24.03.2008 um 16:56 Uhr
Namen: Schall und Rauch
Fremde Sprachen sind schwierig. Das wissen wir alle. Und für uns Kommentatoren besonders. Wir müssen uns nämlich damit herumschlagen. Zum Beispiel, wenn wir in der Champions League Benfica Lissabon gegen Schachtjor Donezk kommentieren dürfen (so wie ich in dieser Saison). Portugiesen gegen Ukrainer, dazu jeden Menge Importspieler aus aller Herren Länder. Eins weiß man schon vorher: Nämlich, dass es unmöglich ist, alle Namen korrekt auszusprechen. Mir ist das sicher auch nicht gelungen. Eins aber habe ich gelernt: Benficas Torwart Quim wird "King" ausgesprochen. Das weiß ich und ihr wisst es jetzt auch. Zu verdanken haben wir diese Erkenntnis einem redaktionellen Mitarbeiter mit portugiesischen Wurzeln. Aus der Ukraine war leider niemand da.
Immerhin sind diese Sprachprobleme für eins gut: hitzige Diskussionen nämlich. Im Internet. Da wird ein Kommentator beschimpft, weil er einen Namen nicht korrekt ausspricht. Der andere bekommt auf die Mütze, weil er es zu genau nimmt. Getreu der ewigen Wahrheit dieses Lebens: Irgendeiner meckert immer.
Quertreiber gibt es aber auch in den eigenen Reihen. Da taucht dann ein Kommentator auf, spricht einen Namen falsch aus, andere schnappen es auf, verbreiten es weiter und schon hat sich eine falsche Version verbreitet. Wie ein Lauffeuer. Oder eher wie eine Seuche.
Nun sind die meisten Kommentatoren, die ich kenne, immer bemüht, Namen korrekt auszusprechen. Aber das ist nicht immer so leicht. Schließlich weiß man es manchmal schlicht und einfach nicht. Dann fragt man Pressesprecher, Trainer oder andere Mitarbeiter des jeweiligen Klubs und die sagen einem das dann schon. Tja, nur sagen sie es einem leider oft falsch. Weil sie es selbst nicht wissen. Oder weil es sie nicht interessiert. Vor dieser Saison hat Premiere alle Klubs angeschrieben und um eine Ausspracheliste gebeten. Bis zur Winterpause hatten dann etwa ein Drittel aller Erst- und Zweitligisten geantwortet.
Wenn man glücklich herausgefunden hat wie Spieler X, Y oder Z ausgesprochen wird, dann stellt man vielleicht erstaunt fest: Der heißt ja gar nicht so, wie es die anderen immer aussprechen. Was dann? Ein Beispiel: Zu Beginn meiner Fußball-Kommentatorenkarriere bei Premiere habe ich oft die holländische Ehrendivision kommentiert. Zur Vorbereitung habe ich mir einige Spiele besorgt, mit holländischem Kommentar. Man will sich ja keine Blöße geben. Und was habe ich gelernt? Nun, ich habe zum Beispiel gelernt, dass Dirk Kuyt gar nicht "Koit" ausgesprochen wird, sondern "Kaut". Und das habe ich dann auch so gemacht, auch wenn mich immer wieder Kollegen auf meinen "Fehler" hingewiesen haben. Es gab sogar holländisch-stämmige Mitarbeiter, die Stein und Bein schworen, dass "Koit" richtig sei.
Als Kommentator steht man nun vor folgender Frage: mache ich es weiter richtig, auch wenn ich der Einzige bin? Oder ist es besser wenn es alle einheitlich falsch machen? Habe ich die Antwort auf diese Frage gefunden, sind die Probleme leider noch nicht zu Ende. Es gibt nämlich auch komische Verwirrungen. Es würde den Rahmen sprengen, wenn ich hier die (vom Kollegen Torsten Kunde überlieferte) Geschichte erzählen würde, wie es kommt dass Grafite überall "Grafitsch" ausgesprochen wird, auch wenn er bei seiner Antritts-Pressekonferenz in Wolfsburg kundtat, dass "Grafitsch" zwar die korrekte Aussprache sei, er aber in Deutschland lieber Grafit-E genannt werden wolle.
Brasilianische Namen, das ist ohnehin ein Sonderthema. Hört euch mal ein Länderspiel der Brasilianer im Originalkommentar an und versucht, die Spielernamen zu erkennen. Beispiel: Ronaldinho. Der ist in seiner Heimat als "Ronaldinho Gaucho" bekannt. Außerdem neigen die Brasilianer dazu, Teile des Namens zu verschlucken, so dass sie bei Ronaldinho nicht über "Ronaldin" hinauskommen. Und dann wird beim "Gaucho" auch noch das u und am Ende das o betont. Oder so ähnlich.
Grafite ist aber auch für ein anderes Phänomen ein gutes Beispiel: nämlich dafür, dass manch einer seinen Namen im Umgang mit Ausländern selbst nicht korrekt ausspricht, weil er davon ausgeht, dass die es ohnehin nicht hinbekommen würden. Noch ein Beispiel: Ich kenne viele Menschen, die für die NFL Europe gearbeitet haben. Auf ihrer Handy-Mailbox gab es dann die Ansagen auf Deutsch und Englisch. Das klang dann in etwa so: "Hallo, hier ist Michael Lang von Berlin Thunder. Hello, this is Meikel Läng of the Börlin Thunder." Da denkt man die mangelnde Sprachbegabung des Gesprächspartners schon mit. Genau das hat auch Grafite gemacht. Nur, was ist denn nun richtig: Grafitsch oder Grafit-E?
Und es gibt noch ein weiteres Problem. Spieler ändern nämlich manchmal die Aussprache ihres Namens. Einfach so. Beispiel: der NFL-Cornerback Patrick Surtain. Der kam als "Pätrick Sörten" in die Liga. Nach ein paar Jahren fand er, die französische Aussprache gefalle ihm besser. Also nannte er sich fürderhin "Pätrick Sörtähn".
Da wünscht man sich doch, alle Menschen könnten Waliser sein. Dann hätte man es leicht als Kommentator. Schließlich heißt fast die Hälfte aller walisischen Rugby-Nationalspieler Jones. Ein Traum. Aber nur bis man auf die Vornamen schaut: Deiniol, Alun-Wyn, Rhys usw. Mist!
Was lernen wir also aus all dem? Erstens: das korrekte Aussprechen von Spielernamen ist nur in der Theorie einfach.
Zweitens: Ob ein Name richtig oder falsch ausgesprochen wird, oder zwar richtig ausgesprochen wird aber besser falsch ausgesprochen worden wäre (weil es alle anderen auch falsch machen) ist eine echte Gewissensfrage.
Drittens: Manchen Namen kann man auch dann nicht korrekt aussprechen, wenn man sich Mühe gibt.
Viertens: Der ein oder andere weiß selbst nicht genau, wie er heißt
Fünftens: Schuld sind die Erbauer des Turms von Babel. Schließlich sprachen die Menschen vorher alle eine Sprache. Erst diese Ehrgeizlinge erbosten Gott so sehr, dass er uns die babylonische Sprachverwirrung schickte. Und darunter leiden wir noch heute. Vor allem wir Kommentatoren. Diese Idioten!
Bis bald,
Andreas
Immerhin sind diese Sprachprobleme für eins gut: hitzige Diskussionen nämlich. Im Internet. Da wird ein Kommentator beschimpft, weil er einen Namen nicht korrekt ausspricht. Der andere bekommt auf die Mütze, weil er es zu genau nimmt. Getreu der ewigen Wahrheit dieses Lebens: Irgendeiner meckert immer.
Quertreiber gibt es aber auch in den eigenen Reihen. Da taucht dann ein Kommentator auf, spricht einen Namen falsch aus, andere schnappen es auf, verbreiten es weiter und schon hat sich eine falsche Version verbreitet. Wie ein Lauffeuer. Oder eher wie eine Seuche.
Nun sind die meisten Kommentatoren, die ich kenne, immer bemüht, Namen korrekt auszusprechen. Aber das ist nicht immer so leicht. Schließlich weiß man es manchmal schlicht und einfach nicht. Dann fragt man Pressesprecher, Trainer oder andere Mitarbeiter des jeweiligen Klubs und die sagen einem das dann schon. Tja, nur sagen sie es einem leider oft falsch. Weil sie es selbst nicht wissen. Oder weil es sie nicht interessiert. Vor dieser Saison hat Premiere alle Klubs angeschrieben und um eine Ausspracheliste gebeten. Bis zur Winterpause hatten dann etwa ein Drittel aller Erst- und Zweitligisten geantwortet.
Wenn man glücklich herausgefunden hat wie Spieler X, Y oder Z ausgesprochen wird, dann stellt man vielleicht erstaunt fest: Der heißt ja gar nicht so, wie es die anderen immer aussprechen. Was dann? Ein Beispiel: Zu Beginn meiner Fußball-Kommentatorenkarriere bei Premiere habe ich oft die holländische Ehrendivision kommentiert. Zur Vorbereitung habe ich mir einige Spiele besorgt, mit holländischem Kommentar. Man will sich ja keine Blöße geben. Und was habe ich gelernt? Nun, ich habe zum Beispiel gelernt, dass Dirk Kuyt gar nicht "Koit" ausgesprochen wird, sondern "Kaut". Und das habe ich dann auch so gemacht, auch wenn mich immer wieder Kollegen auf meinen "Fehler" hingewiesen haben. Es gab sogar holländisch-stämmige Mitarbeiter, die Stein und Bein schworen, dass "Koit" richtig sei.
Als Kommentator steht man nun vor folgender Frage: mache ich es weiter richtig, auch wenn ich der Einzige bin? Oder ist es besser wenn es alle einheitlich falsch machen? Habe ich die Antwort auf diese Frage gefunden, sind die Probleme leider noch nicht zu Ende. Es gibt nämlich auch komische Verwirrungen. Es würde den Rahmen sprengen, wenn ich hier die (vom Kollegen Torsten Kunde überlieferte) Geschichte erzählen würde, wie es kommt dass Grafite überall "Grafitsch" ausgesprochen wird, auch wenn er bei seiner Antritts-Pressekonferenz in Wolfsburg kundtat, dass "Grafitsch" zwar die korrekte Aussprache sei, er aber in Deutschland lieber Grafit-E genannt werden wolle.
Brasilianische Namen, das ist ohnehin ein Sonderthema. Hört euch mal ein Länderspiel der Brasilianer im Originalkommentar an und versucht, die Spielernamen zu erkennen. Beispiel: Ronaldinho. Der ist in seiner Heimat als "Ronaldinho Gaucho" bekannt. Außerdem neigen die Brasilianer dazu, Teile des Namens zu verschlucken, so dass sie bei Ronaldinho nicht über "Ronaldin" hinauskommen. Und dann wird beim "Gaucho" auch noch das u und am Ende das o betont. Oder so ähnlich.
Grafite ist aber auch für ein anderes Phänomen ein gutes Beispiel: nämlich dafür, dass manch einer seinen Namen im Umgang mit Ausländern selbst nicht korrekt ausspricht, weil er davon ausgeht, dass die es ohnehin nicht hinbekommen würden. Noch ein Beispiel: Ich kenne viele Menschen, die für die NFL Europe gearbeitet haben. Auf ihrer Handy-Mailbox gab es dann die Ansagen auf Deutsch und Englisch. Das klang dann in etwa so: "Hallo, hier ist Michael Lang von Berlin Thunder. Hello, this is Meikel Läng of the Börlin Thunder." Da denkt man die mangelnde Sprachbegabung des Gesprächspartners schon mit. Genau das hat auch Grafite gemacht. Nur, was ist denn nun richtig: Grafitsch oder Grafit-E?
Und es gibt noch ein weiteres Problem. Spieler ändern nämlich manchmal die Aussprache ihres Namens. Einfach so. Beispiel: der NFL-Cornerback Patrick Surtain. Der kam als "Pätrick Sörten" in die Liga. Nach ein paar Jahren fand er, die französische Aussprache gefalle ihm besser. Also nannte er sich fürderhin "Pätrick Sörtähn".
Da wünscht man sich doch, alle Menschen könnten Waliser sein. Dann hätte man es leicht als Kommentator. Schließlich heißt fast die Hälfte aller walisischen Rugby-Nationalspieler Jones. Ein Traum. Aber nur bis man auf die Vornamen schaut: Deiniol, Alun-Wyn, Rhys usw. Mist!
Was lernen wir also aus all dem? Erstens: das korrekte Aussprechen von Spielernamen ist nur in der Theorie einfach.
Zweitens: Ob ein Name richtig oder falsch ausgesprochen wird, oder zwar richtig ausgesprochen wird aber besser falsch ausgesprochen worden wäre (weil es alle anderen auch falsch machen) ist eine echte Gewissensfrage.
Drittens: Manchen Namen kann man auch dann nicht korrekt aussprechen, wenn man sich Mühe gibt.
Viertens: Der ein oder andere weiß selbst nicht genau, wie er heißt
Fünftens: Schuld sind die Erbauer des Turms von Babel. Schließlich sprachen die Menschen vorher alle eine Sprache. Erst diese Ehrgeizlinge erbosten Gott so sehr, dass er uns die babylonische Sprachverwirrung schickte. Und darunter leiden wir noch heute. Vor allem wir Kommentatoren. Diese Idioten!
Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 14562 | Kommentare: 23 | Bewertungen: 19 | Erstellt:24.03.2008
ø 9.5
KOMMENTARE
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28.03.2008 | 15:31 Uhr
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BOD :
Hmm naja, schade. Wollte dich schon im vorherigen Kommentar nach den Tri Nations fragen.^^ Zum Glück gibt es das Internet und Livestream. Hoffe das Munster die irische Rugby-Ehre im Heineken Cup hoch hält.
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19.04.2009 | 16:08 Uhr
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fritzhirsch : ausländische Namen
Ich bin promovierter Sprachwissenschaftler und spreche fließend Niederländisch. Zur Aussprache ausländischer Namen möchte ich warnen: Niemand werfe den ersten Stein! Das hängt damit zusammen, dass Diskussionen von der Art "koit" vs. "kaut" relativ sinnlos sind. Das hängt damit zusammen, dass im Niederländischen andere Laute verwendet werden als wir sie im Deutschen haben, und die kriegt sowieso fast kein Deutscher hin. Das "uy" in "Kuyt" ist ein Doppellaut (Diphtong), bestehend aus einem "ö"-Laut, der ohne Lippenrundung ausgesprochen wird (versucht das mal!) und einem anschließenden "ü". Niemand kann verlangen, dass man als Nicht-Holländer sowas richtig ausspricht. Daher gilt folgende Regel: Man sollte versuchen, ausländische Ausdrücke und Namen mit den in der eigenen Sprache vorhandenen Lauten so gut es geht zu imitieren, also je nach Sprachtalent kann man "köüt", "köit" oder eben "koit" sagen. Dagegen würde "kuit" eher auf Ignoranz schließen lassen. Genauso blöd wäre es beispielsweise, den Namen "Zidane" als eben "tsi-da-ne" auszusprechen, wo die Lautfolge "sidan" (mit stimmhaftem "s") im Deutschen verfügbar ist. Schlussbemerkung: wer jetzt immer noch das große Sprachtalent heraushängen möchte, mache sich bitte bewusst, dass selbst Namen wie "Van Gogh" eigentlich "fan choch" (also mit "ch" am Anfang) ausgesprochen werden, was auf die meisten Deutschen einigermaßen bizarr wirkt.
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20.04.2009 | 09:48 Uhr
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AndreasRenner : @fritzhirsch
Bei meinem Lieblingsthema Kaut oder Koit gehörst Du ja offenbar zu denjenigen, die der Meinung sind, dass Koit näher dran ist an der Wahrheit. Bleibt die Frage, wie komme ich auf Kaut. Nun, ich habe bei Premiere eine Weile die holländische Liga kommentiert. Und mir deshalb Mitschnitte aus dem holländischen Fernsehen besorgt. Damals spielte der Dirk noch bei Feyenoord und alle Kommentatoren nannten ihn Kaut. Also habe ich das auch getan.
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