22.06.2009 um 14:54 Uhr
Remember Garrincha!
Manoel Francisco dos Santos, so Garrinchas eigentlicher Name, wurde 1933 in Pau Grande bei Rio de Janeiro geboren.
Und schon nach diesem einen Satz ist es genug mit der herkömmlichen Fussballer-Biografie-Sprache a lá "Er fing bei FC X das Fussballspielen an und schoss Y Tore...", denn Garrincha war kein herkömmlicher Sportler. Zu aussergewöhnlich, unglaublich, schön ebenso wie tragisch sollte dafür sein Leben verlaufen.
Dürrer, säbelbeiniger Krüppel. Diese uncharmante Bezeichnung, die seine Weggefährten damals für ihn gebrauchten, fasst die unschöne Kindheit und Jugend des Garrincha treffend zusammen. Geboren wurde er mit einem O- und einem X-Bein, eines davon war 6 Zentimeter länger als das andere, die Wirbelsäule hatte eine Fehlstellung. Die Schmerzen, die diese Verformungen auslösten, waren schon in der Jugend sehr groß und führten zum frühen Alkoholkonsum, den er mit 10 Jahren schon begonnen haben soll. Garrincha galt unter seinen Mitmenschen als naiv, faul und dumm. Schule und Arbeit waren schnell abgehakt, das Leben war in Richtung Armut und Tristesse unterwegs, und damit wäre er in guter (bzw. in schlechter) Gesellschaft gewesen im verlassenen, armen Pau Grande.
Doch da gab es noch den Garrincha auf dem Fussballplatz.
Viele Attribute und Bezeichnungen wurden und werden von denen benutzt, die einmal Zeuge seiner fussballerischen Fähigkeiten geworden sind. Magisch, explosiv, nicht zu fassen, phantasievoll und unberechenbar soll er gewesen sein. Das gottgegebene Talent kristallierte sich also schnell als mögliche Rettung für ihn aus, eine Möglichkeit, was aus sich zu machen.
Doch Garrincha selbst sah das nicht so.
Für ihn war Fussball immer nur das, was es in seiner ursprünglichsten Form auch ist, nämlich nur ein Spiel. Er hatte daran Spaß, er war gut, sogar sehr gut darin, doch damit hatte es sich, sein einfacher Charakter und seine kindliche Naivität wirkten sich auch auf seine fussballerischen Ambitionen aus. 1950 war ganz Brasilien im Fussballfieber, die Nationalmannschaft stand im Finale der WM im eigenen Land, jeder fieberte mit. Als die ganze Nation während des Spiels am Radio hing, ging er lieber fischen. Nach der Niederlage gegen Uruguay herrschte im fussballverrückten Land allgemeine Wut und Trauer, Garrincha konnte das nicht nachvollziehen. Entschlossenheit, Siegeswille, das unbedingte Streben nach Erfolg waren ihm fremd. Es war doch nur ein Spiel.
Im Fussball gibt es ja so einige Weisheiten, eine davon: Talent alleine reicht nicht aus. Als junger Spieler hat man ein großes Ziel zu verfolgen und sollte dafür auf alle möglichen, störenden Nebenfaktoren wie Partys, Mädchen, Alkohol verzichten. Garrincha hatte kein Ziel, auf die schönen Seiten des Lebens verzichten wollte er schon gar nicht. Doch der fehlende Wille und das chaotische Leben konnten eine Fussballlaufbahn nicht verhindern, das Talent war dafür einfach zu groß.
Bezeichnenderweise wurde er zu dem Probetraining bei Botafogo fast schon geschleppt, von einem Spieler, der Zeuge seines unfassbaren Talents geworden war. Garrincha machte hier das, was er immer tat, er lebte seinen Spaß am Fussball aus, war darin überragend gut und beeindruckte alle Anwesenden. Mit seiner ersten Aktion tunnelte er Nilson Santos, zu der Zeit Nationalverteidiger Brasiliens. Garrincha war jetzt Profi.
Auf dem Platz war er eine Offenbarung, die reinste Freude.
Er wurde sehr schnell berühmt, ein Publikumsliebling. Die Zuschauer liebten ihn, er bot ihnen eine Spielweise, die sie so noch nicht kannten. Trotz seiner körperlichen Umstände war er, vor allem auf die ersten Meter, unfassbar schnell, er zeigte eine unglaubliche, unbekümmerte Spielfreude, die in Verbindung mit seiner Technik jeden Betrachter zum Staunen brachte. Er narrte die Gegenspieler und ließ sie ins Leere laufen, war trotz seiner fragilen Statur nicht von den Beinen zu bekommen und hatte einen sehr guten Schuss. Garrincha war ein Zauberer, die rechte Außenbahn seine Bühne. Seine kindliche Naivität und Unbekümmertheit konnten zuweilen seine Kollegen und Trainer zum Verzweifeln bringen. So ließ er manchmal einen Gegenspieler stehen, wartete dann bis dieser ihn wieder eingeholt hatte, und suchte erneut das Eins-gegen-Eins. Garrincha ließ sich nicht in ein taktisches Schema pressen, er folgte seinem Instinkt, doch genau dafür liebten ihn die Zuschauer. So kommt es, dass ihn sein Biograf Ruy Castro zwar den "amateurhaftesten Spieler, den der Profifussball je hervorgebracht hat", das Publikum aber als Zeichen der Wertschätzung "die Freude des Volkes" nannte. Purer Schönspieler? Nur brotlose Kunst, eine Art Denilson der 50er und 60er Jahre? Nein. Auch wenn für ihn die Schönheit des Spiels im Vordergrund stand und er es zuweilen auch übertrieb, ließ er nie die notwendige Effektivität vermissen, 232 Tore in 581 Spielen für Botafogo (immer auf der Außenbahn) sprechen eine deutliche Sprache.
Teil 2
Und schon nach diesem einen Satz ist es genug mit der herkömmlichen Fussballer-Biografie-Sprache a lá "Er fing bei FC X das Fussballspielen an und schoss Y Tore...", denn Garrincha war kein herkömmlicher Sportler. Zu aussergewöhnlich, unglaublich, schön ebenso wie tragisch sollte dafür sein Leben verlaufen.
Dürrer, säbelbeiniger Krüppel. Diese uncharmante Bezeichnung, die seine Weggefährten damals für ihn gebrauchten, fasst die unschöne Kindheit und Jugend des Garrincha treffend zusammen. Geboren wurde er mit einem O- und einem X-Bein, eines davon war 6 Zentimeter länger als das andere, die Wirbelsäule hatte eine Fehlstellung. Die Schmerzen, die diese Verformungen auslösten, waren schon in der Jugend sehr groß und führten zum frühen Alkoholkonsum, den er mit 10 Jahren schon begonnen haben soll. Garrincha galt unter seinen Mitmenschen als naiv, faul und dumm. Schule und Arbeit waren schnell abgehakt, das Leben war in Richtung Armut und Tristesse unterwegs, und damit wäre er in guter (bzw. in schlechter) Gesellschaft gewesen im verlassenen, armen Pau Grande.
Doch da gab es noch den Garrincha auf dem Fussballplatz.
Viele Attribute und Bezeichnungen wurden und werden von denen benutzt, die einmal Zeuge seiner fussballerischen Fähigkeiten geworden sind. Magisch, explosiv, nicht zu fassen, phantasievoll und unberechenbar soll er gewesen sein. Das gottgegebene Talent kristallierte sich also schnell als mögliche Rettung für ihn aus, eine Möglichkeit, was aus sich zu machen.
Doch Garrincha selbst sah das nicht so.
Für ihn war Fussball immer nur das, was es in seiner ursprünglichsten Form auch ist, nämlich nur ein Spiel. Er hatte daran Spaß, er war gut, sogar sehr gut darin, doch damit hatte es sich, sein einfacher Charakter und seine kindliche Naivität wirkten sich auch auf seine fussballerischen Ambitionen aus. 1950 war ganz Brasilien im Fussballfieber, die Nationalmannschaft stand im Finale der WM im eigenen Land, jeder fieberte mit. Als die ganze Nation während des Spiels am Radio hing, ging er lieber fischen. Nach der Niederlage gegen Uruguay herrschte im fussballverrückten Land allgemeine Wut und Trauer, Garrincha konnte das nicht nachvollziehen. Entschlossenheit, Siegeswille, das unbedingte Streben nach Erfolg waren ihm fremd. Es war doch nur ein Spiel.
Im Fussball gibt es ja so einige Weisheiten, eine davon: Talent alleine reicht nicht aus. Als junger Spieler hat man ein großes Ziel zu verfolgen und sollte dafür auf alle möglichen, störenden Nebenfaktoren wie Partys, Mädchen, Alkohol verzichten. Garrincha hatte kein Ziel, auf die schönen Seiten des Lebens verzichten wollte er schon gar nicht. Doch der fehlende Wille und das chaotische Leben konnten eine Fussballlaufbahn nicht verhindern, das Talent war dafür einfach zu groß.
Bezeichnenderweise wurde er zu dem Probetraining bei Botafogo fast schon geschleppt, von einem Spieler, der Zeuge seines unfassbaren Talents geworden war. Garrincha machte hier das, was er immer tat, er lebte seinen Spaß am Fussball aus, war darin überragend gut und beeindruckte alle Anwesenden. Mit seiner ersten Aktion tunnelte er Nilson Santos, zu der Zeit Nationalverteidiger Brasiliens. Garrincha war jetzt Profi.
Auf dem Platz war er eine Offenbarung, die reinste Freude.
Er wurde sehr schnell berühmt, ein Publikumsliebling. Die Zuschauer liebten ihn, er bot ihnen eine Spielweise, die sie so noch nicht kannten. Trotz seiner körperlichen Umstände war er, vor allem auf die ersten Meter, unfassbar schnell, er zeigte eine unglaubliche, unbekümmerte Spielfreude, die in Verbindung mit seiner Technik jeden Betrachter zum Staunen brachte. Er narrte die Gegenspieler und ließ sie ins Leere laufen, war trotz seiner fragilen Statur nicht von den Beinen zu bekommen und hatte einen sehr guten Schuss. Garrincha war ein Zauberer, die rechte Außenbahn seine Bühne. Seine kindliche Naivität und Unbekümmertheit konnten zuweilen seine Kollegen und Trainer zum Verzweifeln bringen. So ließ er manchmal einen Gegenspieler stehen, wartete dann bis dieser ihn wieder eingeholt hatte, und suchte erneut das Eins-gegen-Eins. Garrincha ließ sich nicht in ein taktisches Schema pressen, er folgte seinem Instinkt, doch genau dafür liebten ihn die Zuschauer. So kommt es, dass ihn sein Biograf Ruy Castro zwar den "amateurhaftesten Spieler, den der Profifussball je hervorgebracht hat", das Publikum aber als Zeichen der Wertschätzung "die Freude des Volkes" nannte. Purer Schönspieler? Nur brotlose Kunst, eine Art Denilson der 50er und 60er Jahre? Nein. Auch wenn für ihn die Schönheit des Spiels im Vordergrund stand und er es zuweilen auch übertrieb, ließ er nie die notwendige Effektivität vermissen, 232 Tore in 581 Spielen für Botafogo (immer auf der Außenbahn) sprechen eine deutliche Sprache.
Teil 2
Aufrufe: 1991 | Kommentare: 7 | Bewertungen: 4 | Erstellt:22.06.2009
ø 9.8
KOMMENTARE
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22.06.2009 | 18:09 Uhr
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jasi2106 :
Sehr schöner Blog. Ich hab von ihm zuvor noch nie was ausführlich gehört und fand's sehr interessant.Du hast die Lebensgeschichte sehr gut und flüssig erzählt.
10P
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22.06.2009 | 18:12 Uhr
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THOG hat auch schon einen Blog über den Spieler geschrieben, trotzdem kriegst du klare 10 Punkte von mir!
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22.06.2009 | 18:41 Uhr
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eshkeeya :
Vielen Dank. Ich hatte vor dem Schreiben noch extra nach dem Begriff "Garrincha" gesucht und nichts dazu gefunden..naja egal
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22.06.2009 | 19:57 Uhr
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mayoble :
ja, die Suchfunktion funktioniert nicht so toll, sucht nur nach Tags...
Deinen Blog findet man auch nicht, wenn man nach Garrincha sucht, und ich befürchte (hoffe), dass nicht allzu viele Suchanfragen mit deinen Tags hier eingehen
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22.06.2009 | 20:06 Uhr
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Sanna :
Wundervoller Blog! Arte hatte darüber mal eine sehr gute Dokumentation gebracht, vielleicht hast Du sie ja auch gesehen. Darin wurde diese spätere innere Zerissenheit Garrinchas sehr schön dargestellt...10 Punkte
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