19.09.2011 um 20:34 Uhr
Mikrogramm (I)
Alles überragend, oder was?
Als leidenschaftlicher Fußball-Fan und -Zuschauer erliege ich ihm auch regelmäßig, diesem unwiderstehlichen Nörgelreflex. Wenn Reif & Co. zum Mikro greifen, setze ich zu meinen liebgewordenen Schimpfkanonaden an. Denn mehr als das Spiel auf dem Platz pflegt mich zumeist die Leistung der Kommentatoren aufzuregen. Da unterstelle ich schon mal gerne Inkompetenz und Ignoranz, wohlwissend, dass der Job des Fußballreporters undankbarer sein kann als der des Bundestrainers. Die Fans am Bildschirm meinen es eben nicht nur besser zu wissen, sondern auch zu können.
Wahrscheinlich aber dürften die meisten Fußballfans übel auf die Nase fallen, wenn sie sich einmal als pseudoprofessioneller Berichterstatter versuchten. Tatsächlich nämlich ist die Aufgabe des Sportkommentators weit schwieriger, als es der gemeine Zuschauer wahrhaben will. Neben der nötigen Sachkompetenz, die die meisten wohl noch für sich in Anspruch nehmen dürften, bedarf es gleichermaßen eines perfekten Timings wie eines guten Überblicks. Und eine massenkompatible Stimmlage dürfte sicher auch nicht schaden. Wer will das alles schon für sich reklamieren?
Insofern sind meine Flüche auf die Reporterzunft wohl eher Ausdruck der Emotionen, die so eine Fußballübertragung mit sich bringt. Mit fundierter Kritik haben sie zumeist weniger zu tun. Es sei denn, es drängt sich der Verdacht auf, der Mann (oder die Frau) am Mikro beherrscht sein Handwerkszeug nicht.
Das Handwerkzeug des Sportreporters stellt - wie bei allen Journalisten - die Sprache dar. Wort und Satz sind nicht nur Mittel zum Zweck, sie sind Kern und Ziel journalistischer Arbeit und sollten daher einwandfrei beherrscht werden. Das darf der Zuschauer ohne weiteres erwarten und, wenn er in dieser Erwartung enttäuscht wird, mit wütenden Flüchen für die Zukunft einfordern.
Manchmal sind meine Schimpftiraden also nicht bloßes Ventil für angestaute Emotionen. Manchmal rege ich mich über etwas auf, das Aufregung verdient. Dabei verlange ich nicht, dass Fußballreporter gestelzt parlierende Germanisten sein sollten. Aber etwas mehr Obacht auf die Sprache wäre doch schon schön. Wenn also ein Hansi Küpper immer und immer wieder von dem "Sofort-Ausgleich" der Gäste spricht und den Stürmer lobt, der mit "Stets-Kampfgeist" agiert, dann kann mich eine so zweck- und sprachwidrige Verwendung der Adverbien schon auf die Palme bringen.
Aber vielleicht bin ich da eben doch ein Pedant. Ein Korinthenkacker. Eben ziemlich deutsch und nicht in der Lage, auch mal alle Fünfe gerade sein zu lassen. Da es nun also eh nicht mehr darauf ankommt, kann ich mich dann auch gleich ob der mangelnden Kreativität bei der Verwendung von Adjektiven (genau: den Wiewörtern) ereifern:
Denn Spieler, deren Leistung allen Grund zu Lobpreisungen gibt, werden heutzutage ganz einheitlich als überragend qualifiziert. Der tollste Götze ist genauso wie der überzeugendste Schweinsteiger laut Reporterstandarddeutsch nur noch überragend - das Einheitsadjektiv für alle Fälle. Die einzige Variation ergibt sich dabei in der Betonung: Ü-ber-ragend! Mehr als dieses Silbenstaccato ist dann aber auch nicht drin.
Nicht zuletzt Marcel Reif, sonst ja mit einer durchaus blumigen Sprachanwendung gesegnet, zeigt sich seltsam ideenlos, wenn es darum geht, den besten Akteur auf dem Feld über den grünen Klee zu loben. Womöglich ist Reif sogar der Initiator dieses fragwürdigen Trends, gefällt er sich doch schon seit Jahr und Tag darin, das überragend-Attribut über den Profi-Fußball zu streuen.
Dabei kann es dann auch schon einmal vorkommen, dass in einer Partie gleich drei oder vier Spieler als überragend bezeichnet werden, obgleich dieses Privileg genau genommen nur einem Spieler zuteilwerden kann. Nämlich dem, der die anderen überragt. Per Mertesacker und Daniel van Buyten sind, auch wenn dies Fußballpuristen nicht so recht wahrhaben wollen, denn auch meist die überragenden Gestalten auf dem Platz.
Es mag natürlich auch sein, dass ich schlicht eine Reform verschlafen habe und dass "überragend" inzwischen ein Art technischer Fachbegriff ist, quasi das "sehr gut" des modernen Fußballs, die Eins mit Sternchen. Sollte dem nicht so sein und sollte es dementsprechend weiterhin zulässig sein, auf alternative Adjektive zurückzugreifen, so möchte ich hier ein paar Vorschläge machen. Ganz unverbindlich, als Anregung:
Wie wäre es zum Beispiel, das monotone "Robben überragend" durch ein lässiges "Robben absolut elefantös" zu ersetzen? Oder die Leistung eines bekannten Schalker Alt-Spaniers mit einem genussvollen "Raul ist deliziös" zu würdigen? Bei einem Hertha-Spiel würde sich doch mal "Lell ist absolut knorke" anbieten. Ein feines Solo von Mesut Özil ließe sich kurz und knapp als supercalifragilisticexpialigetisch bewerten. Und für einen gelungenen Auftritt von Michael Ballack bietet sich doch inzwischen ein ehrfürchtiges "chapeauig" an.
Doch zugegeben, nicht immer reicht die Kraft der Sprache, um das Gesehene angemessen zu honorieren. Manchmal sagt ein Bild doch mehr als tausend Worte:
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In der neuen Reihe "Mikrogramm" werfe ich fortan in unregelmäßigen Abständen einen Blick auf unsere Fußballkommentatoren und hinterfrage das moderne Reporterdeutsch.
Als leidenschaftlicher Fußball-Fan und -Zuschauer erliege ich ihm auch regelmäßig, diesem unwiderstehlichen Nörgelreflex. Wenn Reif & Co. zum Mikro greifen, setze ich zu meinen liebgewordenen Schimpfkanonaden an. Denn mehr als das Spiel auf dem Platz pflegt mich zumeist die Leistung der Kommentatoren aufzuregen. Da unterstelle ich schon mal gerne Inkompetenz und Ignoranz, wohlwissend, dass der Job des Fußballreporters undankbarer sein kann als der des Bundestrainers. Die Fans am Bildschirm meinen es eben nicht nur besser zu wissen, sondern auch zu können.
Wahrscheinlich aber dürften die meisten Fußballfans übel auf die Nase fallen, wenn sie sich einmal als pseudoprofessioneller Berichterstatter versuchten. Tatsächlich nämlich ist die Aufgabe des Sportkommentators weit schwieriger, als es der gemeine Zuschauer wahrhaben will. Neben der nötigen Sachkompetenz, die die meisten wohl noch für sich in Anspruch nehmen dürften, bedarf es gleichermaßen eines perfekten Timings wie eines guten Überblicks. Und eine massenkompatible Stimmlage dürfte sicher auch nicht schaden. Wer will das alles schon für sich reklamieren?
Insofern sind meine Flüche auf die Reporterzunft wohl eher Ausdruck der Emotionen, die so eine Fußballübertragung mit sich bringt. Mit fundierter Kritik haben sie zumeist weniger zu tun. Es sei denn, es drängt sich der Verdacht auf, der Mann (oder die Frau) am Mikro beherrscht sein Handwerkszeug nicht.
Das Handwerkzeug des Sportreporters stellt - wie bei allen Journalisten - die Sprache dar. Wort und Satz sind nicht nur Mittel zum Zweck, sie sind Kern und Ziel journalistischer Arbeit und sollten daher einwandfrei beherrscht werden. Das darf der Zuschauer ohne weiteres erwarten und, wenn er in dieser Erwartung enttäuscht wird, mit wütenden Flüchen für die Zukunft einfordern.
Manchmal sind meine Schimpftiraden also nicht bloßes Ventil für angestaute Emotionen. Manchmal rege ich mich über etwas auf, das Aufregung verdient. Dabei verlange ich nicht, dass Fußballreporter gestelzt parlierende Germanisten sein sollten. Aber etwas mehr Obacht auf die Sprache wäre doch schon schön. Wenn also ein Hansi Küpper immer und immer wieder von dem "Sofort-Ausgleich" der Gäste spricht und den Stürmer lobt, der mit "Stets-Kampfgeist" agiert, dann kann mich eine so zweck- und sprachwidrige Verwendung der Adverbien schon auf die Palme bringen.
Aber vielleicht bin ich da eben doch ein Pedant. Ein Korinthenkacker. Eben ziemlich deutsch und nicht in der Lage, auch mal alle Fünfe gerade sein zu lassen. Da es nun also eh nicht mehr darauf ankommt, kann ich mich dann auch gleich ob der mangelnden Kreativität bei der Verwendung von Adjektiven (genau: den Wiewörtern) ereifern:
Denn Spieler, deren Leistung allen Grund zu Lobpreisungen gibt, werden heutzutage ganz einheitlich als überragend qualifiziert. Der tollste Götze ist genauso wie der überzeugendste Schweinsteiger laut Reporterstandarddeutsch nur noch überragend - das Einheitsadjektiv für alle Fälle. Die einzige Variation ergibt sich dabei in der Betonung: Ü-ber-ragend! Mehr als dieses Silbenstaccato ist dann aber auch nicht drin.
Nicht zuletzt Marcel Reif, sonst ja mit einer durchaus blumigen Sprachanwendung gesegnet, zeigt sich seltsam ideenlos, wenn es darum geht, den besten Akteur auf dem Feld über den grünen Klee zu loben. Womöglich ist Reif sogar der Initiator dieses fragwürdigen Trends, gefällt er sich doch schon seit Jahr und Tag darin, das überragend-Attribut über den Profi-Fußball zu streuen.
Dabei kann es dann auch schon einmal vorkommen, dass in einer Partie gleich drei oder vier Spieler als überragend bezeichnet werden, obgleich dieses Privileg genau genommen nur einem Spieler zuteilwerden kann. Nämlich dem, der die anderen überragt. Per Mertesacker und Daniel van Buyten sind, auch wenn dies Fußballpuristen nicht so recht wahrhaben wollen, denn auch meist die überragenden Gestalten auf dem Platz.
Es mag natürlich auch sein, dass ich schlicht eine Reform verschlafen habe und dass "überragend" inzwischen ein Art technischer Fachbegriff ist, quasi das "sehr gut" des modernen Fußballs, die Eins mit Sternchen. Sollte dem nicht so sein und sollte es dementsprechend weiterhin zulässig sein, auf alternative Adjektive zurückzugreifen, so möchte ich hier ein paar Vorschläge machen. Ganz unverbindlich, als Anregung:
Wie wäre es zum Beispiel, das monotone "Robben überragend" durch ein lässiges "Robben absolut elefantös" zu ersetzen? Oder die Leistung eines bekannten Schalker Alt-Spaniers mit einem genussvollen "Raul ist deliziös" zu würdigen? Bei einem Hertha-Spiel würde sich doch mal "Lell ist absolut knorke" anbieten. Ein feines Solo von Mesut Özil ließe sich kurz und knapp als supercalifragilisticexpialigetisch bewerten. Und für einen gelungenen Auftritt von Michael Ballack bietet sich doch inzwischen ein ehrfürchtiges "chapeauig" an.
Doch zugegeben, nicht immer reicht die Kraft der Sprache, um das Gesehene angemessen zu honorieren. Manchmal sagt ein Bild doch mehr als tausend Worte:
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In der neuen Reihe "Mikrogramm" werfe ich fortan in unregelmäßigen Abständen einen Blick auf unsere Fußballkommentatoren und hinterfrage das moderne Reporterdeutsch.
Aufrufe: 18876 | Kommentare: 73 | Bewertungen: 43 | Erstellt:19.09.2011
ø 8.7
KOMMENTARE
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20.09.2011 | 12:45 Uhr
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Drigo :
BITTE BITTE vergiss in den folgenden Folgen nicht den den Kommentator, der sich andauernd in Spieler, Trainer, Fans und wahrscheinlich auch Balljungen versetzt, um dann aus der Ich-Form ihre Gefühlswelt zu erläutern. Diese Marotte nervt mich mittlerweile einfach nur noch, weil sie pro Spiel mehrmals kommt, wenn ich den Typen höre. Glaube das ist Tom Bartels. Oder Tom Bayer. Irgendwas Tommiges.
0
20.09.2011 | 12:50 Uhr
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Herrlich!
In diesem Zusammenhang möchte ich auch einmal auf einen lingusitischen Ausrutscher des geschätzten honk hinweisen.
Weil er ihn immer wieder einbaut.
Lieber honk!
Das Wort "vermeidlich" ist meines Wissens nach kein Bestandteil der deutschen Sprache!
Ich denke, dieser Fehler wäre vermeidbar, denn vermeintlich meintest du just angeführtes Adjektiv!
Oder so ...
0
20.09.2011 | 12:51 Uhr
0
Hab letztens bei BVB gg. Arsenal mal auf den englischen Kommentar rumgesschaltet. Einfach göttlich. Erstens sind es zwei Leute die sich auch mal wie in einem Gespräch unterhalten ala Wie siehst du die Situation. Aber ich wurde auch nicht übermäßig von irgendwelchen Schwachsinn genervt wie die Oma vom ihm kommt da und da her. Allein die andere Sprache war schon genial wie ein lovely first touch by kagawa ich bin absofort nur noch für Englischenkommentar oder der Typ der die U17 in Mexiko bei Eurosport kommentiert hat der war auch noch gut.
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20.09.2011 | 12:51 Uhr
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Dr_D :
@Hammerwirt
"Für mich ist Bela Rethy immernoch der Mariannengraben der kommentierenden Zunft." Wie geil ist das denn..
Aber in der Sache hast du recht, er ist einer von denen die man nicht zwingend hören möchte. Obwohl TuT da noch in einer anderen Liga quaselt. Ui Ui ui...
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20.09.2011 | 12:51 Uhr
0
Schnumbi :
für mich, ich sage mal, als normaler fan, ist ja auch die frage, was erwarte ich denn von einem kommentator ?? ich persönlich brauche niemanden der mit fachbegriffen nur so um sich schmeißt. eine normale fußballsprache ist da völlig ausreichend. für mich muss desweiteren ein kommentator neutral rüber kommen und präzise angaben zum spiel machen. reif hat am sonntag wieder gezeigt das er öfter abwesend ist oder nicht auf seinem monitor schaut. rafinha foulte am eigenen strafraum eck einen schalker spieler, was sagt reif. schon wieder badstuber ??? der hatte doch schon gelb. am liebsten hätte er ihm persönlich gelb/rot gezeigt. sowas geht gar nicht.die andere seite, man wird es nie allen recht machen können, weil jeder ein spiel anders sieht oder bewertet oder vefolgt.
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20.09.2011 | 12:54 Uhr
-1
Oder wo hat die Marianne ihren Graben ...
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Mein schlimmstes Sporterlebnis: EM 08 gegen die Türkei, als er seinen Freestyle gab und sich dafür anschließend in nicht enden wollender Manier auf die Schulter klopfte...