28.10.2011 um 02:37 Uhr
Offensive der Heteros
Arne Friedrich glaubte klarstellen zu müssen, dass er nicht schwul ist. Und das ist auch gut so. Oder etwa nicht?
Drei Worte sind es. Drei Worte bloß, und doch kommen sie vielen nur schwer über die Lippen, ganz besonders im Fußball: "Ich bin heterosexuell." Wahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit, wahrscheinlich musste nur einer den Anfang machen. Und es ist zweifellos kein Zufall, dass gerade der Bundestrainer im April dieses Jahres mit gutem Beispiel voranging und sich deutlich dazu bekannte ("Fragen Sie meine Frau"), mehr Interesse am anderen Geschlecht zu haben als am eigenen. Denn Joachim Löw, der mit der Nationalmannschaft die Fans verzaubert, musste wohl am wenigsten befürchten, durch die Balkenpresse gezogen, im Stadion verhöhnt und von seinen Spielern gemieden zu werden - oder gar seinen Job zu verlieren. Fast noch weiter ging anschließend Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff, der die Behauptung, ein erklecklicher Teil der Nationalspieler bevorzuge entgegen anders lautenden Gerüchten doch die gleichgeschlechtliche Liebe, als "Angriff auf meine Familie" bezeichnete. Da konnte und wollte auch die Bild-Zeitung nicht nachstehen; sie hatte gar eine "homosexuelle Verschwörung" gegen die Minderheit der heterosexuellen Kicker entdeckt. Den Stein ins Rollen gebracht hatte aber vermutlich der Ballack-Berater Michael Becker, als er der Deutschen liebstes Kind eine "Schwulencombo" nannte. Ein stärkeres Statement gegen das, was die Genderforschung "Homonormativität" nennt, ist kaum denkbar.
Auf Becker, Löw, Bierhoff und die Bild-Zeitung folgte Philipp Lahm, der in seinem Buch mit dem vielsagenden Titel ›Der feine Unterschied‹ ein flammendes Plädoyer für die Heterosexualität hielt und deutlich machte, wie sehr er sich von schwulen Groupies belästigt fühlt. Dass die Medien Lahms Kritik an Völler, Klinsmann & Co. dennoch stärker in den Mittelpunkt rückten als sein Bekenntnis zur Frauenliebe, ist im Grunde genommen nur damit zu erklären, dass jenseits aller Toleranzversicherungen immer noch eine gewisse Beklemmung vorherrscht, sobald sich Menschen als heterosexuell outen. Doch Arne Friedrich (Foto oben) ließ sich davon nicht beeindrucken. Vielmehr bekannte auch er, der Nationalspieler im Wartestand, sich nun öffentlich zu seiner sexuellen Neigung; ja, er behauptete gar ungewohnt angriffslustig: "Ich habe keinen Spieler erlebt, von dem ich überhaupt meinen könnte, dass der schwul ist, aber wenn es so sein sollte, wäre das auch okay." Ihm zur Seite sprang seine Freundin Linn Rödenbeck, die in einem offenen Brief an die Bild-Zeitung - zweifellos das Flaggschiff in Sachen Hetero-Offensive - schrieb: "Ich habe keine Lust, irgendetwas zu rechtfertigen. Aber scheinbar" - genauer gesagt: anscheinend - "muss es einmal schwarz auf weiß stehen. Und vorab eine Entschuldigung an alle, die nun aus allen Wolken fallen. Nein, Arne ist nicht schwul."
Eigentlich ist es ja bedauerlich, dass solche Statements noch immer nötig sind. Deutschland hat eine heterosexuelle Bundeskanzlerin, und mit Ausnahme von Berlin - wo der störrische Klaus Wowereit sein Schwulsein noch immer mit einem ermüdenden Und-das-ist-auch-gut-so kommentiert - werden alle Bundesländer von heterosexuellen Ministerpräsidenten respektive Regierenden Bürgermeistern geführt. Auch im Bereich der Musik, des Films und des Theaters finden sich viele Männer, die Frauen lieben, und Frauen, die Männer lieben. Doch im Fußball gehen die Uhren offenbar weiterhin anders - und vor allem: langsamer. Dort ist es noch längst nicht selbstverständlich, die Heterosexualität nicht als Krankheit anzusehen, sondern als gleichberechtigte Lebensform - und vor allem als Privatsache, die, ginge alles mit rechten Dingen zu, nicht der Rede wert sein sollte. Und deshalb kann man nicht ausschließen, dass Arne Friedrich - sollte er denn einen neuen Verein finden - im Stadion künftig zur Melodie des Beatles-Hits ›Yellow Submarine‹ mit Schmähgesängen wie "Arne Friedrich ist heterosexuell, heterosexuell, heterosexuell" bedacht wird. Gerade deshalb ist sein Schritt so mutig und verdient allergrößten Respekt.
Drei Worte sind es. Drei Worte bloß, und doch kommen sie vielen nur schwer über die Lippen, ganz besonders im Fußball: "Ich bin heterosexuell." Wahrscheinlich war es nur eine Frage der Zeit, wahrscheinlich musste nur einer den Anfang machen. Und es ist zweifellos kein Zufall, dass gerade der Bundestrainer im April dieses Jahres mit gutem Beispiel voranging und sich deutlich dazu bekannte ("Fragen Sie meine Frau"), mehr Interesse am anderen Geschlecht zu haben als am eigenen. Denn Joachim Löw, der mit der Nationalmannschaft die Fans verzaubert, musste wohl am wenigsten befürchten, durch die Balkenpresse gezogen, im Stadion verhöhnt und von seinen Spielern gemieden zu werden - oder gar seinen Job zu verlieren. Fast noch weiter ging anschließend Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff, der die Behauptung, ein erklecklicher Teil der Nationalspieler bevorzuge entgegen anders lautenden Gerüchten doch die gleichgeschlechtliche Liebe, als "Angriff auf meine Familie" bezeichnete. Da konnte und wollte auch die Bild-Zeitung nicht nachstehen; sie hatte gar eine "homosexuelle Verschwörung" gegen die Minderheit der heterosexuellen Kicker entdeckt. Den Stein ins Rollen gebracht hatte aber vermutlich der Ballack-Berater Michael Becker, als er der Deutschen liebstes Kind eine "Schwulencombo" nannte. Ein stärkeres Statement gegen das, was die Genderforschung "Homonormativität" nennt, ist kaum denkbar.
Auf Becker, Löw, Bierhoff und die Bild-Zeitung folgte Philipp Lahm, der in seinem Buch mit dem vielsagenden Titel ›Der feine Unterschied‹ ein flammendes Plädoyer für die Heterosexualität hielt und deutlich machte, wie sehr er sich von schwulen Groupies belästigt fühlt. Dass die Medien Lahms Kritik an Völler, Klinsmann & Co. dennoch stärker in den Mittelpunkt rückten als sein Bekenntnis zur Frauenliebe, ist im Grunde genommen nur damit zu erklären, dass jenseits aller Toleranzversicherungen immer noch eine gewisse Beklemmung vorherrscht, sobald sich Menschen als heterosexuell outen. Doch Arne Friedrich (Foto oben) ließ sich davon nicht beeindrucken. Vielmehr bekannte auch er, der Nationalspieler im Wartestand, sich nun öffentlich zu seiner sexuellen Neigung; ja, er behauptete gar ungewohnt angriffslustig: "Ich habe keinen Spieler erlebt, von dem ich überhaupt meinen könnte, dass der schwul ist, aber wenn es so sein sollte, wäre das auch okay." Ihm zur Seite sprang seine Freundin Linn Rödenbeck, die in einem offenen Brief an die Bild-Zeitung - zweifellos das Flaggschiff in Sachen Hetero-Offensive - schrieb: "Ich habe keine Lust, irgendetwas zu rechtfertigen. Aber scheinbar" - genauer gesagt: anscheinend - "muss es einmal schwarz auf weiß stehen. Und vorab eine Entschuldigung an alle, die nun aus allen Wolken fallen. Nein, Arne ist nicht schwul."
Eigentlich ist es ja bedauerlich, dass solche Statements noch immer nötig sind. Deutschland hat eine heterosexuelle Bundeskanzlerin, und mit Ausnahme von Berlin - wo der störrische Klaus Wowereit sein Schwulsein noch immer mit einem ermüdenden Und-das-ist-auch-gut-so kommentiert - werden alle Bundesländer von heterosexuellen Ministerpräsidenten respektive Regierenden Bürgermeistern geführt. Auch im Bereich der Musik, des Films und des Theaters finden sich viele Männer, die Frauen lieben, und Frauen, die Männer lieben. Doch im Fußball gehen die Uhren offenbar weiterhin anders - und vor allem: langsamer. Dort ist es noch längst nicht selbstverständlich, die Heterosexualität nicht als Krankheit anzusehen, sondern als gleichberechtigte Lebensform - und vor allem als Privatsache, die, ginge alles mit rechten Dingen zu, nicht der Rede wert sein sollte. Und deshalb kann man nicht ausschließen, dass Arne Friedrich - sollte er denn einen neuen Verein finden - im Stadion künftig zur Melodie des Beatles-Hits ›Yellow Submarine‹ mit Schmähgesängen wie "Arne Friedrich ist heterosexuell, heterosexuell, heterosexuell" bedacht wird. Gerade deshalb ist sein Schritt so mutig und verdient allergrößten Respekt.
Aufrufe: 13106 | Kommentare: 22 | Bewertungen: 23 | Erstellt:28.10.2011
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KOMMENTARE
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28.10.2011 | 17:06 Uhr
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rasenmäher : 10 Pkte.
@LizasWelt..danke, habe mich köstlich amüsiert.
...und ich oute mich dann halt auch mal als ... Kinderschokolade-Esser..
3
28.10.2011 | 17:32 Uhr
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Zyrock :
Toll geschrieben, sehr unterhaltsam.Insgesamt bin ich bei diesem Thema der Meinung, dass öffentliches Outing und irgendwelche Paraden nichts mit Gleichberechtigung zu tun haben. Echte Gleichberechtigung, egal ob es um die Hautfarbe oder sexuelle Gesinnung geht, gibt es erst, wenn nicht mehr drüber gesprochen wird und man sich auf die wesentlichen Dinge konzentriert. Gerade im Fall der Homo-, Hetero-, Bi- oder sonstwas Sexualität gehört privates noch immer ins Privatleben und nicht in die Öffentlichkeit, um ausdiskutiert zu werden.
3
28.10.2011 | 20:36 Uhr
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dende82 :
Schöner Artikel, feine Ironie.
Finde es auch befremdlich, dass ein paar Spieler so großen Wert darauf legen, öffentlich als heterosexuell wahrgenommen zu werden. Das hat ja fast schon was von getroffenen Hunden...
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29.10.2011 | 13:50 Uhr
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An sich ein Thema, über das gar nicht diskutiert werden muss, wenn dann aber doch, bitte in deinem Stil.
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30.10.2011 | 05:51 Uhr
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wulian :
Sehr schöner Text! Und auch sehr schön wie viele hier den Mut finden, sich als Hetero zu outen. Als Homo hat man es da schon etwas leichter und das muss einem auch irgendwie mal bewusst gemacht werden, um auch die eigenen Privilegien zu erkennen, die einem sonst ja gar nicht richtig bewusst sind. Zu diesen Privilegien gehört z.B. einfach über meine Erlebnisse mit meinem Freund sprechen zu können, ohne befürchten zu müssen mindestens schief angeguckt zu werden, homophoben Kommentaren ausgesetzt zu sein oder gar körperlich angegriffen zu werden. Ironie beiseite.
Was mich bei allem Optimismus nämlich nervt, is dieser fast obligatorische Satz "Sexualität ist Privatsache". Das ist sie nie. Ansonsten bitte ich mal alle Heteros ihre Eheringe zu verstecken und/oder damit aufzuhören zu erzählen, was auch nur irgendwie mit zwischenmenschlichen Kontakt mit dem anderen Geschlecht zutun hat (bspw. Erlebnisse mit der Freundin/mit Frauen generell). Das will ich aber nicht, eben weil Sexualität überall ist. Auch da, wo man sie auf dem ersten Blick nicht vermutet.
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30.10.2011 | 12:04 Uhr
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Erst outen Sie sich und dann fangen Sie irgendwann an händchenhaltend mit einer Frau durch Parks zu laufen und Gott bewahre diese auch noch zu küssen.
Ich finde so etwas abartig und beim bloßen Gedanken daran wird mir schlecht.
Nicht auszumalen was pasiert wenn Kinder so etwas sehen, die werden Ihres Lebens nicht mehr froh.
Aber eines Tages wird Dir auch bewusst werden das Deine Ansichten einfach pervers sind.
3
30.10.2011 | 20:11 Uhr
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die friedrich aktion fand ich auch komisch, da er ja nun wirklich zu den erfahrenen buli recken gehörte
aber den sachverhalt in so einen intelligenten blog zu packen, respekt!
10p
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