27.03.2011 um 23:56 Uhr
Schiri, darf der das?
Auch nach vielen Jahren an der Pfeife erlebt man als Schiedsrichter noch Situationen, von denen man geglaubt hat, dass sie allenfalls in der Theorie existieren, in abwegigen Regeltests beispielsweise, die von Prüfern mit einem unerklärlichen Hang zu praxisfernen Fragen erstellt worden sind. Eine solche Situation hatte ich heute in der Kölner Kreisliga A, nämlich einen Platzverweis gegen einen Spieler, der einen Mitspieler beleidigt hatte.
Ich lasse mal außen vor, um welche Mannschaft es sich handelt und wie der Spieler heißt. Der Betreffende wurde jedenfalls in der 56. Minute eingewechselt und geriet nur eine Minute später mit einem Mannschaftskollegen heftig aneinander. "Halt doch mal die Schnauze, du Arschloch", beschied der neu Hinzugekommene seinem Mitspieler vor einem Einwurf in veritabler Lautstärke. Der Anlass für diese Verbalinjurien war mir entgangen, die irritierten bis befremdeten Reaktionen auf dem Platz – bei Freund wie Feind – ließen sich hingegen nun wirklich nicht übersehen respektive -hören.
"Schiri, darf der das?", fragte mich ein Spieler der anderen Mannschaft, und selbst die Kicker des betreffenden Teams schauten mich fragend bis fordernd an. Eigentlich hätte ich dem ausfällig Gewordenen sofort die Rote Karte zeigen müssen, schließlich darf man einen Mitspieler genauso wenig ungestraft beleidigen wie einen Gegenspieler. Gleichzeitig kam mir diese Maßnahme irgendwo überzogen vor – zumal das Spiel bis dahin sehr fair verlaufen war –, deshalb entschied ich mich für den Versuch einer Deeskalation: Ich holte den Kapitän der betreffenden Mannschaft zu mir.
Da dessen Spieler schon vorher ungewöhnlich aggressiv miteinander kommuniziert hatten, bat ich ihn, die Streithähne zur Räson zu rufen und seine Mitspieler generell zur Mäßigung anzuhalten. Der Käpt'n tat, wie ihm geheißen, indem er laut und vernehmlich rief: "Ruhe jetzt, Männer, hört auf mit dem Scheiß, beim nächsten Mal gibt's sonst 'ne Karte!" Doch der hauptsächlich Angesprochene ignorierte diesen Ukas und widmete sich unverzüglich wieder seinem Kollegen. Genauer gesagt: Er wiederholte seine Tirade – wiederum in beträchtlicher Phonzahl –, weshalb der angegriffene Mitspieler hilfesuchend zu mir schaute.
Jetzt konnte ich nicht mehr anders, und so kam es zum ungewöhnlichsten Platzverweis meiner 26jährigen Laufbahn als Schiedsrichter. Noch skurriler als die Rote Karte als solche war aber die Reaktion der Mitspieler des vom Feld Gestellten: Sie beklatschten die Entscheidung. Applaus für den Ausschluss eines Mannschaftskollegen – das hatte ich auch noch nicht erlebt. Und vom Trainer gab's noch ein paar deutliche Worte obendrauf: "Mit der Roten Karte hat [er] seinen Mitspielern einen Bärendienst erwiesen", wird der Coach auf der Website des Vereins zitiert. Der Delinquent werde "hart bestraft werden", denn: "Das können wir uns nicht bieten lassen." Manchmal ist der Fußball seltsam, nicht nur in der Bundesliga.
Ein paar Minuten später hörte ich übrigens, wie der Kapitän der anderen Mannschaft sich selbst (!) nach einer vergebenen Torchance einen "behinderten Vollidioten" nannte. Wieder blickte ich in zahlreiche fragende Gesichter. Aber sich selbst beleidigen, das darf man dann doch noch.
Ich lasse mal außen vor, um welche Mannschaft es sich handelt und wie der Spieler heißt. Der Betreffende wurde jedenfalls in der 56. Minute eingewechselt und geriet nur eine Minute später mit einem Mannschaftskollegen heftig aneinander. "Halt doch mal die Schnauze, du Arschloch", beschied der neu Hinzugekommene seinem Mitspieler vor einem Einwurf in veritabler Lautstärke. Der Anlass für diese Verbalinjurien war mir entgangen, die irritierten bis befremdeten Reaktionen auf dem Platz – bei Freund wie Feind – ließen sich hingegen nun wirklich nicht übersehen respektive -hören.
"Schiri, darf der das?", fragte mich ein Spieler der anderen Mannschaft, und selbst die Kicker des betreffenden Teams schauten mich fragend bis fordernd an. Eigentlich hätte ich dem ausfällig Gewordenen sofort die Rote Karte zeigen müssen, schließlich darf man einen Mitspieler genauso wenig ungestraft beleidigen wie einen Gegenspieler. Gleichzeitig kam mir diese Maßnahme irgendwo überzogen vor – zumal das Spiel bis dahin sehr fair verlaufen war –, deshalb entschied ich mich für den Versuch einer Deeskalation: Ich holte den Kapitän der betreffenden Mannschaft zu mir.
Da dessen Spieler schon vorher ungewöhnlich aggressiv miteinander kommuniziert hatten, bat ich ihn, die Streithähne zur Räson zu rufen und seine Mitspieler generell zur Mäßigung anzuhalten. Der Käpt'n tat, wie ihm geheißen, indem er laut und vernehmlich rief: "Ruhe jetzt, Männer, hört auf mit dem Scheiß, beim nächsten Mal gibt's sonst 'ne Karte!" Doch der hauptsächlich Angesprochene ignorierte diesen Ukas und widmete sich unverzüglich wieder seinem Kollegen. Genauer gesagt: Er wiederholte seine Tirade – wiederum in beträchtlicher Phonzahl –, weshalb der angegriffene Mitspieler hilfesuchend zu mir schaute.
Jetzt konnte ich nicht mehr anders, und so kam es zum ungewöhnlichsten Platzverweis meiner 26jährigen Laufbahn als Schiedsrichter. Noch skurriler als die Rote Karte als solche war aber die Reaktion der Mitspieler des vom Feld Gestellten: Sie beklatschten die Entscheidung. Applaus für den Ausschluss eines Mannschaftskollegen – das hatte ich auch noch nicht erlebt. Und vom Trainer gab's noch ein paar deutliche Worte obendrauf: "Mit der Roten Karte hat [er] seinen Mitspielern einen Bärendienst erwiesen", wird der Coach auf der Website des Vereins zitiert. Der Delinquent werde "hart bestraft werden", denn: "Das können wir uns nicht bieten lassen." Manchmal ist der Fußball seltsam, nicht nur in der Bundesliga.
Ein paar Minuten später hörte ich übrigens, wie der Kapitän der anderen Mannschaft sich selbst (!) nach einer vergebenen Torchance einen "behinderten Vollidioten" nannte. Wieder blickte ich in zahlreiche fragende Gesichter. Aber sich selbst beleidigen, das darf man dann doch noch.
Aufrufe: 17614 | Kommentare: 37 | Bewertungen: 53 | Erstellt:27.03.2011
ø 9.8
KOMMENTARE
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28.03.2011 | 19:21 Uhr
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mrpink27 :
Ich wusste nicht, dass Balotelli in der Kölner Kreisliga spielt.
2
28.03.2011 | 23:35 Uhr
0
Ich hab etwas Ähnliches schonmal in einem Spiel meiner Mannschaft erlebt.
Nach einem verunglücktem Abschlag von unserem Torwart hat er sich bzw. den Ball als "verdammten scheiß Huen" beschimpft.
Plötzlich kam der Schiri und hat ihm die rote Karte gezeigt. Wir waren erstmal alle verwundert und konnten es nicht glauben aber er hat es ernst gemeint und wir mussten mit einem Mann weniger spielen und einen neuen Torwart einwechseln.
Unglaublich aber wahr.
Das Spiel haben wir dann verloren.
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29.03.2011 | 15:18 Uhr
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mamö99 :
Ganz starke Anekdote.. was nicht alles so passiert, immer wieder überraschend!
0
29.03.2011 | 17:50 Uhr
0
passi246 :
Das Thema finde ich durchaus interessant und es gibt generell viele Geschichten zum Besten zu geben, allerdings hab ich ein Highlight meiner bisherigen Fussballerkarriere.Wir trafen uns zu einem Vorbereitungsspiel und wollten unseren Leistungsstand überprüfen, jedoch kam es nach etwa 60 Minuten zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen Fans und einem unserer Spieler, die zunächst geschlichtet werden konnte. Jedoch gipfelte dies etwa 5 Minuten vor Ende in einer, in meinen Augen völlig irren, Story. Nach einer erneuten Auseinandersetzung mit den Fans stieg dann der Kapitän der gegnerischen Mannschaft ein und der Schiri schickte beide Spieler unter die Dusche und die weiterhin brüllenden Fans vom Feld. Infolgedessen verließen die Spieler, angetrieben von einem wütenden und enttäuschten Kapitän einfach den Platz ("Auf so einen Scheiß hab ich keinen Bock mehr, kommt Jungs"). Nun stand unsere Mannschaft mit dem Schiri alleine auf dem Spielfeld und schauten sich bedröppelt an. Eine verrückte und vor allem zu dem Zeitpunkt kaum nachvollziehbare Entscheidung.
Wie man im nachhinein so hörte ist der Kapitän mittlerweile weder noch Kapitän noch in dem Verein aktiv. Eine konsequente und richtige Entscheidung... Solche Leute braucht kein Team.
1
30.03.2011 | 08:31 Uhr
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Dr_D :
Sehr schöner Blog.
Ich habe ähnliches als Zuschauer vor vielen Jahren auch schon mal erlebt. Da wurde ein Spieler vom Platz gestellt der ebenfalls das böse A-Wort gebrauchte. Auch gegen einen Mitspieler.
Nur waren damals die Reaktionen der anderen beteiligten etwas anders. Kopfschütteln. Vielleicht lag es daran, daß der Schirri die ganze Zeit etwas "verwirrt" gepfiffen hat.
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30.03.2011 | 13:11 Uhr
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Eine andere Sache ist natürlich das viel zitierte "Fingerspitzengefühl". Das hast Du mit deiner versuchten Deeskalation bewiesen. Wenn einer dann immer noch nicht verstanden hat, hilft halt nur eine kalte Dusche
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