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03.10.2008 um 00:16 Uhr
Seelenverwandte
Er hat es getan. Schon wieder. Al Davis meine ich. Den Besitzer der Oakland Raiders. Den Howard Hughes der NFL, der sich fast nie öffentlich äußert und nur selten zeigt. Den Darth Vader der NFL, der vor allem bei seinen Trainern Angst und Schrecken verbreitet. Diese Woche musste mal wieder ein Übungsleiter dran glauben. Lane Kiffin war der achte Raiders-Coach in 14 Jahren, der vorzeitig gehen musste. Erfolglos war Kiffin, vor allem aber ungehorsam. In der Presse hatte er sich beklagt. Im Reich der Raiders geht so etwas nicht.

Dass die Trainerwechsel den Raiders Erfolg bringen würden, kann man nun nicht gerade behaupten. Das selbsternannte "Team of the Decades" wartet nun schon seit Dekaden auf einen Super Bowl-Titel (seit 1983, um genau zu sein). Die letzte Finalteilnahme der Kalifornier liegt mittlerweile auch schon sechs Jahre zurück. Gegen die Tampa Bay Buccaneers war das Davis-Team chancenlos. Der gegnerische Coach hieß übrigens Jon Gruden, trainierte vorher Oakland, kam aber mit dem Chef nicht zurecht. Willkommen im Klub, Lane Kiffin.

Und es war ja nicht nur Gruden, der nach seinem Abschied aus Oakland Super Bowls gewann. 1987 feuerte Davis einen gewissen Mike Shanahan nach nur einer Saison und vier weiteren Spielen. Shanahan gewann mit den Denver Broncos in den Neunzigern zwei Super Bowls. Das sind seit 1987 drei Titel für Gruden und Shanahan. Drei mehr, als die Raiders in der gleichen Zeit gewonnen haben.

Der Schlüssel zu den Raiders ist der heute 79-Jährige Al Davis. Als das Team in den 60er Jahren den Spielbetrieb in der AFL aufnahm (die Teams der AFL wurden erst Anfang der 70er in die NFL aufgenommen), da war Davis noch Trainer bei den Raiders. In vieler Hinsicht ist er das bis heute geblieben. In Oakland wird fast keine Entscheidung ohne ihn getroffen. Dabei ist Davis, der nur entweder im schwarzen oder weißen Trainingsanzug in der Öffentlichkeit auftritt, streng genommen gar nicht der Besitzer der Raiders, sondern der "President Of The General Partner". Was das genau heißt, würde ich auch gerne mal wissen. Zu Deutsch muss es ungefähr "Boss der Bosse" oder "Chef von allem und jedem" bedeuten.

In jedem Fall stinkt in Oakland der Fisch vom Kopf her. Wenn der Besitzer keinen Trainer findet, den er länger als ein Jahr lang ertragen kann, zerstört er leider damit sein eigenes Lebenswerk. Denn eins ist auch wahr: Al Davis mag inzwischen ein seltsamer Vogel geworden sein, er ist aber auch einer der ganz großen Männer in der Geschichte der NFL. Nur ist er leider auch machtbesessen, paranoid und stur.

Übrigens habe ich Al Davis schon einmal interviewt. Wer sich nicht so für Football interessiert und bis hier gelesen hat, wird das gar nicht so richtig schätzen können. Aber Davis spricht tatsächlich fast nie mit Journalisten. Eigentlich nur bei den Pressekonferenzen nach einer Trainerentlassung. Das Ganze kam so: Es muss wohl im März 1999 gewesen sein, im Trainingslager der NFL Europe in Orlando. Jedenfalls war ein Tag voll gepackt mit Testspielen angesagt und zu diesem Anlass tauchten auch immer Rudel von Scouts aus allen Profiligen dieser Welt auf. Und ein Van, aus dem Al Davis ausstieg, begleitet von vier weiteren Gestalten, die entweder Scouts, Leibwächter oder beides waren.

Jedenfalls haben mein Kollege Felix und ich Davis erspäht und noch diskutiert, ob wir überhaupt das aussichtlose Unterfangen wagen sollen, nach einem Interview zu fragen. Na, dachten wir, fragen kostet ja nichts. Und, oh Wunder, über die Vermittlung des NFL Europe-Pressesprechers wurde uns mitgeteilt, dass Davis tatsächlich mit uns sprechen würde. Wir wandern also rüber zu Davis' Van und er war tatsächlich freundlich und gesprächsbereit. Die Raiders hatten damals gerade die Quarterbacks Pat Barnes und Andre Ware in die NFLE geschickt. Auf meine Frage nach Barnes sagte Davis, dass ihn Ware eigentlich viel mehr interessieren würde. In der Zwischenzeit hatten dann auch die restlichen deutschen Journalisten mitbekommen, dass da etwas im Busch war und stürzten zu uns, um ja nichts zu verpassen. Auch wenn von denen vermutlich keiner wusste, wer der Vogel im Trainingsanzug war, dem ich das Mikro unter die Nase hielt. Jedenfalls, nach meiner dritten Frage kräht irgendeine Blondine mit einer total belanglosen Frage dazwischen (nach dem Motto "Gewinnt Ihr dieses Jahr den Super Bowl?") und Davis dreht sich freudestrahlend zu ihr um spricht fortan nur noch mit ihr. Das war also mein Interview. Und daraus lernen wir, dass Al Davis vielleicht anders ist als andere Menschen, aber doch genauso wie die meisten Männer.

Tja, zurück zur Trainerentlassung. Da könnten wir jetzt sagen, "die spinnen, die Amis" und weiter machen wie bisher. Aber sind wir wirklich besser? Mir fallen da meine Freunde von Borussia Möchengladbach ein. Heute musste ich doch tatsächlich lesen, dass am Samstag für Trainer Jos Luhukay ein Endspiel anstünde, im Derby gegen Köln.

Jetzt mal ganz langsam. Ist das die gleiche Borussia, die sich mit ständigen Trainerwechseln praktisch selbst aus der Bundesliga gefeuert hat? Ich nenne nur einen Namen: Dick Advocaat. Die gleiche Borussia, die von Jos Luhukay in der Vorsaison ziemlich souverän in die Bundesliga zurück gebracht wurde? Die gleiche Borussia, die in der Vorsaison noch ein Hohelied auf die Kontinuität gesungen hat?

Ich hätte ja erwartet, dass die gute Arbeit der Vorsaison Luhukay mindestens ein halbes Jahr Ruhe bescheren würde. Schließlich muss man sich in der neuen Liga erst einmal zurecht finden. Und dass die bedingungslose Offensive der Vorsaison eine Klasse höher nicht gleich gut funktionieren würde, muss jedem klar gewesen sein. Da sind die Gegner nämlich stärker. Aber schauen wir doch mal auf die hoffnungslose Situation der Borussia. Hm, Letzter in der Tabelle, das ist nicht gut. Drei Punkte, nicht berauschend nach sechs Spielen. Tja und dann drei Zähler Rückstand, nicht auf das rettende Ufer, sondern auf Bielefeld auf Platz 13. Hilfe! Wenn das so weiter geht! Da müssen wir etwas tun! Sofort! Am besten den Trainer feuern.

Jetzt mal im Ernst: Wer hatte der Borussia vor der Saison viel mehr als Abstiegskampf zugetraut? Jedenfalls niemand, den ich kenne. Jetzt passiert das, was alle erwartet hatten und in Gladbach bricht Panik aus. Jungs, ihr gehört nicht in die obere Tabellenhälfte! Und, liebe Borussen, ich verrate Euch jetzt noch ein Geheimnis: Im Sport, auch im Fußball, geht es darum, einen guten Trainer zu finden. Und ihn dann zu behalten. Ihr habt ihn schon.

Aber da gibt es ja das Präsidium um Rolf Königs. Das all die Trainerwechsel der letzten Jahre zu verantworten hatte und anscheinend nicht daraus gelernt hat. Tja, es spinnen eben leider nicht nur die Amis. Aber was mir in diesem Zusammenhang fast ein wenig Angst macht: Rolf Königs sieht Al Davis tatsächlich ein bisschen ähnlich. Nun ja, dem Al Davis von vor zehn Jahren. Das kommt wohl von der Seelenverwandtschaft.

Bis bald,
Andreas
Aufrufe: 2026 | Kommentare: 2 | Bewertungen: 5 | Erstellt:03.10.2008
ø 8.2
KOMMENTARE
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xxlhonk
03.10.2008 | 13:43 Uhr
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xxlhonk : 
03.10.2008 | 13:43 Uhr
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xxlhonk : 
Sehr guter Blog.
Zum einen, weil ich sowohl auf Fussball, aber auch auf Football stehe. Zwar nicht auf die RAIDERS, sondern 49ers, aber egal
Und zum andern, weil dieser Blog sehr schön (be-)schreibt, was (all-)mächtige (alte) Männer für (verheerende) Wirkungen auf einen Club haben (können).
Und was Gladbach angeht:
Wenn die den Trainer rausschmeißen, sollen sie auch absteigen!
Denn das wäre in der Tat dann die absolut sinnvolle Konsequenz, denn das derzeitige Vorgehen ist der reinste Hohn und zeigt vor allem eines:
Die haben keinerlei Lehren aus der Vergangenheit gezogen und auch noch nicht genug gelitten, in Liga 2.
Wo der (traditionsreiche) Verein eigentlich nicht hingehört. Mit Ausnahme des Präsidenten.
Übrigens stand war am Anfang der letzten (zweitliga) Saison in einer ähnlichen Situation. Und, das festhlaten am Trainer hat sich dann doch ausgezahlt!
Es wird Zeit, dass diese altvorderen "Gönner" den Platz räumen und sachverständigen Männern Platz machen. Das trifft auf Gladbach, aber auch Nürnberg und mit Abstrichen auch auf Bochum zu.
Siehe Frankfurt, die haben den Wandel offensichtlich, nach Jahren des Auf- und noch mehr Abs, hinbekommen.
So wird ein Verein der "Neu"Zeit geführt. Und nicht nach diktatorischen Methoden!
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Barry_OK
03.10.2008 | 13:50 Uhr
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Barry_OK : 
03.10.2008 | 13:50 Uhr
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Barry_OK : 
Mike Shanahan wurde '89 gefeuert...
Du durftest wirklich mit Davis sprechen? Das, und die Tatsache dass er dich nicht beleidigt oder verprügelt hat, qualifiziert dich schon fast als beatwriter über die Raiders für jede amerikanische Zeitung
Mit Warren Sapp hat zuletzt übrigens erstmals ein ehemaliger Raider das bestätigt, was schon häufig vermutet wurde: Davis bekommt von Zeit zu Zeit einen Rückfall und möchte als Headcoach über die Spielzüge entscheiden
Es ist schon traurig, wie ein Mann sein Denkmal zerstört und aus Oakland die Jokeland Raiders macht...
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