05.04.2010 um 20:17 Uhr
Sag niemals nie
Als haushaltsüblicher Fußballfan, dem ein letztes Restempfinden für Ästhetik und Würde geblieben ist, kommt es einem nur schwer über die Lippen. Aber die Stimme der Vernunft spricht eine zu eindeutige Sprache: Kevin Kuranyi muss zur WM! Zu gut ist Schalkes Topstürmer in diesen Tagen in Schuss, als dass die Nationalmannschaft in Südafrika auf ihn verzichten könnte. Dies gilt umso mehr, da die Löw-Lieblinge Klose und Podolski derzeit ein Leistungsniveau offenbaren, welches noch deutlich unter Kuranyis Form der Vorsaison liegt.
In der Sache spricht derweil also alles für den 52fachen Nationalspieler. Und dennoch würde es einem Wunder gleichkommen, sollte Joachim Löw den im Herbst 2008 über Kuranyi ausgesprochenen Bann wieder aufheben. Denn eine Abkehr vom einst so pathetisch beschworenen Kuranyi-Verzicht käme für Löw einem doppelten Fehlerbekenntnis gleich. Er würde nämlich nicht nur die Unangemessenheit des Strafmaßes und damit letztlich fehlende Führungsqualität einräumen müssen. Nein, Löw müsste auch konzedieren, eine derart positive Entwicklung Kuranyis nicht für möglich gehalten zu haben, was auf ein zwar nobles, aber doch peinliches Eingeständnis in eigene fachliche Mängel hinausliefe.
Es steht also nicht zu erwarten, dass der Bundestrainer von seinem Entschluss abrücken wird. Der öffentliche Druck dürfte Löw – so paradox es auch klingen mag – eher dazu veranlassen, an seinem Vorsatz festzuhalten. Denn ein Einknicken gegenüber dem Wunschdenken von Medien und Fans würde seine ohnehin angeschlagene Autorität nur zusätzlich beschädigen.
Dabei erinnert Kuranyis Exkommunikation ohne Möglichkeit der Resozialisierung zwangläufig an den Fall Effenberg. Bei der Weltmeisterschaft 1994 wurde Stefan Effenberg, nachdem er den eigenen Fans den Stinkefinger gezeigt hatte, vom DFB nach Hause geschickt. Der damalige DFB-Präsident Egidius Braun beschwor seinerzeit mit eindringlichem Moralappell, dass es unter seiner Ägide für Effenberg keine Option zur Rückkehr geben würde. Vier Jahre später wurde der verstoßene Sohn unter abenteuerlichen Argumentationsketten schließlich begnadigt und für das Auswahlteam reaktiviert. Nach zwei Spielen verlor Effenberg die Lust und kehrte der Nationalmannschaft endgültig den Rücken.
Die Fälle Kuranyi und Effenberg mögen nicht unmittelbar vergleichbar sein. Eines ist ihnen aber gewiss gemein: Voreilig und ohne wirkliche Notwendigkeit wurde jeweils ein Ausschluss auf Lebenszeit ausgesprochen, der später nervtötende Diskussionen über eine mögliche Begnadigung heraufbeschwören sollte. Warum neigt man beim DFB also zu solch übereifrigen Urteilen? Wieso scheint die in unserer Gesellschaft selbstverständliche Regel, jedem Übeltäter irgendwann eine zweite Chance zu gewähren, bei unserem Fußballverband keine Gültigkeit zu besitzen?
Die Antworten weiß man wohl nur an der Fleck-Schneise in Frankfurt. Doch es drängt sich der Verdacht auf, als wolle man beim DFB zwanghaft ein ganz bestimmtes moralisches Bild aufrechterhalten. Ein Bild, in das Respektlosigkeiten gegenüber den Fans und der eigenen Mannschaft nicht passen, die deshalb ohne jede Nachsicht hart und unnachgiebig zu geißeln seien. Es ist deshalb wohl so etwas wie die Überbetonung der Vorbildfunktion, die sowohl bei Effenberg als auch bei Kuranyi zu den gleichsam übertriebenen wie unbedachten Urteilen geführt hat.
Leidtragende solch moralischer Säuberungsaktionen sind denn auch weniger die betroffenen Spieler als vielmehr die Nationalmannschaft als solche und nicht zuletzt die Verantwortungsträger höchst selbst, die sich ohne jede Not in schwerwiegende Argumentationszwänge begeben. Ein unaufgeregteres und vorsichtigeres Agieren wäre ihnen in jedem Falle besser bekommen. Denn manchmal ist ein vorsichtiges "Vielleicht" eben doch weiser als jedes kategorische "Nie".
In der Sache spricht derweil also alles für den 52fachen Nationalspieler. Und dennoch würde es einem Wunder gleichkommen, sollte Joachim Löw den im Herbst 2008 über Kuranyi ausgesprochenen Bann wieder aufheben. Denn eine Abkehr vom einst so pathetisch beschworenen Kuranyi-Verzicht käme für Löw einem doppelten Fehlerbekenntnis gleich. Er würde nämlich nicht nur die Unangemessenheit des Strafmaßes und damit letztlich fehlende Führungsqualität einräumen müssen. Nein, Löw müsste auch konzedieren, eine derart positive Entwicklung Kuranyis nicht für möglich gehalten zu haben, was auf ein zwar nobles, aber doch peinliches Eingeständnis in eigene fachliche Mängel hinausliefe.
Es steht also nicht zu erwarten, dass der Bundestrainer von seinem Entschluss abrücken wird. Der öffentliche Druck dürfte Löw – so paradox es auch klingen mag – eher dazu veranlassen, an seinem Vorsatz festzuhalten. Denn ein Einknicken gegenüber dem Wunschdenken von Medien und Fans würde seine ohnehin angeschlagene Autorität nur zusätzlich beschädigen.
Dabei erinnert Kuranyis Exkommunikation ohne Möglichkeit der Resozialisierung zwangläufig an den Fall Effenberg. Bei der Weltmeisterschaft 1994 wurde Stefan Effenberg, nachdem er den eigenen Fans den Stinkefinger gezeigt hatte, vom DFB nach Hause geschickt. Der damalige DFB-Präsident Egidius Braun beschwor seinerzeit mit eindringlichem Moralappell, dass es unter seiner Ägide für Effenberg keine Option zur Rückkehr geben würde. Vier Jahre später wurde der verstoßene Sohn unter abenteuerlichen Argumentationsketten schließlich begnadigt und für das Auswahlteam reaktiviert. Nach zwei Spielen verlor Effenberg die Lust und kehrte der Nationalmannschaft endgültig den Rücken.
Die Fälle Kuranyi und Effenberg mögen nicht unmittelbar vergleichbar sein. Eines ist ihnen aber gewiss gemein: Voreilig und ohne wirkliche Notwendigkeit wurde jeweils ein Ausschluss auf Lebenszeit ausgesprochen, der später nervtötende Diskussionen über eine mögliche Begnadigung heraufbeschwören sollte. Warum neigt man beim DFB also zu solch übereifrigen Urteilen? Wieso scheint die in unserer Gesellschaft selbstverständliche Regel, jedem Übeltäter irgendwann eine zweite Chance zu gewähren, bei unserem Fußballverband keine Gültigkeit zu besitzen?
Die Antworten weiß man wohl nur an der Fleck-Schneise in Frankfurt. Doch es drängt sich der Verdacht auf, als wolle man beim DFB zwanghaft ein ganz bestimmtes moralisches Bild aufrechterhalten. Ein Bild, in das Respektlosigkeiten gegenüber den Fans und der eigenen Mannschaft nicht passen, die deshalb ohne jede Nachsicht hart und unnachgiebig zu geißeln seien. Es ist deshalb wohl so etwas wie die Überbetonung der Vorbildfunktion, die sowohl bei Effenberg als auch bei Kuranyi zu den gleichsam übertriebenen wie unbedachten Urteilen geführt hat.
Leidtragende solch moralischer Säuberungsaktionen sind denn auch weniger die betroffenen Spieler als vielmehr die Nationalmannschaft als solche und nicht zuletzt die Verantwortungsträger höchst selbst, die sich ohne jede Not in schwerwiegende Argumentationszwänge begeben. Ein unaufgeregteres und vorsichtigeres Agieren wäre ihnen in jedem Falle besser bekommen. Denn manchmal ist ein vorsichtiges "Vielleicht" eben doch weiser als jedes kategorische "Nie".
Aufrufe: 8118 | Kommentare: 58 | Bewertungen: 30 | Erstellt:05.04.2010
ø 8.9
KOMMENTARE
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05.04.2010 | 20:27 Uhr
0
ANDARSful :
10 Punkte
2
05.04.2010 | 20:38 Uhr
0
avadon :
Starker Blog!Ist es nicht bei der peruanischen Nationalmannschaft ähnlich ?
MMn sind Pizarro und noch 3 Spieler ich glaube auch Farfan seit 2007 suspendiert weil sie vor einem Spiel gefeiert haben.
Oder irre ich mich ?
1
05.04.2010 | 21:00 Uhr
-6
riesery : 1)
Also echt Voegi es ist schon Ironie an sich und an Scheinheiligkeit kaum zu überbieten dass so ein Blog ausgerechnet von DIR kommt.
Du warst derjenige der ihm über Monate wenn nicht Jahre via deiner Liga Lehren jegliche Klasse abgesprochen hat als Stürmer du warst der jenige der Woche Woche für Woche zum allgemeinen Kuranyi Bashing aufgerufen hat du warst derjenige der sich abgesehen von den sportlichen Qualitäten auch noch über den Mensch Kevin Kuranyi lustig gemacht hat von wegen Lispel Kevin und so.
Wegen Leuten wie dir ist Kuranyi überhaupt in diese Krise geraten (was heißt Krise hat trotzdem noch jedes Jahr zweistellig getroffen und wurde trotzdem verlacht) wie er selber beschrieben hat dass er am Ende seiner Kräfte war.
Damals war Kuranyi der gleiche Spieler wie heute nur eben ohne Selbstvertrauen und ständiges öffentliches draufschlagen der Fans haben auch dafür gesorgt dass er selbiges lange nicht wieder gefunden hat.
Und dieser verlachte Kuranyi soll jetzt plötzlich zur WM?Wie Van Gaal sagen würde.Das finde ich "unglaublich"
Diese ganze Kuranyi Diskussion ist sowie überflüssiger wie es nicht mehr geht.
Der Bundestrainer hat sich klar entscheiden und das sollte man akzeptieren.Keiner war dabei als das vorgefallen ist vielleicht hat Kurayni sich ja auch im Ton vergriffen man weiß es nicht.
Fakt ist jedenfalls.Auch jetzt braucht Löw Kurnayi nicht wirklich.Podolski und Klose haben in der Vergangenheit immer ihre Leistungen gebracht mit dem Adler auf der Brust und haben nunmal das Vertrauen des Bundestrainers (Scheiß auf Leistungsprinzip jeder Bundestrtrainer hat Spieler denen er vertraut und die Billanz von Klose und Podolski im DFB Dress spricht Bände. Mit Gomez und Kießling hat man 2 junge Spieler die nachrücken.
6
05.04.2010 | 21:01 Uhr
-5
riesery : 2)
Kuranyi wär wenn er mitfahren würde er nur das 5 te Rad am Wagen.Dann lässt man ihn lieber gleich zuhause.
Außerdem weiß auch keiner was der Löw plant.Angenommen er will in einem 4231 spielen was sehr realitisch ist aufgrund des Spielermaterials braucht man Kuranyi erst recht noch weniger und selbt in einem 442 das 2008 vorwiegend gespielt wurde und Kuranyi Stürmer Nummer 3 war hat er im ganzen Turnier 20 min gespielt im Finale.
Und außerdem hat sich Löw zu der Kuranyi Sache gar nicht geäußert bisher.Er steckt auch in einer Zwickmühle.Wenn er Kuranyi begnadigt wird ihm das als mangelde Konsequenz ausgelegt und man könnte meinen er bricht am öffentlichen Druck ein.
Wenn er weiter hart bleibt ist er der unbelehrbare unmenschliche eiskalte Bundestrainer wozu er gerne gemacht wird.
Denke aber Löw macht es genau richtig.Er wartet ab.Erst am 6 Mai muss er seine Entscheidung fällen.Er hat alle Zeit der Welt um zu sehen wie Kuranyi Kießling und Gomez Form sich weiterentwickeln.
Die Leute die Kuranyi jetzt vehement fordern tun das doch nur weil er momentan in Form ist nicht wegen seiner Klasse damals hat nämlich kein Schwanz nach Kuranyi gekräht.Im Gegenteil.
Form ist aber zum aktuellen Zeitpunkt nicht so wichtig die WM ist erst in 2 Monaten bis dahin können die Form der Spieler sich entweder steigern Marin oder auch extrem fallen Schäfer.In 2 Monaten kann das ganze wieder ganz anders aussehen wenn Gomez in Form kommt .
Fußball ist Tagesgeschäft.
Insgesamt mMn völlig übertrieben Debatte die hier aufgeführt wird um Kuranyi nur um Löw schlechtzureden und ihm zu schaden ähnlich wie bei Klinsmann vor der WM da wars ähnlich.
Der Bundestrainer entscheidet und stellt die Mannschaft auf das sollte man respektieren.
Wenn Poldi Klose und Kießling bei der WM treffen und die Fans sich in den Armen liegen dann interessiert der Name Kuranyi wieder keine Sau.Alles erfolgsabhängig.
5
05.04.2010 | 21:03 Uhr
-3
riesery :
In einem Monat werd ich mal Bestandsaufnahme machen.Mal schaun wie viele Leute dann Kuranyi immer noch so vehement forderm.
Sorry komm einfach nicht klar mit so viel Doppelmoral von den Medien und auch von manchen Fans.
Erst wird Kuranyi tief durch den Dreck gezogen und jetzt haben ihn plötzlich alle Lieb kaum dass er eine gute Saison spielt.
Das geht mir zu schnell.
5
05.04.2010 | 21:13 Uhr
-2
ich finde das kloses einfach keine form hat zz und poldi würde zz auch kein scheunentor aus 3 metern treffen, das die beiden viel geleistet haben is unbestreitbar, allerdings find ich is ein kuranyi in topform 100% effektiver als ein poldi oder ein klose im formtief. Löw is allerdings a**ch und nominiert kaum spieler aus dem Ruhrgebiet.
ich versteh auch nicht was alle gegen kuranyi hattten (haben?).
2
05.04.2010 | 21:14 Uhr
-2
komplett! richtige einschätzung, was die causa kuranyi-nati angeht.
würde löw nach stammtischparolen berufen und demnach "form statt klasse" aufstellen, würde selbst der beste deutsche kicker der welt (Ballack) in der derzeitigen verfassung die wm von der couch aus verfolgen.
kuranyi mitzunehmen wäre mMn völlig inkonsequent und unglaubwürdig. kuranyi spielt seit wochen überragend aber mMn auch über seinen möglichkeiten. magath hat das spiel auf ihn zugeschnitten bzw. auf die art und weise so ausgelegt, damit kuranyis fähigkeiten bestmöglich zur geltung kommen. löw wird die taktik der elf niemals auf so eine spielweise auslegen! dementsprechend kann kuranyi schon allein aus diesem grund nicht die leistung zeigen bzw so aufspielen wie auf schalke. kuranyi ist kein blinder. er ist ein guter BuLi-Stürmer. nicht mehr und nicht weniger.
in diesem sinne bin ich mir sicher, dass löw bei seiner entscheidung bleibt und damit auch das absolut richtige tut!
1
05.04.2010 | 21:25 Uhr
-1
Allerdings wird sich unter dem Nivea-Mann kein Comeback einrichten lassen - aber solange er in Stuttgart ein wärmendes Plätzchen auf der Tribüne reserviert bekommt ist doch alles prima! Da muß man auch nicht zu wichtigen Spielen schauen - man weiß ja eh, wen man nominieren wird/soll.
Mit der Prinzenrolle und dem Salto-Hopser wird's nichts werden mit dem großen Erfolg!
Ich bin der Meinung, das Beste was dem deutschen Fußball passieren kann ist ein Scheitern in der Vorrunde, denn ansonsten wird man diesen Schönredner und Weichspüler nicht loswerden (schon wegen den Kungeleien beim DFB) - zwar schade für die Fans aber ist leider so!
Pro Kuranyi!
P.S.:
Löw selbst hat gesagt die Spieler müßten einen Vereinsstammplatz haben und gut in Form sein...
Wenn es nach Dankbarkeit wegen früheren Erfolgen geht ist das doch wohl ein schlechter Witz!
4
05.04.2010 | 21:27 Uhr
0
Voegi :
@ rieserydie liga-lehren sind satire. bewusst überzogene, polemische spielereien, die nichts, aber rein gar nichts mit sachlicher analyse zu tun haben. dieses blog an meinen ausführungen in den liga-lehren messen zu wollen, erscheint mir ziemlich abwegig. wenn's darum geht, dürfte ich gar nicht mehr auf sachlich machen dürfen, weil ich mich irgendwann unweigerlich in widerspruch zu meinen satirischen ausführungen setzen müsste, da ich schon so manchen akteur durch den kakao gezogen habe.
diesen verweis kann ich also schlichtweg nicht gelten lassen. mal abgesehen davon, dass ich das ja hier sogar entsprechend selbstironisch eingeleitet habe.
aber zur sache:
man kann kuranyis einsatz fordern, muss es aber natürlich nicht. ich persönlich bin im hinblick auf die form der deutschen nationalspieler für die wm recht skeptisch und glaube, dass kuranyi uns weiterhelfen könnte. aber das kann man - wie gesagt - auch anders sehen.
schade finde ich allerdings, dass du bei deiner kritik die grundthese des beitrags komplett ignorierst. nämlich die frage, wieso man beim dfb zu solch drakonischen maßnahmen tendiert und die tür ein für allemal zuschlägt. denn letztlich geht es mir (nur) genau um dieses thema. der fall kuranyi ist eigentlich nur der aufhänger dafür.
6
05.04.2010 | 21:36 Uhr
0
Voegi :
achso, eins noch, riesery: ich weiß irgendwie nicht, wie ich mit der aussage, dass kuranyi meinetwegen in die krise geraten ist, jetzt umgehen soll.wenn ich sachlich bleiben soll, dann sage ich einfach nix. weil sowas braucht man nicht zu kommentieren. das spricht für sich.
als ll-autor sage ich danke! denn diese breitenwirkung hätte ich der reihe nun wirklich nicht zugetraut.
3
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