühe, die Räume für den Gegner eng zu machen. So konnte auch Jena am Freitag jede Menge Chancen erspielen und am Ende mit nur 10 Mann fast noch einen Punkt ergattern. Zwar hat man eine gute Innenverteidigung (Youssef Mohamad ist für mich einer der besten fünf Zweitligaspieler, Minimum), aber die Jungs werden von den Kollegen viel zu oft alleine gelassen.

Derartiges taktisches Schludern sieht man in der Spitzengruppe von Liga 2 äußerst selten. Schaut man auf die Tabelle, dann stehen da Mönchengladbach, Fürth, Mainz, 60 München, Freiburg, Hoffenheim, Aachen und Wehen neben dem FC. Und was haben die alle gemeinsam? Einen (relativ) jungen Trainer, der „Konzeptfußball" spielen lässt. Taktisch sicher, klare Raumaufteilung, gutes Defensivkonzept. Das, was dem FC fehlt.

Der Grund: der Trainer der Kölner, der als „Taktikfuchs" bekannte Christoph Daum, ist mittlerweile von einer jüngeren Trainergeneration überholt worden. Daum war ein Innovator, als in Deutschland noch konsequent Manndeckung gespielt wurde und Trainer, die im Fernsehen die Viererkette erklärt haben, zum Oberlehrer erklärt und verlacht wurden. Nur: Wer lacht heute, wo jede Mannschaft im Raum verteidigt (mehr oder weniger gut) und die alten Konzepte nicht mehr greifen? Fußball hat sich in den vergangenen zehn Jahren radikal verändert. Wer in dieser Zeit den Stillstand propagiert hat, der ist mittlerweile von Gestern.

So geht es auch (behaupte ich) Christoph Daum. Der muss mit ansehen, wie Greuther Fürth seine Mannschaft in der Tabelle überholt. Haben die bessere Spieler als Köln? Natürlich nicht. Aber sie sind in der Lage, jedem Gegner in Liga zwei mit starkem Pressing die Luft zum Atmen zu nehmen. Pressing, das können die FC-Spieler nicht mal buchstabieren. Und Daum wirkt immer ratloser, weil er anscheinend keine Antwort hat auf das, was auf dem Platz passiert.

Natürlich hat der FC noch alle Aufstiegschancen. Aber in Liga eins wird die Luft noch dünner. Und dann hat man auch nicht mehr die besten Spieler.

Bis bald,
Andreas