"Roman Weidenfeller ist ein widerlicher Rassist." - "Das sagst du ja nur, weil er bei Dortmund spielt und du Schalker bist." - "Nein, Roman Weidenfeller ist ein widerlicher Rassist. Egal, wo er spielt. Roman Weidenfeller ist auch ein herausragender Torwart, vielleicht einer der besten der Welt. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass er ein widerlicher Rassist ist."
So oder so ähnlich habe ich das kürzlich mit meinem Kumpel Tizian diskutiert.
Wie war das damals doch gleich...?
Gerald Asamoah ist zwei Tage älter als ich. Wir haben also das gleiche Sternzeichen, nämlich Waage. Und noch etwas haben wir gemeinsam: Wir sind beide Schalker. Ich wegen meiner Familie, die mich mit acht Jahren zum ersten Mal mit ins Parkstation und mit elf nach Meppen zum Auswärtsspiel schleppte. Asa wegen elf Jahren im königsblauen Trikot, in denen er so ziemlich alle Höhen und Tiefen eines Schalker Lebens mitgemacht hat.
Ich erinnere mich noch gut an das Derby im August 2007, in dem Roman Weidenfeller ihn als "schwarzes Schwein" bezeichnet hat. Zumindest glaube ich das, weil ich den Videoausschnitt der betreffenden Szene oft genug gesehen habe und mir hundertprozentig sicher bin, dass er genau das gesagt und auch gemeint hat. Wer den Gesichtsausdruck von Weidenfeller gesehen hat, der hat den blanken Hass gesehen, der dem gebürtigen Ghanaer entgegenschlug. Klar, alle haben es hinterher dementiert. Auch Asa selbst. Vielleicht, weil sich Weidenfeller dafür entschuldigt hat und Asamoah ihm aus christlicher Nächstenliebe verzieh. Vielleicht auch, weil er sich selbst daran erinnerte, was in der Vorsaison passierte (Schalke verlor in Dortmund kurz vor Saisonschluss noch die Meisterschaft). Was wohl die Mannschaftskameraden mit dunkler oder schwarzer Haut dazu gesagt haben mögen? Tinga? Dede? Buckley? Keinen Ton. Ob sie sich für ihren "Kollegen" geschämt haben?
Die Sperre durch den DFB
Drei Spiele Sperre gab es für Weidenfeller. "Nur" drei Spiele, weil er zugegeben habe, dass er statt "schwarzes Schwein" "schwules Schwein" gesagt haben will. Das alles mit Wissen und Wollen des DFB, der glücklicherweise mittlerweile eingesehen hat, dass Rassismus und Homophobie Hand in Hand gehen und sich letztlich voneinander nicht unterscheiden. In den Archiven (z.B. bei kicker.de) ist nicht die Rede von einer Sperre für einen rassistischen oder homophoben Ausfall, sondern nur von einer "Sperre durch den DFB". Auch hier wurde augenscheinlich versucht, für Weidenfeller goldene Brücken zu bauen. Ich persönlich finde die Rolle des DFB in dieser ganzen Nummer trotzdem ziemlich fragwürdig. Dass man sich dann nicht wundern braucht, wenn sich schwule Bundesligaprofis nicht outen mögen, ist für mich sonnenklar.
Dass die Dortmunder ein Problem mit Nazifans haben, steht auf einem anderen Blatt und gehört auch nicht in diesen Artikel. Das ist unter anderem auch ein gesamtgesellschaftliches Problem, mit dem der Verein zu lange alleine gelassen wurde. Dass Weidenfeller bei den neonazistisch unterwanderten "Desperados" zur Kultfigur geworden ist, dürfte aber sicher nicht nur mit seinen guten Leistungen im schwarz-gelben Kasten zusammenhängen. Ein Verein, der keine Grenzen zieht, darf sich auch nicht wundern, wenn er zurückgepfiffen wird.
Nach der Saison: vor der Saison?
Jetzt, nach dem Ende der Saison, da gingen sie wieder los, die Lobeshymnen. Dass Weidenfeller ja so gut gehalten habe, dass die Dortmunder ihm unter anderem den Einzug ins Champions League-Finale verdankten. Und die ersten Stimmen wurden schon wieder laut, dass man so einen guten Torwart doch wohl für die Nationalmannschaft nominieren müsse. Immerhin hat ter Stegen mal wieder gepatzt, Zieler ist auch nicht mehr in der gewohnten Bombenform, Neuer schon im Urlaub - das wäre doch die Gelegenheit für Weidenfeller gewesen. Nominiert hat ihn Joachim Löw trotzdem nicht, trotz pausenloser Lobhudeleien durch Trainer Klopp und Präsident Fatzke. Man habe eine "komfortable Situation", erinnert Andreas Köpke an die große Menge guter Keeper im Torhüterwunderland Deutschland.
Aber warum eigentlich nicht? Warum nicht Neuer, Adler und Weidenfeller mit zur WM nehmen?
Ganz einfach. Weil Roman Weidenfeller ein Diskriminierer ist, der andere Mitspieler aufgrund ihrer Hautfarbe oder der sexuellen Orientierung beleidigt. Nationalspieler sind traditionell in Deutschland mehr als nur Fußballer - sie sind Botschafter ihres Landes, wenn sie im Trikot auflaufen. Sie repräsentieren eine Gesellschaft, einen Staat, eine Gemeinschaft mit bestimmten Werten. Werten, wie sie der DFB schildartig vor sich herträgt und damit auch noch wirbt. Aktionen wie "Fair ist mehr" oder die Auslobung des Julius-Hirsch-Preises zur Erinnerung an den herausragenden jüdischen Fußballer, den die Nazis in Auschwitz ermordeten. Wie passt einer, der "schwules Schwein" sagt, da rein? Überhaupt nicht.
Politik und Fußball gehören zusammen
Als Köpke erwähnte, man müsse drei Torhüter nomieren, die "zusammenpassen", und in diesem Zusammenhang Weidenfellers Name fiel, dachte ich tatsächlich, ich hätte mich verhört. Bei den letzten Turnieren wurde oft genug kein junger Keeper mitgenommen, dem die Zukunft gehören sollte - sondern ein alter, stabiler Torwart als Nummer drei. Timo Hildebrand etwa beim Heimturnier 2006, oder Hans-Jörg Butt in Südafrika. René Adler bei der EM in Österreich. Ron-Robert Zieler war die große Ausnahme. Insofern wäre Weidenfellers Nominierung für die WM im kommenden Sommer noch nicht einmal eine strategische Überraschung gewesen.
Ich persönlich halte die Nichtnominierung trotzdem nicht nur für gerechtfertigt oder "politisch korrekt". Ich muss ehrlich gestehen, dass ich mich dafür geschämt hätte, wenn Weidenfeller nominiert worden wäre. Und das, obwohl ich nicht einmal Nationalstolz besitze oder patriotisch bin! Und obwohl ich nichts dafür kann, dass Weidenfeller und ich zufällig die gleiche Nationalität besitzen. Ich hätte mich einfach geschämt, weil es ein klares Signal gewesen wäre, dass die Fußballfunktionäre immer noch nicht verstanden haben, wie man sich gegen Rassismus zur Wehr setzt. Indem man ihn draußen vor der Tür stehen und am langen Arm verhungern lässt.
Good night, white pride.
Hinweis des Autors: Die Feststellung, dass Roman Weidenfeller ein "Rassist" ist, habe ich auf Bitten der spox-Redaktion dahingehend abgewandelt, dass ich die Formulierung "Diskriminierer" benutze, um hier auch einen Unterschied zwischen der homophoben und der rassistischen Diskriminierung deutlich zu machen und gegebenenfalls juristischen Spitzfindigkeiten den sprichwörtlichen "Wind" aus den Segeln zu nehmen.
trabajador, 19.06.2013
Schließlich dreht sich dein Blog quasi nur um diese Szene und da wäre es hilfreich deine Quellen zu haben. Denn es macht schon einen Unterschied, wie und was er genau gesagt hat, zudem soll er sich ja noch im Verlauf des Spiels entschuldigt haben.
Wenn er etwas rassistisches oder homophobes gesagt hat, dann ist das falsch und nicht entschuldbar, aber gerade in einem emotional aufgeladenen Derby mit einer drohenden Niederlage rutscht einem schonmal der ein oder andere falsche Satz raus.
Ich als Fan bin beim Fussball gucken auch immer ganz froh, dass ich nicht in der Öffentlichkeit stehe, denn das was ich in wichtigen Partien manchmal von mir gebe, sollte auch besser nicht jeder hören. Und wenn ich dann z.B. Özil als Türke, Cacau als schwarz und Molinaro als Itaker(+Beleidigung) bezeichne, dann heißt das nicht, dass ich etwas gegen Menschen mit anderen Herkunftsländern oder anderem Aussehen habe. Stattdessen ist das bei mir eine Art Präzisierung, wen ich gerade meine und die Beleidigung gibt es dafür, dass sie zum x-ten mal etwas machen, das mir nicht gefällt(bei Gegnern am Rande der Legalität spielen, bei "eigenen" Spielern dumme Fehler).
Dennoch bin ich absolut kein Rassist und ich kenne viele Italiener und Türken, ok ich mag nicht alle davon, aber das liegt am individuellen Charakter, ich mag ja bei weitem auch nicht alle Deutschen. Und schwarz, rot, gelb, weiß oder irgendeine Mischung daraus ist sowieso völlig egal.
Als Fussballer darf man sich solche Aussetzer zwar nicht erlauben, aber in besonderen Situationen kann es trotzdem dazu kommen und bedeutet nicht gleich, dass man ein Rassist ist.
Deine sonstigen Aussagen finde ich übrigens nicht so stimmig, denn das er der Lieblingsspieler der Dortmunder Nazifans ist, kann man sich auch so erklären, dass er Deutscher ist, seit langem beim BVB spielt, nur selten Fehler macht, nicht mit Wechseln kokettiert. Dies sind die Dinge(außer das mit dem Deutsch sein), die die meisten Vereinsfans als wichtig empfinden und diese Beschreibung passt auf ihn einfach am besten.
Das du geschrieben hast, dass man als 3. Torwart in letzter Zeit nur noch alte Spieler mitnimmt, ist ja wohl auch ein Witz gewesen. Denn 2006 war Hildebrand 27 und galt als Topfavorit für die Lehmann/Kahn-Nachfolge. 2008 ging es mit Hildebrands Karriere bergab und man setzte die Hoffnungen auf den 23-jährigen Adler. Beide galten zu Recht als mögliche Nachfolger und sollten wie terStegen schonmal Turnierluft schnuppern. Einzig Butt war mit Mitte/Ende 30 als alter Torwart dabei.
Demnach wäre es eine Überraschung, wenn Löw Weidenfeller als Nummer 3 mitnehmen würde, denn wenn man ihn jetzt nicht benötigt, dann benötigt man ihn auch später nicht mehr. Als Nummer 2 kann er sich aber Hoffnungen machen, denn der Ersatzkeeper sollte der zweitbeste Keeper sein, der charakterlich tragbar ist.
Und der zweitbeste Keeper ist er, nur ob er charakterlich zur Nationalmannschaft passt, das müssen Löw und co entscheiden.
Auf alle Fälle wird er polarisieren dein Blog.