Eins vorneweg - ich mag Clemens Tönnies nicht sonderlich. Die Kumpanei, die er pflegt, gefällt mir nicht. Seine Art, mit den Medien umzugehen und hier immer wieder Dinge fallen zu lassen, die hinter verschlossene Türen gehören, fallen mir immer wieder negativ auf. Die gutsherrenhafte Manier, mit der er den Verein führt, ist mir oft genug ein Dorn im Auge. Und so sagte ich gestern einmal mehr im Stillen zu ihm: Das war nicht sonderlich geschickt, Clemens. Wieder einmal hat der ostwestfälische Fleischbaron sich mit Hilfe eines Handelsblatt-Interviews und einiger anderer unglücklicher Äußerungen derart ungeschickt positioniert, dass es in den sozialen Medien nicht nur einen veritablen Shitstorm gab, sondern auch einmal mehr eine Diskussion um die Sponsorensituation der Königsblauen entstanden ist. Die Verbindung zwischen Schalke und Gazprom steht mal wieder in der Kritik, bei 11FREUNDE, bei spox, in irgendwelchen anderen Zeitungen und natürlich bei den Politikern, die im Europawahlkampf zusehen müssen, wo sie bleiben, damit ihnen die Faschotrottel von der AfD nicht das Wasser abgraben.
Dabei ist es doch so einfach - wer das Geld hat, hat die Macht. Wer die Macht hat, hat das Recht. Das ist eine universelle Wahrheit, die in allen gesellschaftlichen Situationen, in allen Ländern, auf allen Kontinenten gilt, so lange wir in einem kapitalistischen System leben. Und das tun alle Menschen auf der Welt, ganz gleich, ob sich ein Staat sozialistisch oder gar kommunistisch schimpft. Gazprom etwa, das russische, staatliche Gasunternehmen, finanziert nicht etwa nur Schalke 04 oder Bayern München (die sich interessanterweise entspannt zurücklehnen), sondern ist auch einer der Hauptsponsoren der Champions League. Erinnern wir uns an den Schalker Auftritt in Basel, denken wir auch an die Greenpeace-Aktion gegen das Ölgebohre in der Arktis, das Gazprom übrigens trotz der Proteste einfach durchzieht, ohne dass sich irgend ein Staat dagegen groß aufgelehnt hätte.
Wie schon beschrieben: Geld > Macht > Recht. Es ist mehr als scheinheilig, wie Teile von Gesellschaft und Politik jetzt gegen Schalke 04 schießen, während andere Bundesligavereine mindestens ebenso fragwürdige Sponsoren auf ihren Trikots tragen. Hat mal jemand die Bayern gefragt, wie sich die Deutsche Telekom zu amerikanischen Arbeitnehmerrechten positioniert? Fragt jemand Evonik, die auf Dortmunds Trikots stehen, wofür ihre Chemikalien unter anderem so eingesetzt werden? Wie es mit den Arbeitsbedingungen in den fernöstlichen Fabriken von Bayer Leverkusens Sponsor LG so aussieht? Oder unter welchen Bedingungen das Wiesenhof-Geflügel aufwächst, für das Werder Bremen Werbung läuft?
Ja, selten genug wird da nachgefragt im Bremer Fall etwa. Und auch auf Schalke ist das - ganz im Gegensatz zur Bierfirma Veltins vorher - sicher keine Herzensangelegenheit, für Gazprom Werbung zu laufen. Aber, und das muss man Tönnies lassen, es wird wenigstens nicht um den heißen Brei herumgeredet. Tönnies und Putin verbindet mehr als nur eine geschäftliche Freundschaft - zumindest blökt Tönnies das in jedes Mikrofon und jeden Journalistenblock, der ihm vor die Nase gehalten wird. Der russische Präsident ist da wesentlich weniger offensiv, und es besteht auch wenig Veranlassung dazu, anzunehmen, dass es abgesehen von den finanziellen und politischen Verwicklungen Putins mit Gazprom eine besondere Verbindung zu Tönnies Fleischimperium oder dem Fußballverein Schalke 04 gäbe.
Es ist scheinheilig, sich hinzustellen und über einzelne Teilnehmende an diesem Markt zu schimpfen. Alle profitieren von dieser irrsinnigen Geldmaschinerie, und so lange, wie das so bleibt, sollten alle mal schön die Füße still halten. Ganz unabhängig davon, wie die politische Situation sich in der Ukraine und Russland noch entwickeln mag und welche manipulativen Maßnahmen in den Medien noch so ergriffen werden.
Die großen Konzerne, denen ich eine noch wesentlich größere ethische Verantwortung als Sportvereine attestieren würde, unterhalten ja schließlich auch noch ihre wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland. Warum sollten dann an einen Sportverein höhere Ansprüche gestellt werden?
Es sind aber einige Dinge, die mich in deinem Blog stören:
Du gehst mit keinem deiner Worte auf den eigentlich geplanten Besuch eurer Mannschaft zu Putin ein. Sponsoring durch Gazprom? Von mir aus. Aber dann bei einem Despoten gastieren, wo man möglicherweise auch noch Gefahr läuft, für propagandistische Zwecke instrumentalisiert zu werden? Finde ich arg unpassend.
(Ich habe mich auch gegen das Trainingslager des FCB in Katar ausgesprochen: http://www.spox.com/myspox/group-blogdetail/Die-Moral-von-der-Geschicht,204981,10.html?COMORD=2)
Was ich zudem überaus unnötig fand: "Die Faschotrottel von der Afd." Ich erachte das nicht als Tatsache. Sie vertreten nun mal konservative Ansichten, man muss sie auch nicht teilen, tue ich auch nicht, aber von faschistischen oder rechtsradikalen Tendenzen kann ich nicht viel erkennen. Höchstens einige populistischen Parolen.
Ein paar Dummdoofe Mitglieder für ein paar Dumdoofe Antworten fänden die heute-show oder ähnliche Formate auch bei jeder anderen Partei. Das muss nichts heißen. Mit dem Vorwurf des Faschismus sollte man nicht exzessiv und inflationär umgehen.
(Auch wenn ich diese Regel gerade gebrochen habe:) Generell gehören aber politische Ansichten nicht auf Spox.
Zur AfD: doch, genau das ist eine Tatsache. Ich empfehle dir, die aktuellen Wahlplakate von AfD und NPD nebeneinander zu legen. Die Aussagen sind teilweise zu einhundert Prozent deckungsgleich. Und das sind auch keine Wertkonservativen oder ähnliches, sondern Brandstifter mit faschistoidem Menschenbild. Und genau das darf man auch überall sagen, da lasse ich mir von niemandem den Mund verbieten. Vor allem aber gehe ich mit diesem Vorwurf sicher nicht inflationär oder gar exzessiv um.
Hier der Link zu den Plakaten:
http://alexbloggt.com/wp-content/uploads/2014/04/npd-afd.png
Und abgesehen davon gehören politische Kommentare meines Ermessens durchaus hierher, wohin sollen sie denn sonst gehören? :)
"schwulenhassenden Menschenfeinden in Russland und überwachungsgeilen Imperialisten in den USA"
Ein echter Klassiker in der Ukraine-Diskussion. Ohne kommt man wohl nicht aus. Das ist so uralt, wie es falsch ist.
Sicher gibt es im Geschichtsbuch der USA auch viele schwarze Seiten, a la Vietnam, a la Südamerika, a la Irak oder auch den NSA-Skandal, aber Russland und die USA auf eine Stufe zu stellen halte ich für hanebüchenen Unsinn.
Um jetzt nicht vom hundertste ins tausendste zu fallen, nur so viel: Ein Großteil der vermeintlich imperialistisch motivierten Interventionen im Ausland waren letztlich nur eine Reaktion auf die widerrechtliche Einmischung Russlands in die Souveränität anderer Staaten. Unrecht rechtfertigt sicher nicht Unrecht, aber das ist Politik. Wir würden uns wundern, wenn Politiker nicht in erster Linie pragmatisch und realpolititsch denken würden.
Aber wenn man allein die menschenrechtliche Situation heute in beiden Staaten vergleicht, braucht man kein amerikahöriger Lemming zu sein, um zu erkennen, dass der Vergleich deutlich zu Ungunsten Putins ausfällt. Snowden hin, Assange her.
Vor allem wir Deutschen sollten ein wenig sparsamer mit der USA-Kritik umgehen. Man muss gewiss nicht alles akzeptieren oder widerstandslos hinnehmen, aber letztlich zeichnen in der Hauptsache die USA verantwortlich für unsere - ich denke - ganz akzeptable Existenz heute. Darüber können wir noch ausgiebig diskutieren, aber mir gehen bald die Zeichen aus, also belasse ich es dabei.
Noch kurz zur Afd: Klar sei dir deine Meinung gestattet. Ich sehe das anders. Ich kenne die Wahlplakate, ich kenne das Vergleichsbild mit denen der NPD und bleibe bei meiner Ansicht: (Rechts-)Populistisch ja, faschistisch sicher nicht. Dazu reicht ein Blick ins Parteiprogramm.
Und auf politische Diskussionen wie "Maxi FCB" habe ich hier zu keinem Zeitpunkt Bock. Es ist eine Sportseite und nix anderes!
Um es etwas zu verdeutlichen: die Neigung diverser Spoxler Schalke einfach mit Unterstützung für die Politik Putins gleichzusetzen wegen des Sponsorings durch Gazprom mag ärgerlich sein für einen Schalker, ist letzten Endes aber irrelevant. Sowas auch nur im Ansatz ernst zu nehmen bedeutet lediglich sich auf deren Niveau herabzulassen.
Fragwürdig ist die Begründung des Herrn Tönnies (damit die Mannschaft auch mal den Kreml sieht). Ohne Zweifel ist dies ein historisch und architektonisch interessanter Bau, den ich auch selbst ganz gerne mal besuchen würde - aber als Begründung für eine Stippvisite eines Vereins ist diese Aussage lächerlich. Clemens Tönnies verfolgt damit Interessen die von Schalke losgelöst sind und versucht, die Spieler dafür als Ausrede herzunehmen. Und das ist durchaus kritikwürdig, und die Absage dieser Reise (für die Mannschaft) macht das keineswegs besser, sondern ist einfach nur ungeschickt und sonst nichts.
Es wäre besser gewesen, das einfach durchzuziehen oder von Anfang an zu sagen, dass es sich hier um eine Reise zum Besuch des Sponsors mit Tourismusprogramm handelt. Aber dann hätte der Herr Tönnies seine Freundschaft zu Putin nicht beiläufig erwähnen können.
Die Herren Tönnies und Putin haben nunmal ein gemeinsames Interesse. Der eine findet die Nähe zur Macht verführerisch, und der andere kann Bilder mit westlichen Wirtschaftsführern gut gebrauchen. Beides produziert hübsche Bilder, die unter Umständen vorteilhaft wirken können und deshalb profitabel sind.
Und für diejenigen, die glauben, das hier sei einfach eine Sportseite und sonst nichts: im Leben ist fast alles Politik. Auch wenn ihr glaubt, Politik gehe euch nichts an seid ihr doch betroffen. Deshalb gehört so eine Diskussion durchaus hierher, und es ist legitim, dazu eine Meinung zu haben - oder auch nicht. Aber dass ihr keine habt bedeutet nicht, dass die anderen auch keine haben dürfen.