Lieber Jens,

da hast Du ja mal wieder ein schönes Interview gegeben. Schon zum dritten Mal in dieser Saison beklagst Du Dich in der deutschen Presse bitterlich über die Behandlung, die Dir in dieser Saison beim FC Arsenal widerfährt. Der Trainer, so sagst Du, behandelt Dich unfair und den Grund dafür kannst Du nicht verstehen.

Nun schlagen Deine Äußerungen in der deutschen Presse ja auch in England Wellen. Das weißt Du und kalkulierst es sicher ein. Aber einen Gefallen tust Du Dir damit nicht. Dein Ruf in England war ja schon immer zwiespältig. Guter Torwart, klar, aber Deine Anfälle von Jähzorn bei der kleinsten Feindberührung in Deinem Strafraum oder gar Deinem Fünfmeterraum haben dafür gesorgt, dass man Dich nur eingeschränkt ernst nimmt. Und die Gegner machen sich sogar über Dich lustig oder versuchen, Dich zu provozieren.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich habe die Entscheidung von Klinsmann und Co. begrüßt, Dich zum WM-Torwart zu machen. Die hatten ein Anforderungsprofil für ihren Keeper erstellt und dem entsprachst Du eben mehr als Dein Rivale Oliver Kahn. Und wenn ein Trainerteam anhand von einer solchen Maßnahme klar macht, dass aktuelle Leistung mehr zählt als die Verdienste der Vergangenheit, dann ist das aus meiner Sicht ein positives Signal an die Mannschaft. Und Du hast diese Entscheidung mit guten Leistungen ja auch gerechtfertigt.

Ich denke auch, Du solltest bei der EM im deutschen Tor stehen. Die Geschichte mit der Spielpraxis halte ich persönlich nicht für so entscheidend (aber ich bin ja auch kein Torwart). Aber dass Du ausgerechnet gegen Österreich ein schlechtes Spiel hattest, obwohl Du zu dieser Zeit für Arsenal spieltest, spricht für mich gegen die Theorie von der Spielpraxis. Egal, wenn Du bei der EM im Tor stehst, mache ich mir jedenfalls keine Sorgen. Ich würde mir allerdings auch keine Sorgen machen, wenn Robert Enke, Timo Hildebrandt oder René Adler im deutschen Tor stünden. Torwart ist immer noch unser geringstes Problem, finde ich.

Aber um Dich mache ich mir Sorgen. Und zwar, wenn ich lesen muss, dass Du sauer bist, weil Du nicht spielen darfst, obwohl Dein Konkurrent Almunia nicht gerade gute Leistungen böte. Ich glaube, wenn Du auf der Bank sitzen musst, dann vernebelt Dir das, was die Engländer „Red Mist" nennen (auf Deutsch in etwa „der rote Nebel der Wut") so die Sinne, dass Du die Realität nicht mehr wahrnimmst. Was bitte hat sich Almunia denn zu Schulden kommen lassen? Welche Fehler hat er gemacht? Die Wahrheit ist doch: keine.

Aber wir hier in Deutschland sind Dir auch keine Hilfe. Da schrieb doch neulich ein User zu einem anderen Blog von mir sinngemäß: er glaube, Wenger wolle Dich dafür abstrafen, dass Du ihn vor zwei Jahren den Champions League-Titel gekostet hättest. Nun, erstens hätte er Dich dann doch eher in der vergangenen Saison abgestraft. Und Deinen Vertrag hätte er auch nicht verlängern müssen. Und zweitens hätte er ja viel eher die trotteligen Verteidiger abstrafen müssen, die zuließen, dass der Gegenspieler frei auf Dich zulief und Du die Notbremse ziehen musstest.

Auch die Experten aus Deutschland tun Dir keinen Gefallen. Bodo Illgner zum Beispiel. Der wurde diese Woche gefragt, was er denn von Almunia halte. Antwort: gar nichts, wegen seiner Statur (?) und seinen Haaren. Die seien nämlich gefärbt (hä?). Sind das die Argumente, die für Dich und gegen Almunia sprechen? Lehmann muss ins Tor, weil Almunia eine Haltungs- und Frisurkrise hat? Jens, wenn das Deine Fürsprecher sind, dann sieht es nicht gut aus für Dich.

Ich denke, wir sollten der Wahrheit einfach gemeinsam ins Auge sehen. Du hast Dich zu Saisonbeginn mit zwei krassen Fehlern angreifbar gemacht und Deinem Konkurrenten die Tür geöffnet. Der hat die Chance, die sich ihm bot, konsequent genutzt. Solche katastrophalen Aussetzer wie die, die Du Dir geleistet hast, gab es von ihm gar nicht. Schuld daran ist nur einer: Du selbst nämlich. Nun weiß ich genau, wie schwer es ist, eigene Fehler zuzugeben. Aber man kann ja auch einfach mal keine Interviews geben, statt sich mit unsinnigen und kindischen Äußerungen selbst in Misskredit bringen. Wenn Du Dich früher bei der Nationalmannschaft auch so verhalten hast, dann tut mir Dein Konkurrent Oliver Kahn im Nachhinein fast noch ein bißchen leid. Fast, habe ich gesagt.

Bis bald,
Dein Andreas