von Joel Grandke
Weit mehr als nur ein Matchwinner: Daniel Engelbrecht am 6. Dezember 2014.
Ein bitterkalter Nachmittag an Nikolaus 2014: Es steht 1:1 im Drittliga-Spiel zwischen den Stuttgarter Kickers und Wehen Wiesbaden, als Mittelstürmer Daniel Engelbrecht in der 83. Minute eingewechselt wird. Bis zur Nachspielzeit sieht alles nach einer Punkteteilung aus, doch ein letzter Ball geht noch in die Spitze. Engelbrecht entwischt seinem Gegenspieler und zieht wuchtig ab. Nachdem sein abgefälschter Schuss die Linie passiert, gibt es im Stadion kein Halten mehr. Der Torschütze reißt sich sein Trikot vom Körper und präsentiert ein Hemd mit dem Schriftzug: "Nichts ist unmöglich." Keiner weiß es besser als Engelbrecht selbst. Ein Kunststoffpanzer bedeckt seine Brust. Jedem Anwesenden im Stadion ist bewusst, dass er gerade Teil eines kleinen Fußball-Wunders ist. Dieses handelt aber keineswegs vom glücklichen Last-Minute-Sieg der Kickers, sondern einzig und allein vom Torschützen, der 16 Monate zuvor aufgrund eines Herzfehlers nur knapp dem Tod entging. Als erster deutscher Profi-Fußballer mit implantiertem Defibrillator hat er sich zurück ins Team gequält. Nun erzielt er den ersten Treffer nach dieser langen Leidenszeit, die mit dem "emotionalsten Moment meines Lebens" beendet scheint. Doch sein Weg verläuft auch in der Folge steinig. Heute, drei Jahre nach seinem Comeback-Tor, steht Engelbrecht erneut am Scheideweg: Setzt der mittlerweile 27-Jährige für seinen Traum weiterhin sein Leben aufs Spiel oder überwiegt doch die Einsicht, dass sein Handicap zu schwerwiegend für die große Karriere ist? Eine Geschichte zwischen der Dankbarkeit, trotz eines Herzfehlers auf dem Platz stehen zu dürfen, und dem Bedauern, dass dieser ihm womöglich eine größere Zukunft verbaut hat.
Daniel Engelbrecht gehört schon immer zu den Spielern, die sich hohe Ziele setzen. Er träumt laut von der Bundesliga und so ganz will dieser Gedanke dem 27-Jährigen auch bis heute nicht aus dem Kopf gehen. Es ist anzunehmen, dass die meisten Kicker schon nach seinem ersten Rückschlag vor viereinhalb Jahren eingesehen hätten, dass ihnen dieser Weg versperrt ist. Aufgeben ist allerdings ein Begriff, den man in Engelbrechts Wortschatz vergebens sucht.
Am 20. Juli 2013 geschieht einer dieser Momente, in denen der Fußball keine Rolle mehr spielt. Im Drittligaspiel seiner Stuttgarter Kickers gegen Rot-Weiß Erfurt bricht Engelbrecht auf dem Platz zusammen. Eine Situation, an die er sich auch heute noch genau erinnert: "Meine Beine haben angefangen zu zittern. Ich hatte keine Kontrolle mehr über meinen Körper, bis alles still und schwarz wurde." Es folgt eine Ohnmacht, kurz darauf hört sein Herz auf zu schlagen - zum ersten, aber nicht zum letzten Mal in seinem Leben. Er kommt von selbst wieder zu sich. "In neun von zehn Fällen steht man da nicht wieder auf oder trägt zumindest bleibende Schäden davon", klären ihn die Ärzte später auf. Aufgrund des heißen Sommertages wird ein Hitzschlag vermutet, allerdings treten kurz darauf ähnliche Symptome bei einem anderen Spiel auf. Er fällt nicht in Ohnmacht, aber ein Puls von 20 ist nicht weniger Grund zur Sorge. Auf der Intensivstation diagnostizieren die Ärzte eine Herzmuskelentzündung, die Herzrhythmusstörungen auslösen kann. Für die Mediziner ist zu diesem Zeitpunkt nicht abzusehen, ob Engelbrecht überhaupt nochmal auf den Platz zurückkehren kann. Eine Zukunft ohne den Fußball, der eine zentrale Rolle in seinem Leben einnimmt, ist für ihn aber völlig undenkbar. Über Alternativen, die ihm aufgrund seines Fachabiturs und seiner Ausbildung zum Bürokaufmann durchaus offenstehen, verschwendet er keinen Gedanken. "Ich bin jemand, der sich bewegen muss", erklärt er. Ein Alltag am Schreibtisch kommt für ihn nicht infrage.
Jobsuche stellt keine Option dar
Ende des Jahres zieht ihn die Diagnose seiner Ärzte noch weiter bergab: Sein vernarbtes Herz habe schwerwiegende Schäden davongetragen, mit denen eine Karriere als Fußballer nicht mehr möglich wäre. Statt der Empfehlung zu folgen, sich einen neuen Job zu suchen, bettelt Engelbrecht um eine Chance weiterzuspielen - und sei sie noch so gering. Wenige Wochen später bieten ihm die Mediziner tatsächlich diese Möglichkeit: Engelbrecht könnte ein Defibrillator implantiert werden, der sein Herz automatisch mit einem elektrischen Schock wieder in Gang bringt, sollte es aufhören zu schlagen. Er denkt keine Sekunde nach, willigt sofort ein. Viel zu groß ist sein Drang, auf den Platz zurückzukehren.
Am 18. Dezember wird der Schrittmacher in seinen Brustkorb gesetzt. Es folgen weitere Operationen, bei denen Erkenntnisse über den Ausgangspunkt der Herzrhythmusstörungen gewonnen werden. Die Ärzte können diese Erkenntnisse einfacher gewinnen, wenn die Rhythmusstörungen bei Engelbrecht einsetzen. Vor einer Operation bekommt er daher den Auftrag, im Krankenhaus Treppen zu steigen. Engelbrecht schießt dabei über das Ziel hinaus, was ihn fast umbringt. Er rennt zehn Stockwerke im Vollsprint hoch und runter, bis die bereits bekannten Symptome einsetzen: Kontrollverlust über den Körper bis schließlich wieder alles schwarz wird. Die Erinnerungen an diesen Moment scheinen auch heute, knapp vier Jahre später, kein bisschen verblasst. "Es ist tatsächlich so gewesen, dass mein Leben vor mir abgelaufen ist", berichtet er. Dabei flimmern auch Bilder aus seiner Kindheit und Jugend vor seinem geistigen Auge ab. Diese Eindrücke verschwinden schlagartig und mit einem Knall. Der implantierte Defibrillator setzt ein und schockt Engelbrecht mit 830 Volt zurück ins Leben. Engelbrecht hat nun einen Eindruck davon, welch wahnsinnige Schmerzen seine Lebensversicherung bereitet. Diese Erfahrung bringt ihn auch geistig an seine Grenzen. Er macht in den folgenden drei Nächten kein Auge zu, zu groß ist die Angst vor den Schmerzen eines erneuten Schocks. Er leidet an Panikattacken, sucht sich auf Anraten der Ärzte auch psychologische Hilfe. "Ich konnte in der Zeit nicht alleine sein", erinnert er sich. Besserung tritt erst nach einer weiteren Operation im Mai 2014 ein, in der es acht internationalen Herz-Spezialisten gelingt, die Störungen zu lokalisieren.
Nach zahlreichen Rückschlägen soll es für ihn nun endlich bergauf gehen. In den folgenden Wochen und Monaten erholt sich Engelbrecht von dem Schock. Auch sein Herz hält den Belastungen zunehmend stand, mit der Zeit pumpt es sogar stärker als je zuvor. Er kehrt zurück auf den Trainingsplatz, schuftet das ganze Jahr über unermüdlich für sein Comeback. "Du kannst die Probleme auf dem Platz nicht komplett ausblenden", berichtet er. "Du denkst immer an dein Herz. Nach jedem längeren Sprint horchst du in dich hinein und prüfst, ob es im normalen Takt schlägt. Du hast immer ein unwohles Gefühl." Das Training ist allerdings seine beste Therapie. Mit jeder absolvierten Einheit auf dem Platz gewinnt er an Vertrauen zurück.
Comeback überstrahlt die Niederlage
Am 25. November 2014, gut ein Jahr nach der niederschmetternden Diagnose, ist dann sein Zeitpunkt gekommen. Bei einem Pokalspiel seiner Kickers wird er eingewechselt und wird damit zum ersten und bisher einzigen deutschen Profifußballer mit implantiertem Defibrillator. Die Kickers-Niederlage hat in diesem Spiel keine Bedeutung, Engelbrechts lange nicht für möglich gehaltenes Comeback überstrahlt alles. Seine Brüder sind angereist und empfangen ihn nach Abpfiff mit Tränen in den Augen. "Es ist krass, was ich hierfür investiert habe und welches Risiko ich eingegangen bin", sagt er nach dem Spiel. Man muss kein medizinischer Fachmann sein, um ihm recht geben zu können.
Den emotionalen Höhepunkt seines Comebacks erlebt Engelbrecht allerdings anderthalb Wochen später, als er im eingangs beschriebenen Ligaspiel gegen Wehen Wiesbaden eingewechselt wird. Die Bilder von seinem 2:1-Siegtreffer und den anschließenden Jubelszenen gehen von Stuttgart aus um die Welt. Seine Botschaft steht auf dem Shirt: "Nichts ist unmöglich."
Video: Beitrag der ARD-"Sportschau" (6. Dezember 2014) zum Comeback-Tor von Daniel Engelbrecht.
Nach seinem Treffer erhält er unzählige Briefe, Mails und Facebook-Nachrichten von ebenfalls Betroffenen. Es melden sich auch viele Eltern, deren Kinder unter Herzproblemen leiden. Engelbrecht beantwortet die Nachrichten so schnell wie möglich und schickt zu Weihnachten auch eine Videobotschaft an die Kleinen, die ihnen Mut machen soll.
Er gewinnt anschließend wöchentlich an neuer Kraft dazu, es geht stetig voran. Der Mittelstürmer erhält regelmäßig Kurzeinsätze, zählt zum Saisonende sogar wieder zur Stammelf. Die Kickers spielen eine starke Saison und kämpfen sogar bis Saisonende um den Aufstieg mit. Entsprechend motiviert geht Engelbrecht in die darauffolgende Sommervorbereitung, in der er seine Rolle im Team weiter festigen möchte. Das Trainingslager in Tirol macht diesen Plan aber drastisch zunichte. Die Luft in den Tirolern Bergen ist ungewohnt dünn, hinzu kommen Temperaturen bis zu 39 Grad - zu viel für Engelbrechts Herz, bei dem erneut heftige Störungen auftreten. Sein Defibrillator verhindert in dieser Situation Schlimmeres. Dennoch wirft ihn der Vorfall wieder weit zurück. Er braucht Monate, um sich wieder ins Team zu kämpfen.
Ansage "wie ein Schlag ins Gesicht"
Als er diese harte Phase gerade überstanden hat, fällt der Vereinsvorstand eine zukunftsweisende Entscheidung: Eine Negativ-Serie der Mannschaft beantwortet sie im November mit der Entlassung von Trainer Horst Steffen, dem größten Förderer Engelbrechts. Diese Entscheidung bekommt auch der 27-Jährige mit aller Härte zu spüren: Aufgrund seines vergleichsweise hoch datierten Vertrags möchte der Verein ihn noch in der Winterpause abgeben. "Mit Horst Steffen fiel mein Fürsprecher im Verein weg", erinnert sich Engelbrecht. "Mir wurde vonseiten des Managements gesagt, dass ich mir umgehend einen neuen Verein suchen sollte. Bei den Kickers würde ich ab Januar weder in der ersten noch in der zweiten Mannschaft zum Einsatz kommen." Eine Teilnahme am Training der Profis würde ihm ebenfalls untersagt werden. Eine Chance, sich unter einem neuen Trainer zu beweisen, erhält er nicht. Engelbrecht kennt zwar die Abläufe des Profigeschäfts, doch spricht auch heute noch von einer riesigen Enttäuschung: "Ich hatte eine emotionale Zeit in Stuttgart, erlebte hier den schlimmsten und den schönsten Moment meiner Karriere. Am Ende auf diese Art abserviert zu werden, empfand ich als Schlag ins Gesicht."
Das Aussitzen seines gut dotierten Vertrags kommt für ihn nie in Frage, zu groß ist sein Drang, wieder auf dem Platz zu stehen und in Form zu kommen. "Ich bin das gesundheitliche Risiko nicht eingegangen, um anderen beim Fußballspielen zuzuschauen", stellt er klar. Sein Berater nimmt Kontakt zu vielen Drittligisten auf, die von Engelbrechts sportlichen Fähigkeiten auch angetan sind. Die meisten ziehen sich aber aufgrund der Herzprobleme zurück. Zu groß wäre die Gefahr, dass Engelbrecht wieder etwas passieren könnte. Er landet schließlich eine Liga tiefer, in der Regionalliga West bei Alemannia Aachen. "Eine Herzensangelegenheit" für ihn, da er in Aachen bereits drei Jahre zu Beginn seiner Herren-Karriere kickte. Als sportlichen Rückschritt sieht er den Abstieg in die 4. Liga keineswegs, vielmehr hofft er auf eine Win-Win-Situation: "Ich habe das Ziel, dem Team mit meinen Toren helfen und zeitgleich Spielpraxis zu sammeln." In erster Linie will er aber das Image loswerden, das ihm sein Handicap beschert hat. Sein fester Plan: "Scheißegal, wohin ich wechsele. Ich zeige den Leuten, dass ich gesund bin. Ich will ein Fußballer und nicht der herzkranke Fußballer sein." Ihm gelingen in der Halbserie bei Aachen 5 Tore in 13 Einsätzen - eine gute Quote.
Erneuter Eingriff nach Defekt
Im Sommer 2016 folgt der ligainterne Wechsel zum sportlich ambitionierteren TSV Steinbach. Das Umfeld des Clubs bietet bereits Drittliga-Bedingungen, der Aufstieg ist das Ziel der Mannschaft. Passende Bedingungen für die Vorhaben von Engelbrecht, der mit 5 Toren in 7 Spielen beeindruckend in die Saison startet. Auf mehrwöchige Rückenprobleme, die ihn einige Zeit außer Gefecht setzen, folgt ein nächster schwerwiegender Rückschlag: Ein Kabel an seinem implantierten Defibrillator ist defekt. Dieses Mal also kein direkter Fehler seines Herzens, sondern an der an ihm verbauten Technik. Das Kabel ist für die Erkennung der Herzrhythmusstörungen zuständig. Heißt: Durch den Defekt könnte der Defibrillator im Notfall seinen Einsatz verpassen. Auf der anderen Seite könnte der Defi ihn schocken, obwohl gar kein Herzproblem aufgetreten ist. Im Januar 2017 wird das Kabel schließlich operativ erneuert, was für Engelbrecht erneut einen dreimonatigen Ausfall bedeutet. Er kann seiner Mannschaft lediglich noch bei ein paar Einsätzen im Saisonfinale helfen.
Während der Sommerpause entscheidet sich der 27-Jährige erneut für einen Wechsel. Rot-Weiss Essen möchte ihn unbedingt verpflichten, bietet ihm trotz der Herzprobleme - und entgegen der Skepsis vieler anderer Vereine - sogar einen Dreijahresvertrag an. Der Kult-Club, der ebenfalls in der Regionalliga West spielt, einigt sich sowohl mit Steinbach als auch mit Engelbrecht über die Formalien. Der Wechsel geht sauber über die Bühne, sodass sich Engelbrecht voll auf die neue Herausforderung konzentrieren kann. Bei den Belastungstests zu Saisonbeginn beeindruckt er und sticht mit den besten Fitnesswerten des gesamten Teams heraus. Doch die Hoffnung, endlich mal beschwerdefrei durch eine Saison zu kommen, findet bereits am ersten Trainingstag im Juni ein brutales Ende. Wieder bricht Engelbrecht zusammen, sein Puls liegt zu diesem Zeitpunkt bei knapp 300. Der Defibrillator tut seinen Dienst, versetzt ihm den bereits bekannten und so gefürchteten Schock. Mit diesem Knall rückt auch das Fußballspielen wieder in weite Ferne.
Ärzte warnen mit Nachdruck
Seine Ärzte zeigen ihm anschließend nochmal mit Nachdruck den Ernst der Lage auf: "Wir haben es dir schon so oft gesagt: Lass es besser. Irgendwann schockt dich der Defi, aber du stehst danach nicht wieder auf. Dann bist du tot." Sie schätzen, dass sein Herz den Belastungen schlicht nicht gewachsen ist. Ein Ratschlag, den Engelbrecht nicht kampflos hinnehmen will. Er lässt sich über die Möglichkeiten aufklären, die ihm medizinisch noch helfen könnten. Demnach gebe es eine Operation, deren Erfolgschance aber bei maximal zehn Prozent liege. Ausreichend für Engelbrecht, der sofort zusagt. Am 11. Juli folgt die elfstündige Operation - die mittlerweile sechste an seinem Herzen, innerhalb von vier Jahren. Seine Risikobereitschaft wird allerdings nicht belohnt. Die anschließenden Testergebnisse weisen keine Veränderungen auf.
Erstmals seit seiner Diagnose im Juli 2013 entschließt sich Engelbrecht nun längerfristig zur Ruhe und pausiert vom Profibetrieb. "Ich nehme eine Auszeit und gebe meinem Herz die Zeit, die es zur Regeneration benötigt", erklärt er. Er plant noch einen Comeback-Versuch im kommenden Jahr, hält sich bis dato aber mehrere Monate von sportlichen Höchstleistungen fern. Es ist ungewiss, ob er es nochmal auf den Platz zurückschafft. "Ich gebe den Traum aber noch nicht auf", betont er ausdrücklich.
Engelbrechts beeindruckender Kampfgeist ist nach wie vor ungebrochen, allerdings ist ihm anzumerken, dass er nach den vielfachen Rückschlägen und Operationen verstärkter über seine Prioritäten nachdenkt. Eine wichtige Rolle spielt dabei auch seine Patentochter Leana, die vor wenigen Wochen das Licht der Welt erblickt hat: "Ich möchte ihr beim Aufwachsen zuschauen und nicht unter der Erde liegen." Die Zeit mit ihr, Freunden und Familie lenkt ihn aktuell von der schwierigen Situation rund um den Fußball ab: "Ich schaue derzeit eigentlich nur die Spiele meiner eigenen Mannschaft. Es schmerzt unheimlich, anderen dabei zuzusehen, obwohl man selbst unbedingt auf dem Platz stehen möchte." Er muss gezwungenermaßen die Füße stillhalten - ein Umstand, mit dem er nur schlecht umgehen kann.
Auszeit wird für Trainerschein genutzt
Der Fußball bleibt allerdings sein Plan A - ob als aktiver Spieler oder neben dem Rasen. Dafür nutzt er bereits seine aktuelle Auszeit. Er steht bei seinem Trainerlehrgang kurz vor der Prüfungsphase für seine B-Lizenz. "Ich könnte mir vorstellen, als Trainer oder im Managementbereich zu arbeiten", berichtet er. Über die Jahre hat er sich als Profi ein gutes Netzwerk aufgebaut, das ihm auf diesem Weg hilft. Engelbrecht streckt somit bereits einen Arm in Richtung einer Zukunft abseits des Platzes. Er bildet sich weiter, um einen nahtlosen Übergang von der aktiven Karriere auf eine andere fußballerische Ebene zu schaffen. Wann dieser Zeitpunkt kommen wird, entscheidet allein das Herz des 27-Jährigen.
Was die Ursache für seine Herzprobleme sind, weiß er bis heute nicht genau. Er habe nicht geraucht, nur sehr selten Alkohol getrunken und nie mit einer Erkältung Sport gemacht. "Vor über vier Jahren diagnostizierten die Ärzte meine Herzprobleme. Ich beschäftige mich seitdem zwangsläufig intensiv damit, aber muss trotzdem sagen, dass ich das Herz bis heute nicht komplett verstanden habe", sagt er. "An einem Tag bist du der fitteste Spieler im Team, am nächsten Tag stehst du mit einem Bein auf der anderen Seite." Es ist diese Unberechenbarkeit und diese Machtlosigkeit, die Engelbrechts letzten Jahre geprägt haben. Es verging seit 2013 kein Jahr, in dem bei ihm keine Herzprobleme auftraten. Hätte er nicht unbedingt Profi bleiben wollen, wäre ihm weder der Defibrillator eingesetzt worden, noch hätte er sich den Herz-OPs unterziehen müssen. "Ich würde dennoch alles wieder genauso machen", legt er sich ohne den Anflug eines Zweifels fest.
Unterstützung für Herzkranke
Noch heute bekommt er viele Nachrichten von Menschen mit Herzproblemen. Es gibt ganz praktische Fragen, welche Ärzte er empfehlen kann oder wo er seinen Brustpanzer herbekommt, aber es wird auch um emotionalen Rat gebeten. Engelbrecht, der auch als Pate beim Bundesverband für herzkranke Kinder in Aachen aktiv ist, beantwortet alle Anfragen so gut er kann. Ob er einem anderen jungen Sportler auch raten würde, trotz ähnlicher Herzprobleme so kompromisslos das Risiko in Kauf zu nehmen wie er selbst, lässt er offen. "Es steht mir nicht zu, für jemand anderen eine solche Entscheidung zu treffen", sagt er. "Niemand muss für den Sport auf diese Weise kämpfen. Jeder sollte in sich selbst horchen und das tun, was ihn glücklich macht."
Auf die Frage nach seiner eigenen Situation kommt Engelbrecht rückblickend ins Grübeln, betrachtet sein Schicksal mit gemischten Gefühlen. "Ich bin auf der einen Seite unglaublich dankbar, dass ich immer wieder aufgestanden und noch am Leben bin", erklärt er. "Ich denke aber auch an jedem Tag darüber nach, dass meine Herzprobleme mir das Leben zerstört haben, das ich gern gelebt hätte." Er selbst beschreibt seine Gefühlswelt als eine Gratwanderung. Diese Gratwanderung hat ihn heute zum wiederholten Male an einen Scheideweg geführt, an dem es darum geht, was er bereit ist, für seinen großen Traum aufs Spiel setzen. "Fußball ist mein Leben - Fußball wäre beinahe mein Tod gewesen", sagt er. Kaum jemand weiß besser als Daniel Engelbrecht, wie nah beide Seiten beieinanderliegen können.
Ich habe dies sehr gerne gelesen.