Hoffen und Harren hält manchen zum Narren - ob der alte Ovid wohl wusste, dass knapp 2000 Jahre später Schalke 04 eine etwas seltsame Bundesligasaison spielen würde?
Schalkes Malaise ist Jahr für Jahr ähnlich gelagert - die fehlende Konstanz macht viele gute Ansätze zunichte, doch das neue Führungsduo aus Coach und Sportvorstand bemüht sich redlich, gemeinsam mit Fans und Umfeld eine stabile Umgebung für die Mannschaft zu zaubern. Gebetsmühlenartig waren Heidel und Tedesco Anfang Januar darum bemüht, darauf hinzuweisen, dass Platz zwei nach der Hinrunde lediglich eine Momentaufnahme gewesen und der Weg noch lang sei. Geglaubt haben ihnen das im traditionell emotionalen Umfeld der Knappen nur wenige - zu groß ist immer noch die Sehnsucht danach, den übermächtigen Münchenern dauerhaft Paroli bieten zu können, den verhassten Lüdenscheidern in die Suppe zu spucken und nach mittlerweile sechzig Jahren ohne Meisterschale endlich einmal wieder dieselbe in den Gelsenkirchener Himmel recken zu können.
Was fehlt also zum großen Glück? Qualität im Kader? Der Aderlass der vergangenen Jahre trägt prominente Namen - Joel Matip, Sead Kolasinac oder Leon Goretzka etwa, die alle ablösefrei zu europäischen Topklubs wechselten. Und selbst die Spieler, die ordentliche Ablösen einbrachten, tun auch heute noch weh: Manuel Neuer, Julian Draxler und Leroy Sané könnten dem Schalker Spiel auch heute noch ihre respektiven Stempel aufdrücken. Doch alle entschieden sich gegen die volatile Gemengelage im Ruhrpott. Daran, das wissen wir spätestens seit Goretzkas Entscheidung für den FC Bayern, ändern auch die neuen sportlichen Ansager beim S04 nichts.
Meyer, bitte übernehmen Sie!
Nun steht also Max Meyers Vertragssituation besonders im Mittelpunkt - aber was genau hält den Schalker Mittelfeldmotor davon ab, seinen Vertrag zu verlängern? Sein guter Freund Leon Goretzka hatte ihm bereits eine Steilvorlage gegeben: Es ist die fehlende Konstanz bei Schalke. Der Mannschaft fehlt es an Kontur, und angesichts fehlender Alternativen war die einzige Hoffnung des Managements nun in den letzten Wochen ein 22-jähriger Absolvent der Knappenschmiede, der mal wieder ein Schalker Gesicht sein sollte. Nachdem man Draxler erfolglos auf Plakatwänden durchs Ruhrgebiet fuhr und Goretzka trotz geduldigen Wartens an den Serienmeister aus München verlor, scheint nun auch Max Meyer die Entscheidung getroffen zu haben, wo er in Zukunft spielt.
Man musste ja kein ausgewiesener Kenner der Transferszene sein, um zu erkennen, dass die Reise für Meyer nicht in Gelsenkirchen enden würde. Zu vielfältig sind die Möglichkeiten für einen Fußballprofi heutzutage, seine Karriere nach eigenem Gutdünken zu planen und gemeinsam mit dem Berater alle Optionen abzuwägen. Doch schon jetzt müssen sich die Verantwortlichen fragen lassen, warum sie erst nach Goretzkas Entscheidung gegen Schalke nun mit Meyer in ernsthafte Verhandlungen einsteigen. Muss der Spieler so nicht schon längst den Eindruck gewonnen haben, dass er im Mittelfeld nur die sprichwörtliche zweite Geige spielt? Dass Goretzka immer die Priorität hatte, und dass er nun nur mangels Alternativen so prominent im Mittelpunkt steht?
Dass Max Meyer nun zum Führungsspieler hochgejubelt wird, ist sicher seiner überragenden Saison geschuldet. Auf der 6 ist er für die Mannschaft sehr wertvoll, hat sowohl körperlich als auch läuferisch enorm zugelegt. Sein Wort hat mittlerweile auf dem Platz Gewicht, weil die anderen Spieler ihn dafür respektieren, dass er dem Trainer keine Alternative dazu gelassen hat, ihn aufzustellen. Seit dem 8. Spieltag hatte er in der Bundesliga bis zur Auswechslung in München keine Spielminute verpasst - zu wichtig ist er mittlerweile im filigranen Mittelfeldgefüge. Wo andere Spieler aufgrund von Verletzungen, Formschwächen oder sonstiger Unzulänglichkeiten immer wieder abspenstig werden, ist Max Meyer ein Ausbund an Verlässlichkeit. Momentan ist es geradezu undenkbar, dass ihm Bentaleb oder Stambouli den Rang ablaufen könnten - doch genau das werden sie ab dem nächsten Jahr vielleicht schon müssen, wenn Meyer den Verein gewechselt hat.
Zwei E-Mails reichen nicht... für jeden!
Das Vertrauensverhältnis zwischen Meyer und Schalke gilt nicht allein deshalb als belastet, weil die Vertragsverhandlungen im vergangenen Sommer und Herbst etwas in die Hose gingen, sondern in erster Linie, weil man lange auf den Durchbruch des gebürtigen Oberhauseners wartete, der in den Jugendmannschaften von Rot-Weiß Oberhausen und vor allem beim MSV Duisburg das fußballerische Handwerk erlernte, bevor es ihn in die Knappenschmiede nach Gelsenkirchen zog. Als er seinen ersten Profivertrag in der Tasche hatte, stattete man ihn direkt mit der Rückennummer 7 aus - die hatte vorher dem grandiosen Raúl Gonzales Blanco gehört, der auf Schalke vom Weltstar zum Kohlenpottidol gereift war. Aber auf der vielgeliebten 10, der Position direkt hinter den Spitzen, die noch im letzten Jahrtausend als -die- Spielmacherposition galt, hatte Meyer es nie bis zur absoluten Spitzenklasse gebracht. Das hat sich nun geändert, nachdem ihn sein Cheftrainer vom offensiven Spielmacher zum defensiven Quarterback umfunktioniert hat.
Reicht Meyer die Perspektive also immer noch nicht? Seine Qualitäten am Ball, seine technische Finesse und seine geistige Schnelligkeit prädestinieren ihn für eine Rolle in der Mittelfeldzentrale, und dass nationale wie internationale Interessenten am 1,73 m kleinen Strippenzieher im Schalker Mittelfeld interessiert sind, zeugt von der Qualität, die er mittlerweile entwickelt hat - und von der generellen Unlust, die Mondpreise zu zahlen, die auf dem Transfermarkt die Ablöseverhandlungen bestimmen. Meyer selbst hat immer wieder betont, dass ihm zwei Dinge wichtig sind: Spielpraxis zu erhalten und den sprichwörtlichen nächsten Schritt zu machen - beides könnte er auf Schalke ohne Umgewöhnung an ein neues Umfeld und mit der Gewissheit haben, dass er einen Trainer hat, der ihm vertraut und der ihn fördert. Tedesco und Meyer - das passt.
Wenn er also geht, wird er sich eine ziemlich gute Ausrede überlegen müssen - dafür, dass er (so wie Goretzka) seinen eigenen Aussagen keine entsprechenden Taten folgen lässt. Sollte er versuchen, sich ähnlich wie Goretzka aus der Nummer herauszulamentieren, könnte es für die Mannschaft schon wieder eine Phase der Unruhe geben, die diese angesichts des zarten Pflänzchens der Eingespieltheit in der Rückrunde nun gar nicht brauchen kann. So oder so - Meyer täte gut daran, sich zeitnah zu erklären.
Oder alles nur ein Missverständnis?
Viel schwerer wiegt der Eindruck, dass die Diskussion rund um Max Meyer selber gar nichts mehr mit dem Spieler oder der Vertragssituation zu tun haben. Anstatt die Situation mit Ruhe und Professionalität anzugehen, fliegen zwischen Spielerberater und Verein mittlerweile Giftpfeile. Roger Wittmanns Äußerung, es reiche nicht, zwei E-Mails zu schreiben, um einen Schalker Jungen zu halten, beantwortete Heidel bei sky vielsagend mit ich kann gar nicht glauben, dass er das gesagt haben soll. Auch bei persönlicher Antipathie zwischen diesen beiden Protagonisten sollte es doch möglich sein, sich nicht öffentlich lächerlich zu machen. Was viele Fans nicht verstehen: wenn Meyer wirklich bleiben will, dann soll er sich doch einfach dementsprechend äußern. Und wenn nicht, dann doch bitteschön auch - zumindest dieses Maß an Ehrlichkeit hätten nicht nur Heidel und die Vereinsverantwortlichen, sondern vor allem die Fans längst verdient.
Meyer hat seit geraumer Zeit ein Angebot und zögert dieses anzunehmen bzw. hat die von Schalke auferlegte Frist verstreichen lassen.that's it!
Spielerberater sind wirklich mühsam geworden im heutigen Fussballgeschäft. Jedoch muss sich Schalke wirklich auch vorwerfen lassen, dass sie sich nicht früher um Meyer gekümmert haben. Im letzten Sommer hätte man ihn wohl zu einem Bruchteil des heutigen Salärs langfristig binden können.