16.11.2009 um 15:41 Uhr
Sensationen und Satire
In den vergangenen Tagen wurde viel geredet. In meinen Augen zu viel. Es wurde gemutmaßt, interpretiert und eine Menge Aktionismus betrieben. Und wahrscheinlich tun wir alle gut daran, uns jetzt ein wenig zurückzunehmen und Abstand zu gewinnen zu den Geschehnissen der letzten Woche.
Deshalb will ich, auch wenn mich der tragische Tod Robert Enkes selbst sehr betroffen gemacht hat, nicht einstimmen in den Chor der Spekulanten und Hobby-Psychologen. Vielmehr möchte ich den Fokus richten auf die mediale Begleitung der Trauer um Robert Enke. Vereinzelt ist bereits Kritik laut geworden an der übertriebenen Berichterstattung mit nicht enden wollenden Sondersendungen im Minutentakt. Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Im Kern geht es dabei wohl um die Frage, ob die Medien nur auf die allgemeine Anteilnahme reagiert oder diese durch die Fokussierung auf die Thematik erst heraufbeschworen haben. Doch weitere Überlegungen dazu scheinen müßig. Tatsache ist: Fußball-Deutschland hat getrauert – und die Medien waren dabei.
Ärgerlich ist hingegen, dass die Trauer um einen Fußballspieler von vielen selbsternannten Experten genutzt wurde, um sich in der Öffentlichkeit mal wieder in Szene zu setzen. Prominentestes Beispiel der allgemeinen Profilierungssucht ist der kürzlich in Duisburg entlassene Peter Neururer, der bereits am Abend des Suizids seine Betroffenheit in die Mikrofone der Republik flüsterte, um an den folgenden Tagen öffentlich mit über die Ursachen zu spekulieren. Zu ihm gesellten sich zahlreiche mehr oder weniger bekannte Vertreter aus der Welt des Sports, die in schier endlosem Da-Capo über Leistungsdruck, Menschlichkeit und Tabuisierung schwadronierten.
Bei aller konfusen Sinnsuche wurde denn auch zumeist eines übersehen: Es geht um das Thema Depressionen und damit um eine Krankheit, über die sich nur Mediziner und Betroffene fundiert äußern können. Sonst niemand. Wer als Laie Ursachenzusammenhänge zwischen sportlichem Leistungsdenken und dem Ausbruch einer Depression konstruiert, formuliert damit lediglich eine haltlose Spekulation und handelt angesichts der Sensibilität des Themas unverantwortlich.
Es konnte zudem kaum überraschen, dass sich auch und vor allem die Boulevardmedien mit sensationsgeilem Eifer auf die Tragödie stürzen würden. Wer die Bilder einer panischen Frau zeigt, die die Rettungskräfte voller Verzweiflung um Auskunft über das Schicksal ihres Mannes anfleht, kommt damit gewiss keiner journalistischen Informationspflicht nach, sondern bedient lediglich einen weit verbreiteten Voyeurismus. Die Sensationslust des Boulevards anzuprangern kommt jedoch bekanntlich dem Kampf gegen Windmühlen gleich.
Eine vergleichbar klägliche Rolle nahm auch Dauertalker Johannes B. Kerner ein, der am Folgetag in der eilig einberufenen Sondersendung mit investigativem Habitus das Wie und Warum des Unfassbaren abklopfen wollte. Und wie das so ist, wenn man zu viel redet, man stellt auch einige unsinnige Fragen. So fragte Kerner denn auch die Gesprächsteilnehmer, ob der Ort des Selbstmordes (in der Nähe des Grabs der verstorbenen Tochter) wohl bewusst so gewählt worden sei – und darf für sich den unrühmlichen Höhepunkt des medialen Rumspekulierens reklamieren. Inzwischen hat Kerner zugegeben, dass er sich diese Frage wohl besser gespart hätte. Immerhin.
Ich würde mir wünschen, ich könnte damit meine Rückschau auf die Rolle der Medien in den zurückliegenden Tagen beenden. Doch leider ist dies nicht alles. Denn auch das Satire-Magazin "Titanic" hat sich des Todes von Robert Enke angenommen und nicht davor zurückgeschreckt, selbst hierüber seine Scherze zu treiben. Man mag es meiner Naivität zuschreiben, dass ich insgeheim doch gehofft hatte, das von mir einst geschätzte Magazin würde dieses traurige Ereignis ausklammern. Es tat es nicht.
"Titanic" sah offensichtlich keinen Anlass zu respektvoller Zurückhaltung und "bespaßte" seine Leser mit geschmacklosen Witzchen zum Selbstmord Robert Enkes, die ich ganz bewusst hier nicht im Detail wiedergeben möchte. Leidlich amüsante Kalauer um den Begriff "Entgleisung" verbieten sich in meinen Augen aber genauso wie zynische Schlagzeilen über den betreffenden Lokführer. Mein persönliches Empfinden ist da eindeutig. Selbstverständlich kann man über Geschmack aber streiten. Und dennoch muss es erlaubt sein zu fragen, ob Satire wirklich alles darf.
Natürlich, mag man meinen, schließlich hat Satire in einer Demokratie eine gewisse Ventilfunktion. Sie sorgt dafür, dass sich unterschwellige Befindlichkeiten in der Gesellschaft Bahn brechen können und so – für jedermann sichtbar – zum Vorschein treten. Satire kenne daher keine Tabus. Alles müsse hier möglich sein, um sämtliche Gedanken und Meinungen in unserem Land auch repräsentieren zu können. So oder so ähnlich dürfte man wohl auch bei "Titanic" argumentieren.
Aber dürfen wir es uns wirklich so einfach machen und auf den Reinigungseffekt von Satire verweisen? Ich meine: Nein. So einfach ist eben nicht. Denn das hätte letztlich wohl zur Folge, dass jedwede Geschmacklosigkeit, jede Beleidigung, jede Respektlosigkeit gesellschaftlich zulässig wären, solange sie eben nur als Satire gelten. Folge wäre eine Flucht in die Satire, unter deren Deckmantel alles das erlaubt wäre, was sonst verpönt ist.
Und natürlich wird man dann fragen müssen, wo genau die Grenzen liegen. Was darf Satire und was darf sie nicht? Eine allgemeine Antwort wird man darauf wohl nicht finden. Aber das Spielen mit den Gefühlen der Angehörigen sollte auch für Satire Tabu sein. Und deshalb darf Satire vielleicht doch alles, sie sollte es aber nicht.
Deshalb will ich, auch wenn mich der tragische Tod Robert Enkes selbst sehr betroffen gemacht hat, nicht einstimmen in den Chor der Spekulanten und Hobby-Psychologen. Vielmehr möchte ich den Fokus richten auf die mediale Begleitung der Trauer um Robert Enke. Vereinzelt ist bereits Kritik laut geworden an der übertriebenen Berichterstattung mit nicht enden wollenden Sondersendungen im Minutentakt. Das kann man so sehen, muss man aber nicht. Im Kern geht es dabei wohl um die Frage, ob die Medien nur auf die allgemeine Anteilnahme reagiert oder diese durch die Fokussierung auf die Thematik erst heraufbeschworen haben. Doch weitere Überlegungen dazu scheinen müßig. Tatsache ist: Fußball-Deutschland hat getrauert – und die Medien waren dabei.
Ärgerlich ist hingegen, dass die Trauer um einen Fußballspieler von vielen selbsternannten Experten genutzt wurde, um sich in der Öffentlichkeit mal wieder in Szene zu setzen. Prominentestes Beispiel der allgemeinen Profilierungssucht ist der kürzlich in Duisburg entlassene Peter Neururer, der bereits am Abend des Suizids seine Betroffenheit in die Mikrofone der Republik flüsterte, um an den folgenden Tagen öffentlich mit über die Ursachen zu spekulieren. Zu ihm gesellten sich zahlreiche mehr oder weniger bekannte Vertreter aus der Welt des Sports, die in schier endlosem Da-Capo über Leistungsdruck, Menschlichkeit und Tabuisierung schwadronierten.
Bei aller konfusen Sinnsuche wurde denn auch zumeist eines übersehen: Es geht um das Thema Depressionen und damit um eine Krankheit, über die sich nur Mediziner und Betroffene fundiert äußern können. Sonst niemand. Wer als Laie Ursachenzusammenhänge zwischen sportlichem Leistungsdenken und dem Ausbruch einer Depression konstruiert, formuliert damit lediglich eine haltlose Spekulation und handelt angesichts der Sensibilität des Themas unverantwortlich.
Es konnte zudem kaum überraschen, dass sich auch und vor allem die Boulevardmedien mit sensationsgeilem Eifer auf die Tragödie stürzen würden. Wer die Bilder einer panischen Frau zeigt, die die Rettungskräfte voller Verzweiflung um Auskunft über das Schicksal ihres Mannes anfleht, kommt damit gewiss keiner journalistischen Informationspflicht nach, sondern bedient lediglich einen weit verbreiteten Voyeurismus. Die Sensationslust des Boulevards anzuprangern kommt jedoch bekanntlich dem Kampf gegen Windmühlen gleich.
Eine vergleichbar klägliche Rolle nahm auch Dauertalker Johannes B. Kerner ein, der am Folgetag in der eilig einberufenen Sondersendung mit investigativem Habitus das Wie und Warum des Unfassbaren abklopfen wollte. Und wie das so ist, wenn man zu viel redet, man stellt auch einige unsinnige Fragen. So fragte Kerner denn auch die Gesprächsteilnehmer, ob der Ort des Selbstmordes (in der Nähe des Grabs der verstorbenen Tochter) wohl bewusst so gewählt worden sei – und darf für sich den unrühmlichen Höhepunkt des medialen Rumspekulierens reklamieren. Inzwischen hat Kerner zugegeben, dass er sich diese Frage wohl besser gespart hätte. Immerhin.
Ich würde mir wünschen, ich könnte damit meine Rückschau auf die Rolle der Medien in den zurückliegenden Tagen beenden. Doch leider ist dies nicht alles. Denn auch das Satire-Magazin "Titanic" hat sich des Todes von Robert Enke angenommen und nicht davor zurückgeschreckt, selbst hierüber seine Scherze zu treiben. Man mag es meiner Naivität zuschreiben, dass ich insgeheim doch gehofft hatte, das von mir einst geschätzte Magazin würde dieses traurige Ereignis ausklammern. Es tat es nicht.
"Titanic" sah offensichtlich keinen Anlass zu respektvoller Zurückhaltung und "bespaßte" seine Leser mit geschmacklosen Witzchen zum Selbstmord Robert Enkes, die ich ganz bewusst hier nicht im Detail wiedergeben möchte. Leidlich amüsante Kalauer um den Begriff "Entgleisung" verbieten sich in meinen Augen aber genauso wie zynische Schlagzeilen über den betreffenden Lokführer. Mein persönliches Empfinden ist da eindeutig. Selbstverständlich kann man über Geschmack aber streiten. Und dennoch muss es erlaubt sein zu fragen, ob Satire wirklich alles darf.
Natürlich, mag man meinen, schließlich hat Satire in einer Demokratie eine gewisse Ventilfunktion. Sie sorgt dafür, dass sich unterschwellige Befindlichkeiten in der Gesellschaft Bahn brechen können und so – für jedermann sichtbar – zum Vorschein treten. Satire kenne daher keine Tabus. Alles müsse hier möglich sein, um sämtliche Gedanken und Meinungen in unserem Land auch repräsentieren zu können. So oder so ähnlich dürfte man wohl auch bei "Titanic" argumentieren.
Aber dürfen wir es uns wirklich so einfach machen und auf den Reinigungseffekt von Satire verweisen? Ich meine: Nein. So einfach ist eben nicht. Denn das hätte letztlich wohl zur Folge, dass jedwede Geschmacklosigkeit, jede Beleidigung, jede Respektlosigkeit gesellschaftlich zulässig wären, solange sie eben nur als Satire gelten. Folge wäre eine Flucht in die Satire, unter deren Deckmantel alles das erlaubt wäre, was sonst verpönt ist.
Und natürlich wird man dann fragen müssen, wo genau die Grenzen liegen. Was darf Satire und was darf sie nicht? Eine allgemeine Antwort wird man darauf wohl nicht finden. Aber das Spielen mit den Gefühlen der Angehörigen sollte auch für Satire Tabu sein. Und deshalb darf Satire vielleicht doch alles, sie sollte es aber nicht.
Aufrufe: 5099 | Kommentare: 20 | Bewertungen: 20 | Erstellt:16.11.2009
ø 8.2
KOMMENTARE
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17.11.2009 | 17:12 Uhr
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DerDugen :
also ich kann die z.T. zynischen und satirischen stimmen schon nachvollziehen; diese dauerberieselung mit dem thema nervt gewaltig; robert enke ist nicht der erste und einzige, der an seinen depressionen zugrunde gegangen ist.
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17.11.2009 | 17:21 Uhr
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Voegi :
aber dann sollte man den zynismus doch auch an die medien richten und nicht enke selbst zum gegenstand der satire machen.
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17.11.2009 | 18:57 Uhr
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Voegi :
@ edzu der frage des lokführers: ich will, wie gesagt, nicht an den spekualtionen teilnehmen. aber dass man den lokführer bedauern darf oder muss, sehe ich auch so. ob man enke daraus einen vorwurf machen kann, ist so eine sache. ich beschränke mich mal darauf: er hatte eine krankheit, deren auswirkungen wir alle nicht beurteilen können. und wir wissen daher auch nicht, inwiefern er in dieser situation zu einer rationalen entscheidung imstande war.
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17.11.2009 | 19:08 Uhr
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17.11.2009 | 22:03 Uhr
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sko9laz :
Ich halts mit Herrn Brehmer: "Satire ist, wenn man trotzdem lacht!" - ich habe gelacht, also geht's für mich in Ordnung.
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18.11.2009 | 09:10 Uhr
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Dr_D :
@EdHardy22
Niemand kann wissen wie es in jemanden aussieht der den Plan hat Suizid zu begehen. Warum welche Art gewählt wird. Aber es machen wohl sehr viele auf die gleiche Weise wie Robert Enke.
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18.11.2009 | 12:04 Uhr
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amicaro :
meine meinung dazu ist: satire darf nicht nur alles, satire soll alles. ich glaube es ist weniger ein spielen mit den gefuhelen der angehoerigen, sondern eher ein spielen mit den prostituierten gefuehlen der leute.warum schreibt niemand hier einen blog ueber die psychichen problemen von lokfuehrern nachdem sich jemand vor ihre lok geworfen hat?
auch ich habe getrauert als enke gestorben ist, was unueblich ist, denn normalerweise beruehrt mich es nicht wenn eine person, mit der ich keinen persoenlichen kontakt hatte, stirbt. aber mir geht dieses scheinheilige einseitige langsam auf den sack. im endeffekt ist er weggerannt, im endeffekt hat er dazu noch eine widerliche art gewaehlt aus dem leben zu scheiden und einem anderen menschen dadurch schaden zugefuegt und im endeffekt sollte jedes thema von allen seiten beleuchtet werden, auch wenn manche fuer manchen unappetitlich sind.
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18.11.2009 | 13:27 Uhr
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Dr_D :
@amicaro
Lok Führer Blogs gibt es bei Spox nicht, weil eine Sportplattform ist und keine Bahn Plattform. Ausserdem ist die Sicht eines Lokführeres für die breite Masse nicht so interessant, deshalb ist das (leider) nur ein Randthema in der Berichterstattung gewesen.
Meiner Meinung nach darf Satire nicht alles, viel aber nicht alles.
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18.11.2009 | 15:11 Uhr
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amicaro :
sry, aber du hast glaub ich nicht ganz meinen punkt nachvollziehen koennen.
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Statistik
Das ist nicht nur auf die Titanic Satire bezogen.
Ich finde die tagelange "Berichterstattung" und Experten Stimmen viel schlimmer. Aber jedes TV und Radio Gerät hat auch einen Aus Schalter.
Ich hab das an anderer Stelle schon mal geschrieben, wer selbst noch nie in einer Situation wie die Famile Enke gestanden hat, kann sich keine Meinung dazu erlauben und spekulieren.