22.06.2009 um 14:54 Uhr
Remember Garrincha 2!
Fortsetzung von Teil 1
Schweden, WM 1958. Das Trauma von 1950, von dem verlorenen Endspiel im eigenen Land war immernoch zu spüren. Die Nationalmannschaft war zwar technisch auf höchstem Niveau, in den entscheidenden Spielen versagten aber immer wieder die Nerven. Aus diesem Grund verordnete der brasilianische Fussballverband psychologische Test, die der Trainer Feola bei seiner Kaderbesetzung und den Aufstellungen beachten sollte. Hier schnitt Garrincha erwartungsgemäß nicht gut ab. "Zu dumm zum Busfahren" sei er und besitze keinerlei Aggression, so das Urteil der Ärzte, und so war Garrincha zu Beginn des Turniers nur eine Randfigur.
Der Gegner im entscheidende Gruppenspiel war die Sowjetunion. Zu Zeiten des Kalten Krieges und der Propaganda war die nationale Verunsicherung groß, würden den Brasilianern wieder die Nerven versagen? Hinzu kam, dass Trainer Feola in diesem Spiel zur allgemeinen Überraschung drei Ersatzspieler in die Startelf berufte, einer davon war Garrincha, ein anderer ein gewisser Pelé.
Das Spiel wurde zum Triumphzug. Anstoß, der Ball kommt zu Garrincha. Vorbei am Ersten, der Zweite und Dritte sind auch kein Hindernis. Er dribbelt bis zum 5-Meter-Raum und scheitert nur am Pfosten. Das Publikum ist begeistert. Zehn Sekunden später knallt Pelé den Ball an die Latte. Die Sowjets sind verwirrt, verloren, nach 180 Sekunden steht es 1-0. Garrincha spielt wie immer, entfesselt, schnell und trickreich, nichts Neues eigentlich, doch diesmal schaut die ganze Welt zu, denn erstmals wird eine WM weltweit im Fernsehen übertragen. "Die Sowjets konnten einen Mann auf den Mond schicken, aber sie konnten Garrincha nicht stoppen", so der Kommentator Luis Mendes. In Brasilien redet man heute noch von den besten 3 Minuten der Fussballgeschichte und das Spiel gilt als der Grundstein der brasilianischen Domination zwischen den 50er und 70er Jahren. Im Finale bereitet Garrincha zwei Tore vor und Brasilien wird zum ersten Mal Weltmeister.Nach dem Abpfiff soll er sich gefragt haben, warum die Kollegen in kollektivem Jubel ausbrachen. Es gibt doch immer noch ein Rückspiel, oder? So kannte er es doch eigentlich aus der brasilianischen Liga. Nur ein Spiel.
"Die besten 3 Minuten der Fussballgeschichte"
Vier Jahre später, bei der WM 1962, ist Garrincha nach dem frühen verletzungsbedingten Ausscheiden Pelés der Star der Mannschaft. Vier Treffer, Titelverteidigung, Spieler des Turniers. Garrincha war ganz oben. Der kleine Junge mit den krummen Beinen hatte die Welt erobert. Aus dem Krüppel war ein Idol geworden, die Freude des Volkes.
"Die Freude des Volkes"
Garrincha abseits des Platzes aber war ein Debakel, eine Tragödie.
Wir alle kennen die tragischen Legenden des Fussballs, große Spieler, die auf dem Platz die Welt verzauberten, abseits dessen aber mit ihrem Leben nicht zurechtkamen. Die Maradonas, die Gascoignes, die George Bests. Doch bei keinem war der Kontrast so stark wie bei Garrincha. Lebenslanger Alkoholkonsum, 14 Kinder mit 5 Frauen und die eigene Schwiegermutter bei einem betrunken verursachten Autounfall getötet, eine katastrophale Bilanz. All diese Skandale und Fehltritte wurden während seiner Karriere von seinem Zauber auf dem Platz überstrahlt, doch dieser Zauber hielt nicht lange an.
Seine Karriere fand durch die unerträglich gewordenen Schmerzen in den Beinen ein schnelles Ende und mit seinem gesamten Leben ging es bergab. Jahrelang hatte er ein unbekümmertes Leben geführt, das ganze Programm eines Lebemanns abgespult: Frauen, Partys, Alkohol. Nach dem Fussball blieb ihm nichts mehr, und Garrincha stürzte ab. Nach einer seiner Zechtouren soll er einmal die Leute auf den Straßen gefragt haben: "Weiß jemand, wo Garrincha wohnt?" Im folgenden Video wird der gesamte Widerspruch zwischen dem Fussballer und dem Menschen Garrincha in einer halben Minute deutlich (3:25-3:55). Garrincha auf dem Zenit seiner Karriere, jubelnd auf dem Platz, gefolgt von Garrincha drei Jahre vor seinem Tod, auf einem Karnevalswagen, der ihn wie eine Trophäe durch die Straßen geführt. 1983 der Tod, nach einem erneuten Trinkgelage im Alter von 49 Jahren. Eine Tragödie.
Wie ist dieser Garrincha und sein Leben denn nun zu beurteilen? Gut oder böse? Offenbarung oder Tragödie? Künstler auf dem Platz oder Häuflein Elend auf dem Karnevalswagen? Beides gleichermaßen. Ja, er war ein Trinker. Ja, er war nicht sonderlich schlau. Doch auf dem Fussballplatz war er ein Spektakel, eine Freude und Inspiration. Als Fussballer wird Garrincha für immer unvergessen bleiben. Vielleicht gerade weil er als Mensch nicht perfekt war, auf dem Platz aber umso mehr, lieben und verehren ihn seine Landsleute noch heute.
Vom Krüppel zum Volkshelden. Was für ein Leben.
Schweden, WM 1958. Das Trauma von 1950, von dem verlorenen Endspiel im eigenen Land war immernoch zu spüren. Die Nationalmannschaft war zwar technisch auf höchstem Niveau, in den entscheidenden Spielen versagten aber immer wieder die Nerven. Aus diesem Grund verordnete der brasilianische Fussballverband psychologische Test, die der Trainer Feola bei seiner Kaderbesetzung und den Aufstellungen beachten sollte. Hier schnitt Garrincha erwartungsgemäß nicht gut ab. "Zu dumm zum Busfahren" sei er und besitze keinerlei Aggression, so das Urteil der Ärzte, und so war Garrincha zu Beginn des Turniers nur eine Randfigur.
Der Gegner im entscheidende Gruppenspiel war die Sowjetunion. Zu Zeiten des Kalten Krieges und der Propaganda war die nationale Verunsicherung groß, würden den Brasilianern wieder die Nerven versagen? Hinzu kam, dass Trainer Feola in diesem Spiel zur allgemeinen Überraschung drei Ersatzspieler in die Startelf berufte, einer davon war Garrincha, ein anderer ein gewisser Pelé.
Das Spiel wurde zum Triumphzug. Anstoß, der Ball kommt zu Garrincha. Vorbei am Ersten, der Zweite und Dritte sind auch kein Hindernis. Er dribbelt bis zum 5-Meter-Raum und scheitert nur am Pfosten. Das Publikum ist begeistert. Zehn Sekunden später knallt Pelé den Ball an die Latte. Die Sowjets sind verwirrt, verloren, nach 180 Sekunden steht es 1-0. Garrincha spielt wie immer, entfesselt, schnell und trickreich, nichts Neues eigentlich, doch diesmal schaut die ganze Welt zu, denn erstmals wird eine WM weltweit im Fernsehen übertragen. "Die Sowjets konnten einen Mann auf den Mond schicken, aber sie konnten Garrincha nicht stoppen", so der Kommentator Luis Mendes. In Brasilien redet man heute noch von den besten 3 Minuten der Fussballgeschichte und das Spiel gilt als der Grundstein der brasilianischen Domination zwischen den 50er und 70er Jahren. Im Finale bereitet Garrincha zwei Tore vor und Brasilien wird zum ersten Mal Weltmeister.Nach dem Abpfiff soll er sich gefragt haben, warum die Kollegen in kollektivem Jubel ausbrachen. Es gibt doch immer noch ein Rückspiel, oder? So kannte er es doch eigentlich aus der brasilianischen Liga. Nur ein Spiel.
"Die besten 3 Minuten der Fussballgeschichte"
Vier Jahre später, bei der WM 1962, ist Garrincha nach dem frühen verletzungsbedingten Ausscheiden Pelés der Star der Mannschaft. Vier Treffer, Titelverteidigung, Spieler des Turniers. Garrincha war ganz oben. Der kleine Junge mit den krummen Beinen hatte die Welt erobert. Aus dem Krüppel war ein Idol geworden, die Freude des Volkes.
"Die Freude des Volkes"
Garrincha abseits des Platzes aber war ein Debakel, eine Tragödie.
Wir alle kennen die tragischen Legenden des Fussballs, große Spieler, die auf dem Platz die Welt verzauberten, abseits dessen aber mit ihrem Leben nicht zurechtkamen. Die Maradonas, die Gascoignes, die George Bests. Doch bei keinem war der Kontrast so stark wie bei Garrincha. Lebenslanger Alkoholkonsum, 14 Kinder mit 5 Frauen und die eigene Schwiegermutter bei einem betrunken verursachten Autounfall getötet, eine katastrophale Bilanz. All diese Skandale und Fehltritte wurden während seiner Karriere von seinem Zauber auf dem Platz überstrahlt, doch dieser Zauber hielt nicht lange an.
Seine Karriere fand durch die unerträglich gewordenen Schmerzen in den Beinen ein schnelles Ende und mit seinem gesamten Leben ging es bergab. Jahrelang hatte er ein unbekümmertes Leben geführt, das ganze Programm eines Lebemanns abgespult: Frauen, Partys, Alkohol. Nach dem Fussball blieb ihm nichts mehr, und Garrincha stürzte ab. Nach einer seiner Zechtouren soll er einmal die Leute auf den Straßen gefragt haben: "Weiß jemand, wo Garrincha wohnt?" Im folgenden Video wird der gesamte Widerspruch zwischen dem Fussballer und dem Menschen Garrincha in einer halben Minute deutlich (3:25-3:55). Garrincha auf dem Zenit seiner Karriere, jubelnd auf dem Platz, gefolgt von Garrincha drei Jahre vor seinem Tod, auf einem Karnevalswagen, der ihn wie eine Trophäe durch die Straßen geführt. 1983 der Tod, nach einem erneuten Trinkgelage im Alter von 49 Jahren. Eine Tragödie.
Wie ist dieser Garrincha und sein Leben denn nun zu beurteilen? Gut oder böse? Offenbarung oder Tragödie? Künstler auf dem Platz oder Häuflein Elend auf dem Karnevalswagen? Beides gleichermaßen. Ja, er war ein Trinker. Ja, er war nicht sonderlich schlau. Doch auf dem Fussballplatz war er ein Spektakel, eine Freude und Inspiration. Als Fussballer wird Garrincha für immer unvergessen bleiben. Vielleicht gerade weil er als Mensch nicht perfekt war, auf dem Platz aber umso mehr, lieben und verehren ihn seine Landsleute noch heute.
Vom Krüppel zum Volkshelden. Was für ein Leben.
Aufrufe: 3103 | Kommentare: 0 | Bewertungen: 3 | Erstellt:22.06.2009
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