Es ist ja schon so, dass ich einer von Millionen Billard-Kneipenprofis bin. Nein, keiner von denen, die mit ihrem Kumpel und zwei Mädels spielen, um die beiden genauer unter die Lupe zu nehmen und dabei mal richtig zu posen. Ich bin einer von denen, die Ehrgeiz mit an den Tisch bringen.

Ich sag ganz ehrlich: Verlieren ist räudig und stinkt.

Es begab sich nun etwas eher diese Woche, dass ich mich in München aufhielt und natürlich musste ich da meinem alten Billard-Rivalen Oliver einen Fehdehandschuh hinwerfen. Das war jetzt natürlich nicht wörtlich gemeint, ich trage keine Handschuhe und außerdem hab ich einfach angerufen und gesagt: "Hmhmm, ist ja schon Billard heute Abend. Halb zehn. Sieh zu."

Er sah zu. Halb zehn. Im Schelling-Salon . Und er verlor. Zuerst das Spiel, dann die Fassung und zuletzt den Anstand.

Aber zurück zu halb zehn. Mitstreiter Rainer und ich betreten den altehrwürdigen Schelling-Salon und sehen Oliver schon auf der Empore sitzen. Knappe Begrüßung, Jägerschnitzel bestellt, Griff zum Queue und los gehts.

21:37 Uhr: Ich führe locker, Oliver spielt ziemlich lausig, meint aber: "Ist schlecht gerade, aber ich muss mich erst an den Tisch gewöhnen." Klar, denke ich, da hab ichs ja leichter, weil ich natürlich jeden Tag von Göttingen nach München fahre, um im Schelling-Salon an eben diesem Tisch zu trainieren.
Gedacht, gestoßen, 8 drin, Sieg.
Sieger bleibt am Tisch, Oliver hat also Zeit, um eine zu rauchen und dabei noch mal in sich zu gehen.

Ich verliere relativ schnell gegen Rainer und so kann Oliver wieder an den Tisch. Er macht da weiter, wo er gegen mich aufgehört hat und lässt sich sogar von einer Zwischenbemerkung meinerseits ( "Musste aufpassen, da brauchste jetzt Tempo aufm Tisch") aus der Ruhe bringen.
Kurz vor Ende des Spiels kommt unser Schnitzel und damit gerade rechtzeitig die Ausrede. "Hab das Spiel kurz weggeschenkt, hatte Hunger" sagt Oliver und kaut mit mehr Zähneknirschen als nötig auf einem Stück Fleisch herum.

Dieses Mal gewinne ich gegen Rainer und Oliver muss ein halbes Schnitzel zurücklassen, um sich zu revanchieren. Es gelingt nicht. Nichts gelingt ihm. Ich spiele traumhaft sicher, bei ihm sieht es so aus, als ob er auf einem Caramboulage-Tisch ohne Löcher spielt. Was mich ein wenig freut, ist mein Sieg aber was ich enthusiastisch feiere, ist seine Niederlage. Mittlerweile besteht die gesamte Konversation am Tisch aus Trash Talk deluxe.

Nun ist auch nicht mehr der Tisch Schuld, sondern Oliver hat eine Verschwörungstheorie entwickelt. Rainer und ich schonen uns jeweils in den Spielen gegeneinander, um uns dann gegen ihn erheblich steigern zu können. Ich genieße es und verhöhne ihn weiter.

Als das Licht ausgeht und die gebuchte Stunde um ist, sehe ich Entsetzen und einen Anflug von blanker Wut gleichzeitig in Olivers Augen. Fast ist es ein Betteln, als er sagt: "Noch ne Stunde."

Wir einigen uns auf 30 Minuten und Oliver will uns mit positiver Körpersprache einschüchtern, drückt seine Brust fast so weit raus wie die Blondine am Tisch neben uns, die sich von einem der eingangs angesprochenen Poser gerade den nächsten Stoß erklären lässt.

Es hilft nicht wirklich. Zwar kann er nach weiteren Niederlagen gegen Rainer noch ein Spiel gegen mich gewinnen aber ich kann die eine Niederlage mit den üblichen Floskeln über das blinde Huhn und das Korn etc. bedeutungslos erscheinen lassen.

Als Oliver grußlos den Salon verlässt, hebe ich die Arme und feiere mich selbst.

Die Krönung erfolgt am nächsten Tag, als ich per SMS von Oliver erfahre, dass er tief enttäuscht und hasserfüllt ist. Ich kann ihn verstehen. Verlieren ist räudig und stinkt.

Ich merke davon ja nichts, denn ich rieche den süßen Duft des Sieges.