23.11.2009 um 19:19 Uhr
Nightmare, painted in red
Sinsheim, 8. Mai 2010, 17:21 Uhr
Die Sonne scheint, es sind sommerliche 23° C. Die Rhein-Neckar-Arena bebt. Spieler in blauen T-Shirts vollführen ein ums andere Mal eine Ehrenrunde mit der Schale in den Händen. Ralf Rangnick, voller Champagner, spricht von einem lang erarbeiteten Erfolg. Auf dem Rasen liegen Spieler in roten Trikots. Die Arme vor dem Gesicht. Andere gehen still und einsam umher, schütteln den Kopf. Ein völlig konsternierter Marcel Koller steht minutenlang starr an der Seitenlinie.
Was ist passiert?
Vor 3 Minuten wurde der letzte Spieltag der Bundesligasaison 2009/10 abgepfiffen. Die TSG 1899 Hoffenheim sicherte sich in einem atemberaubenden Saisonfinish die erste Meisterschaft durch einen 2:0-Erfolg über den VfB Stuttgart. Glück und Leid liegen heute dicht beieinander. Dichter geht es nicht. Es ist, als gebe es ein Drehbuch.
Denn am anderen Ende der Tabelle gelang es der Gladbacher Borussia durch einen hart umkämpften 2:1-Sieg gegen Bayer Leverkusen, den VfB Stuttgart vom rettenden Ufer der Relegation auf Platz 17 zu stoßen, hinab in die Zweite Liga.
Der VfB Stuttgart ist abgestiegen, die Überraschung der Saison ist perfekt.
Auf dem Platz stehen Spieler, die genau ein Jahr zuvor auf Platz 3 der Liga standen. Jetzt sind sie nicht mal mehr erstklassig.
Cacau heult Rotz und Wasser, Thomas Hitzlsperger steht im Mittelkreis, die Hände in die Hüften gestemmt und starrt nur geradeaus, die Kapitänsbinde hängt schlaff ums Handgelenk. Jens Lehmann stürmt zornig Richtung Kabinentrakt, rennt einen Balljungen über den Haufen. Serdar Tasci liefert sich ein Wortgefecht mit Aleksander Hleb, aber alles zu spät. Es ist vorbei.
--Schnitt--
17:39 Uhr
Ein blutleerer Horst Heldt wird von einem Kamerateam in der Mixed-Zone gestellt. Wird gefragt, wie das passieren konnte. Er kennt keine Antwort. Er müsse das erst einmal verarbeiten. Das sei der schlimmste Augenblick seiner Karriere. Ob er eine Zukunft beim VfB hätte? Ziel muss der direkte Wiederaufstieg sein, meint er. Das war keine Antwort auf die Frage. Nachfrage. Wie geht es mit ihm weiter. Das wisse er nicht. Man müsse sich da mal zusammensetzten und reden. Reden. Schon wieder. Oder immer noch. Ob er zu lange an seinem Freund Markus Babbel festgehalten habe, den er dann doch am 16. Spieltag entlassen musste? Zu einem Zeitpunkt, bei dem der VfB auch auf Platz 17 stand, hinter ihm nur die Hertha aus Berlin. Das sei Schwachsinn! Man habe die richtigen Entscheidungen getroffen. Es sei einfach wie verhext gewesen, das ganze Jahr durch. Natürlich hätte man einiges anders machen können, aber nun sei es nun mal so, wie es ist! Heldt nun zunehmend gereizt. Diese blöden Nachfragen brächten auch nichts! Es gehe hier nicht um einzelne Personen, sondern um den Verein! Und heute werde es keine Entscheidungen zu irgendwas geben!
--Schnitt--
17:42 Uhr
Erwin Staudt stellt sich der Presse. Das sei ein trauriger Tag. Er sei zutiefst enttäuscht. Ziel ist der direkte Wiederaufstieg. Wie es mit Marcel Koller weitergehe? Das wisse er noch nicht. So eine Entscheidung brauche Zeit. Staudt wendet sich ab. Dann bricht es doch aus ihm heraus. Die Mannschaft habe eine Reihe von Problemen. Der Trainer sei nur eines davon! Er habe es wohl nicht geschafft, die Mannschaft auf den Abstiegskampf einzustellen. Von daher habe er Zweifel, ob Marcel Koller der richtige Mann für diese Aufgabe wäre. Was ist mit Horst Heldt? An dieser Situation hätten viele Leute ihren Anteil gehabt. Er erwarte, dass diese jetzt auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen werden! Er habe lange genug zugeschaut. Zu lange vielleicht? Womöglich!
--Schnitt--
17:45 Uhr
Sami Khedira vor dem Mikro. Zitternde Stimme. Er sei schon seit seiner Kindheit beim VfB, aber der heutige Tag sei das Schlimmste, was er im Sport je erlebt habe. Er wisse nicht, wie das passieren konnte. Er fühlt sich leer. Ob er bleiben würde? Das könnte er jetzt nicht sagen. Aber er müsse sich Gedanken machen, wie es auch für ihn weitergeht. Er wolle in seiner Karriere vorankommen, auch in der Nationalmannschaft. Da könne man ja nicht sagen, dass die Zweite Liga ein Fortschritt sei. Aber er wolle das in Ruhe entscheiden.
--Schnitt--
17: 48 Uhr
Wieder im Stadion. Gästeblock. Die Treuesten der Treuen. Die mitgereisten Fans, die wieder über 90 Minuten Gas gegeben hatten und wieder bitter enttäuscht wurden. Jetzt recken sie trotzig die Fahnen und Transparente in die Luft. Schal reiht sich an Schal. Ein Meer in Rot und Weiß. Tränen fließen ungehindert. Manch einer will es nicht wahrhaben. Ist wütend. Manche brüllen etwas von Scheißsöldnern und Arschlöchern. Doch der Großteil ist einfach ruhig. In Schockstarre. Das Unmögliche ist eingetreten. Wie es weiter gehen soll? Keiner weiß es. Keiner von ihnen hat je damit gerechnet, immer noch an die Rettung geglaubt. Oder schon vor langem aufgegeben. Oder beides.
--Schnitt--
17:52 Uhr
In der Mixed-Zone wird Nachwuchsstürmer Julian Schieber von den Kameras gestellt. Was er jetzt fühle. Er sei stinksauer und enttäuscht. Der VfB sei immer sein Verein gewesen. Jetzt abzusteigen, das hätte er sich nie vorstellen können. Ob er bleibe? Schieber nun auch patzig. Aber selbstverständlich! Der VfB sei sein Verein, da könnte auch ein Abstieg nichts dran ändern. Eine Träne steigt in sein Auge. Er wirkt wie ein trotziges Kind und gleichzeitig doch erwachsen. Er werde dem VfB treu bleiben und dabei helfen, wieder aufzusteigen! Da könne man sich ganz sicher sein! Er will Verantwortung übernehmen!
--Schnitt--
Ich fahre hoch. Um mich ist es stockdunkel. Was ist los? Wo bin ich? Wann bin ich?
Langsam holt mein Gehirn meinen Körper ein. Es ist stockdunkel. Mitten in der Nacht. Ich taste nach der Lampe, finde sie, knipse sie an.
Ich bin da, wo ich mich zurückgelassen hab. Im Bett.
Wecker.
3:38 Uhr.
Datum?
23.11.2009.
Alptraum.
Ich drehe mich um, auf meinem Kissen zeichnet sich meine schweißgetränkte Silhouette ab.
Ja.
Alptraum.
Und was für einer.
Ich beruhige meinen Puls und meinen Atem.
Wische mir den Schweiß von der Stirn.
Nochmal ein Sicherheitsblick auf den Wecker, Datum und Uhrzeit passen. Ich bin erleichtert.
Saisonfinale ist noch weit weg.
Licht wieder aus.
Zurücklegen.
Dunkelheit.
Alles nur ein verdammter Alptraum. Zum Glück.
So wird es nicht kommen. Nie.
Ich schließe die Augen.
Und was wenn doch?
Die Sonne scheint, es sind sommerliche 23° C. Die Rhein-Neckar-Arena bebt. Spieler in blauen T-Shirts vollführen ein ums andere Mal eine Ehrenrunde mit der Schale in den Händen. Ralf Rangnick, voller Champagner, spricht von einem lang erarbeiteten Erfolg. Auf dem Rasen liegen Spieler in roten Trikots. Die Arme vor dem Gesicht. Andere gehen still und einsam umher, schütteln den Kopf. Ein völlig konsternierter Marcel Koller steht minutenlang starr an der Seitenlinie.
Was ist passiert?
Vor 3 Minuten wurde der letzte Spieltag der Bundesligasaison 2009/10 abgepfiffen. Die TSG 1899 Hoffenheim sicherte sich in einem atemberaubenden Saisonfinish die erste Meisterschaft durch einen 2:0-Erfolg über den VfB Stuttgart. Glück und Leid liegen heute dicht beieinander. Dichter geht es nicht. Es ist, als gebe es ein Drehbuch.
Denn am anderen Ende der Tabelle gelang es der Gladbacher Borussia durch einen hart umkämpften 2:1-Sieg gegen Bayer Leverkusen, den VfB Stuttgart vom rettenden Ufer der Relegation auf Platz 17 zu stoßen, hinab in die Zweite Liga.
Der VfB Stuttgart ist abgestiegen, die Überraschung der Saison ist perfekt.
Auf dem Platz stehen Spieler, die genau ein Jahr zuvor auf Platz 3 der Liga standen. Jetzt sind sie nicht mal mehr erstklassig.
Cacau heult Rotz und Wasser, Thomas Hitzlsperger steht im Mittelkreis, die Hände in die Hüften gestemmt und starrt nur geradeaus, die Kapitänsbinde hängt schlaff ums Handgelenk. Jens Lehmann stürmt zornig Richtung Kabinentrakt, rennt einen Balljungen über den Haufen. Serdar Tasci liefert sich ein Wortgefecht mit Aleksander Hleb, aber alles zu spät. Es ist vorbei.
--Schnitt--
17:39 Uhr
Ein blutleerer Horst Heldt wird von einem Kamerateam in der Mixed-Zone gestellt. Wird gefragt, wie das passieren konnte. Er kennt keine Antwort. Er müsse das erst einmal verarbeiten. Das sei der schlimmste Augenblick seiner Karriere. Ob er eine Zukunft beim VfB hätte? Ziel muss der direkte Wiederaufstieg sein, meint er. Das war keine Antwort auf die Frage. Nachfrage. Wie geht es mit ihm weiter. Das wisse er nicht. Man müsse sich da mal zusammensetzten und reden. Reden. Schon wieder. Oder immer noch. Ob er zu lange an seinem Freund Markus Babbel festgehalten habe, den er dann doch am 16. Spieltag entlassen musste? Zu einem Zeitpunkt, bei dem der VfB auch auf Platz 17 stand, hinter ihm nur die Hertha aus Berlin. Das sei Schwachsinn! Man habe die richtigen Entscheidungen getroffen. Es sei einfach wie verhext gewesen, das ganze Jahr durch. Natürlich hätte man einiges anders machen können, aber nun sei es nun mal so, wie es ist! Heldt nun zunehmend gereizt. Diese blöden Nachfragen brächten auch nichts! Es gehe hier nicht um einzelne Personen, sondern um den Verein! Und heute werde es keine Entscheidungen zu irgendwas geben!
--Schnitt--
17:42 Uhr
Erwin Staudt stellt sich der Presse. Das sei ein trauriger Tag. Er sei zutiefst enttäuscht. Ziel ist der direkte Wiederaufstieg. Wie es mit Marcel Koller weitergehe? Das wisse er noch nicht. So eine Entscheidung brauche Zeit. Staudt wendet sich ab. Dann bricht es doch aus ihm heraus. Die Mannschaft habe eine Reihe von Problemen. Der Trainer sei nur eines davon! Er habe es wohl nicht geschafft, die Mannschaft auf den Abstiegskampf einzustellen. Von daher habe er Zweifel, ob Marcel Koller der richtige Mann für diese Aufgabe wäre. Was ist mit Horst Heldt? An dieser Situation hätten viele Leute ihren Anteil gehabt. Er erwarte, dass diese jetzt auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen werden! Er habe lange genug zugeschaut. Zu lange vielleicht? Womöglich!
--Schnitt--
17:45 Uhr
Sami Khedira vor dem Mikro. Zitternde Stimme. Er sei schon seit seiner Kindheit beim VfB, aber der heutige Tag sei das Schlimmste, was er im Sport je erlebt habe. Er wisse nicht, wie das passieren konnte. Er fühlt sich leer. Ob er bleiben würde? Das könnte er jetzt nicht sagen. Aber er müsse sich Gedanken machen, wie es auch für ihn weitergeht. Er wolle in seiner Karriere vorankommen, auch in der Nationalmannschaft. Da könne man ja nicht sagen, dass die Zweite Liga ein Fortschritt sei. Aber er wolle das in Ruhe entscheiden.
--Schnitt--
17: 48 Uhr
Wieder im Stadion. Gästeblock. Die Treuesten der Treuen. Die mitgereisten Fans, die wieder über 90 Minuten Gas gegeben hatten und wieder bitter enttäuscht wurden. Jetzt recken sie trotzig die Fahnen und Transparente in die Luft. Schal reiht sich an Schal. Ein Meer in Rot und Weiß. Tränen fließen ungehindert. Manch einer will es nicht wahrhaben. Ist wütend. Manche brüllen etwas von Scheißsöldnern und Arschlöchern. Doch der Großteil ist einfach ruhig. In Schockstarre. Das Unmögliche ist eingetreten. Wie es weiter gehen soll? Keiner weiß es. Keiner von ihnen hat je damit gerechnet, immer noch an die Rettung geglaubt. Oder schon vor langem aufgegeben. Oder beides.
--Schnitt--
17:52 Uhr
In der Mixed-Zone wird Nachwuchsstürmer Julian Schieber von den Kameras gestellt. Was er jetzt fühle. Er sei stinksauer und enttäuscht. Der VfB sei immer sein Verein gewesen. Jetzt abzusteigen, das hätte er sich nie vorstellen können. Ob er bleibe? Schieber nun auch patzig. Aber selbstverständlich! Der VfB sei sein Verein, da könnte auch ein Abstieg nichts dran ändern. Eine Träne steigt in sein Auge. Er wirkt wie ein trotziges Kind und gleichzeitig doch erwachsen. Er werde dem VfB treu bleiben und dabei helfen, wieder aufzusteigen! Da könne man sich ganz sicher sein! Er will Verantwortung übernehmen!
--Schnitt--
Ich fahre hoch. Um mich ist es stockdunkel. Was ist los? Wo bin ich? Wann bin ich?
Langsam holt mein Gehirn meinen Körper ein. Es ist stockdunkel. Mitten in der Nacht. Ich taste nach der Lampe, finde sie, knipse sie an.
Ich bin da, wo ich mich zurückgelassen hab. Im Bett.
Wecker.
3:38 Uhr.
Datum?
23.11.2009.
Alptraum.
Ich drehe mich um, auf meinem Kissen zeichnet sich meine schweißgetränkte Silhouette ab.
Ja.
Alptraum.
Und was für einer.
Ich beruhige meinen Puls und meinen Atem.
Wische mir den Schweiß von der Stirn.
Nochmal ein Sicherheitsblick auf den Wecker, Datum und Uhrzeit passen. Ich bin erleichtert.
Saisonfinale ist noch weit weg.
Licht wieder aus.
Zurücklegen.
Dunkelheit.
Alles nur ein verdammter Alptraum. Zum Glück.
So wird es nicht kommen. Nie.
Ich schließe die Augen.
Und was wenn doch?
Aufrufe: 7762 | Kommentare: 74 | Bewertungen: 49 | Erstellt:23.11.2009
ø 9.8
KOMMENTARE
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25.11.2009 | 01:36 Uhr
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BASHELOR :
Wer stand ganz unten? Vielleicht hat der Traum ja doch noch seine schönen Seiten gehabt.
1
25.11.2009 | 01:49 Uhr
0
Von den ersten 42 Bewertungen, 42
10er, wow
Das dann irgendwelche Idioten kamen und Dir 1bzw. 2 Punkte gegeben haben, ist leicht zu verschmerzen und als reiner Neid anzusehen
1
11.12.2010 | 03:35 Uhr
0
jasi2106 :
Hoffenheim mit dem BVB getauscht, Heldt mit Bobic und noch ein paar andere Namen und schon passt es 100%ig auf die momentane Situation - leider.
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